T 1299/15 () of 23.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T129915.20190523
Datum der Entscheidung: 23 Mai 2019
Aktenzeichen: T 1299/15
Anmeldenummer: 08785286.9
IPC-Klasse: F16L55/165
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Sanieren von Rohrleitungen
Name des Anmelders: Brandenburger Patentverwertung GBR
Name des Einsprechenden: Per Aarsleff A/S
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b) (2007)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung (nein)
Ausreichende Offenbarung - Übergang der Beweislast
Ausreichende Offenbarung - Plausibilität
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 191 187 zurückgewiesen worden ist.

II. Der Einspruch stützte sich auf die in Artikel 100 (a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der fehlenden Neu­heit, Artikel 54 EPÜ und der mangelnden erfin­de­rischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ sowie auf die in Artikel 100 (b) und (c) EPÜ genannten Ein­spruchs­gründe.

III. Am 23. Mai 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 2 191 187 zu widerrufen.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage des Hauptantrags oder des Hilfsantrags I, beide eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, aufrecht zu erhalten.

VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 gemäß Hauptantrag lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Sanieren von Rohrleitungen durch Einführen eines Faserschlauches, der mit einem licht­härtbaren Reaktionsharz getränkt ist, in die Rohrlei­tung und Härten des Harzes, indem Licht emittierende Dioden (2) durch die Rohrleitung gezogen werden, die an der Umfangsoberfläche eines spiralförmigen Trägers (1') angeordnet ist, wobei die Dioden an der Umfangsober­fläche des spiralförmigen Trägers (1') angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Dioden (2) auf dem spiralförmigen Träger (1') in mehreren parallelen wendelartigen Bereichen (3') angeordnet sind, wobei die Dioden (2) auf den jeweils benachbarten Bereichen (3') in Längsrichtung des Trägers betrachtet wechselweise umfänglich gegen­ein­ander versetzt sind, und dass eine Verstelleinrichtung vorgesehen ist, mit welcher der spiralförmige Träger (1') in radialer Richtung auseinander- oder zusammen­fahrbar ist."

"6. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche, umfassend einen spiralförmigen Träger (1') mit einer Vielzahl von darauf angeordneten Licht emittierenden Dioden (2), welcher durch eine zu bestrahlende Rohrleitung hindurchführbar ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Dioden (2) auf dem Träger (1') in mehreren parallelen wendelartigen umfänglichen Bereichen (3') angeordnet sind, wobei die benachbarten Dioden (2) zweier aneinander angrenzender Bereiche (3') in Längsrichtung des Trägers (1') betrachtet wechselweise umfänglich zueinander versetzt sind, und dass eine Verstelleinrichtung vorgesehen ist, mit welcher der spiralförmige Träger (1') in radikaler [sic] Richtung auseinander- oder zusammenfahrbar ist."

VII. Der einzige unabhängige Anspruch (Anspruch 1) gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt:

"Vorrichtung umfassend einen spiralförmigen Träger (1') mit einer Vielzahl von darauf angeordneten Licht emittierenden Dioden (2), welcher durch eine zu bestrahlende Rohrleitung hindurchführbar ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Dioden (2) auf dem Träger (1') in mehreren parallelen wendelartigen umfänglichen Bereichen (3') angeordnet sind, wobei die benachbarten Dioden (2) zweier aneinander angrenzender Bereiche (3') in Längsrichtung des Trägers (1') betrachtet wechselweise umfänglich zueinander versetzt sind, und dass eine Verstelleinrichtung vorgesehen ist, mit welcher der spiralförmige Träger (1') in radikaler [sic] Richtung auseinander- oder zusammenfahrbar ist."

VIII. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die Verstell­einrichtung (Anspruch 1 des Haupt- und Hilfsantrags I) werde nur im Absatz [0022] der Patent­schrift erwähnt, ohne dass es ein konkretes Ausfüh­rungs­beispiel dafür gebe. Eine solche Verstell­ein­richtung benötige eine Sonderanfer­tigung, welche einen Fachmann für die Sanierung von Rohrleitungen überfor­dere. Selbst wenn hierzu ein Maschinenbauinge­nieur hinzu­gezogen werde, bestünden berechtigte Zweifel an der Ausführbarkeit: Die Konstruktion einer solchen Verstelleinrichtung stelle eine unangemessene Belastung ("undue burden") dar, die das normale fachmännische Können übersteige. So müsse sich der Fachmann mit folgenden Punkten auseinandersetzen:

- wie viele Arme seien erforderlich, um den Träger richtig abzustützen, damit er seine Spiralform beibehalte, ohne an den Stellen, an denen die Arme an der Innenseite des Trägers anliegen, irgend­welche Ausbuchtungen zu erzeugen. Solche Ausbuch­tungen würden unvermeidlich zu einer ungleich­mäßigen Ausleuchtung führen, da der Abstand zwischen den Dioden und der Rohrleitung mit der Faserhülle nicht gleichmäßig wäre: einige Dioden wären näher an der Hülle als andere;

- wenn der Durchmesser der Spirale vergrößert werde, verringere sich dadurch zwingend gleichzeitig die Länge der Spirale: wenn die Arme den Spiralenträger nach außen drückten, ziehe sich der Träger in der Längsrichtung der Spirale zusammen. Dies gehe mit einer Längsverschiebung der Windungen der Spirale beim ändern des Durch­messers einher. Diese Längsbewegung der Windungen wirke sich zwingend auf die Gestaltung der Arme aus: die Arme könnten eine reine radiale Ausrichtung dabei nicht einhalten, weil sonst die Windungen von dem trägerseitigen Ende der Arme in Längsrichtung der Spirale bei einer Durch­messer-Veränderung rutschen würden;

- wenn die Trägerspirale verbreitert werde, bewegen sich zudem benachbarte Punkte auf benachbarten Wicklungen in entgegengesetzten Richtungen, was den Aufbau der Arme der Verstellvorrichtung noch schwieriger mache;

- sofern eine Gleitverbindung zwischen dem Träger und den Armen der Verstellvorrichtung bestehe, sei dem Fachmann nicht klar, wie diese Gleitverbindung funktionieren solle: der Druck zwischen den Armen und der Innenseite des Trägers nehme bei einer Vergrößerung des Durch­messers zu: Da die Arme der Verstellvorrichtung einen radialen Druck gegen die Innenseite des Trägers ausüben, um diesen zu verbreitern, entsteht zwangsläufig eine erhebliche Reibung zwischen den Kontaktflächen. Um den spiralförmigen Träger gemäß der Erfindung zu verbreitern, müssen sich die Wicklungen dabei in Umfangsrichtung bewegen, wobei sich jede benachbarte Wicklung in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Die Verstelleinrichtung übt jedoch einen Druck in radialer Richtung und senkrecht zur Bewegung der Wicklungen aus, der die Gleitfähigkeit zunehmend behindert, wenn der Träger verbreitert werde;

- gemäß der Beschreibung könne der Träger aus Kunststoff oder weichem Metall wie Aluminium hergestellt sein, das einfach brechen würde, wenn z.B. Pneumatikarme mit der Innenfläche der Wicklungen zusammenwirkten. Wie sollte auch die korrekte Ausrichtung der Arme kontrolliert werden, damit sich die Arme beim Ändern des Trägerdurch­messers nicht verdrehten?

- der Träger müsse letztendlich durch Vergrößerung des Durchmessers im Rohr in seine Betriebsstellung zum Ausleuchten gebracht werden. Ungleiche Reibung am Ende der Auflageflächen würde dabei den Träger nicht gleichmäßig erweitern und daher nicht zu einer gleichmäßigen Ausleuchtung führen;

- es sei für den Fachmann somit nicht eindeutig wie diese Arme anzuordnen, zu lagern und zu steuern seien, so dass sich die Dioden auf den jeweils benachbarten Bereichen in Längsrichtung des Trägers betrachtet wechselweise umfänglich gegeneinander versetzt einstellen ließen.

In Folge dieser Argumente könne der beanspruchte Gegenstand vom Fachmann nicht ohne übermäßige Belastung ausgeführt werden.

Die Patentinhaberin wurde dazu aufgefordert eine dem Patentanspruch entsprechende Verstelleinrichtung in der mündlichen Verhandlung vorzustellen. Da es kein Ausführungsbeispiel gäbe, könne die Beschwerdeführerin die Erfindung nicht nacharbeiten, um die Ausführbarkeit zu prüfen. Somit sei der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 6 nicht ausreichend offenbart.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags I entspreche Anspruch 6 des Hauptantrags. Die nicht ausreichende Offenbarung werde dadurch nicht behoben.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Einem Fachhoch­schulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau sei aufgrund seiner praktischen Erfahrung in der Lage anhand der Beschreibung im Absatz [0022] der Patentschrift eine Verstelleinrichtung zu konstruieren, bei der pneumatische oder mechanisch betätigte Arme auf die Innenseite des spiralförmigen, in Figur 2 gezeigten Trägers wirkten, um diesen auseinander zu drücken.

Die Arme könnten beispielsweise als gegenüberliegende auseinanderfahrbare Zylinder, wie in der folgenden Skizze gezeigt, angeordnet sein:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die mit der Änderung des Durchmessers des Trägers einhergehenden Verschiebungen der Windungen in Trägerlängsrichtung könnten z.B. durch Gleiten auf verbreiterten Auflageflächen - z.B. aus Teflon - am Ende der Arme (in der Skizze links oben, mit gestrichelten Linien veranschaulicht) aufgefangen werden. Die Arme müssten sich somit nicht beim auseinander- oder zusammenfahren zusätzlich in Trägerlängsrichtung bewegen. Ungleiche Reibung am Ende der jeweiligen Auflageflächen würden beim Verkleinern des Durchmessers keine Rolle spielen. Es gäbe auch weitere Möglichkeiten, die Reibung zu vermindern, z.B. mit Rollen. Es liege an der Beschwerdeführerin die mangelnde Ausführbarkeit zu beweisen.

Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 6 sei für den Fachmann ausreichend offenbart.

Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag I sei auf die Vorrichtungsansprüche beschränkt.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Einwand unter Artikel 100(b) EPÜ

1.1 Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Offenbarung einer Patentschrift an den Fachmann gerichtet, der die in der Patentschrift enthaltenen Informationen durch sein allgemeines Fachwissen vervollständigen kann, wobei Nachschlagewerke und allgemeine technische Literatur zum allgemeinen Fachwissen gehören, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, Kapitel II.C.3.1 (Seite 379).

1.2 Der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit richtet sich im Wesentlichen darauf, dass das Streitpatent die Verstelleinrichtung, "mit welcher der spiralförmige Träger (1') in radialer Richtung auseinander- oder zusammen­fahrbar ist" (Anspruch 1, Haupt- und Hilfsantrag I) nicht ausreichend offenbare.

1.3 Diese Verstelleinrichtung wird im Streitpatent alleine im Absatz [0022] angesprochen. Die Offenbarung dieses Absatzes erschöpft sich darin, dass "beispielsweise eine in den Figuren nicht näher gezeigte Verstell­einrichtung vorgesehen sein kann, die z.B. über in radialer Richtung pneumatisch oder mechanisch aus­einanderfahrbare Arme auf die Innenseite des spiral­förmigen Trägers oder Grundkörpers 1' wirkt, um diesen zu expandieren oder zusammen zu fahren".

1.4 Im Punkt II.2.2 der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Meinung, dass mit den im Absatz [0022] der Patentschrift enthaltenen Hinweisen ein Durchschnittsfachmann genügend Anleitung finde, um den Verstellmechanismus auszuführen. Er würde die Arme geeignet wählen und anordnen. Ohne erfinderisches Zutun würde er die Arme so konstruieren, dass diese radial von innen auf die Spirale einwirken. Für derartige Ausführungen sei ein explizites Ausführungsbeispiel nicht nötig.

1.5 Es stellt sich somit die Frage, ob die Angaben des Absatzes [0022] diese "Verstelleinrichtung" so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

1.5.1 Die Kammer ist hierzu der Auffassung, dass der Fachmann für die Sanierung von Rohrleitungen einen Maschinen­bauingenieur zu Rate ziehen würde, wenn er es zur Verwirklichung der "Verstelleinrichtung" für erforderlich halten sollte.

1.5.2 Die Spirale gemäß Figur 2 besteht aus einem Träger mit einer abgewickelt bestimmten Länge.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Wenn dieser Träger eine Spiralform mit Windungen größeren Durchmessers annimmt, sind damit weniger Windungen geformt, als wenn derselbe Träger eine Spiralform mit Windungen mit kleinerem Durchmesser annimmt. Wenn der spiralförmige Träger also in radialer Richtung auseinander- oder zusammengefahren wird, so ändert sich zwangsläufig die Anzahl der Windungen, bzw. deren Lage zueinander. Die Windungen verlagern sich also sowohl in radialer als auch in axialer Richtung.

Eine Verstelleinrichtung, die dafür vorgesehen ist, den spiralförmigen Träger in radialer Richtung auseinander- oder zusammenzufahren, muss für diese gleichzeitige radiale und axiale Verlagerung der Windungen geeignet sein. Gemäß der Patentschrift Absatz [0022] können dazu auseinanderfahrbare Arme vorgesehen werden, die auf die Innenseite des spiralförmigen Trägers wirken.

1.6 In der Patentschrift ist kein konkretes Ausführungs­beispiel der Verstelleinrichtung offenbart. Es wird dort überhaupt nicht darauf eingegangen wie die Verstelleinrichtung gestaltet sein muss damit sie die komplexen drei-dimensionalen Bewegungen der Windungen, die beim radialen Auseinander- oder Zusammenfahren des spiralförmigen Trägers entstehen (siehe Punkt 1.5.2), aufnehmen kann.

Hinsichtlich der Gestaltung der auseinanderfahrbaren Arme der Verstelleinrichtung ist zu berücksichtigen:

- das Einwirken der auseinanderfahrbaren Arme auf die Innenseite des spiralförmigen Trägers wird durch die komplexen drei-dimensionalen Bewegungen der Windungen ebenfalls komplex: einerseits könnten die Windungen dabei während der axialen Bewegung von den Enden der Arme rutschen und andererseits sind die dabei entstehenden Reibungskräfte möglichst gleichmäßig zu überwinden, um die Spiralform des Trägers beizubehalten;

- wie viele auseinanderfahrbare Arme müssen in welcher Lage angeordnet werden, dass die für eine gleichmäßige Ausleuchtung erforderliche Spiralform des Trägers beim radialen Auseinander- oder Zusammenfahren möglichst genau beibehalten wird? Bei der Anordnung mit zwei gegenüberliegenden Armen entsprechend der Skizze der Beschwerdegegnerin würde sich der Träger an dieser Stelle - wie gezeichnet - z.B. ungleichmäßig, d.h. oval verformen;

- der Fachmann müsste zudem in der Lage sein, diese Verstelleinrichtung so zu betätigen, dass sich die Dioden auf den jeweils benachbarten Bereichen in Längsrichtung des Trägers betrachtet wechselweise umfänglich gegeneinander versetzt einstellen ließen.

1.7 Die Beschwerdeführerin meint, dass die Verwirklichung einer solchen Verstelleinrichtung das normale fach­männische Können übersteige, bzw. dass der Fachmann dazu erfinderisch tätig werden müsste.

Nach ständiger Rechtsprechung trägt die Einsprechen­de, hier Beschwerdeführerin die Beweislast für den Nachweis einer behaupteten mangelnden Ausführbarkeit. Da in der Patentschrift aber kein Ausführungsbeispiel für die Verstelleinrichtung beschrieben ist, konnte die Beschwerdeführerin den Nachweis der mangelnden Ausführbarkeit nicht anhand eines beschriebenen Ausführungsbeispiels führen, sondern nur mit Plausibilitätsüberlegungen stützen, was sie (siehe Punkt VIII.) auch getan hat. Damit ist die Beweislast zum Nachweis des Gegenteils auf die Patentinhaberin, hier Beschwerdegegnerin übergegangen.

1.8 Die Beschwerdegegnerin argumentierte anhand einer in der mündlichen Verhandlung angefertigten Skizze (siehe IX.), dass der Fachmann eine Verstell­einrichtung, mit welcher der spiralförmige Träger in radialer Richtung auseinander- oder zusammenfahrbar ist, im Rahmen seines üblichen Fachwissens ausführbaren könne:

- der Fachmann würde eine ausreichend breite Auflage­fläche der Windungen an den Enden der Arme (in der Skizze links oben, mit gestrichelten Linien veranschaulicht) vorsehen, so dass die Windungen während der Bewegung nicht von den Enden der Arme rutschen;

- der Fachmann würde Gleitflächen an den Enden der Arme vorsehen - z.B. aus Teflon oder mit Rollenlager - um die Reibung zu reduzieren;

- der Fachmann würde eine ausreichende Anzahl an Armen vorsehen, um die Spiralform des Trägers beim auseinanderfahren der Arme beizubehalten; und

- der Fachmann würde den Träger so konstruieren, dass sich die Dioden auf den jeweils benachbarten Bereichen in Längsrichtung des Trägers betrachtet wechselweise umfänglich gegeneinander versetzt einstellen ließen.

1.9 Die Kammer kommt in Folge der Ausführungen der Parteien zum Schluss, dass die Verwirklichung einer Verstellein­richtung, mit welcher der spiralförmige Träger in radialer Richtung auseinander- oder zusammenfahrbar ist, wegen der dabei entstehenden Bewegungen der Windungen (siehe Punkt 1.5.2) auch für einen Maschinen­bau­ingenieur äußerst komplex ist.

Im Streit­patent gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte, wie die verschie­denen Anforderungen an die Verstell­einrichtung (Anzahl der Arme und Reibungsproblematik bezüg­lich der Formgenauigkeit der Spiralform des Trägers bzw. bezüg­lich der Einstellbarkeit des Trägers, damit die Dioden auf den jeweils benachbarten Bereichen in Längsrichtung des Trägers betrachtet wechselweise umfänglich gegen­ein­an­der versetzt sind) zu lösen sind.

Es wurde seitens der Beschwerdegegnerin auch nicht vor­getragen bzw. belegt, dass derartige Verstellein­rich­tun­gen dem Fachmann bereits als solche bekannt wären.

Es mag durchaus sein, dass der Fachmann für die einzelnen in Punkt 1.6 beschriebenen Probleme Lösungen findet, wie es die Beschwerdegegnerin ausgeführt hat (siehe Punkt 1.8). Die Kammer hat allerdings große Zweifel, ob ein Maschinenbauingenieur eine Verstellein­richtung schaffen könnte, die keines der genannten Probleme aufweist, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Da die Beweislast auf der Beschwerdegegnerin übergegan­gen ist, gehen die genannten Zweifel zu ihren Lasten.

1.10 Der Gegenstand des Anspruchs 6 gemäß Hauptantrag ist im Streitpatent daher nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann (Artikel 100(b) EPÜ).

2. Hilfsantrag I - Einwand unter Artikel 100(b) EPÜ

2.1 Hilfsantrag I unterscheidet sich vom Hauptantrag nur dadurch, dass die Verfahrensansprüche entfallen sind. Anspruch 1 des Hilfsantrags I entspricht somit Anspruch 6 des Hauptantrags und beinhaltet ein im Wesentlichen identisches Merkmal bezüglich der Verstelleinrichtung:

"... und dass eine Verstelleinrichtung vorgesehen ist, mit welcher der spiralförmige Träger (1') in radikaler [sic] Richtung auseinander- oder zusammenfahrbar ist".

2.2 Somit haben die im Hilfsantrag I vorgenommenen Änderungen keine Auswirkungen auf die voranstehende im Kontext des Hauptantrags begründete Entscheidung bezüglich der Ausführbarkeit der beanspruchten Verstelleinrichtung. Diese Entscheidung gilt somit auch entsprechend für den Hilfsantrag I: Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I ist im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann (Artikel 100(b) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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