T 1298/15 () of 13.6.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T129815.20190613
Datum der Entscheidung: 13 Juni 2019
Aktenzeichen: T 1298/15
Anmeldenummer: 07801784.5
IPC-Klasse: B05B 15/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: REINIGUNGSVORRICHTUNG FÜR ZERSTÄUBER, INSBESONDERE FARBSPRITZPISTOLEN, SOWIE VERFAHREN ZUR REINIGUNG EINES ZERSTÄUBERS
Name des Anmelders: Volkswagen Aktiengesellschaft
Industra
Industrianlagen Maschinen + Teile GmbH
Name des Einsprechenden: Dürr Systems AG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 114(1)
European Patent Convention Art 114(2)
European Patent Convention Art 113(1)
European Patent Convention Art 112(1)(a)
European Patent Convention Art 111(2)
European Patent Convention Art 99(1)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention R 103(1)(a)
European Patent Convention R 106
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 23
Schlagwörter: Spät eingereichter Einspruchsgrund - zugelassen (nein) - korrekte Ermessenausübung (ja) - im Beschwerdevefahren zugelassen (nein)
Verspätetes Vorbringen - Dokument zugelassen (nein)
Verspätetes Vorbringen - korrekte Ermessensausübung (ja)
Rechtliches Gehör - Verletzung (nein)
Rechtliches Gehör - wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
Rügepflicht - Einwand als verfrüht zurückgewiesen
Rügepflicht - Einwand nicht weiterverfolgt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0010/91
G 0001/95
G 0007/95
R 0005/13
T 0085/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0178/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 056 970 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, form- und fristgemäß Beschwerde eingelegt.

Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ (unzureichende Offenbarung).

II. Mit dem Bescheid vom 9. April 2019 teilte die Kammer ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde zurückzuweisen wäre.

Am 13. Juni 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Es wurden insbesondere folgende Aspekte erörtert:

- Überprüfung der Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung über die Nichtzulassung des auf die Offenbarung des Dokuments D12 gestützten verspäteten Neuheitseinwandes;

- Zulassung ins Beschwerdeverfahren des auf die Offenbarung des Dokuments D12 gestützten verspäteten Neuheitseinwandes;

- Zulassung ins Beschwerdeverfahren des Dokuments D12 als Basis für den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit;

- erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag im Hinblick auf folgende Argumentslinien der Beschwerdeführerin:

(a) ausgehend vom Dokument D12 als nächstliegendem Stand der Technik Kombinationen mit den Dokumenten D1, D5, D8, D9, D10 und D13 (D13 als Beleg für das allgemeine Fachwissen);

(b) ausgehend vom Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik Kombinationen mit den Dokumenten D5, D8, D9, D10 und D13 (als Beleg für das allgemeine Fachwissen);

- Einwand mangelnder Ausführbarkeit der Erfindungsgegenstände;

- Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr, bezogen auf die geltend gemachten Verfahrensmängel im Einspruchsverfahren;

- Antrag auf Vorlage von vier Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer;

- Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung, bezogen auf das Dokument D12.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen. Der Tenor der vorliegenden Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und

das europäische Patent Nr. 2 056 970 zu widerrufen, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen (Hauptantrag),

hilfsweise,

für den Fall der Nichtzulassung von Dokument D12 oder des Einspruchsgrundes des Neuheitsmangels der Großen Beschwerdekammer vier Rechtsfragen vorzulegen, von denen drei im Schriftsatz vom 23. September 2015 unter Punkt E.5a und eine im Schriftsatz vom 10. Mai 2019 unter Punkt A formuliert sind,

die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung unter Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuverweisen.

IV. Die Beschwerdegegnerinnen beantragten

die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag),

hilfsweise,

bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis eines der mit Schriftsatz vom 5. Februar 2016 als Hilfsanträge 1 bis 5 eingereichten Anspruchssätze aufrechtzuerhalten.

V. In der vorliegenden Entscheidung sind die folgenden relevanten Dokumente zitiert:

D1: GB 2 198 033 A;

D5: US-A-3 771 539 A;

D8: WO 97/18903 A;

D9: JP S 59-127671 A;

D10: US-A-4 827 955 A; und

D12*: DE 101 29 667 A.

D13**: Judith Pietschmann, "Industrielle Pulverbeschichtung - Grundlagen Anwendungen Verfahren", 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Oktober 2003, Friedr. Vieweg & Sohn Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, Seiten IX, X und 234.

*Das Dokument D12 wurde von der Einspruchsabteilung ins Verfahren nicht zugelassen (angefochtene Entscheidung, Punkt 2.3).

**Das Dokument D13 wurde von der Beschwerdeführerin zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung gemäß Artikel 12 (2) VOBK eingereicht.

VI. Vorrichtungsanspruch 1 des Hauptantrags entspricht Vorrichtungsanspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung und lautet wie folgt:

"Reinigungsvorrichtung für Zerstäuber (8), insbesondere Farbspritzpistolen, umfassend mindestens

- eine Zerstäuberaufnahme (3) zur Aufnahme eines Zerstäubers (8), vorzugsweise eines Spritzpistolenkopfes,

- eine Mischeinrichtung (9) mit einem Drucklufteingang (10), einem Reinigungsmitteleingang (11) und einem Gemischausgang (12), wobei

- die Mischeinrichtung (9) dazu eingerichtet ist, dass Druckluft über den Drucklufteingang (10) mit einem Druckluftdruck zuführbar ist, wobei

- die Mischeinrichtung (9) dazu eingerichtet ist, dass Reinigungsmittel über den Reinigungsmitteleingang (11) mit einem Reinigungsmitteldruck zuführbar ist, wobei

- die Mischeinrichtung (9) dazu eingerichtet ist, die Druckluft und das Reinigungsmittel zu mischen und dem Gemischausgang (12) als Druckluft-Reinigungsmittel-Gemisch zuzuführen, wobei

- eine Sprüheinrichtung, die mit dem Gemischausgang (12) verbunden ist, auf die Zerstäuberaufnahme (3) ausgerichtet ist und zum Versprühen des Reinigungsgemisches geeignet ist,

wobei die Mischeinrichtung (9) dazu eingerichtet ist, die Druckluft mit einer Druckdifferenz gegenüber dem Reinigungsmittel dem Gemischausgang (12) zuzuführen, wobei die Mischeinrichtung (9) ferner dazu eingerichtet ist, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang (12) zuzuführen,

dadurch gekennzeichnet, dass

als Sprüheinrichtung ein erstes Spülrohr (1) und ein zweites Spülrohr (2) vorgesehen sind, wobei die Spülrohre (1, 2) in das Gehäuse (5) hineinragen, wobei die Spülrohre (1, 2) eine geometrische Längsachse aufweisen und wobei die Spülrohre (1,2) derart auf die Zerstäuberaufnahme (3) ausgerichtet sind, dass sich die geometrischen Längsachsen im Mittelpunkt der Zerstäuberaufnahme (3) kreuzen."

Verfahrensanspruch 10 des Hauptantrags entspricht Verfahrensanspruch 10 des Patents in der erteilten Fassung und lautet wie folgt:

"Verfahren zur Reinigung eines Zerstäubers mit einer Reinigungsvorrichtung gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass Druckluft mit einer Druckdifferenz gegenüber dem Reinigungsmittel dem Gemischausgang (12) zugeführt wird, wobei die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang (12) zugeführt wird."

Auch die abhängigen Ansprüche des Hauptantrages entsprechen mit Ausnahme des in Anspruch 13 geänderten Rückbezuges allein auf die Ansprüche 10 oder 11 (ohne zusätzlichen Rückbezug auf Anspruch 12) den abhängigen Ansprüchen des Patents in der erteilten Fassung.

Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 5 ist angesichts der getroffenen Entscheidung nicht relevant.

VII. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen und wird im Übrigen in den Gründen im Detail diskutiert:

Zulassung ins Verfahren des verspätet geltend gemachten Einspruchsgrundes der fehlenden Neuheit

Die prima facie Relevanz des verspätet eingereichten Einspruchsgrunds sei nicht das einzige Kriterium für dessen Zulassung in Betracht zu ziehen. Da die Einspruchsabteilung nur dieses Kriterium angewendet habe, liege ein Ermessensfehlgebrauch vor.

Der verspätet eingereichte Einspruchsgrund sei ins Beschwerdeverfahren zuzulassen, weil sich die Umstände im Vergleich zum Einspruchsverfahren wegen der Einreichung von neuen Hilfsanträgen geändert hätten.

Falls der verspätet eingereichte Einspruchsgrund für die endgültige Entscheidung als relevant zu bewerten ist, könne auch die Beschwerdekammer ihn ohne Zustimmung der Patentinhaberinnen ins Beschwerdeverfahren zulassen.

Zulassung ins Verfahren der verspätet eingereichten Entgegenhaltung D12

Die Einspruchsabteilung habe fehlerhaft aus den folgenden Gründen das Dokument D12 nicht zugelassen:

- ein Widerspruch liege zwischen der mündlich verkündeten Entscheidung einerseits und der schriftlich begründeten Entscheidung andererseits vor,

- die schriftliche Entscheidung über die Nichtzulassung des Dokuments D12 sei überraschend, so dass das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin dadurch verletzt sei,

- die Einspruchsabteilung sei unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien (prima facie Relevanz des Dokuments D12 für erfinderische Tätigkeit) ergangen,

- die Einspruchsabteilung habe rechtsfehlerhaft nur ein Kriterium (prima facie Relevanz) für die Nichtzulassung angewendet, während andere Kriterien auch anzuwenden seien.

Diese Gründe stellten einen wesentlichen Verfahrensmangel dar und müssten für sich genommen zur Aufhebung der Zwischenentscheidung führen.

Ein Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit mit der Lehre von D12 sei von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ausführlich erhoben bzw. vorgetragen worden. Da die Einspruchsabteilung ihn in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt habe, sei das rechtliches Gehör der Beschwerdeführerin verletzt.

Zulassung ins Verfahren des Dokuments D13

Das Dokument D13 betreffe das Fachwissen des Fachmanns, so dass es ins Beschwerdeverfahren zuzulassen sei.

Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a), 56 EPÜ)

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht erfinderisch:

- ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmanns belegt durch D13 oder der Lehre von D5, D9 oder D10 (Merkmal J) und mit der Lehre von D8 (Merkmal K), oder

- im Lichte der Offenbarung von D12 allein, oder ausgehend von D12 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D8 (Merkmal K), von D1 (Merkmal I) und von D5, D9 oder D10 (Merkmal J).

Ausführbarkeit (Artikel 100 b), 83 EPÜ)

Anspruch 1 definiere in den Merkmalen H und I (siehe Merkmalsgliederung der angefochtenen Entscheidung, Punkt 1.1 sowie Punkt 5 unten) die Drücke am Gemischausgang der Mischeinrichtung. Es sei jedoch technisch nicht möglich, dass am Gemischausgang der Mischeinrichtung unterschiedliche Drücke herrschen, nämlich ein relativ kleiner Reinigungsmitteldruck und ein relativ großer Druckluftdruck. Anspruch 1 sei wegen der Merkmale H und I nicht ausführbar.

Die Drücke gemäß Merkmalen H und I seien zu unterscheiden von dem Druck von Reinigungsmittel bzw. Druckluft am Reinigungsmitteleingang bzw. am Drucklufteingang (vgl. Merkmal C). Das Streitpatent beschreibe jedoch nicht explizit, wie dieses Druckverhältnis gemäß Merkmal I realisiert werden könne, sofern nicht bereits die Eingangsdrücke das beanspruchte Druckverhältnis aufwiesen. Merkmal I enthalte keine strukturellen Merkmale. In der Beschreibung finde sich ein pauschaler Hinweis auf eine Düse, die wohl zur Drosselung eingesetzt werden solle. Es sei jedoch völlig unklar, wie diese Düse ausgebildet sein solle und wo konkret diese Düse angeordnet sein solle. Der Fachmann wisse nicht, wie Merkmal I auszuführen sei.

Die Gründe mangelnder Ausführbarkeit gölten auch für Anspruch 10.

Der Unteranspruch 4 sei in seiner Rückbeziehung auf den Unteranspruch 3 nicht ausführbar, weil die Druckverhältnisse gemäß Unteranspruch 3 einerseits und Unteranspruch 4 andererseits widersprüchlich seien.

Das Streitpatent enthalte keine Beschreibung einer Mischeinrichtung, die wahlweise verschiedene Druckverhältnisse einstellen könne. Eine solche Mischeinrichtung gehöre nicht zum Fachwissen, das zudem nicht nachgewiesen worden sei.

Antrag auf Vorlagen von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer

Da es keine einheitliche ständige Rechtsprechung der Kammern zur Frage gebe, wie eine Einspruchsabteilung ihr Ermessen über die Zulassung verspätet vorgebrachter Entgegenhaltungen bzw. verspätet geltend gemachter Einspruchsgründe ausüben müsse, sei die Vorlage von Rechtsfragen diesbezüglich an die Große Beschwerdekammer gerechtfertigt.

Zurückverweisungsantrag an die Einspruchsabteilung

Der Antrag der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung sei aus folgenden Gesichtspunkten begründet:

- das Dokument D12 sei von der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigt worden, und

- die Nichtzulassung des Dokuments D12 und des Einspruchsgrundes der fehlenden Neuheit verletzten das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin.

Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Der Begründungsmangel der Ermessensentscheidung und die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Einspruchsabteilung rechtfertigten die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Verfahrensrüge

Im Hinblick auf einen möglichen Überprüfungsantrag gemäß Artikel 112a (1) (c) EPÜ erhebt die Beschwerdeführerin bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens (Beschwerdebegründung, Punkt G) eine Verfahrensrüge gemäß Regel 106 EPÜ im schriftlichen Beschwerdeverfahren "für den Fall, dass die Beschwerdekammer die Entgegenhaltung D12 oder den Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit wider Erwarten nicht zulassen sollte." Die Nichtzulassung der Entgegenhaltung D12 oder des Einspruchsgrunds der fehlenden Neuheit stelle einen Verfahrensmangel dar, da das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt sei.

Die Beschwerdeführerin hat diese Rüge im weiteren Verfahren von der Beschwerdeführerin weder argumentativ weiterverfolgt noch förmlich in Bezug auf einen Verfahrenshinweis oder eine Verfahrenshandlung seitens der Kammer erhoben, obschon die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK die Rüge als verfrüht und in der Sache unbegründet beurteilt hatte.

VIII. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen lässt sich wie folgt zusammenfassen und wird im Übrigen in den Gründen im Detail diskutiert:

Zulassung ins Verfahren des verspätet geltend gemachten Einspruchsgrundes der fehlenden Neuheit

Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen bezüglich des verspäteten Vorbringens des neuen Einspruchsgrunds korrekt ausgeübt. Die Beschwerdegegnerinnen seien nicht damit einverstanden, dass der neue Einspruchsgrund ins Beschwerdeverfahren eingeführt wird.

Zulassung ins Verfahren der verspätet eingereichten Entgegenhaltung D12

Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen bezüglich des verspäteten Vorbringens des Dokuments D12 korrekt ausgeübt. Es gebe keinen Grund dafür, dass die Kammer ihren Ermessensspielraum anders ausübte als dies die Einspruchsabteilung getan habe.

Zulassung ins Verfahren des Dokuments D13

Eine Berücksichtigung von D13 als Beleg für das allgemeine Fachwissen werde nicht widersprochen.

Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a), 56 EPÜ)

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei erfinderisch, und zwar

- ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik mindestens im Lichte des Merkmals, dass als Sprüheinrichtung ein erstes Spülrohr und ein zweites Spülrohr vorgesehen sind, wobei die Spülrohre in das Gehäuse hineinragen, (Merkmal J), und

- ausgehend von D12 als nächstliegendem Stand der Technik zumindest im Lichte des Merkmals, dass die Mischeinrichtung ferner dazu eingerichtet ist, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen (Merkmal I).

Ausführbarkeit (Artikel 100 b), 83 EPÜ)

Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin definierten die Merkmale H und I nicht die Drücke am Ausgang der Mischeinrichtung. Am Gemischausgang herrsche ein einziger Druck des Gemischs aus Druckluft und Reinigungsmittel. Gemäß Merkmalen H und I werden die beiden Komponenten mit unterschiedlichen Drücken dem Gemischausgang zugeführt, was technisch möglich sei.

Somit seien Anspruch 1 sowie auch Anspruch 10 ausführbar.

Unteranspruch 4 in Abhängigkeit von Unteranspruch 3 führe zu einer Reinigungsvorrichtung, bei der wahlweise entweder die Drücke gemäß Anspruch 3 oder die Drücke gemäß Anspruch 4 eingestellt werden könnten. Um eine derartige Vorrichtung herzustellen, verfüge der Fachmann über genügend Fachwissen, um beispielsweise Druckregler, Druckminderer oder ähnliche Bauteile passend einzusetzen. Die Drücke gemäß Ansprüche 3 und 4 stünden nicht in Widerspruch zueinander.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung ins Verfahren des verspätet geltend gemachten Einspruchsgrundes der fehlenden Neuheit

1.1 Überprüfung der Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung

1.1.1 Der Einspruchgrund der fehlenden Neuheit wurde erstmals mit Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 17. November 2014 gelten gemacht, d.h. nach Ablauf der neunmonatigen Einspruchsfrist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ. Der Einspruchsgrund wurde somit während des Einspruchsverfahrens verspätet eingereicht.

1.1.2 Die Zulassung ins Verfahren von verspäteten Einspruchsgründen liegt gemäß Artikel 114 (1) EPÜ im Ermessen der Einspruchsabteilung.

Dabei kann die Einspruchsabteilung ausnahmsweise in Anwendung des Artikels 114 (1) EPÜ verspätet geltend gemachte Einspruchsgründe prüfen, die prima facie der Aufrechterhaltung des europäischen Patents ganz oder teilweise entgegenzustehen scheinen (G 9/91, ABl. EPA 1993, 408; G 10/91, ABl. EPA 1993, 420, Leitsatz 2.; Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, 2016, IV.D.3.3 und IV.D.3.4.1).

Laut Rechtsprechung der Beschwerdekammern sollte die Kammer sich nur über die Art und Weise, in der die Einspruchsabteilung bei einer Entscheidung ihr Ermessen gemäß Artikel 114 EPÜ ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die Abteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat. Es ist nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die Sachlage des Falls nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, IV.C.1.2.2.a).

1.1.3 Unter Punkt 3.4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, teilte die Vorsitzende als Ergebnis der Diskussion über "die Beurteilung des verspätet angegebenen Einspruchsgrundes "Mangelnde Neuheit" in Zusammenhang mit dem verspätet eingereichten Dokument D12" mit (Punkt 3 des Protokolls), dass die Einspruchsabteilung der Meinung war, den verspätet geltend gemachten Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit ins Verfahren nicht zuzulassen, da D12 für die Neuheit des beanspruchten Gegenstands prima facie nicht relevant zu sein schien. Die Gründe dafür sind in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 2.3, im Detail unter Berücksichtigung des maßgeblichen Vorbringens der Beschwerdeführerin angegeben.

Deshalb wurde entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin das richtige Kriterium (prima facie Relevanz) für die Nichtzulassung des verspätet geltend gemachten Einspruchsgrundes der fehlenden Neuheit beachtet und angewendet. Dafür, dass dies in willkürlicher Weise geschehen wäre, wie von der Beschwerdeführerin pauschal behauptet, gibt es keine Anzeichen. Ein Ermessensfehlgebrauch seitens der Einspruchsabteilung ist daher insoweit ganz offensichtlich nicht feststellbar.

Im Gegensatz zur Darstellung der Beschwerdeführerin (Beschwerdebegründung, Punkt F), ist die Ermessensentscheidung betreffend den verspätet geltend gemachten Einspruchsgrund, zumindest im vorliegenden Fall, unabhängig von dem für das verspätet eingereichte Dokument D12 zu bewerten (siehe Punkt 2 unten).

1.1.4 Soweit die Beschwerdeführerin einen Ermessensfehler seitens der Einspruchsabteilung darauf zu stützen sucht, dass die prima facie Relevanz des verspätet eingereichten Einspruchsgrunds nicht als das einzige Kriterium für dessen Zulassung in Betracht zu ziehen sei, die Einspruchsabteilung vielmehr weitere Kriterien bei der Ermessensausübung hätte heranziehen müssen, vermag auch diese Argumentation nicht zu überzeugen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die prima facie Relevanz eines verspätet eingereichten Einspruchsgrundes als Hauptkriterium im Einspruchsverfahren zu prüfen, siehe Punkt 1.1.2 oben. Eben dieses Hauptkriterium hat die Einspruchsabteilung in offensichtlich nicht rechtsfehlerhafter Weise angewandt.

Die Beschwerdeführerin meint nun, dass die prima facie Relevanz für die Zulassung eines verspätet eingereichten Einspruchsgrundes im Einspruchsverfahren keine oder nur eine sekundäre Rolle spielte, falls andere Kriterien erfüllt wären. Diesem Verständnis folgt die Kammer nicht, und die Beschwerdeführerin hat trotz entsprechender Aufforderung keine Grundlage in Rechtsvorschriften oder in der Rechtsprechung benennen können, die ihre Ansicht stützte. Vielmehr beruft sie sich allein auf die im Beschwerdeverfahren bekannten weiteren Kriterien der Beschwerdekammern, in welcher mehrere Kriterien für die Zulassung von verspäteten Vorbringen Berücksichtigung finden können, wie z.B. Komplexität, Stand des Verfahrens und Verfahrensökonomie.

Allerdings sind dieser Rückgriff auf die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern und damit die mittelbare Anwendung der VOBK auf das Einspruchsverfahren vor der Einspruchsabteilung nicht zulässig. Die in Artikel 13 (1) und (3) VOBK kodifizierten Kriterien gelten ausweislich von Artikel 23 VOBK nur für die Beschwerdekammern in Ausübung ihrer justiziellen Funktion zur Überprüfung von Entscheidungen verschiedener in Artikel 106 EPÜ genannter Verwaltungseinheiten des Europäischen Patentamtes. Sie haben damit insbesondere keine Bindungswirkung auf die Einspruchsabteilung.

Wegen des fundamental und strukturell verschiedenen Wesens von Einspruchs- und Beschwerdeverfahren sind verschiedene Ansätze für die Zulassung von verspätetem Vorbringen in dem jeweiligen der beiden Verfahren entwickelt worden bzw. finden Anwendung, siehe z.B. G 9/91, supra, Punkt 18 der Gründe, Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, IV.E.1., so dass sich eine wechselseitige Austauschbarkeit von Ermessenskriterien verbietet.

1.1.5 Im Ergebnis vermag die Kammer, auf der Basis des Vorbringens der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung des Verlaufes des Einspruchsverfahrens sowie der in der angefochtenen Entscheidung niedergelegten Begründung keinen Ermessensfehler seitens der Einspruchsabteilung bei der Nichtzulassung des verspäteten Einspruchsgrundes der mangelnden Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung von Dokument D12 zu erkennen.

1.2 Zulassung ins Beschwerdeverfahren - Ermessen der Beschwerdekammer

1.2.1 Die Beschwerdeführerin begehrt die erstmalige Berücksichtigung des verspäteten Einspruchsgrundes der mangelnden Neuheit im Beschwerdeverfahren.

Dabei verkennt sie indes, dass im Beschwerdeverfahren neue Einspruchsgründe nur mit dem Einverständnis der Patentinhaberinnen geprüft bzw. zugelassen werden dürfen. Da die Beschwerdegegnerinnen explizit einer Berücksichtigung des neuen Einspruchsgrundes widersprochen haben (schriftlich, Seite 4 der Beschwerdeerwiderung sowie mündlich während der mündlichen Verhandlung), wird der Einspruchsgrund nicht ins Verfahren zugelassen (G 10/91, supra, Leitsatz 3.; G 1/95, ABl. EPA 1996, 615 und G 7/95, ABl. EPA 1996, 626; Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, IV.D.3.3).

1.2.2 Laut der Beschwerdeführerin sei der verspätet eingereichte Einspruchsgrund ins Beschwerdeverfahren zuzulassen, weil sich die Umstände im Vergleich zum Einspruchsverfahren wegen der Einreichung von neuen Hilfsanträgen geändert hätten. Überdies handele es sich schon gar nicht um einen neuen Einspruchsgrund, weil er im Einspruchsverfahren schon diskutiert worden wäre. Deshalb, falls der verspätet eingereichte Einspruchsgrund für die endgültige Entscheidung als relevant zu bewerten wäre, könne auch die Beschwerdekammer ihn im Einklang mit G 9/91 und G 10/91, supra, ohne Zustimmung der Patentinhaberinnen ins Beschwerdeverfahren zulassen.

1.2.3 Dieser Meinung kann die Kammer sich nicht anschließen. Die Diskussion über die Zulassung des verspäteten Einspruchsgrundes betrifft den vorliegenden Hauptantrag der Beschwerdegegnerinnen, der dem Hauptantrag der angefochtenen Entscheidung entspricht. Die (neuen) Hilfsanträge spielen somit in dieser Konstellation keine Rolle, d.h. die Kammer hat kein Ermessen, den im Einspruchsverfahren geltend gemachten neuen Einspruchsgrund ins Beschwerdeverfahren im Lichte des (noch zu diskutierten) Hauptantrags zuzulassen, da die Beschwerdegegnerinnen sich dagegen geäußert haben, siehe G 9/91, supra, Punkt 18 der Gründe. Dies gilt selbst dann, wenn der verspätet eingereichte Einspruchsgrund für die endgültige Entscheidung als relevant zu bewerten wäre.

1.3 Der verspätete Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit ist somit nicht Teil des Verfahrens.

2. Zulassung ins Verfahren der verspätet eingereichten Entgegenhaltung D12

2.1 Das Dokument D12 wurde zum ersten Mal mit Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 17. November 2014 eingereicht, d.h. nach Ablauf der neunmonatigen Einspruchsfrist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ, so dass es verspätet eingereicht wurde.

2.2 Die Zulassung ins Verfahren des Dokuments D12 liegt somit gemäß Artikel 114 (2) EPÜ im Ermessen der Einspruchsabteilung.

In der angefochtenen Entscheidung, Punkt 2.3.3, letzter Absatz, hat die Einspruchsabteilung entschieden, "das verspätete Dokument D12 sowie den neuen Einspruchsgrund "mangelnde Neuheit" zum Verfahren gemäß Artikel 114(1) EPÜ nicht zuzulassen, weil Dokument D12 nicht prima facie relevant für die Neuheit der Reinigungsvorrichtung gemäß Anspruch 1 ist".

2.3 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass die Einspruchsabteilung fehlerhaft aus den folgenden Gründen das Dokument D12 nicht zugelassen habe:

- ein Widerspruch liege zwischen der mündlich verkündeten Entscheidung einerseits und der schriftlichen Entscheidung, Punkt 2.3.3, andererseits vor,

- die schriftliche Entscheidung in Punkt 2.3.3 über die Nichtzulassung des Dokuments D12 sei überraschend, so dass das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin dadurch verletzt sei,

- die Einspruchsabteilung sei unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien (prima facie Relevanz des Dokuments D12 für erfinderische Tätigkeit) ergangen,

- die Einspruchsabteilung habe rechtsfehlerhaft nur ein Kriterium (prima facie Relevanz) für die Nichtzulassung angewendet, während andere Kriterien auch anzuwenden seien.

Für die Beschwerdeführerin stellen diese Gründe einen wesentlichen Verfahrensmangel dar und müssten zur Aufhebung der Zwischenentscheidung führen.

2.4 Widerspruch

2.4.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass ein Widerspruch zwischen der mündlich verkündeten Entscheidung einerseits und der schriftlichen Entscheidung, Punkt 2.3.3, andererseits vorliege. Der Grund sei, dass eine Meinung bzw. eine Entscheidung über die Nichtzulassung des Dokuments D12 während der mündlichen Verhandlung von der Einspruchsabteilung nie mitgeteilt bzw. getroffen sei, während dagegen eine solche Entscheidung schriftlich angegeben sei.

2.4.2 Wie es dem Protokoll, Punkt 3.4, der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zu entnehmen ist, teilte die Vorsitzende als Ergebnis der Diskussion über "die Beurteilung des verspätet angegebenen Einspruchsgrundes "Mangelnde Neuheit" in Zusammenhang mit dem verspätet eingereichten Dokument D12" mit (siehe Punkt 3), dass die Einspruchsabteilung der Meinung war, "Neuheit sei als Einspruchsgrund nicht zuzulassen, da D12 nicht prima facie für Neuheit relevant sei". Die von der Einspruchsabteilung mündlich mitgeteilte Meinung betraf somit bloß die Nichtzulassung des verspätet geltend gemachten Einspruchsgrundes der fehlenden Neuheit. Die Kammer teilt somit die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass keine Meinung bzw. kein Ergebnis über die generelle Nichtzulassung der Entgegenhaltung D12 während der mündlichen Verhandlung den Parteien mitgeteilt wurde.

Die Diskussion über die Zulassung ins Verfahren der Entgegenhaltung D12 war somit von der Einspruchsabteilung nicht abgeschlossen.

2.4.3 Gemäß der schriftlichen Begründung hat die Einspruchsabteilung entschieden, das verspätete Dokument D12 gemäß Artikel 114 (1) EPÜ nicht zum Verfahren zuzulassen, weil es nicht prima facie relevant für die Neuheit der Reinigungsvorrichtung gemäß Anspruch 1 ist (siehe Punkt 2.2 oben).

Für die Kammer folgt aus der konkreten Formulierung in Punkt 2.3.3 der angefochtenen Entscheidung allein, das D12 für die Neuheit nicht ins Verfahren zugelassen wurde. Nicht entschieden wurde dagegen, ob D12 damit auch betreffend die erfinderische Tätigkeit vom Verfahren ausgeschlossen wurde oder nicht. Eine Entscheidung bezüglich der prima facie Relevanz des Dokumentes D12 für die Frage der erfinderischen Tätigkeit ist mithin in der schriftlichen Entscheidung gerade nicht getroffen worden. Eine solche erging ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung auch nicht während der mündlichen Verhandlung, da in Punkt 3.4 D12 ausdrücklich nur im Kontext mit dem verspäteten Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit erwähnt wird.

Da der verspätet geltend gemachte Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit von der Einspruchsabteilung ins Verfahren nicht zugelassen wurde (siehe Punkt 1. oben), hatte die Einspruchsabteilung keinen Anlass, anders als wie in der angefochtenen Entscheidung geschehen, Punkt 2.3, bezüglich der Nichtzulassung des Dokumentes D12 in Verbindung mit der prima facie Nicht-Relevanz für die Neuheit zu entscheiden. Dieses Kriterium (prima facie Relevanz für die Neuheit) wurde unstreitig während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ausführlich erörtert. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente sind in der schriftlichen Entscheidung, Punkt 2.3, diskutiert.

Im Übrigen bedurfte es auch keiner Entscheidung über die generelle Zulassung bzw. Nichtzulassung des Dokuments D12, da die Beschwerdeführerin sich ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung auf dieses Dokument nach der Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Nichtzulassung des verspäteten auf D12 gestützten Neuheitseinwandes nicht weiter auf dieses Dokument gestützt hat (Punkt 4 des Protokolls). Ausweislich von Punkt 4 des genannten Protokolls hat die Beschwerdeführerin bei ihrer Argumentation gegen die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes D12 überhaupt nicht mehr herangezogen. Die möglichen subjektiven Beweggründe dafür lagen allein in der Sphäre der Beschwerdeführerin und können deshalb nicht berücksichtigt werden. Keinesfalls kann daraus ein angeblicher Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung abgeleitet werden.

Deshalb, im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin, vermag die Kammer keinen Widerspruch zwischen der mündlich verkündeten Entscheidung einerseits und der schriftlichen Entscheidung, Punkt 2.3.3, andererseits zu erkennen.

2.5 Rechtliches Gehör

Wie schon erwähnt, wurden alle Argumente bezüglich der Zulassung des auf D12 gestützten, verspätet eingereichten Einspruchsgrunds der fehlenden Neuheit unstreitig während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ausführlich diskutiert, Protokoll, Punkte 3 bis 3.4, und in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 2.3, in Betracht gezogen.

Deshalb ist die Beschwerdekammer der Überzeugung, dass die schriftliche Entscheidung, Punkt 2.3.3, über die Nichtzulassung des Dokuments D12 in Verbindung mit der prima facie Relevanz für die Neuheit für die Beschwerdeführerin auch nicht überraschend sein kann, so dass ihr rechtliches Gehör dadurch nicht als verletzt angesehen werden kann.

2.6 Richtige bzw. andere Kriterien

2.6.1 Da die Einspruchsabteilung das Dokument D12 bloß in Verbindung mit der prima facie Relevanz für die Neuheit nicht zugelassen hat, sind die anderen von der Beschwerdeführerin genannten Gründe von Nichtbeachtung der richtigen Kriterien (prima facie Relevanz der Entgegenhaltung D12 für erfinderische Tätigkeit) oder anderen Kriterien (nicht nur prima facie Relevanz) nicht relevant.

2.6.2 Laut der Beschwerdeführerin, habe sie während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit mit der Lehre von D12 ausführlich erhoben bzw. vorgetragen (Protokoll, Punkt 3.1) und die Einspruchsabteilung habe diesen Vortrag in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigen müssen. Da sie dies nicht gemacht habe, sei ihr rechtliches Gehör verletzt.

2.6.3 Abgesehen davon, dass dieser Vortrag, wie bereits oben unter Punkt 2.4.3 am Ende ausgeführt, nicht nur im Widerspruch zu dem von der Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt als unrichtig beanstandeten und deshalb als zu berichtigenden Protokoll steht und von den Beschwerdegegnerinnen ausdrücklich bestritten wurde, ist er auch inkongruent zum weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin. Denn die Beschwerdeführerin selbst hat vor der Einspruchsabteilung klargestellt, dass D1 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei, siehe Protokoll, Punkt 4.1, und zwar auch in Betracht von D12, das von der Einspruchsabteilung nicht ausgeschlossen war (siehe Punkt 2.4.2 oben).

Deshalb hatte die Einspruchsabteilung keinen Grund, andere Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit als die ausgehend von D1 in der angefochtenen Entscheidung zu diskutieren (siehe z.B. R 5/13, Punkt 15 der Entscheidungsgründe). Die Einwände ausgehend von D1 sind unstreitig in der angefochtenen Entscheidung ausführlich behandelt, Punkt 2.4.

2.6.4 Die Beschwerdeführerin vertritt ferner die Auffassung, dass der erhobene Einwand fehlender Neuheit zugleich als Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gölte, so dass ein expliziter Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D12 als solche nicht erforderlich gewesen wäre.

2.6.5 Die Kammer kann sich dieser Meinung nicht anschließen, weil im vorliegenden Fall die Diskussion über die (prima facie) mangelnde Neuheit während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung explizit geschlossen war (Protokoll, Punkt 3.4), so dass zu erwarten war, dass die Beschwerdeführerin ihre Einwände nach dem Aufgabe-Lösung-Ansatz im Lichte aller verfügbaren Dokumenten, d.h. u.a. D1 und D12, ausführlich vorträgt (Protokoll, Punkte 4 bis 4.8), soweit sie diese für erfolgversprechend einschätzte.

2.7 Die Kammer vermag somit keine fehlerhafte Ermessensausübung der Einspruchsabteilung bezüglich der Nichtzulassung des verspätet eingereichten Dokuments D12 für die Neuheit zu erkennen (angefochtene Entscheidung, Punkt 2.3).

Es wird weiter angemerkt, dass alle von der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren zitierten Entscheidungen sowie Passagen der Richtlinien entweder nicht relevant sind oder sich auf den vorliegenden Fall nicht anwenden lassen. Dies wurde der Beschwerdeführerin im Bescheid der Kammer mitgeteilt, siehe Punkt 6. Sie hat diese vorläufige Feststellung der Kammer anschließend weder kommentiert noch bestritten bzw. keine weitere Entscheidungen oder Passagen der Richtlinien zitiert.

2.8 Ermessenentscheidung der Beschwerdekammer

Da die beanspruchten Gegenstände als erfinderisch betrachtet werden, sogar wenn das Dokument D12 in Betracht gezogen wird (siehe Punkte 5 und 6 unten), erübrigt sich eine Ermessenentscheidung der Kammer über die Zulassung des Dokumentes D12 ins Beschwerdeverfahren.

3. Zulassung ins Verfahren des Dokuments D13

3.1 Das Dokument D13 wurde von der Beschwerdeführerin zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung gemäß Artikel 12 (2) VOBK eingereicht. Dessen Zulassung ins Verfahren ist somit dem Ermessen der Kammer unterworfen gemäß Artikel 12 (4) VOBK.

3.2 Das Dokument D13 betrifft das Fachwissen des Fachmanns, was in der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit im Bezug auf das Merkmal des Anspruchs 1 bezüglich der Sprüheinrichtung (Merkmal J, siehe Punkt 5 unten) hilfreich sein könnte, insbesondere im Lichte der angefochtenen Entscheidung, Punkt 2.4.2.3, und falls dieses offenbarte Fachwissen von den Beschwerdegegnerinnen bestritten werden sollte. Die Kammer sieht somit keinen Grund gemäß Artikel 12 (2) und (4) VOBK, D13 nicht ins Verfahren zuzulassen (Beschwerdebegründung, Punkt H und Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkt A.5; Beschwerdeerwiderung, Punkt B.III).

In diesem Zusammenhang ist die Kammer der Meinung, dass es irrelevant ist, ob D13 in der Tat das Merkmal des Anspruchs 1 bezüglich der Sprüheinrichtung als Ganzes offenbart. Die von den Beschwerdegegnerinnen zitierte Entscheidung T 85/93 erging nicht auf der Basis der geltenden Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, insbesondere Artikel 12 (2) und (4) sowie 13 VOBK. Es wird jedoch angemerkt, dass, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, ein das Fachwissen des Fachmanns darstellendes, zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung eingereichtes Dokument (E5) in der T 85/93 schließlich zugelassen wurde, siehe Punkt 1.2.

3.3 Die oben angegebenen Gründe wurden den Parteien im Bescheid der Kammer, Punkt 11, als vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt. Sie wurden von den Parteien weder schriftlich noch mündlich während der mündlichen Verhandlung kommentiert bzw. bestritten. Die Beschwerdegegnerinnen haben sogar explizit erklärt, dass sie einer Berücksichtigung von D13 als Beleg für das allgemeine Fachwissen nicht widersprechen.

D13 ist somit ins Verfahren zugelassen (Artikel 12 (4) VOBK).

4. Neuheit (Artikel 100 a), 54 EPÜ)

Der Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit wird ins Verfahren nicht zugelassen (siehe Punkt 1 oben), so dass die Kammer keine Entscheidung diesbezüglich in der Sache zu treffen hat.

5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a), 56 EPÜ) - Anspruch 1

Die Beschwerdeführerin erhebt Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit

- ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmanns belegt durch D13 oder der Lehre von D5, D9 oder D10 (Merkmal J) und mit der Lehre von D8 (Merkmal K) oder

- im Lichte der Offenbarung von D12 allein, oder ausgehend von D12 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D8 (Merkmal K), von D1 (Merkmal I) und von D5, D9 oder D10 (Merkmal J).

Im Folgenden wird die Merkmalsgliederung des Anspruchs 1 des Hauptantrags gemäß der angefochtenen Entscheidung, Punkt 1.1, verwendet (siehe auch Beschwerdebegründung, Punkt D):

A. Reinigungsvorrichtung für Zerstäuber (8),

insbesondere Farbspritzpistolen, umfassend

mindestens

B. eine Zerstäuberaufnahme (3) zur Aufnahme eines

Zerstäubers (8), vorzugsweise eines

Spritzpistolenkopfes,

C. eine Mischeinrichtung (9) mit einem Drucklufteingang

(10), einem Reinigungsmitteleingang (11) und einem

Gemischausgang (12), wobei

D. die Mischeinrichtung (9) dazu eingerichtet ist, dass

Druckluft über den Drucklufteingang (10) mit einem

Druckluftdruck zuführbar ist, wobei

E. die Mischeinrichtung (9) dazu eingerichtet ist, dass

Reinigungsmittel über den Reinigungsmitteleingang

(11) mit einem Reinigungsmitteldruck zuführbar ist,

wobei

F. die Mischeinrichtung (9) dazu eingerichtet ist, die

Druckluft und das Reinigungsmittel zu mischen und

dem Gemischausgang (12) als Druckluft-

Reinigungsmittel-Gemisch zuzuführen, wobei

G. eine Sprüheinrichtung, die mit dem Gemischausgang

(12) verbunden ist, auf die Zerstäuberaufnahme (3)

ausgerichtet ist und zum Versprühen des

Reinigungsgemisches geeignet ist,

H. wobei die Mischeinrichtung (9) dazu eingerichtet

ist, die Druckluft mit einer Druckdifferenz

gegenüber dem Reinigungsmittel dem Gemischausgang

(12) zuzuführen,

I. wobei die Mischeinrichtung (9) ferner dazu

eingerichtet ist, die Druckluft mit einem höheren

Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang

(12) zuzuführen,

J. dadurch gekennzeichnet, dass als Sprüheinrichtung

ein erstes Spülrohr (1) und ein zweites Spülrohr (2)

vorgesehen sind, wobei die Spülrohre (1, 2) in das

Gehäuse (5) hineinragen,

K. wobei die Spülrohre (1, 2) eine geometrische

Längsachse aufweisen und wobei die Spülrohre (1,2)

derart auf die Zerstäuberaufnahme (3) ausgerichtet

sind, dass sich die geometrischen Längsachsen im

Mittelpunkt der Zerstäuberaufnahme (3) kreuzen.

Ausgehend von D1

5.1 Offenbarung von D1

Das Dokument D1 (Seiten 21-23, 30; Figuren 4-8) offenbart eine Reinigungsvorrichtung ("cleaning apparatus") für Zerstäuber, insbesondere Farbspritzpistolen ("paint spray guns" 90a) (Merkmal A), umfassend mindestens

eine Zerstäuberaufnahme ("opening" 154) zur Aufnahme eines Spritzpistolenkopfes (90a) (Merkmal B),

eine Mischeinrichtung ("cleaning gun", 168a bis 168d, 176) mit einem Drucklufteingang ("second port" 182b), einem Reinigungsmitteleingang ("first port" 182a) und einem Gemischausgang (Merkmal C) , wobei

die Mischeinrichtung (168a bis 168d, 176) dazu eingerichtet ist, dass Druckluft über den Drucklufteingang (182b) mit einem Druckluftdruck zuführbar ist (Merkmal D), wobei

die Mischeinrichtung (168a bis 168d, 176) dazu eingerichtet ist, dass Reinigungsmittel ("solvent", "thinner") über den Reinigungsmitteleingang (182a) mit einem Reinigungsmitteldruck zuführbar ist (Merkmal E) , wobei

die Mischeinrichtung (168a bis 168d, 176) dazu eingerichtet ist, die Druckluft ("air") und das Reinigungsmittel ("solvent", "thinner") zu mischen und dem Gemischausgang als Druckluft-Reinigungsmittel-Gemisch zuzuführen (Merkmal F), wobei

eine Sprüheinrichtung, die mit dem Gemischausgang verbunden ist, auf die Zerstäuberaufnahme (154) ausgerichtet ist und zum Versprühen des Reinigungsgemisches geeignet ist (Merkmal G),

wobei die Mischeinrichtung (168a bis 168d, 176) dazu eingerichtet ist, die Druckluft mit einer Druckdifferenz gegenüber dem Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen, siehe z.B. Figur 8 und Anspruch 26 (Merkmal H).

Dies ist zwischen den Parteien unstreitig (Beschwerdebegründung, Punkt M.1, Schriftsätze der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkte C.4 bis C.6 und 10. Mai 2019, Punkte D.1 bis D.3; Beschwerdeerwiderung, C.II.6, erster Absatz).

5.2 Es ist auch zwischen den Parteien unstreitig, dass D1 die folgenden Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 nicht offenbart:

ein erstes Spülrohr und ein zweites Spülrohr sind als Sprüheinrichtung vorgesehen, wobei die Spülrohre in das Gehäuse hineinragen (Merkmal J); und

die Spülrohre weisen eine geometrische Längsachse auf und sind derart auf die Zerstäuberaufnahme ausgerichtet, dass sich die geometrischen Längsachsen im Mittelpunkt der Zerstäuberaufnahme kreuzen (Merkmal K).

5.3 Merkmal I

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob D1 offenbart, dass die Mischeinrichtung ferner dazu eingerichtet ist, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen (Merkmal I).

5.3.1 Laut den Beschwerdegegnerinnen entnimmt der Fachmann der D1 keinen Hinweis auf das Merkmal I aus den folgenden Gründen (Beschwerdeerwiderung, Punkte C.II.5 und C.II.6).

Es sei keine Ausführungsform in D1 offenbart, bei der der Druck der Druckluft größer als der des Reinigungsmittels ist.

Gemäß Figur 8 der D1 werde das Reinigungsmittel dem Gemischausgang über eine Düse (186a) zugeführt, wodurch sich laut der Beschwerdeführerin der Druck des Reinigungsmittels verringere. Die Druckluft in D1 werde auch über eine Düse (186b) dem Gemischausgang zugeführt, so dass sie ebenso eine Druckminderung erfahre. Die Druckverhältnisse gemäß Merkmal I könnten somit dadurch nicht herleitet werden.

Die Mischeinrichtung der Reinigungsvorrichtung der D1 sei entgegen der angefochtenen Entscheidung, Punkt 2.4.2.1, nicht dazu eingerichtet, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen. Wenn man die Mischeinrichtung derart einrichtete, die Druckluft mit einem Druck > 0 Bar und kein Reinigungsmittel (Druck = 0 bar) hinzuzuführen, handele es sich nicht mehr um eine Reinigungsvorrichtung, weil diese Betriebsart keinen Reinigungseffekt habe.

5.3.2 Dieser Auffassung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, ist die Reinigungsvorrichtung der D1 gemäß Merkmal I, wie in der angefochtenen Entscheidung beschrieben, geeignet, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen, z.B. beim Druck des Reinigungsmittels von 0 bar. Dass dadurch kein Reinigungseffekt erreicht werde, ändert diese Eignung nicht (siehe Beschwerdebegründung, Punkte L.8 und M.1, letzter Absatz und Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkt C.4).

Deshalb ist Merkmal I in D1 als offenbart angesehen.

5.4 Die durch die Unterscheidungsmerkmale J und K erreichten Effekte

Es wird im Streitpatent, Absätze 9, 18 und 31, offenbart, dass durch Merkmal J das Zusetzen der Spülleitungen geringer wird.

Es wird im Streitpatent, Absatz 9, offenbart, dass durch Merkmal K eine Erhöhung der Reinigungskraft erreicht wird.

Diese in Verbindung mit den Unterscheidungsmerkmalen J und K angegebenen Effekte sind für die Kammer entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin überzeugend.

Insbesondere werden die von der Beschwerdeführerin erhobenen Behauptungen, dass die entsprechenden Effekte nicht erreicht werden, durch keine Nachweise belegt (Beschwerdebegründung, Punkte M.3, M.4, M.6a und M.7a; Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkte C.1). Wie während der mündlichen Verhandlung diskutiert, liegt die Darlegungs- und Beweislast in diesem Fall bei der Beschwerdeführerin, weil die im Streitpatent angegebenen Effekte für die Kammer plausibel und überzeugend sind.

Der von den Beschwerdegegnerinnen für beide Merkmale J und K angegebene gleiche Effekt, nämlich eine Verbesserung der Reinigungskraft der Vorrichtung, wird insbesondere für Merkmal J durch das Streitpatent, Absatz 9, Spalte 2, Zeile 50-58, nicht gestützt. In der Tat wird in Spalte 2, Zeile 58, bis Spalte 3, Zeile 7, offenbart, was mit Rohren an Stelle von Düsen erreicht wird, d.h. ein geringeres Risiko an zusetzen (Beschwerdeerwiderung, Punkte C.II.7 bis 10). Das Risiko an Zusetzen (Merkmal J) ist für die Kammer mit der Reinigungskraft (Merkmal K) nicht verbunden.

Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, gibt es somit keine Synergie zwischen den Effekten der Merkmale J und K (Beschwerdebegründung, Punkt M.5). Deren entsprechende Beibringung für die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes des Anspruchs 1 kann im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdegegnerinnen somit unabhängig voneinander geprüft werden und zwar durch Teilaufgaben.

5.5 Die zu lösenden Teilaufgaben

Die aus den Effekten von Merkmal J herleitbare Teilaufgabe kann somit darin gesehen werden, den Wartungsaufwand der Reinigungsvorrichtung zu vermindern (erste Teilaufgabe).

Die aus den Effekten von Merkmal K herleitbare Teilaufgabe kann somit darin gesehen werden, die Reinigungswirkung der Vorrichtung zu erhöhen (zweite Teilaufgabe).

Der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer von der Beschwerdegegnerinnen formulierte einzige Aufgabe, die Reinigungskraft über die gesamte Zeit zu gewährleisten aufgrund einer angeblichen Synergie zwischen den Effekten der Unterscheidungsmerkmale, kann die Kammer somit sich nicht anschließen.

5.6 Merkmal J

Laut der angefochtenen Entscheidung, Punkte 2.4.2.3 und 2.4.2.4, begründet Merkmal J die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes.

5.6.1 Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdegegnerinnen, dass die Schläuche des Dokuments D5 ("flexible tubes" 66, 67) nicht gleich den Rohren gemäß Merkmal J anzusehen sind. In diesem Sinne hat die Beschwerdeführerin ihre Behauptung, dass sie als gleich zu betrachten wären, nicht nachgewiesen (Beschwerdebegründung, Punkte M.7b und M.8 und Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkt C.6; Beschwerdeerwiderung, Punkt C.II.8). Wie während der mündlichen Verhandlung diskutiert, liegt die Darlegungs- und Beweislast hier auch bei der Beschwerdeführerin, weil sie überzeugen muss, dass die angefochtene Entscheidung, Seite 11, die negativ gegenüber ihrer Ansicht bzw. Behauptung ist, als falsch anzusehen ist.

5.6.2 Das Dokument D9, welches auf dem relevanten technischen Gebiet liegt, offenbart ein Spülrohr ("ejection pipe" 13), das geeignet ist, ein Gemisch aus Reinigungsmittel und Druckluft abzugeben (Beschwerdebegründung, Punkte M.7c und M.8; Beschwerdeerwiderung, Punkt C.II.9).

Die Kammer teilt jedoch die Meinung der Beschwerdegegnerinnen, dass der vor die erste Teilaufgabe gestellte Fachmann, den Wartungsaufwand zu vermindern, auch die Ausrichtung der Figuren 2 und 3 der D9 einführte, d.h. die Sprüheinrichtung mit den Spülrohren horizontal anordnete. Dadurch gelangte er nicht zum beanspruchten Gegenstand, weil er Merkmal K nicht verwirklichte.

Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin, ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann die komplette Konfiguration der D9, Figuren 2 und 3, auch im Lichte der Teilaufgabe in Verbindung mit Merkmal J übernähme. Die Beschwerdeführerin hat keine Argumente bzw. Beweis vorgebracht, aus welchem Grund der Fachmann nur das Spülrohr ("ejection pipe" 13) allein aus der Offenbarung des Dokuments D9, Figuren 2 und 3, isolierte bzw. auswählte.

5.6.3 Das Dokument D10, welches auch auf dem relevanten technischen Gebiet liegt, offenbart Spülrohre ("washing nozzle" 37, 73), die geeignet sind, ein Gemisch aus Reinigungsmittel und Druckluft abzugeben (Beschwerdebegründung, Punkte M.7d und M.8; Beschwerdeerwiderung, Punkt C.II.10).

Die Kammer ist jedoch der Meinung, dass der vor die erste Teilaufgabe gestellte Fachmann, den Wartungsaufwand zu vermindern, auch die Ausrichtung der Figuren 2 und 3 der D10 soweit wie möglich einführte, d.h. er die Sprüheinrichtung so änderte, dass er Merkmal K nicht verwirklichte. Dadurch gelangte er nicht zum beanspruchten Gegenstand.

Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin ist die Kammer auch in diesem Fall der Auffassung, dass der Fachmann in der Tat die komplette Konfiguration der D10, Figuren 2 und 3, auch im Lichte der Teilaufgabe in Verbindung mit Merkmal J übernähme. Die Beschwerdeführerin hat keine Argumente bzw. keinen Beweis dafür vorgebracht, aus welchem Grund der Fachmann nur Spülrohre ("washing nozzle" 37, 73) allein aus der Offenbarung des Dokuments D10 isolierte bzw. auswählte.

5.6.4 Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass das Dokument D13, letzter Absatz, die Problematik der Verstopfung der Düsen offenbart. Dies sei eine Anregung für den Fachmann, eine Alternative zu Düsen in der Reinigungsvorrichtung von D1 zu suchen. Da eine solche Alternative in jedem der Dokumente D5, D9 und D10, d.h. ein Spülrohr, offenbart ist, könne Merkmal J keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Die Kammer ist nicht überzeugt von der formulierten Aufgabe bezüglich der Suche nach einer Alternative im Lichte der unter Punkt 5.5 oben angegebenen Aufgabe für das Merkmal J. Auf jedem Fall, sogar wenn die Kammer sich dieser Meinung anschlösse, dass D13 eine Anregung für den Fachmann sei, eine Alternative für die Düse der Reinigungsvorrichtung von D1 zu suchen, gelten noch die unter Punkten 5.6.1 bis 5.6.3 oben angegebenen Gründe bzw. Argumente.

5.6.5 Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, offenbart D13 die Problematik der Düsenverstopfung durch verringerte Düsenquerschnitte. Es wird in D13 jedoch nicht offenbart, Düsen durch Röhren zu ersetzen. Es ist somit dadurch nicht belegt, dass Merkmal J zum Fachwissen gehörte (Beschwerdebegründung, Punkte M.7e und M.8 und Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkt A.5; Beschwerdeerwiderung, Punkt C.III). Deshalb kann der Fachmann mit dem Dokument D13 allein in Kombination mit der Reinigungsvorrichtung von D1 nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

5.7 Merkmal K

Merkmal K wird in der angefochtenen Entscheidung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 nicht diskutiert.

Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdegegnerinnen ist Merkmal K aus dem Dokument D8, Figur 12, für den Fachmann bekannt. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, weist die Zerstäuberaufnahme gemäß Merkmal K zwangsläufig eine Dicke auf. Der Mittelpunkt der Zerstäuberaufnahme gemäß Merkmal K ist in Anspruch 1 des Hauptantrags in vertikaler Richtung nicht definiert. Deshalb wird Merkmal K in D8, Figur 12, als offenbart betrachtet.

Der Fachmann ist immer auf der Suche nach einer Verbesserung der Vorrichtung, im vorliegenden Fall deren Reinigungswirkung, so dass er sogar dann, wenn die Aufgabe in D8 nicht explizit in direkter Verbindung mit Merkmal K angegeben ist (Seite 2, Zeilen 24-31), die Lehre dafür in Betracht zöge. Im Lichte der Offenbarung der D8, Figur 12, die auf dem relevanten technischen Gebiet liegt, dächte er sofort, die Ausrichtung der D8 in der Vorrichtung der D1 zu probieren. Er hätte dafür keine technische Schwierigkeiten, d.h. die Düsen ("cleaning gun" 168a bis 168d, 176) des Dokuments D1, Figur 6, so wie im Dokument D8, Figur 12, zu orientieren (Seite 35, Zeilen 7-25). Merkmal K kann somit keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Ausgehend von D12

5.8 Das Dokument D12 (Absätze, 24, 29, 30, Figur) offenbart eine Reinigungsvorrichtung ("Reinigungsgerät" 10) für Zerstäuber ("Lackierpistole") (Merkmal A) (Beschwerdebegründung, Punkt K und Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkt B; Beschwerdeerwiderung, Punkt C.I), umfassend mindestens

eine Zerstäuberaufnahme ("Bohrung" 34) zur Aufnahme eines Zerstäubers (Merkmal B),

eine Mischeinrichtung ("Reinigungsmittelversorgung", "Turbo-Cleaner" 58) mit einem Drucklufteingang durch ein federbelastetes Rückschlagventil, einem Reinigungsmitteleingang durch ein pneumatisch gesteuertes Ventil und einem Gemischausgang durch ein pneumatisch gesteuertes Hauptventil (Merkmal C), wobei

die Mischeinrichtung (58) dazu eingerichtet ist, dass Druckluft über den Drucklufteingang mit einem Druckluftdruck zuführbar ist (Merkmal D), wobei

die Mischeinrichtung (58) dazu eingerichtet ist, dass Reinigungsmittel ("lösemittel") über den Reinigungsmitteleingang mit einem Reinigungsmitteldruck zuführbar ist (Merkmal E), wobei

die Mischeinrichtung (58) dazu eingerichtet ist, die Druckluft und das Reinigungsmittel zu mischen und dem Gemischausgang als Druckluft-Reinigungsmittel-Gemisch ("Reinigungsmittel") zuzuführen (Merkmal F), wobei

eine Sprüheinrichtung ("Düsen" 48), die mit dem Gemischausgang durch die Schläuche (52) und das Verteilungselement (54) verbunden ist, auf die Zerstäuberaufnahme (34) ausgerichtet ist und zum Versprühen des Reinigungsgemisches ("Reinigungsmittel") geeignet ist (Merkmal G),

wobei die Mischeinrichtung (58) dazu eingerichtet ist, die Druckluft mit einer Druckdifferenz gegenüber dem Reinigungsmittel ("Lösemittel") dem Gemischausgang zuzuführen (Merkmal H).

Dies ist zwischen den Parteien unstreitig (Beschwerdebegründung, Punkte K und L, Schriftsatz vom 7. März 2016, Punkte B und C.1 bis C.3; Beschwerdeerwiderung, B.II und C.II.3).

5.9 Merkmal I

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob D12 offenbart, dass die Mischeinrichtung ferner dazu eingerichtet ist, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen (Merkmal I).

5.9.1 Laut der Beschwerdeführerin sei die im Dokument D12, Spalte 5, Zeilen 15-30, offenbarte Reinigungsvorrichtung so wie in der unten angegebenen Figur konzipiert bzw. offenbart, siehe Seite 26 der Beschwerdebegründung. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Turbo-Cleaner (58) ohne weiteres lediglich mittels Steuerung durch das pneumatisch gesteuerte Ventil V3 ermögliche, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen. Der Turbo-Cleaner sei ohne Umbauten geeignet, um die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Figur der Beschwerdebegründung, Seite 26

5.9.2 Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin ist die Kammer der Meinung, dass es D12 nicht zu entnehmen ist, dass der Turbo-Cleaner (58) geeignet ist, Druckluft und Reinigungsmittel mit dem beanspruchten Druckverhältnis zu mischen. Diese Eignung ist in der Tat in D12 nicht offenbart bzw. angeregt.

D12, Absatz 30, Zeilen 26-30, offenbart sogar das Gegenteil, nämlich dass der "Druck des Lösemittels muss dabei immer um 0,5 bar höher liegen als der der Druckluft. Um die Beschaffenheit der Mischung zu verändern, können beide Drücke proportional zueinander über Druckregler eingestellt werden, bis die Menge des Gemisches so eingestellt ist, das ein optimales Spülergebnis erzielt wird" (hervorgehoben von der Kammer).

Es mag sein, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass es sich bei dieser Offenbarung um das Druckverhältnis am Eingang des Turbo-Cleaners (58) handelt, siehe Spalte 5, Zeilen 23-26. Dies ändert allerdings nichts daran, dass das Wort "proportional" im Zusammenhang mit dem "muss...immer...höher liegen" auszulegen ist. Der in der Figur von D12 angegebene Materialdruckregler (60) hat somit explizit als Ziel, die Drücke proportional zu ändern (siehe auch Absatz 24, Spalte 3, Zeilen 58-65). Die Lehre der D12 besteht somit darin, dass die dort offenbarte Reinigungsvorrichtung dafür geeignet ist, den Druck des Reinigungsmittels höher als den der Druckluft einzustellen. Eine Lehre für das Gegenteil ist für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.

5.9.3 Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung weiter argumentiert, dass der Druckluftdruck in der Reinigungsvorrichtung von D12 zwangsläufig höher als der Reinigungsmitteldruck sein müsse, weil die Reinigungsvorrichtung sonst nicht funktionieren könne. Laut der Beschwerdeführerin komme das Reinigungsmittel bis zum Rückschlagventil V2 durch die Y-förmigen Leitungen, so dass der Druck der Druckluft den Druck des Reinigungsmittels überwinden müsse, d.h. höher sein müsse, um durch das Rückschlagventil V2 zu kommen. Das Rückschlagventil V2 in dem Druckluftanschluss des Turbo-Cleaners (58) nur öffne, wenn der Druck des Reinigungsmittels kleiner als der der Luftdruck am Drucklufteingang des Turbo-Cleaners sei. Merkmal I sei somit inhärent zu der Offenbarung des Dokuments D12.

5.9.4 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Wie während der mündlichen Verhandlung diskutiert, ist die Konzipierung des Turbo-Cleaners (58) der Reinigungsvorrichtung von D12 nicht im Detail offenbart, z.B. die Y-förmige Verbindung der Leitungen oder die Regulierung des Rückschlagventils V2. Deshalb ist die Kammer nicht hinreichend davon überzeugt, dass der Turbo-Cleaner von D12 unvermeidlich wie von der Beschwerdeführerin beschrieben funktioniert.

5.9.5 Die Beschwerdeführerin vertritt weiter die Meinung, dass es in D12 offenbart sei, dass der höhere Reinigungsmitteldruck am Eingang des Turbo-Cleaners durch eine Abrisskante reduziert wird. Laut der Beschwerdeführerin sei die Reinigungsvorrichtung des Dokuments D12, Spalte 5, Zeilen 15-30, so wie in der unten angegebenen Figur konzipiert bzw. offenbart, siehe Seite 8 des Schriftsatzes der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016. Diese Abrisskante ermögliche durch eine Drosselung, den Druck des Reinigungsmittels so zu verringern, dass er geringer als der Druckluftdruck werde. Dies stehe auch im Zusammenhang mit dem Argument bzw. der Auslegung, dass der Druck des Reinigungsmittels stromabwärts hinter dem Rückschlagventil V2 kleiner als am Drucklufteingang sein müsse, um die Funktionsfähigkeit des Turbo-Cleaners zu gewährleisten.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Figur des Schriftsatzes der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Seite 8

5.9.6 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen. Wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, betrifft die Abrisskante in D12 das Reinigungsmedium, d.h. das Druckluft-Reinigungsmittel-Gemisch, und nicht das Lösemittel, d.h. das Reinigungsmittel. Die Kammer ist somit der Auffassung, dass die Abrisskante in Strömrichtung hinter dem pneumatischen Hauptventil liegt, und nicht wie von der Beschwerdeführerin dargestellt, zwischen dem Pneumatik-Ventil V3 des Lösemittels und dem Hauptventil.

Es wird schließlich angemerkt, dass gemäß Merkmal I die Mischeinrichtung eingerichtet ist, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen. Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin definiert Merkmal I explizit nicht die Drücke am Ausgang der Mischeinrichtung (Beschwerdebegründung, Punkt K.2.c). Diese Auslegung des Merkmals I steht auch im Einklang mit dem im D12 offenbarten Druckverhältnis am Eingang der Mischeinrichtung.

5.9.7 Deshalb ist das Merkmal I des Anspruchs 1 aus D12 nicht bekannt.

5.10 Erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Lösung

5.10.1 Laut der Beschwerdeführerin könne Unterscheidungsmerkmal I außer Acht gelassen werden, weil es mit keinen "Nachteilen", d.h. Effekten, verbunden sei.

5.10.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen, weil Merkmal I mit dem technischen Effekt, eine Verbesserung der Reinigungswirkung zu erreichen, verbunden ist (siehe Streitpatent, Absatz 9).

5.10.3 Die zu lösende Aufgabe könnte deshalb darin gesehen werden, eine Verbesserung der Reinigungswirkung in der Vorrichtung der D12 zu erreichen.

5.10.4 Das einzige verfügbare Dokument des Stands der Technik, das das Merkmal I offenbart, ist D1 (siehe Punkt 5.3 oben). Dies wird jedoch bloß im Lichte der Eignung der in D1 offenbarten Vorrichtung anerkannt, d.h. für einen Druck des Reinigungsmittels, der null ist. Wie von den Beschwerdegegnerinnen geltend gemacht, sind die in D1 beschriebenen Betriebsarten jedoch anders als beansprucht, d.h. der Druck der Luftdruck ist egal oder kleiner als der Druck des Reinigungsmittels, siehe z.B. Seite 49, Anspruch 26.

Es ist ferner für den Fachmann der schematischen Figur 8 des Dokuments D1 nicht zu entnehmen, dass der Druck des Reinigungsmittels (inhärent) kleiner als der Druck der Druckluft ist, bloß weil der Durchmesser der Düse für das Reinigungsmittel ("nozzle" 186a) kleiner als der der Düse für die Druckluft ("nozzle" 186b) ist, siehe Seite 30 Zeilen 16-21 ("...from the smaller-diameter first nozzle 186a..."). In der Tat, wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, gibt es bei der Leitung ("passage" 184b) der Druckluft auch eine sprunghafte, starke Verringerung des Durchmessers (siehe "nozzle end" 180), die eine Drosselung mit einer unbekannten Verringerung des Drucks der Druckluft herbringt. Ferner, wie schon erwähnt, funktioniert die Reinigungsvorrichtung des Dokuments D1 mit einem Druckverhältnis anders als beansprucht. Deshalb kann nicht hergeleitet werden, dass für den Fachmann der Druck des Reinigungsmittels in der Reinigungsvorrichtung des Dokuments D1 inhärent kleiner als der Druck der Druckluft ist. Aus diesem Grund, falls der Fachmann die Lehre des Dokuments D1 in die Reinigungsvorrichtung des Dokuments D12 übertrüge, gelangte er nicht zum beanspruchten Gegenstand (ungeachtet der Merkmale J und K).

Ferner kann die Eignung der Vorrichtung des Dokuments D1 (Druck des Reinigungsmittels ist null im Betrieb) gemäß Merkmal I nicht übertragen werden, ohne eine Änderung der Vorrichtung des Dokuments D12 durchzuführen, weil die letztere Vorrichtung auch anders als beansprucht funktioniert (siehe Punkt 5.9.2 oben). Es ist nicht klar, aus welchem Grund und wie der Fachmann die Vorrichtung des Dokuments D12 so wie beansprucht änderte bzw. geeignet machte.

5.11 Merkmal I begründet somit eine erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hauptantrags ausgehend von Dokument D12.

Daher erübrigt sich eine Diskussion, ob D12 Merkmal J und/oder K offenbart oder nicht.

5.12 Im Lichte der o.a. Gründe ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags erfinderisch (Artikel 100 a), 56 EPÜ).

6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a), 56 EPÜ) - Anspruch 10

Da Anspruch 10 des Hauptantrags die Merkmale des Anspruchs 1 enthält, ist dessen Gegenstand ebenfalls erfinderisch, und zwar aus den selben oben angegebenen Gründen (Artikel 100 a), 56 EPÜ).

7. Ausführbarkeit (Artikel 100 b), 83 EPÜ)

7.1 Ansprüche 1 und 10

Gemäß Merkmalen H und I des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist die Mischeinrichtung eingerichtet, die Druckluft mit einem höheren Druck als das Reinigungsmittel dem Gemischausgang zuzuführen. Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin definieren Merkmale H und I nicht die Drücke am Ausgang der Mischeinrichtung. Deshalb sind ihre Argumente bezüglich der mangelnden Ausführbarkeit, die auf dieser Auslegung basiert sind, nicht überzeugend (Beschwerdebegründung, Punkt O.1 und Schriftsätze der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkt D.1 und vom 10. Mai 2019, Punkt E; Beschwerdeerwiderung, Punkt D.I; angefochtene Entscheidung, Punkt 2.2.1.2). Wie während der mündlichen Verhandlung diskutiert, betreffen Merkmale H und I auch nicht die Drücke am Eingang der Mischeinrichtung.

Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin steht Merkmal C durch angebliche Eingangsdrücke auch nicht im Widerspruch mit den Merkmalen H und I, wobei das Reinigungsmittel und die Druckluft mit möglichen anderen Drücken dem Gemischausgang zugeführt werden. Es gehört zum Fachwissen des Fachmanns, Drücke in Leitungen zu ändern bzw. anzupassen. Eine Mischeinrichtung zu realisieren, gehört auch zum Fachwissen.

Entsprechendes gilt für Anspruch 10.

7.2 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin weiter argumentiert, dass Merkmal I keine strukturellen Merkmale enthalte, so dass der Fachmann nicht wisse, wie es auszuführen sei.

Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen, weil es, wie von den Beschwerdegegnerinnen geltend gemacht, zweifellos zum Fachwissen des Fachmanns gehört, Drücke in Leitungen zu ändern bzw. anzupassen gehört, z.B. durch Druckregler.

7.3 Anspruch 4

Die Kammer teilt die Meinung der angefochtenen Entscheidung, Punkt 2.2.2.2. Das in Ansprüchen 3 und 4 enthaltene Wort "eingerichtet" ist als "geeignet" auszulegen und eine Anpassung des Druckes in einer Leitung gehört zum Fachwissen des Fachmanns (Beschwerdebegründung, Punkt O.2 und Schriftsätze der Beschwerdeführerin vom 7. März 2016, Punkt D.2 und vom 10. Mai 2019, Punkt E; Beschwerdeerwiderung, Punkt D.II).

Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin wird die im Absatz 30, Spalte 7, Zeilen 24-30, des Streitpatents offenbarte Düse (vgl. auch Unteranspruch 5 des Streitpatents) bloß als Beispiel angegeben, um den Druck der Druckluft höher (z.B. um 3 bar) als den Druck des Reinigungsmittels sicherzustellen, d.h. nicht, um die Drücke einzustellen. Wie schon erwähnt, gehört es zum Fachwissen des Fachmanns, Drücke in Leitungen zu ändern bzw. anzupassen.

7.4 Deshalb ist die in den Ansprüchen definierte Erfindung gemäß Hauptantrag ausführbar (Artikel 100 b), 83 EPÜ).

8. Antrag auf Vorlagen von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer

Die Beschwerdeführerin hat auf Basis des Artikels 112 (1) a) EPÜ beantragt, die folgenden vier Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen:

1. Reicht es aus, wenn eine Einspruchsabteilung bei ihrer Ermessensentscheidung über die Nichtzulassung einer verspätet eingereichten Entgegenhaltung nur die prima-facie Relevanz der Entgegenhaltung für die Patentfähigkeit (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) berücksichtigt und alle anderen Kriterien (z. B. Komplexität des neuen Vorbringens, Stand des Verfahrens, gebotene Verfahrensökonomie) unberücksichtigt lässt?

2. Reicht es aus, wenn eine Einspruchsabteilung bei ihrer Ermessensentscheidung über die Nichtzulassung einer verspätet eingereichten Entgegenhaltung nur die prima-facie Relevanz der verspäteten Entgegenhaltung für den Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit berücksichtigt und die prima-facie-Relevanz der verspäteten Entgegenhaltung für den Einspruchsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt lässt?

3. Liegt ein Begründungsmangel einer Zwischenentscheidung einer Einspruchsabteilung vor, wenn die Zwischenentscheidung die Nichtzulassung einer verspätet vorgebrachten Entgegenhaltung nur mit der fehlenden prima-facie-Relevanz für den Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit begründet, aber keine Ausführungen zu der Relevanz der verspätet vorgebrachten Entgegenhaltung für den ebenfalls vorgebrachten Einspruchsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit enthält?

4. Reicht es aus, wenn eine Einspruchsabteilung bei ihrer Ermessensentscheidung über die Nichtzulassung des verspätet geltend gemachten Einspruchsgrundes der fehlenden Neuheit nur die prima-facie-Relevanz des Neuheitsangriffs berücksichtigt und alle anderen Kriterien (z. B. Komplexität des neuen Vorbringens, Stand des Verfahrens, gebotene Verfahrensökonomie) unberücksichtigt lässt?

Die vier Rechtsfragen betreffen die Berücksichtigung des verspätet eingereichten Dokuments D12 für die Patentierbarkeit der beanspruchten Gegenstände des Hauptantrags. Da D12 dafür in Betracht gezogen wurde (siehe Punkte 5.8 bis 5.11 oben), ist dem Antrag auf Vorlage der vorgenannten Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer die Basis entzogen. Dies wurde von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, siehe Protokoll, Seite 4, Punkt E2.

Der Antrag auf Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer wird somit zurückgewiesen.

9. Zurückverweisungsantrag an die Einspruchsabteilung

Die Beschwerdeführerin hat in Bezug auf das Dokument D12 beantragt, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen, siehe Protokoll, Seite 4, Punkt E3.

Da das Dokument D12 für die Patentierbarkeit der beanspruchten Gegenstände des Hauptantrags in Betracht gezogen wurde (siehe Punkte 5.8 bis 5.11 oben), sieht die Kammer keinen Grund, dem Antrag auf Zurückverweisung stattzugeben, weil die Einspruchsabteilung durch die Beurteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 111 (2) EPÜ gebunden ist.

Der Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung wird somit zurückgewiesen.

10. Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Da der Beschwerde durch die Kammer nicht stattgegeben wird, wird der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1)a) EPÜ zurückgewiesen (siehe Protokoll, Seite 4, Punkt E1).

11. Verfahrensrüge

Die Beschwerdeführerin hat eine Verfahrensrüge gemäß Regel 106 EPÜ schriftlich geltend gemacht (Beschwerdebegründung, Punkt G), die von der Kammer vorläufig mit ihrem Bescheid, Punkt 8, als verfrüht und unbegründet bewertet wurde.

Die Beschwerdeführerin hat anschließend die vorläufige Meinung der Kammer über die Verfahrensrüge weder schriftlich noch mündlich während der mündlichen Verhandlung bestritten bzw. kommentiert.

Ferner bestätigte die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung, keine weiteren Einwände gegen den Hauptantrag zu haben und für die Entscheidung der Kammer keine weiteren Anträge oder Erklärungen stellen bzw. abgeben zu wollen als die, die im Punkt III oben angegeben sind, siehe Protokoll, Seite 4, letzter Absatz. Deshalb hat die Beschwerdeführerin die Verfahrensrüge nicht weiterverfolgt. Es erübrigt sich somit eine Entscheidung der Kammer diesbezüglich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Antrag auf Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

4. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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