T 1296/15 () of 6.2.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T129615.20200206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2020
Aktenzeichen: T 1296/15
Anmeldenummer: 10803059.4
IPC-Klasse: C09K 11/79
C09K 11/67
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SICHERHEITSMERKMAL
Name des Anmelders: Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag und erster Hilfsantrag (nein)
Ausreichende Offenbarung - unzumutbarer Aufwand (ja)
Zweiter Hilfsantrag - Änderungen - zulässig (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Patentanmeldung 10 803 059.4 unter Artikel 97(2) EPÜ zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung kam in der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss, dass die beanspruchte Erfindung nicht ausreichend offenbart sei (Artikel 83 EPÜ) und dass die Ansprüche nicht alle wesentlichen Merkmale enthielten (Artikel 84 i.V.m. Regel 43(3) EPÜ). Insbesondere bemängelte sie, dass die Anmeldung, abgesehen von den beiden Ausführungsbeispielen, keine weiteren Hinweise enthielte, wie die Erfindung ausgeführt werden solle. Diese Begründung galt sowohl für den im Prüfungsverfahren vorliegenden Hauptantrag, als auch für die damals vorliegenden Hilfsanträge 1-3.

III. Der Beschwerdebegründung und dem weiteren Verfahren legte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag zugrunde, der dem zweiten Hilfsantrag der angefochtenen Entscheidung entsprach. Des weiteren legte sie zwei Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 und 2 vor.

IV. Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Sicherheitsmerkmal zur Absicherung von Wertdokumenten, umfassend: ein Lumineszenzpigment, das ein mit einem aus den Seltenerdionen Erbium, Holmium, Neodym, Thulium, Ytterbium ausgewählten Luminophor (L, L1) dotiertes anorganisches Wirtsgitter aufweist und das zur Emission von Lumineszenzlicht optisch anregbar ist, wobei das Lumineszenzlicht des Lumineszenzpigments ein Lumineszenzspektrum mit mindestens einem ersten Lumineszenzpeak (A) und mindestens einem zweiten Lumineszenzpeak (B) aufweist, deren Peakintensitäten (Ia(x), Ib(x)) jeweils von einem Stoffmengenanteil x des Luminophors (L, L1) an dem Lumineszenzpigment abhängen,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Wirtsgitter und der Luminophor (L, L1) und der Stoffmengenanteil x des Luminophors (L, L1) derart gewählt sind, dass für die Peakintensität Ia(x) des ersten Lumineszenzpeaks (A) und die Peakintensität Ib(x) des zweiten Lumineszenzpeaks (B) als Funktion des Stoffmengenanteils x des Luminophors (L, L1) die Beziehung

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

gilt, wobei der Parameter F=10 beträgt und der Stoffmengenanteil x des Luminophors an dem Lumineszenzpigment zwischen mindestens 50 ppm und höchstens 10000 ppm liegt, und wobei entweder

a) der erste und zweite Lumineszenzpeak (A, B) durch denselben Luminophor (L) emittiert werden; oder

b) der Luminophor ein erster Luminophor (L1) ist, mit dem das Wirtsgitter dotiert ist, und der Stoffmengenanteil x der Stoffmengenanteil des ersten Luminophors (L1) an dem Lumineszenzpigment ist und dass das Wirtsgitter zusätzlich mit einem zweiten Luminophor (L2) dotiert ist, dessen Stoffmengenanteil y an dem Lumineszenzpigment gleich oder größer ist als der Stoffmengenanteil x des ersten Luminophors (L1), und dass der erste Lumineszenzpeak (A) des Lumineszenzspektrums durch den ersten Luminophor (L1) und der zweite Lumineszenzpeak (B) des Lumineszenzspektrums durch den zweiten Luminophor (L2) emittiert wird, und dass, zur Bestimmung der Peakintensitäten (Ia(x), Ib(x)) als Funktion des Stoffmengenanteils x des ersten Luminophors (L1) und zur Bestimmung der ersten Ableitung

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

nach dem Stoffmengenanteil x des ersten Luminophors (L1), das Verhältnis (x:y) der Stoffmengenanteile(x,y) des ersten und des zweiten Luminophors (L1, L2) an dem Lumineszenzpigment konstant gehalten wird."

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags enthält das zusätzliche Merkmal, dass das anorganische Wirtsgitter aus "einer Perowskitstruktur, einer Granatstruktur, einem Oxid oder einem Mischgitter mit Oxidionen ausgewählt ist".

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags enthält zusätzlich die Bedingung, dass der Luminophor (L1) Neodym und der Luminophor (L2) Ytterbium ist; dieser Anspruch ist daher zusätzlich auf Alternative (b) beschränkt.

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen, dass der Fachmann, angeleitet durch die Ausführungsbeispiele und die vorhandenen strukturellen Merkmale im Anspruch, ohne unzumutbaren Aufwand weitere Lumineszenzpigmente herstellen könne, die der parametrischen Definition des Anspruchs genügen. Dies gelte für die Ansprüche des Hauptantrags und beide Hilfsanträge. Der Gegenstand der Ansprüche des Hilfsantrags 2 sei ursprünglich offenbart worden, da er aus einer Kombination der allgemeinen Lehre der Beschreibung mit Elementen des Beispiels 2 beruhe.

VI. Am 6. Februar 2020 fand eine mündliche Verhandlung statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage eines der folgenden Anträge zu erteilen:

Hauptantrag, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 5. Juni 2015;

Erster Hilfsantrag, eingereicht als "Hilfsantrag" mit der Beschwerdebegründung vom 5. Juni 2015;

Zweiter Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 2. Oktober 2019.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)

2.1 Die Anmeldung befasst sich mit Sicherheitsmerkmalen, die ein Lumineszenzpigment enthalten. Gemäß Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags enthält dieses Lumineszenzpigment einen Luminophor, der aus Seltenerdelementen ausgewählt ist (Er, Ho, Nd, Tm, Yb) in einem anorganischen Wirtsgitter. Des weiteren enthält der Anspruch einen Bereich für den Stoffmengenanteil des Luminophors (50 ppm bis 10000 ppm) sowie eine parametrische Definition des Lumineszenzverhaltens. Dieser Parameter F ist im wesentlichen ein Maß dafür, wie sich das Lumineszenzverhalten in Abhängigkeit des Stoffmengenanteils des Luminophors verändert.

2.2 Die Prüfungsabteilung hat in ihrer Entscheidung im wesentlichen argumentiert, dass dem Fachmann, abgesehen von den Ausführungsbeispielen, keinerlei technische Lehre offenbart wird, wie der geforderte Parameter F bei Verwendung anderer Wirtsgitter oder Luminophore zu erreichen sei. Die Erfindung sei daher nicht über den beanspruchten Bereich ausführbar.

2.3 Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, der Fachmann habe genügend Anhaltspunkte, wie das angestrebte Ergebnis zu erreichen sei. Beispiel 1 illustriere die Erfindung für den Fall, dass nur ein Luminophor verwendet wird, Beispiel 2 für zwei unterschiedliche Luminophore. Des weiteren nenne die Beschreibung geeignete Wirtsgitter (Seite 13, zweiter Absatz); Art und Konzentration der benötigten Luminophore seien in Anspruch 1 definiert. Überdies könne der Fachmann durch einen einfachen Test feststellen, ob ein bestimmtes Lumineszenzpigment den beanspruchten Parameter F erfülle, oder nicht. Ein Fachmann könne mit diesen Angaben weitere Luminophore herstellen und mittels des Testverfahrens feststellen, ob er das gewünschte Ergebnis erreicht habe.

2.4 Die Kammer kann sich der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anschließen.

2.4.1 Der Beschreibung zufolge (siehe etwa Seite 5, zweiter Absatz) zeichnen sich die Pigmente der vorliegenden Anmeldung dadurch aus, dass bereits eine geringe Änderung des Stoffmengenanteils des Luminophors eine große Änderung des Lumineszenzpeak-Kontrasts, und damit einen hohen Wert des Parameters F, bewirkt. Insbesondere wird auf Seiten 17 und 18 unter Bezugnahme auf die beiden Abbildungen erläutert, dass sich die Lumineszenzeigenschaften erfindungsgemäßer Zusammensetzungen qualitativ von denen des Standes der Technik unterscheiden. Auf Seite 13, mittlerer Absatz, werden einige mögliche Luminophore beschrieben, sowie einige mögliche anorganische Wirtsgitter. Im folgenden Absatz wird allerdings ausgeführt, dass die erwünschten Eigenschaften nur bei bestimmten Zusammensetzungen, d. h. bestimmten Luminophoren, bestimmten Kombinationen von Wirtsgittern mit Luminophoren und bestimmten Stoffmengenanteilen des Luminophors erzielt werden, ohne diese jedoch näher zu spezifizieren. Andernfalls, so führt die Beschreibung an dieser Stelle weiter aus, würden die erfindungsgemäßen Eigenschaften nicht erreicht.

2.4.2 Die Anmeldung enthält zwei Arten von Ausführungsbeispielen, Tm-dotierte Niobate und Nd/Yb-dotierte Yttriumsilikate, deren Ausführbarkeit auch nicht bestritten wird. Die Anmeldung enthält allerdings in der Tat keinerlei technische Anweisungen, wie der Fachmann weitere Zusammensetzungen herstellen kann, etwa mit anderen Wirtsgittern, die ebenfalls die beanspruchten Lumineszenzeigenschaften aufweisen. Der Fachmann wird ja im Gegenteil darauf hingewiesen, dass bestimmte, nicht explizit beschriebene Kombinationen an Materialien nötig sind, um diese Eigenschaften zu erhalten. Da laut Beschreibung diese Lumineszenzeigenschaften solche sind, die die Materialien im Stand der Technik gerade nicht aufweisen (Seite 10, Zeilen 6ff.), kann sich der Fachmann auch nicht seines allgemeinen Fachwissens bedienen.

2.4.3 Die Beschwerdeführerin hat darauf hingewiesen, dass ein Test verfügbar ist, um zu entscheiden, ob erhaltene Materialien den gewünschten Effekt zeigen, oder nicht. Dies ist unbestritten. Allerdings hilft diese Tatsache dem Fachmann nicht bei der Frage weiter, welche der möglichen Kombinationen an Luminophoren und Wirtsgittern, oder welche Stoffmengenanteile, er verwenden soll, um die beanspruchten Lumineszenzeigenschaften zu erhalten. Insbesondere hat der Fachmann keine Hinweise darauf, welche Parameter im Falle eines Fehlschlags zu variieren sind, und in welche Richtung. Er ist daher vollständig auf das Zufallsprinzip angewiesen.

2.4.4 Es genügt für eine ausreichende Offenbarung der Erfindung nicht, eine Auswahl an theoretisch möglichen Zusammensetzungen zu beschreiben, aus denen der Fachmann dann, mehr oder weniger dem Zufallsprinzip folgend, unterschiedliche Parameter variierend, mit ungewissen Erfolgsaussichten verschiedene Zusammensetzungen herstellt und mittels des beschriebenen Testverfahrens die erfindungsgemäßen auswählt.

Die Kammer schließt sich daher in dieser Frage der Einschätzung der Prüfungsabteilung an. Ein Fachmann weiß nicht, wie er ausgehend von den beiden Ausführungsbeispielen weitere anspruchsgemäße Luminophore herstellen soll. Die beanspruchte Erfindung ist nicht ausreichend offenbart.

Erster Hilfsantrag

3. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags enthält als zusätzliches Merkmal eine Definition der anorganischen Wirtsgitter entsprechend derjenigen auf Seite 13 der Beschreibung. Beansprucht werden eine Perowskitstruktur, eine Granatstruktur, ein Oxid oder ein Mischgitter mit Oxidionen.

4. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)

4.1 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, die Einschränkung der Wirtsgitter weise den Fachmann zusätzlich in die zu verfolgende Richtung. Perowskit- und Granatstrukturen seien spezifische, dem Fachmann bekannte Strukturen. Oxide und Mischoxide seien zwar breite Begriffe, aber Beispiel 1 illustriere ein Oxid und Beispiel 2 ein Mischgitter mit Oxidionen. Ein Fachmann habe daher weitere Anhaltspunkte zur Herstellung anspruchsgemäßer Luminophore.

4.2 Nach Ansicht der Kammer ändern die zusätzlich eingebrachten Merkmale an der für den Hauptantrag ausgeführten Begründung nichts. Wie auf Seite 13 Zeilen 24ff. der Beschreibung ausgeführt wird, muss der Fachmann ja immer noch außer der Stoffmengenanteile der Luminophore bestimmte Kombinationen von Luminophoren und Wirtsgittern bzw. bestimmte Kombinationen der beiden Luminophore finden, wozu ihm aber keine Anleitung gegeben wird. Des weiteren umfassen die Begriffe "Oxid" und "Mischgitter mit Oxidionen" eine breite strukturelle Vielfalt an Wirtsgittern. Es wurde von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht, dass die strukturellen Merkmale des Hilfsantrags (Stoffmenge, Luminophore, Wirtsgitter) ausreichen, um zu anspruchsgemäßen Luminophoren zu gelangen. Dem Fachmann bleibt daher nichts weiter übrig, als mehr oder weniger planlos herumzuexperimentieren.

4.3 Der Hilfsantrag erfüllt daher ebensowenig die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.

Zweiter Hilfsantrag

5. Unzulässige Änderung (Artikel 123(2) EPÜ)

5.1 Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags enthält als zusätzliches Merkmal, dass das Lumineszenzpigment als ersten Luminophor Neodym und als zweiten Luminophor Ytterbium enthält. Dieses Merkmal entstammt dem zweiten Ausführungsbeispiel. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin kann es dem Beispiel isoliert entnommen und mit der allgemeinen Beschreibung auf Seite 13 Zeilen 10ff. kombiniert werden. Dort würden die möglichen Luminophore aufgelistet; aus dem Beispiel sei klar, dass die Kombination Neodym/Ytterbium bevorzugt sei.

5.2 Die Kammer kann sich dieser Ansicht nicht anschließen.

Beispiel 2 offenbart in der Tat ein Lumineszenzpigment, das Neodym und Ytterbium als Luminophore enthält. Allerdings ist dieses Pigment ein spezifisches Yttriumsilikat, das zudem die beiden Luminophore in einem bestimmten Verhältnis enthält (1:4). Dies ist keine allgemeine Offenbarung von Lumineszenzpigmenten, die Neodym und Ytterbium als Luminophore enthalten. Insbesondere im Hinblick auf die Information, dass erfindungemäße Eigenschaften nur bei bestimmten Kombinationen von Luminophoren und Wirtsgittern erzielt werden (Seite 13, Zeilen 24ff), ist klar, dass die Natur der Luminophore und der Wirtsgitter für erfindungsgemäße Eigenschaften zusammenwirken. Das Merkmal, dass das Lumineszenzpigment als ersten Luminophor Neodym und als zweiten Luminophor Ytterbium enthält, kann daher nicht isoliert dem Beispiel entnommen und mit einer allgemeinen Beschreibung möglicher Luminophore und Wirtsgitter (Seite 13 Zeilen 10ff.) kombiniert werden.

Lumineszenzpigmente gemäß Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags sind nicht ursprünglich offenbart. Der zweite Hilfsantrag verstößt daher gegen Artikel 123(2) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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