T 1261/15 () of 16.10.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T126115.20181016
Datum der Entscheidung: 16 October 2018
Aktenzeichen: T 1261/15
Anmeldenummer: 04790655.7
IPC-Klasse: E04F 13/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: BAUELEMENT ZUR HERSTELLUNG VON BODEN- ODER WANDVERKLEIDUNGEN
Name des Anmelders: Kibou Holding GmbH
Name des Einsprechenden: Click'n Walk AG
Mosa Systems B.V.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
European Patent Convention 1973 R 57a
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - Antrag eindeutig gewährbar (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 682 733 (im Folgenden: Patent) betrifft ein Bauelement zur Herstellung von Boden- oder Wandverkleidungen.

II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurden zwei Einsprüche eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden vorgebracht mangelnde Neuheit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973) im Hinblick auf verschiedene Druckschriften sowie auf angeblich vorbenutzte Fliesenelemente. Bei letzteren handelt es sich um kunststoffverfugte Fliesenelemente, die behauptungsgemäß von der Fa. Büschdorfer Kunststofftechnik GmbH (BKT) hergestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, insbesondere, wie geltend gemacht wurde, durch:

- Auslieferung und Verlegung in der Caserne Mercy in Metz im Auftrag der Fa. Est. Lavatio S.A., Metz, Frankreich, in der Zeit von Juni bis August 1978 ("VB1");

- Ausstellung auf einem gemeinsamen Stand mit der Fa. Lavatio, auf einer Fachmesse in Paris im November 1976 ("VB2"); und

- Lieferung an die Fa. Villeroy & Boch (V&B) in der Zeit von Februar 1976 bis August 1978 und am 4. Oktober 1978 ("VB3").

III. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, insbesondere nach Vernehmung der zum Beweis der behaupteten Vorbenutzungen angebotenen Zeugen, Herrn Ripplinger, Frau Müller und Herrn Welter, kam die Einspruchsabteilung im Wesentlichen zu folgenden Feststellungen:

a) die Vorbenutzung VB1 sei in Bezug auf die Lieferung von Wandelementen mit Hotmelt-Abstandhaltern ("Variante 3") ausreichend substantiiert und bewiesen und gehörte deshalb zum Stand der Technik;

b) die Vorbenutzungen VB2 und VB3 seien jeweils in Bezug auf die Lieferung von Wandelementen ohne Hotmelt-Abstandhalter ("Variante 2") ausreichend substantiiert und bewiesen und gehörten deshalb zum Stand der Technik;

c) der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei nicht neu im Hinblick auf die Wandelemente mit Hotmelt-Abstandhaltern der Vorbenutzung VB1; und

d) der Hilfsantrag könne nicht in das Verfahren zugelassen werden.

Die Einspruchsabteilung entschied daher, das Patent zu widerrufen.

IV. Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt.

V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 16. Oktober 2018 in Anwesenheit der Beschwerdeführerin statt. Die Einsprechenden 1 und 2 (im Folgenden: Beschwerdegegnerinnen 1 und 2) waren wie angekündigt nicht erschienen. Zum Ablauf der mündlichen Verhandlung, insbesondere zur Stellung neuer Anträge bzw. deren Rücknahme durch die Beschwerdeführerin, wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form auf der Basis des als Hauptantrag während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssatzes nebst der angepassten Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin 1 hat in ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin 2 hat im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt und keine Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereicht.

VIII. Anspruchssatz gemäß Hauptantrag

Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Nummerierung der Merkmale wurde von der Kammer in Anlehnung an die in der angefochtenen Entscheidung und von den Beteiligten verwendete Merkmalsanalyse hinzugefügt; die Änderungen am erteilten Anspruch 1 sind wie folgt kenntlich gemacht: Gestrichene Passagen erscheinen im Text als durchgestrichen und neue Passagen erscheinen im Fettdruck):

A) Bauelement zur Herstellung [deleted: von Boden- oder]

[deleted: Wandverkleidungen] auf einem Trägerboden lose

aufliegender Bodenverkleidungen,

B) mit einer Trägerlage (1) und

C) einer mit der Trägerlage verbundenen, eine [deleted: Boden-]

[deleted: oder Wandoberfläche] Bodenoberfläche bildenden

weiteren Lage (2) aus wenigstens einem

Verkleidungselement [deleted: (3)]

D) sowie mit Einrichtungen [deleted: (7,8)] (33,34;33',34') zur

Verbindung mit weiteren[deleted: ,] auf [deleted: einem Boden oder einer]

[deleted: Wand] dem Trägerboden verlegten solchen

Bauelementen,

E) wobei zwischen der Trägerlage (1) und der weiteren

Lage (2) eine gegenüber den Lagen (1,2) dünnere

Zwischenschicht (4) gebildet und

F) [deleted: wobei] die Trägerlage (1) über [deleted: eine] die

Zwischenschicht (4) mit dem wenigstens einen

Verkleidungselement (3) verbunden ist[deleted: ,]

[deleted: die Zwischenschicht an die Trägerlage (1) und das]

[deleted: wenigstens eine Verkleidungselement angeschäumt]

[deleted: oder angespritzt] [deleted: ist,]

dadurch gekennzeichnet,

G) dass die Zwischenschicht (4) an das wenigstens eine

Verkleidungselement (3) und die Trägerlage (1) in

einem das Verkleidungselement (3) und die

Trägerlage (1) zueinander im Abstand aufnehmenden

Formraum eines Formwerkzeugs unter Bildung einer um

das Bauelement umlaufenden Randeinfassung (6) von

halber Fugenbreite sowie unter Bildung der

Einrichtungen (33,34;33',34') zur Verbindung mit

weiteren solchen Bauelementen angeschäumt oder

angespritzt ist,

H) wobei die Randeinfassung (6) und die

Verbindungseinrichtungen jeweils einstückig mit der

Zwischenschicht (4) verbunden sind und

I) es sich bei den Verbindungseinrichtungen um

Elemente (33,34;33',34') für die Herstellung einer

Nut-Feder-Verbindung durch Bewegung der

Bauelemente senkrecht zum Trägerboden handelt.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 betreffen besondere Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Bauelements.

IX. Beweismittel

a) In der Beschwerdebegründung und der Beschwerdeerwiderung nehmen die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin 1 Bezug unter anderem auf die Niederschrift der Zeugeneinvernahme sowie auf folgende bereits in der angefochtenen Entscheidung genannten Dokumente:

E8: DE 30 36 339 A1;

E10: DE 26 13 238 A1;

E12: schriftliche Erklärung durch Herrn Armin

Ripplinger, 20. September 2012;

E14: Fotografien von vorgefugten Fliesentafeln;

E23: schriftliche Erklärung durch Herrn Hubert Welter,

16. September 2012;

E29: FR 2 647 140 A1;

E36: Information an V&B-Niederlassungen in Bezug auf

vorgefugte Fliesentafeln ("VF-Tafeln"),

April 1980;

E41: Inventarliste der V&B-eigenen Einrichtungen für

VF-Tafel-Fertigung im Betrieb der BKT,

28. April 1980;

E44: Skizze von vorbenutzten Fliesenelementen durch

Herrn Armin Ripplinger.

b) Darüber hinaus hat die Beschwerdegegnerin 1 zur Stützung der Vorbenutzung VB1 abermals Zeugenbeweis durch Herrn Ripplinger und/oder Herrn Welter angeboten.

c) Die Beschwerdegegnerin 1 hat folgendes Dokument erstmalig mit ihrer Beschwerdeerwiderung eingeführt:

E46: EP 1 279 779 A2

d) Mit Schreiben vom 7. März 2017 hat die Beschwerdeführerin beantragt, Herrn Permesang als Zeuge zu laden.

X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Änderungen

Die Beschwerdegegnerin 1 argumentiert, die Aufnahme des Wortlauts "auf einem Trägerboden lose aufliegender Bodenverkleidungen" in Merkmal A) von Anspruch 1 verstoße gegen Regel 57a EPÜ 1973, Artikel 123 (2) EPÜ und Artikel 84 EPÜ 1973. Außerdem seien die hinzugefügten Merkmale E) und G) jeweils unklar und nicht in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart. Schließlich stelle Merkmal I) eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung des in Figur 14 dargestellten Ausführungsbeispiels dar.

Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die streitigen Merkmale in Absätzen 4, 8, 49 und 50 der Patentschrift, in Ansprüchen 7, 8 und 13 wie erteilt und in Figur 14 offenbart seien.

b) Vorbenutzungen

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin könne - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - eine offenkundige Vorbenutzung von Bauelementen der Variante 3 nicht mit hinreichender Gewissheit als bewiesen angesehen werden.

c) Neuheit

Die Beschwerdeführerin argumentiert, aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik sei weder ein Wand- noch ein Bodenverkleidungselement mit einer dünnen Zwischenschicht bekannt, an die einstückig neben einer Randeinfassung von halber Fugenbreite auch noch Verbindungsmittel zur Herstellung einer Nut-Federverbindung durch vertikale Bewegung der zu verbindenden Bauelemente angeschäumt oder angespritzt seien, wie im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 verlangt.

Die Beschwerdegegnerin 1 argumentiert, dass der Gegenstand von Anspruch 1 durch die vorbenutzten Wandpaneelen (Varianten 2 und 3), das in E29 offenbarte Wandpaneel und die in E8 offenbarte Bodenplatte jeweils neuheitsschädlich vorweggenommen sei.

d) Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 aufgeführten Merkmale eine kostengünstige Herstellung des Bauelements ermöglichten.

Die Beschwerdegegnerin 1 argumentiert, dass ausgehend von E8 als nächstliegendem Stand der Technik der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Wissens oder der Lehre von E10 in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde. Sollte der Fachmann von den vorbenutzten Wandpaneelen oder dem in E29 offenbarten Wandpaneel ausgehen, dann sei der beanspruchte Gegenstand durch die Lehre von E46 oder E8 nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung des Hauptantrags zum Verfahren

1.1 Der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gestellte Hauptantrag unterscheidet sich vom Hilfsantrag, der erstmalig mit Schriftsatz vom 14. September 2018 eingereicht wurde, dadurch, dass das Merkmal, dass "die Trägerlage und die weitere Lage an der Trägerlage durch die angeschäumte oder angespritzte Zwischenschicht befestigt ist", gestrichen wurde und das bereits im erteilten Anspruch 1 enthaltene Merkmal wieder aufgenommen wurde, wonach "die Trägerlage über die Zwischenschicht mit dem wenigstens einen Verkleidungselement verbunden ist".

1.2 Dieser neue Antrag der Beschwerdeführerin stellt zwar eine wesentliche Änderung ihres Vorbringens zum spätmöglichsten Zeitpunkt dar. Für die Kammer war jedoch ohne großen Ermittlungsaufwand sofort ersichtlich, dass der Antrag prima facie gewährbar wäre, weil er offensichtlich alle noch offenen Einwände auszuräumen schien, ohne neue Fragen aufzuwerfen. Der neue Hauptantrag war daher in das Verfahren zuzulassen (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 13 (1) VOBK).

2. Änderungen

2.1 Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung - abgesehen von notwendigen Anpassungen der Satzstruktur - darin, dass die zusätzlichen Merkmale A), E), G), H), und I) aufgenommen worden sind.

2.2 Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdeführerin, dass diese Änderungen sich jeweils aus der technischen Lehre in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (siehe veröffentlichte Fassung WO 2005/040521 A2) direkt und eindeutig ableiten lassen. Im Hinblick auf das geänderte Merkmal A) wird auf die Lehre auf Seite 1, Zeilen 26 bis 29 und Seite 2, Zeilen 1 bis 4 und auf Figuren 3 bis 14 verwiesen. In Figuren 15 bis 17 ist dargestellt, wie im Bedarfsfalle die Bauelemente am Unterboden befestigt werden könnten. Zu Merkmal E) siehe die dargestellten Ausführungsbeispiele, insbesondere Figur 14. Im Hinblick auf Merkmale G) und H) siehe Seite 2, Zeilen 24 bis 29 und Zeilen 33 bis 35, Seite 3, Zeilen 9 bis 12 und Seite 6, Zeilen 14 bis 20. Zu Merkmal I) siehe Seite 3, Zeilen 17 bis 20, Seite 9, Zeilen 21 bis 29 und Figur 14. Es liegt daher kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor.

2.3 Mit den Änderungen ist der Schutzbereich nicht erweitert, sondern eingeschränkt worden (Artikel 123 (3) EPÜ).

2.4 Die in Anspruch 1 hinzugefügten Formulierungen sind im Gesamtzusammenhang klar und deutlich. Es liegt daher kein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ 1973 vor.

2.5 Merkmal G) versucht zwar, das beanspruchte Bauelement durch ein "Product-by-Process"-Merkmal und mithin durch sein Herstellungsverfahren zu definieren. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin 1 bewirkt dieses Merkmal jedoch keinen Mangel an Klarheit. Für den Fachmann ist klar und deutlich definiert, wie die Zwischenschicht auszubilden ist. Im Übrigen lässt sich in der Praxis Merkmal G) eindeutig aus dem Querschnitt des hergestellten Bauelements ermitteln, und somit ergibt es ersichtlich ein strukturelles Merkmal des Bauelements.

2.6 Die Beschwerdegegnerin 1 hat Einwände unter Regel 57a und Artikel 84 EPÜ 1973 gegen die Aufnahme des Wortlauts "auf einem Trägerboden lose aufliegender Bodenverkleidungen" in Merkmal A) erhoben. Die Änderung ist nach Regel 57a EPÜ 1973 jedoch zulässig, weil sie sich gegen den Einspruchsgrund mangelnder Neuheit richtet und zu einer Beschränkung des beanspruchten Bauelements führt. Ferner vermittelt das aufgenommene Merkmal dem fachkundigen Leser eine klare und eindeutige Lehre.

3. Vorbenutzung VB1

3.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin treffen die Feststellungen der Einspruchsabteilung zu den Zeugenaussagen Ripplinger und Welter nicht zu (s. Punkt III-a) vorstehend). Die Beschwerdeführerin stellt die Glaubwürdigkeit und das Erinnerungsvermögen der Zeugen in Frage und verweist dabei insbesondere auf Unstimmigkeiten zwischen den Zeugenaussagen und dem Inhalt der bei Einlegung des Einspruchs vorgelegten Erklärungen E12 und E23 im Hinblick auf die Herstellung von Fliesenelementen in der Größe 2 m x 1 m bei der Firma BKT. Auch führt die Beschwerdeführerin an, dass die in der Inventarliste E41 genannten Einrichtungen nicht zur Fertigung von Wandelementen gemäß Variante 3 (s. E44) verwendet worden seien, sondern zur Fertigung von Wandelementen gemäß Variante 2 (s. E14).

3.2 Dessen ungeachtet kann es allerdings letztlich schon nicht als erwiesen angesehen werden, dass die Wandelemente der Vorbenutzung VB1 zum Einsatz als Bodenverkleidung bestimmt oder geeignet waren (s. Punkt 5.3 weiter unten). Unter dieser Maßgabe geht der Gegenstand der Vorbenutzung VB1 ohnehin nicht über jenen von E8 hinaus (s. Punkt 6.1). Daher können die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Zweifel an der Beweiswürdigung durch die Einspruchsabteilung dahingestellt bleiben.

3.3 Die Vernehmung des Zeugen Permesang und die erneute Vernehmung der Zeugen Ripplinger und Welter, wie von der Beschwerdeführerin bzw. der Beschwerdegegnerin 1 angeboten, ist daher ebenfalls nicht erforderlich.

4. Vorbenutzungen VB2 und VB3

4.1 Bezüglich der Begründungen der Einspruchsabteilung zu den Vorbenutzungen VB2 und VB3 und ihrem jeweiligen Gegenstand hat die Beschwerdeführerin keine Einwände geltend gemacht.

4.2 Die Kammer sieht also keinen Anlass, sich damit zu befassen und sieht im Übrigen auch keine sich aufdrängenden Gründe, die in diesen Fragen ein Abweichen von der Feststellung der Einspruchsabteilung rechtfertigen könnten (s. Punkt III-b) vorstehend).

5. Neuheit

5.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu im Sinne des Artikels 54 (1) und (2) EPÜ.

5.2 E8 offenbart, in Figur 2 (nachfolgend wiedergegeben), ein Bauelement in Form einer Bodenplatte zur Herstellung auf einem Trägerboden lose aufliegender Bodenverkleidungen, mit einer Trägerlage (Polypropylenplatte 16) und einer damit verbundenen, eine Bodenoberfläche bildenden weiteren Lage aus mehreren Verkleidungselementen (Belagtafel 17) sowie Einrichtungen (Hakenprofil 23) zur Verbindung mit weiteren, auf dem Trägerboden verlegten solchen Bauelementen (Seite 7, Absatz 3). Bei den Verbindungseinrichtungen handelt es sich um hakenförmige Elemente für die Herstellung einer Nut-Feder-Verbindung durch Bewegung der Bauelemente senkrecht zum Trägerboden. Zwischen der Trägerlage (16) und der weiteren Lage (17) ist eine gegenüber den Lagen dünnere Zwischenschicht gebildet (Hinterfütterung 19, "aus einer dünnen Polyurethanschaumschicht", Seite 7, Absatz 2), die an die Verkleidungselemente (17) und die Trägerlage (16) angeschäumt worden ist und diese miteinander verbindet. Damit verwirklicht die in Figur 2 von E8 dargestellte Bodenplatte Merkmale A) bis F) und I) von Anspruch 1 ihrem Wortlaut nach.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

In E8 sind die im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 aufgeführten Merkmale G) und H) nicht offenbart. Die in Figur 2 dargestellte Bodenplatte weist eine vorgefertigte volle Fugenfüllung 24 auf, der am anderen, entgegengesetzten Rand eine freie Fliesenkante entspricht (Seite 7, Absatz 3). Diese Fugenfüllung stellt keine anspruchsgemäße Randeinfassung dar, die halb so breit wie die Fugenbreite und einstückig an die Zwischenschicht 19 angeformt sein muss. Außerdem sind die in Figur 2 offenbarten Verbindungseinrichtungen (Hakenprofil 23) einstückig mit der Trägerlage 16 geformt, nicht aber mit der Zwischenschicht 19.

5.3 Im schriftlichen Verfahren hat die Beschwerdegegnerin 1 argumentiert, dass das Bauelement gemäß Anspruch 1 des damals geltenden Hauptantrags durch die vorbenutzten Wandelemente gemäß Vorbenutzung VB1, VB2 bzw. VB3 (Varianten 2 und 3) und das in E29 offenbarte Wandpaneel vorweggenommen sei. Dies überzeugt die Kammer aus folgenden Gründen nicht:

5.3.1 Die Kammer teilt die Bedenken der Beschwerdeführerin, dass die großflächigen, einseitig gefliesten Wandelemente gemäß der behaupteten Vorbenutzung VB1 (Variante 3, s. E44) im Baubereich als Bodenverkleidung einsetzbar waren. Insbesondere ist kein Nachweis dafür erbracht worden, dass diese Wandelemente den spezifischen Belastungsanforderungen an eine Bodenverkleidung genügt hätten und dass ihre Nuten und Federn zur Verbindung mit weiteren, auf einem Boden verlegten solchen Wandelementen geeignet wären. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Fliesen der vorbenutzten Wandelemente den weiteren typischen Anforderungen an Bodenfliesen genügten, u. a. in Bezug auf Abriebfestigkeit, Trittsicherheit und Rutschfestigkeit.

5.3.2 Im Hinblick auf die Wandelemente gemäß der Vorbenutzung VB2 bzw. VB3 (Variante 2, s. E14) ist ebenfalls kein Nachweis dafür erbracht worden, dass sie bestimmt oder geeignet waren, als Bodenverkleidung eingesetzt zu werden.

5.3.3 Im Hinblick auf E29 hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass diesem Dokument nicht entnommen werden kann, dass das dort offenbarte Wandpaneel als Bodenverkleidung einsetzbar ist. Die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser Feststellung abzuweichen.

5.3.4 Schließlich stellt die Kammer fest, dass die vorbenutzten Wandelemente (Varianten 2 und 3) und das in E29 offenbarte Wandpaneel jeweils keine Verbindungseinrichtungen zur Herstellung einer Nut-Feder-Verbindung durch Bewegung der Bauelemente senkrecht zum Trägerboden aufweisen, die einstückig mit einer dünnen angeschäumten bzw. angespritzten Zwischenschicht geformt sind, wie es aber Merkmale E), G), H) und I) verlangen.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Die Kammer teilt die Auffassung der Beteiligten, dass die in E8 offenbarte Bodenplatte einen realistischen Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Im Vergleich zu den vorbenutzten Wandpaneelen und dem in E29 offenbarten Wandpaneel kommt die in E8 offenbarte Bodenplatte der beanspruchten Erfindung am nächsten, da sie zum gleichen Zweck entwickelt wurde wie die Erfindung.

6.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von E8 durch Merkmale G) und H) (s. Punkt 5.2 vorstehend).

6.3 Dank dieser Unterscheidungsmerkmale erfolgt die Herstellung der Zwischenschicht, der Randeinfassung und der hakenförmigen Verbindungseinrichtungen in einem und derselben Arbeitsgang. Dies ermöglicht im Vergleich zu E8 eine einfachere und schnellere Herstellung. Ferner werden die hakenförmigen Verbindungseinrichtungen nicht aus dem Material der Trägerlage geformt, sondern aus dem Material der Zwischenschicht, so dass im Vergleich zu E8 die Trägerlage aus einem relativ kostengünstigen Material hergestellt werden kann.

6.4 Ausgehend von E8 liegt die objektiv zu lösende technische Aufgabe mithin darin, die Herstellung des Bauelements weiter zu optimieren.

6.5 Ein mit dieser Aufgabe befasster Fachmann gelangt, unter Berücksichtigung des entgegengehaltenen Stands der Technik und seiner allgemeinen Fachkenntnisse, nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung.

6.6 Die Kammer kann der Beschwerdegegnerin 1 zwar insoweit folgen, dass es im Hinblick auf die Lehre von E10 naheliegt, eine das Bauelement umlaufende Randeinfassung von halber Fugenbreite einstückig mit der Zwischenschicht anzuschäumen. Es liegt jedoch im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahe, die hakenförmigen Verbindungseinrichtungen gleichzeitig auszubilden. Insbesondere erhält er im entgegengehaltenen Stand der Technik keine Anregung in Richtung dieser Maßnahme.

6.7 Zusammenfassend kann die Kammer also nicht feststellen, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von E8 als nächstliegendem Stand der Technik entgegen Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973 in naheliegender Weise aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik ergibt.

7. Die Beschreibung wurde in der mündlichen Verhandlung an die neuen Ansprüche angepasst.

8. Die Kammer kommt also zu dem Schluss, dass weder Regel 57a EPÜ 1973, noch Artikel 84 EPÜ 1973, noch Artikel 123 (2) EPÜ, noch die von der Beschwerdegegnerin 1 geltend gemachten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit sowie der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973) der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags der Beschwerdeführerin entgegenstehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 13 des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hauptantrags;

- Beschreibung Seiten 2 bis 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer; und

- Figuren 1 bis 28 der Patentschrift.

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