T 1252/15 () of 1.3.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T125215.20180301
Datum der Entscheidung: 01 März 2018
Aktenzeichen: T 1252/15
Anmeldenummer: 01996715.7
IPC-Klasse: G01B 9/02
A61B 3/12
A61B 5/00
G01N 21/45
G02B 23/26
G01N 21/954
G01B 11/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: INTERFEROMETRISCHE MESSVORRICHTUNG
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: Werth Messtechnik GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 54
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (ja)
Spät eingereichtes Dokument - prima-facie relevant
Einspruchsgründe - neuer Einspruchsgrund durch die Einspruchsabteilung eingeführt (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - alle Merkmale des Anspruchs 1 sind vorweggenommen
Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0010/91
G 0001/95
G 0007/95
T 0133/87
T 0135/01
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0444/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent Nr. 1337803 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 52 (1) und 56 EPÜ angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass, im Hinblick auf den damals vorliegenden Stand der Technik, der in Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 52 (1) und 56 EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünde.

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK, die als Anlage einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige und unverbindliche Meinung zu bestimmten, wesentlichen Aspekten mit.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 1. März 2018 statt.

VI. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

VII. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche gemäß einer der 1. bis 3. Hilfsanträge, eingereicht mit Schreiben vom 6. Februar 2015.

VIII. Die vorliegende Entscheidung nimmt Bezug auf die folgenden Druckschriften:

E3: WO 00/42906

E11: WO 97/32182.

IX. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Interferometrische Messvorrichtung zum Messen von Oberflächenkenngrößen, Formen, Abständen, Abstandsänderungen, z.B. Schwingungen, von Messobjekten (7) mit einem Sondenteil (6),

dadurch gekennzeichnet,

dass

der Sondenteil (6) in einen feststehenden Sondenteil (6.1) und einen mit diesem mechanisch und optisch gekoppelten rotierbaren Sondenteil (6.2) unterteilt ist und

dass ein Strahlteiler (6.3; 6.3') zum Erzeugen eines Referenzstrahls und eines Messstrahls für die interferometrische Messung in dem rotierbaren Sondenteil (6.2) angeordnet ist."

Entscheidungsgründe

1. Zulassung der Druckschrift E11 in das Beschwerdeverfahren

Die Druckschrift E11 wurde von der Einsprechenden erstmalig mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Es stellte sich daher wegen Artikel 12 (4) VOBK die Frage der Zulassung dieses Dokuments in das Beschwerdeverfahren.

1.1 Die Einsprechende erklärte, dass nachdem die Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung die mit dem Einspruch eingereichte Druckschrift E3 überraschenderweise als nicht ausreichend relevant befunden habe, um das Patent zu widerrufen, eine neue Recherche von ihrer Seite ausgeführt worden sei. Die folgenden Gründe sprächen für eine Zulassung der Druckschrift E11 in das Verfahren:

- Das Einreichen der Druckschrift E11 mit der Beschwerdebegründung, d.h. zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren, verzögere nicht das Verfahren.

- Der Grundsatz von Treu und Glauben sei nicht verletzt.

- Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern erlaube das Zulassen von verspätet eingereichten Dokumenten aufgrund deren Prima-facie-Relevanz.

- E11 sei hoch relevant, da es den Gegenstand des Anspruchs 1 offensichtlich neuheitsschädlich vorwegnehme. Dies insbesondere im Hinblick auf die in den Figuren 2B, 17, 18 und 19 gezeigten Ausführungsbeispiele und deren Beschreibung (z.B. Seite 8, Zeilen 1 bis 12; Seite 24, Zeilen 1 und 2)

- Bereits die Druckschrift E3 sei für die Einsprechende ausreichend relevant gewesen, um das Patent zu widerrufen. Da jedoch auch seitens einer Einsprechenden nicht unendlich lange recherchiert werden könne, habe die Einsprechende mit der Recherche nach dem Auffinden von E3 aufgehört. Erst nachdem die Einspruchsabteilung eine gegenteilige Meinung in der mündlichen Verhandlung verkündet habe, sei es für die Einsprechende zwingend notwendig geworden, nach weiteren Dokumenten zu recherchieren.

- E11 gehöre zur gleichen Patentfamilie wie die sich im Verfahren bereits befindliche Druckschrift E3 und habe daher einen ähnlichen und damit keinen völlig überraschenden Offenbarungsgehalt.

1.2 Die Patentinhaberin beantragte, die Druckschrift E11 aus den folgenden Gründen nicht in das Verfahren zuzulassen:

- Die Einsprechende erhebe mit der angeblich fehlenden Neuheit des Anspruchs 1 einen neuen Einspruchsgrund im Beschwerdeverfahren.

- Das Kriterium der Prima-facie-Relevanz sei im Beschwerdeverfahren enger auszulegen als im erstinstanzlichen Verfahren. Nur in ganz seltenen Fällen solle ein verspätet eingereichtes Dokument zugelassen werden.

- Da laut Einsprechende die Druckschrift E11 zur Patentfamilie von E3 gehöre, könne E11 nicht relevanter sein als E3.

- E11 sei nicht relevanter als E3, weil die von der Einsprechenden erwähnten Ausführungsbeispiele in E11 keinen "Strahlteiler", wie beansprucht, sondern einen "Referenz-Reflektor" im rotierenden Sondenteil aufwiesen.

- Ein Einspruch gegen eine Patenterteilung solle gründlich von der Einsprechenden vorbereitet werden. Da E11 ein Mitglied der Patentfamilie von E3 sei, sei E11 ebenso leicht auffindbar gewesen und der Einspruch somit nicht gründlich vorbereitet.

- Das Einführen von E11 in das Verfahren zu dem jetzigen späten Zeitpunkt sei auch nicht verfahrensökonomisch, weil eine sich auf die Druckschrift E11 stützende Neuheitsdiskussion bereits vor der Einspruchsabteilung hätte stattfinden sollen.

1.3 Die Kammer teilt die Meinung der Patentinhaberin, dass die Druckschrift E11 aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Patentfamilie von E3 leicht auffindbar gewesen wäre und daher durchaus berechtigte Zweifel an der Gründlichkeit der Vorbereitung des Einspruchs im vorliegenden Fall bestehen könnten. Das Argument der Einsprechenden, dass für das Einlegen eines Einspruchs nicht unendlich recherchiert werden könne, hält die Kammer bei einem leicht auffindbaren Dokument für wenig überzeugend. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Druckschrift E11, ebenso wie E3, bereits in der Einspruchsschrift zumindest hätte genannt werden müssen. Deshalb greift auch nicht das Argument der Einsprechenden, dass, erst nachdem die Einspruchsabteilung ihre Meinung bezüglich der Druckschrift E3 in der mündlichen Verhandlung geändert habe, eine weitere Recherche seitens der Einsprechenden zwingend notwendig geworden sei. Auch wäre nach Ansicht der Kammer von einer Berücksichtigung der Druckschrift E11 bereits im erstinstanzlichen Verfahren eine verbesserte Verfahrensökonomie zu erwarten gewesen.

Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann bei einer Ermessensentscheidung nach Artikel 12 (4) VOBK für die Frage der Berücksichtigung eines verspätet vorgelegten Stands der Technik jedoch dessen hohe Prima-facie-Relevanz den Ausschlag geben. So auch im vorliegenden Fall, wobei es für die Frage der Prima-facie-Relevanz keine Rolle spielt, ob die Druckschrift E11 im Zusammenhang mit der mangelnden Neuheit und damit mit einem möglicherweise neuen Einspruchsgrund genannt wurde oder ob dieser Stand der Technik letztlich tatsächlich der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.

Die Kammer hält die Druckschrift E11 prima facie für hoch relevant, da E11 eine interferometrische Messvorrichtung offenbart, welche die beiden wesentlichen Merkmale des Anspruchs 1 aufweist: ein rotierendes, distales Sondenteil (siehe z.B. Figuren 6, 8 und 17) und einen Strahlteiler, der am distalen Ende des Endoskops angeordnet ist (siehe z.B. Figur 2B).

1.4 Aus den oben genannten Gründen hielt es die Kammer im vorliegenden Fall für durchaus gerechtfertigt, in Anwendung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK die Druckschrift E11 wegen deren hohen Prima-facie-Relevanz in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

2. Einspruchsgrund mangelnder Neuheit (Artikel 100 a) in Verbindung mit 54 (1) EPÜ 1973) - Anspruch 1 des Patents

2.1 Die Einsprechende stützte ihren Einspruch gegen das Patent lediglich auf den Einspruchsgrundgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Der auf der verspätet eingereichten Druckschrift E11 beruhende Einwand mangelnder Neuheit gegen das erteilte Patent, der erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben wurde, ist daher ein neuer Einspruchsgrund (siehe auch G 1/95 und G 7/95, ABl. EPA 1996, 615 und 626). Da die Patentinhaberin ihre Zustimmung zu dessen Einführung ins Verfahren verweigerte, kann der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit nicht in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden (G 9/91 und G 10/91, ABl. EPA 1993, 408 und 420, Punkt 18 der Entscheidungsgründe).

2.2 Die Einsprechende trug vor, dass die Einspruchsabteilung den Einspruchsgrund mangelnder Neuheit bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingeführt hätte. Sie verwies dafür auf die Entscheidungsbegründung, Punkt 9.2, letzter Satz: "Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu (Art. 54(1) und (2) EPÜ)".

Die Kammer ist nicht von diesem Argument überzeugt. Einspruchsgründe müssen in der Einspruchsschrift genannt und substantiiert werden (Artikel 99 (1) in Verbindung mit Regel 76 (2) c) EPÜ). In Anwendung des Artikels 114 (1) EPÜ kann jedoch eine Einspruchsabteilung einen durch die Erklärung gemäß Regel 76 (2) c) EPÜ nicht abgedeckten Einspruchsgrund von sich aus vorbringen oder einen solchen vom Einsprechenden (oder nach Artikel 115 EPÜ von einem Dritten) nach Ablauf der Frist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ vorgebrachten Grund prüfen (G 9/91 und G 10/91, Punkt 16 der Entscheidungsgründe). Da nach dem Akteninhalt von der Einsprechenden kein Einspruchsgrund nachträglich während des erstinstanzlichen Verfahrens genannt worden ist, könnte es sich vorliegend allenfalls um eine Einführung eines neuen Einspruchsgrunds durch die Einspruchsabteilung selbst handeln. Grundsätzlich müsste dies mit den Parteien jedoch erörtert worden sein. Sowohl in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als auch in der Entscheidung der Einspruchsabteilung gibt es jedoch keinen Hinweis, dass eine Diskussion über die Einführung des Einspruchsgrunds mangelnder Neuheit stattgefunden hätte.

Vielmehr wurde die oben zitierte Feststellung im Rahmen der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit getroffen. Bei der Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes ermittelte die Einspruchsabteilung zunächst die Druckschrift E3 als nächsten Stand der Technik (Entscheidungsbegründung, Punkt 9.1). Dann stellte sie in einem nächsten Schritt zwischen diesem Stand der Technik und der beanspruchten Erfindung ein Unterscheidungsmerkmal (Merkmal 1c) fest (Entscheidungsbegründung, Punkt 9.2, erster Satz) und schlussfolgerte, dass damit der beanspruchte Gegenstand neu sei (Entscheidungsbegründung, Punkt 9.2, zweiter bzw. letzter Satz). In den nächsten Punkten ihrer Entscheidung setzte die Einspruchsabteilung dann die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit in Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes fort. Aus dem von der Einsprechenden zitierten einzelnen Satz in der angefochtenen Entscheidung kann daher nicht auf eine Einführung des Einspruchsgrunds mangelnder Neuheit durch die Einspruchsabteilung selbst geschlossen werden (siehe auch T 135/01).

3. Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973) - Anspruch 1 des Patents

Aus den oben genannten Gründen ist im vorliegenden Fall der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit der einzige von der Kammer zu prüfende Einspruchsgrund.

Die Große Beschwerdekammer stellte in ihren Entscheidungen G 1/95 und G 7/95 (Punkt 7.2 der Entscheidungsgründe) fest, dass auch wenn in einem Fall wie dem vorliegenden der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit nicht ohne das Einverständnis der Patentinhaberin in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden darf, der nächstliegende Stand der Technik für den beanspruchten Gegenstand aber neuheitsschädlich ist, dieser Gegenstand offensichtlich dann auch nicht erfinderisch sein kein. Mangelnde Neuheit hat also in diesem Fall unweigerlich zur Folge, dass der betreffende Gegenstand mangels erfinderischer Tätigkeit nicht schutzwürdig ist.

Demzufolge ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im vorliegenden Fall nicht erfinderisch, weil E11 aus den nachfolgenden Gründen alle Merkmale dieses Anspruchs offenbart.

3.1 Die Kammer teilt die Meinung der Einsprechenden, dass die Druckschrift E11, im Zusammenhang mit den Figuren 2B, 6, 8 und 17, eine interferometrische Messvorrichtung zum Messen von Oberflächengrößen, Formen, Abständen, Abstandänderungen, z.B. Schwingungen, von Messobjekten [siehe beispielsweise Seite 2, Zeilen 9 bis 12; Seite 3, Zeilen 25 bis 27] mit einem Sondenteil (70, 34) offenbart,

wobei der Sondenteil in einen feststehenden Sondenteil (70) und einen mit diesem mechanisch und optisch gekoppelten rotierbaren Sondenteil (34) unterteilt ist [siehe Figur 6, Seite 10, Zeile 29 bis Seite 11, Zeile 21: die Endoskopeinheit (34) weist einen rotierbaren Teil (35, 44, 54) auf; siehe Figur 8, Seite 12, Zeilen 22 und 23: "optical coupling system 53"; Zeilen 28 und 29: "physically coupled"].

Dies wurde von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung nicht bestritten.

Darüber hinaus, wie von der Einsprechenden vorgetragen, weist die interferometrische Messvorrichtung von E11 zwingend Mittel zur Erzeugung eines Referenzstrahls (708) und eines Messstrahls (710), die miteinander interferieren, auf. Siehe beispielsweise das auf Seite 23, Zeile 15 bis Seite 24, Zeile 20 beschriebene und in Figur 17 gezeigte Ausführungsbeispiel. In Figur 17 wird der Referenzstrahl (708) von dem Referenzreflektor (712) und dem Faserkoppler (706) erzeugt. Optional ist der Referenzreflektor wie in der Figur 2B am Ende des Endoskops (734) angeordnet (Seite 24, Zeilen 1 und 2). Bei dieser Ausführungsvariante befindet sich der Referenzreflektor (213) in dem Messarm (210) (Seite 7, Zeilen 27 bis 29) und zwar nahe oder auf der zu vermessenen Struktur, d.h. am distalen Ende des Endoskops (34) (Seite 8, Zeilen 1 bis 12). Der Pfeil in Figur 2B, der eine durch den Referenzreflektor (213) bedingte 180°-Richtungsänderung anzeigt, verdeutlicht, dass am distalen Ende des Endoskops ein Teil des Strahls nicht das Objekt bestrahlt, sondern als Referenzstrahl zurückreflektiert wird. In diesem Sinne ist der Referenzreflektor (213) in Figur 2B ein Strahlteiler zum Erzeugen eines Referenzstrahls und eines Messstrahls. Nach Übertragung dieses Funktionsprinzips in das Ausführungsbeispiel der Figur 17 befindet sich der Referenzreflektor bzw. der Strahlteiler in dem distalen Ende des Endoskops (734), d.h. in dem rotierbaren Sondenteil des Endoskops (734; siehe Rotationsmechanismus (735) und den Pfeil, der eine Rotation des Endoskops um dessen Achse darstellt), angeordnet.

Es folgt daraus, dass E11 alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbart.

3.2 Die Patentinhaberin argumentierte, dass E11 in der Figur 1 einen Strahlteiler ("beam divider 6") und einen Referenzreflektor (12) offenbare. Dies bedeute, dass der Strahlteiler und der Referenzreflektor in E11 unterschiedliche Elemente seien, wobei der Referenzreflektor ausschließlich Lichtstrahlen reflektiere.

E11 offenbare in der Figur 2B einen Referenzreflektor (213) ("sample reference reflector"). Dieser sei jedoch kein Strahlteiler. Auch die Figur 17 offenbare keinen Strahlteiler in dem rotierbaren Sondenteil. Figur 2B sei lediglich eine schematische Darstellung und es fehle an der genauen Beschreibung der Funktionsweise des Referenzreflektors (213) der Figur 2B bzw. Figur 17. In Anlehnung an die Figur 1 bedeute dies, dass der Referenzreflektor in den Figuren 2B und 17 ausschließlich Licht reflektiere und nicht teile. E11 könne daher nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 vorwegnehmen.

Des Weiteren hätte der Fachmann, ausgehend von der Druckschrift E11 und dessen Lehre, störende Artefakte durch Anordnung eines Referenzreflektors am distalen Ende des Endoskops zu beseitigen (E11, Seite 8, Zeilen 1 bis 12), keine Motivation den Referenzreflektor durch einen Strahlteiler in der Ausführungsvariante der Figur 2B bzw. Figur 17 zu ersetzen.

3.3 Die Kammer kann die vorstehenden, von der Patentinhaberin vorgebrachten Argumente nicht nachvollziehen. Wie die Einsprechende überzeugend erklärte, würde im Falle eines ausschließlich reflektierenden Referenzreflektors (213) das zu vermessende Objekt nicht von Lichtstrahlen bestrahlt, d.h. es gäbe überhaupt keinen Messstrahl, der mit dem Referenzstrahl interferieren könnte. Wenn der Referenzreflektor (213) die einfallenden Lichtstrahlen ausschließlich reflektieren würde, könnte die interferometrische Messvorrichtung in Figur 2B bzw. Figur 17 nicht funktionieren. Daher besitzt der Referenzreflektor (213) in Figur 2B bzw. in Figur 17 zwingend die Eigenschaft, einen Teil der einfallenden Lichtstrahlen als Referenzstrahlen zu reflektieren und einen anderen Teil der Lichtstrahlen als Messstrahlen durchzulassen, d.h. der Referenzreflektor (213) in Figur 2B bzw. In Figur 17 ist ein Strahlteiler.

3.4 Aus den oben genannten Gründen steht der Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973) der Aufrechterhaltung des erteilten Patents entgegen (Artikel 101 (2) Satz 1 EPÜ).

4. Hilfsanträge 1 bis 3 - Zurückverweisung

Die vorliegenden Hilfsanträge entsprechen den Hilfsanträgen, die mit Schreiben vom 6. Februar 2015 bereits während dem erstinstanzlichen Verfahren eingereicht wurden und über die die Einspruchsabteilung nicht entschieden hat, da sie mit ihrer Entscheidung den Einspruch zurückgewiesen hat und somit nur die Frage der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt geprüft hat. Durch die Einführung der Druckschrift E11 in das Beschwerdeverfahren hat sich darüber hinaus der vorliegende Sachverhalt hinsichtlich des Stands der Technik im Vergleich zu demjenigen, auf dessen Grundlage die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung traf, grundsätzlich verändert.

Obgleich kein absoluter Anspruch der Beteiligten auf Prüfung jedes im Beschwerdeverfahren vorgebrachten neuen Punktes besteht (T 133/87), hielt die Kammer unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls eine Zurückverweisung an die erste Instanz für gerechtfertigt. Keine der beiden Beteiligten erhob dagegen einen Einwand.

Daher übt die Kammer das ihr von Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ 1973 eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dass sie die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverweist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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