European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T124315.20170912 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 September 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1243/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08015018.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60C 27/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gleitschutzkette für grobstollige Reifen | ||||||||
Name des Anmelders: | RUD Ketten Rieger & Dietz GmbH u. Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Pewag Schneeketten GmbH & Co KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (Patent wie erteilt) ja | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2058149 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 9. April 2015.
II. Die Einspruchsabteilung hat im Wesentlichen entschieden, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 im Hinblick auf folgende Beweismittel nicht neu ist:
offenkundige Vorbenutzung, dargelegt durch die Dokumente
- Produktionszeichnung ,,RADIAL Spur SED RA-SED VKK7" (A1);
- Auszüge Katalog ,,PEWAG Eis- und Schneeketten, Preisliste Saison 1992/93" (A2);
- Auszüge ,,pewag austria-pewag product range for army application, 1.35-99" (A3);
- Rechnung der Pewag über Gleitschutzkette ,,RA 97S-Radial Spur" (A4);
US 2 830 639 (A5).
Weiterhin hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 ebenfalls nicht neu ist.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Form aufrechtzuerhalten, hilfsweise die Aufrechterhaltung im Umfang des ersten Hilfsantrags, vorgelegt mit der Beschwerdebegründung.
Die Einsprechende /Beschwerdegegnerin beantragt mit der Beschwerdeerwiderung alle Anträge der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin zurückzuweisen und die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung zu bestätigen (Zurückweisung der Beschwerde).
Den mit der Beschwerdeerwiderung gestellten Antrag auf eine mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 24. Juli 2017 zurück.
Mit Schreiben vom 9. August 2017 beantragte die Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung nur insofern dem Hauptantrag nicht stattgegeben werden kann.
IV. Der Anspruchs 1 wie erteilt lautet wie folgt:
Gleitschutzkette (l)für grobstollige Reifen (12), mit wenigstens einem sich im montierten Zustand in Umfangsrichtung (U) entlang jeweils einer Reifenwange (16) erstreckenden Seitenspannstrang (4) und mit einem im montierten Zustand auf der Reifenlauffläche (11) aufliegenden Laufnetz (2), das mit den beiden Seitenspannsträngen (4) über im montierten Zustand an der Reifenschulter (S) angeordnete Halteknotenstellen (3) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Laufnetz (2) aus Einzelsträngen (6, 7, 9) aufgebaut ist, die unter Bildung von geschlossenen Fünfecken (F) miteinander verbunden sind, wobei sich die Fünfecke (F) über die Reifenmitte (M) erstrecken.
V. Die Argumente der Beschwerdeführerin - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:
Weder das Dokument A5 noch die offenkundige Vorbenutzung (A1 bis A4) offenbarten Halteknotenpunkte an der Reifenschulter.
Dem Argument der Einspruchsabteilung, dass die Halteknotenpunkte der Gleitschutzketten dieser Dokumente dann an der Reifenschulter zu liegen kämen, wenn entsprechende Reifen verwendet würden, könne nicht gefolgt werden, da jede Gleitschutzkette für eine bestimmte Reifengröße bestimmt sei und auch Toleranzen der Reifen nicht so groß sein dürften, dass sich die Halteknotenpunkte verschöben. Dies würde auch einen sicheren Betrieb der Kette in Frage stellen.
Auch ergäbe sich kein stimmiges Bild in Bezug auf das Vorbringen zur offenkundigen Vorbenutzung. Die Ketten gemäß A1, A2 und A3 seien unterschiedlich. Somit sei nicht klar, mit welchen Merkmalen die jeweilige Kette ausgestattet sei.
Schon die beiden in A2 offenbarten Ketten seien unterschiedlich aufgebaut. Sie unterschieden sich zudem vom Aufbau der Kette nach A1 in der Art der über die Reifenschulter reichenden Stränge. Die Schneekette der A3 wiederum unterscheide sich von der Radial Spur?E der A2 und der aus A1: Die Ketten gemäß A2 wiesen keine Stützglieder auf, dagegen offenbare A3 ein Stützglied in den Verbindungssträngen. Die Gleitschutzkette gemäß A1 habe lediglich Verschleißstege.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe weiterhin auf einer erfinderischen Tätigkeit, da keines der Dokumente einen Anlass gebe, die Halteknotenpunkte an die Reifenschulter zu verlegen.
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu den Einwänden der Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ sei korrekt.
VI. Die Beschwerdegegnerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:
Hinsichtlich der Fragestellungen der unvollständigen Offenbarung und der unzulässigen Erweiterung werde auf das Vorbringen in der Vorinstanz verwiesen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch die offenkundige Vorbenutzung - dargelegt in den Dokumenten A1 bis A4 - neuheitsschädlich vorweggenommen.
So sei der offenkundigen Vorbenutzung insbesondere zu entnehmen, dass die Halteknotenpunkte auf der Reifenschulter lägen. Hierzu werde darauf hingewiesen, dass das Streitpatent nicht offenbare, wie dafür gesorgt werde, dass die Halteknotenstellen an der Reifenschulter zu liegen kämen. So seien Gleitschutzketten nicht für eine bestimmte Reifengröße ausgelegt, sondern für einen Bereich. Dies sei schon deshalb so, weil die Reifenbreite Toleranzen unterläge. Somit sei es durchaus möglich, dass die Halteknotenpunkte von der Reifenwange in dem Bereich der Reifenschulter zu liegen kämen.
Aus denselben Gründen offenbare auch das Dokument A5 das Merkmal, dass die Halteknotenpunkte an der Reifenschulter anlägen. So zeige A5 ein Laufnetz, welches mit dem Seitenspannstrang 11 über Verbindungsstellen mit den Quersträngen 14 und den Mittelsträngen 12 verbunden sei. Diese Verbindungsstellen lägen zumindest teilweise an der Reifenschulter.
Mit Bezug auf den Mangel an erfinderischer Tätigkeit behalte sich die Einsprechende/Beschwerdegegnerin vor, noch vorzutragen.
VII. In einem Bescheid gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Kammer den Parteien im Wesentlichen mitgeteilt, dass
- A1 keinen Reifen offenbart, und damit eine Zuordnung bestimmter Gleitschutzkettenteile (Halteknotenstellen) zu einer Position am Reifen (Reifenschulter) schon aus diesem Grunde nicht eindeutig und unmittelbar entnehmbar ist;
- die jeweilige Gleitschutzkette gemäß A1, A2 und A3 unterschiedlich sind;
- in A5 die Halteknotenstellen nicht auf der Reifenschulter zu liegen scheinen;
- bislang die Einsprechende/Beschwerdegegnerin nicht zur erfinderischen Tätigkeit vorgetragen habe;
- Zweifel an der Offenkundigkeit der Vorbenutzung bestehen;
- der Vortrag zu den Einwänden gemäß Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ nicht substantiiert ist.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Mit dem Bescheid gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Kammer den Parteien im Wesentlichen die entscheidungsrelevanten Gründe dieser Entscheidung bereits mitgeteilt, siehe oben, Punkt VII.
Diese sind im Einzelnen:
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem Stand der Technik, Artikel 54(1), 100 a) EPÜ.
3.1 Die behauptete Offenkundige Vorbenutzung soll durch die Dokumente A1 bis A4 nachgewiesen sein.
A1 ist eine Konstruktionszeichnung ohne Darstellung eines Reifens; A2 und A3 sind jeweils Auszüge aus Katalogen.
3.1.1 Da in Dokument A1 kein Reifen dargestellt ist, kann schon von daher dort nicht eindeutig und unmittelbar entnommen werden, wo welche Gleitschutzkettenteile (insbesondere Halteknotenstellen) am Reifen zu liegen kommen.
3.1.2 Da die Darstellungen der A1 bis A4 kein konsistentes Bild darüber zulassen, wie die behauptete offenkundige Vorbenutzung ausgesehen hat, kann die fehlende Information des nicht dargestellten Reifens in A1 nicht durch die Darstellungen der A2 und der A3 ergänzt werden.
Dort sind zwar Fotos mit Gleitschutzketten an Reifen zu erkennen, allerdings unterscheidet sich der Aufbau der in A2 und A3 offenbarten Gleitschutzketten von der Konstruktionszeichnung gemäß A1.
Die beiden in A2 offenbarten Gleitschutzketten unterscheiden sich im Aufbau der über die Reifenschulter reichenden Stränge von der Kette gemäß A1.
Die Kette gemäß A3 weist Stützglieder in den Strängen auf; die Kette nach A2 besitzt keine derartigen Stützstege, in A1 sind gemäß dem Detail A sogenannte Verschleißstege vorgesehen.
3.1.3 Insbesondere aber ist aus den in A2 und A3 dargestellten Fotos weiterhin zu entnehmen, dass die Halteknotenstellen nicht an der Reifenschulter zu liegen kommen, sondern an der Reifenwange, siehe auch die Figuren auf den Seiten 15 und 16 der Beschwerdebegründung.
3.2 Ebenfalls kommen die Halteknotenstellen der Gleitschutzkette gemäß A5 nicht an der Reifenschulter zu liegen, vgl. Bild auf Seite 10 der Beschwerdebegründung, unten. Die Einsprechende/Beschwerdegegnerin betrachtet als Halteknotenpunkt im Sinne des Anspruchs in der A5 die Verbindungsstelle zwischen den Quersträngen 14 und dem Seitenstrang 11.
Gemäß Paragraph [0010] ist die Reifenschulter als der Übergang zwischen Lauffläche und Reifenwangen definiert.
In der Figur 4 der A5 ist dieser Übergang zu erkennen und im dem Bereich, in dem die Querstränge 14 angeordnet sind. Die Verbindungsstellen (Halteknotenpunkte) liegen eindeutig nicht mehr in diesem Bereich sondern tiefer an der Reifenwange, siehe auch Figur 2 der A5.
3.3 Somit offenbart weder die offenkundige Vorbenutzung noch das Dokument A5, das Merkmal, dass die Halteknotenstellen der Gleitschutzkette an der Reifenschulter zu liegen kommen.
3.4 Das Argument der Einsprechenden/Beschwerdegegnerin, die Toleranzen im Reifen seien dergestalt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch die Halteknotenpunkte bei der offenkundige Vorbenutzung bzw. A5 an den Reifenschultern zu liegen kommen, kann die Kammer nicht überzeugen.
Sie folgt hierbei der Argumentation der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin, dass Gleitschutzketten für bestimmte Reifengrößen dimensioniert sind und nur auf diesen verwendet werden können.
Dadurch ist sichergestellt, dass die Kettenelemente im Betrieb in den jeweils konstruktiv vorgesehenen Bereichen des Reifens angeordnet sind und das Rad mit aufgezogener Kette sicher betrieben werden kann.
4. Die Einsprechende/Beschwerdegegnerin hat die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 wie erteilt zunächst nicht in Frage gestellt. Ein mit der Beschwerdeerwiderung angekündigter Vortrag zum Mangel an erfinderischer Tätigkeit ist - auch nach dem expliziten Hinweis im Bescheid der Kammer (siehe Punkt VII oben) - ausgeblieben. Somit ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin keinen Mangel an erfinderischer Tätigkeit vorzubringen hat.
Die Kammer hat ebenfalls keine Veranlassung, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu bezweifeln.
5. In Bezug auf die Einwände gemäß der Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ hat die Einsprechende/Beschwerdegegnerin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verwiesen. Insbesondere ist damit nicht dargelegt worden, warum die Entscheidung der Einspruchsabteilung in diesem Punkt nicht korrekt sein soll.
Die Kammer sieht somit hier keinen Grund, von der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweichen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird wie erteilt aufrechterhalten.