T 1234/15 () of 18.9.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T123415.20190918
Datum der Entscheidung: 18 September 2019
Aktenzeichen: T 1234/15
Anmeldenummer: 05716518.5
IPC-Klasse: F03D 1/00
F03D 11/04
E02D 27/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM ERRICHTEN EINES TURMES SOWIE WINDENERGIEANLAGE
Name des Anmelders: Wobben, Aloys
Name des Einsprechenden: Senvion GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Änderungen - Zwischenverallgemeinerung
Änderungen - zulässig (ja)
Neuheit - (ja)
Neuheit - frühere europäische Anmeldung
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 6. Mai 2015, das europäische Patent Nr. 1 735 533 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Einsprüche gegen das Patent waren auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. Artikel 54 und 56 EPÜ und Artikel 100 (c) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das nach dem Hilfsantrag 1* geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen zitiert:

E1: EP 1 526 278 A1

E3: US 5 826 387 A1

E4: JP 54-19504, in den Entscheidungsgründen der angegriffenen Entscheidung als D1 bezeichnet

E5: DE 100 45 735 A1

E7: US 3 190 041 A

E8: SU 885 477 A

E9: US 5 878 540 A

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende 2 als Beschwerdeführerin am 9. Juli 2015 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 15. September 2015 eingereicht.

IV. Gegen diese Entscheidung hat auch der Patentinhaber als Beschwerdeführer am 16. Juli 2015 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 15. September 2015 eingereicht.

V. Auch die Einsprechenden 1 und 3 legten Beschwerde ein. Jedoch nahmen beide Beschwerdeführerinnen am 27. September 2017 bzw. am 6. September 2019 ihre Einsprüche zurück. Sie sind damit nicht mehr am Einspruchsverfahren und somit auch nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt.

VI. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 17. Januar 2019 nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 18. September 2019 in Anwesenheit des Vertreters des Beschwerdeführers Patentinhaber statt. Die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 hatte am 2. September 2019 mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.

VII. Der Beschwerdeführer Patentinhaber beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags, weiter hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 6, alle eingereicht mit Schreiben vom 26. Juli 2019.

VIII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents im vollen Umfang.

IX. Der unabhängige Anspruch 1 des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Errichten eines Turmes einer Windenergieanlage, mit einem Fundament mit Segmentankern, wobei eine Mehrzahl von Verbindungselementen mit den Segmentankern verbunden sind und eine Oberseite des Fundamentes um ein vor gegebenes Maß überragen, mit den Schritten:

Platzieren des Nivellierringes mit einer Mehrzahl von ersten Durchgangslöchern auf der Oberseite des Fundaments, wobei die Mehrzahl der Verbindungselemente durch die Mehrzahl der ersten Durchgangslöcher geführt wird,

Nivellierung, Ausrichtung und Fixierung eines Nivellierringes an der Oberseite des Fundamentes,

Unterfütterung einer durch die Nivellierung, Ausrichtung und Fixierung des Ringes entstandenen Fuge mit einer Vergussmasse,

Abbinden der Vergussmasse,

Aufstellen eines unteren Turmsegmentes mit einem unteren Flanschring (20) mit einer Mehrzahl von zweiten Durchgangslöchern unmittelbar auf dem nivellierten, ausgerichteten und fixierten Ring, und

Verbinden des unteren Flanschringes mittels der Mehrzahl von Verbindungselementen durch die zweiten Durchgangslöcher mit dem Nivellierring und den Segmentankern."

X. Die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Der Hauptantrag hätte erstinstanzlich nicht zugelassen werden dürfen. Anspruch 1 sei auf nicht zulässige Weise geändert, da er eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung enthalte. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1. Er werde zudem ausgehend von E3 in Zusammenschau mit der E4 oder E5, oder ausgehend von der E8, E9 oder einem an sich bekannten Verfahren zum Errichten eines Turms einer Windenergieanlage in Zusammenschau mit der E7 nahegelegt. Die Dokumente E7 bis E9 seien dabei zuzulassen, da sie in Reaktion auf den Befund in der angegriffenen Entscheidung und auf die erst kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten weiteren Hilfsanträge eingereicht wurden.

XI. Der Beschwerdeführer Patentinhaber hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand von Anspruch 1 enthalte zulässige Änderungen, sei neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit im Lichte des genannten Standes der Technik. Die erst mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokumente E7 bis E9 seien nicht zum Verfahren zuzulassen, da sie weder einen Turm einer Windenergieanlage noch einen Nivellierring beschreiben und somit prima facie nicht relevant seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Errichten eines Turmes einer Windenergieanlage auf einem Fundament mit Segmentankern, wobei zuerst ein Nivellierring auf dem Fundament platziert, ausgerichtet und fixiert wird. Anschließend wird eine Fuge zwischen dem Nivellierring und dem Fundament mit einer Vergussmasse unterfüttert. Danach wird ein unteres Turmsegment mit einem Flanschring auf dem Nivellierring aufgestellt und über Verbindungselemente mit den Segmentankern verbunden. Dadurch muss der zum Aufbau des Turms benötigte Kran nicht ungenutzt herumstehen, während die Nivellierung erfolgt (Absatz 9 der Patentschrift).

3. Zulassung des Hauptantrags

3.1 Mit ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung des Patentinhabers erhebt die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 einen Einwand gegen die Zulassung des Hilfsantrags 1* (jetziger Hauptantrag) durch die Einspruchsabteilung. Demnach sei das Streichen des unabhängigen Anspruchs 3 in der Kategorie Vorrichtung während der mündlichen Verhandlung eine überraschende und verspätete Maßnahme des Patentinhabers, hätte dort nicht zugelassen werden dürfen und dürfe auch nicht in der Beschwerdeinstanz zugelassen werden.

3.2 In ihrer Mitteilung, Abschnitt 2.1, hat die Kammer zur Zulassung dieses Antrags die folgende vorläufige Meinung geäußert:

"Die angegriffene Entscheidung ist auf Basis von Hilfsantrag 1* ergangen. Die verspätete Einreichung dieses Antrages wurde erstinstanzlich nicht gerügt. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, sieht die Kammer keine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Nichtzulassung eines Antrags, der von der Einspruchsabteilung in das Verfahren zugelassen wurde."

3.3 Da die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen hat, bestätigt die Kammer ihre Absicht, den jetzigen Hauptantrag als bereits zugelassen im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen, Artikel 12(4), zweite Halbsatz, VOBK.

4. Änderungen

Der jetzige Hauptantrag wurde in der angegriffenen Entscheidung als Hilfsantrag 1* behandelt. Die Entscheidung ging nicht auf die Änderungen in Anspruch 1 ein. Jedoch muss aus der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Patentfähigkeit (s. Seiten 9 bis 12 der Entscheidungsbegründung) gefolgert werden, dass die Einspruchsabteilung zumindest implizit auch die Zulässigkeit der Änderungen bejahte. Die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 bestreitet diesen Befund der Entscheidung.

4.1 Anspruch 1 beruht auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und enthält die zusätzlichen Merkmale "Platzieren des Nivellierringes mit einer Mehrzahl von ersten Durchgangslöchern auf der Oberseite des Fundaments, wobei die Mehrzahl der Verbindungselemente durch die Mehrzahl der ersten Durchgangslöcher geführt wird", "[Aufstellen eines unteren Turmsegmentes] mit einem unteren Flanschring mit einer Mehrzahl von zweiten Durchgangslöchern unmittelbar [auf dem nivellierten, ausgerichteten und fixierten Ring]" und "Verbinden des unteren Flanschringes mittels der Mehrzahl von Verbindungselementen durch die zweiten Durchgangslöcher mit dem Nivellierring und den Segmentankern."

Daher ist zu klären, ob durch diese Änderungen ein Gegenstand entsteht, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinausgeht.

4.2 Die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 bejaht das mit dem Argument, dass das Merkmal "Flanschring" eine Zwischenverallgemeinerung des in Figur 1 gezeigten T-Flansches sei. Außerdem sei ein Aufstellen des unteren Turmsegments "unmittelbar" auf dem Nivellierring ausschließlich in Figur 1 gezeigt, wo das untere Turmsegment einen T-Flansch aufweise, der über Gewindestangen und Muttern mit dem Fundament verbunden sei. Zudem sei der Nivellierring in dieser Figur über eine Vergussmasse, die jeweils in etwa die Dicke des Nivellierrings bzw. des Flansches hat, mit dem Fundament verbunden. Weiterhin seien Durchgangslöcher nur in Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des einzigen Ausführungsbeispiels offenbart.

4.3 Die Kammer kann sich dieser Sichtweise nicht anschließen:

4.3.1 Ein Flanschring wird bereits im allgemeinen Teil der Beschreibung offenbart. Dort wird eine untere Turmsektion beschrieben, die einen Turmflansch aufweist (Seite 3, Zeile 4). Wegen der implizit runden Form eines Turmes für eine Windenergieanlage ist dieser Turmflansch nach fachmännischem Verständnis ebenfalls rund. Im selben Absatz der Beschreibung wird betont, dass der Turmflansch bei Verwendung des erfindungs-gemäßen Nivellierrings in seiner Breite reduziert werden kann (Seite 3, Zeile 5). Ein Fachmann versteht den Begriff Breite im Zusammenhang mit einem runden Turmflansch als Differenz zwischen Außen- und Innendurchmesser des Turmflansches. Der Turmflansch besitzt folglich eine zentrale Öffnung, so dass er die Form eines Kreisrings aufweist. Ein kreisringförmiger Turmflansch ist gleichbedeutend mit einem Flanschring. Dieses Verständnis des Turmflansches wird durch den im selben Absatz der Beschreibung angestellten Vergleich des Nivellierrings mit einem Flanschring bestätigt, da ein Fachmann den Begriff Flanschring auf den im weiteren Verlauf beschriebenen Flansch der Turmsektion bezieht (Seite 2, Zeile 32).

4.3.2 Da der allgemeine Teil der Beschreibung die gesamte Patentanmeldung betrifft, kann der dort offenbarte Flanschring mit dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 kombiniert werden.

4.3.3 Der Grundgedanke der Erfindung ist es, nicht die auf dem Betonfundament aufgestellte Turmsektion zu nivellieren, sondern die Nivellierung "unter Vermittlung eines Nivellierringes" vorzunehmen. Eine solche Ausrichtung ist einfacher, siehe den die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz der Beschreibung.

Bei der vorbekannten Nivellierung der Turmsektion wird diese unmittelbar auf das Fundament aufgesetzt. Dies geht aus der Beschreibung, Seite 1, Zeile 9, bis Seite 2, Zeile 3, hervor. Dort wird nämlich das Turmsegment erst aufgesetzt und ausgerichtet, bevor dann die entstandene Fuge zwischen dem unteren Fußflansch des Turmsegments und der Oberseite des Fundaments mit einer Vergussmasse aufgefüllt wird.

Im Zusammenhang mit dem Aufstellen auf einem Betonfundament wird zudem betont, dass der Beton der Schwächere der beiden Verbindungspartner sei (Seite 6, Zeilen 10 und 11). Auch dadurch, dass von zwei Verbindungspartnern die Rede ist, geht für den Fachmann unmittelbar und eindeutig hervor, dass das Turmsegment beim vorbekannten Nivellierungsvorgang unmittelbar auf dem Betonfundament aufgestellt ist.

Wenn nun die Seite 2, Zeilen 29 bis 32, als Grundgedanke der Erfindung lehrt, anstatt eines unmittelbar auf dem Fundament aufgesetzten Turmsegment, dieses "unter Vermittlung eines Nivellierrings" zu nivellieren, versteht der Fachmann diese Lehre so, dass nun der Nivellierring in den Verbindungsstrang zwischen der Oberseite des Fundaments und (dem Fußflansch) der Turmsektion eingefügt ist. Auf Seite 4, Zeilen 29 bis 33, heißt es in diesem Sinne, dass "die untere Turmsektion unter Vermittlung des Nivellierrings fest mit dem Fundament zu verbinden" ist. Für den Fachmann geht aus alledem unmissverständlich hervor, dass das Turmsegment nicht wie vorbekannt unmittelbar auf das Fundament aufgestellt wird, sondern dass es nun unmittelbar auf den zwischen Segment und Fundament eingefügten Nivellierring aufgesetzt wird, damit dieser die beiden Teile miteinander verbindet. Dieses Verständnis schließt weitere Bauteile zwischen Turmsegment und Fundament aus. Die Beschreibung und Figuren geben auch nichts anderes her.

So zeigen alle Figuren (ausgenommen die Draufsicht der Figur 2A), dass das untere Turmsegment 22 mit seinem Flansch 20 direkt, d.h. unmittelbar auf dem Nivellierring 18 angeordnet ist. Im Zusammenhang mit dem Aufstellen auf einem Nivellierring wird in der Beschreibung zu den Figuren hervorgehoben, dass das Einfügen eines Nivellierrings ermöglicht, eine Art Übergangsstufe zwischen dem Stahl des unteren Turmsegments und dem Beton des Fundaments einzufügen (Seite 6, Zeilen 17-20). Diese Angabe ist für den Fachmann nur technisch sinnvoll, wenn tatsächlich der Nivellierring den Übergang zwischen Turmsegment und Fundament ohne Zwischenschaltung anderer Teile bildet.

4.3.4 Da die Aufnahme in den geänderten Anspruch 1 des Merkmals der unmittelbaren Aufstellung des unteren Turmsegments auf dem Nivellierring aus den bereits genannten Gründen nicht (nur) auf Figur 1 gestützt ist, ist es unerheblich, ob in Figur 1 in der Fuge zwischen dem Nivellierring 18 und dem Fundament 11 eine Vergussmasse 16 gezeigt ist, die jeweils in etwa die Dicke des Nivellierrings bzw. des Flansches hat, oder ob das untere Turmsegment in Figur 1 über Gewindestangen und Muttern mit dem Fundament verbunden ist. Dessen ungeachtet wäre die Verallgemeinerung der Gewindestangen und Muttern in Figur 1 zu Verbindungselementen ohnehin zulässig, da die Formulierung "können als Gewindestangen ausgeführt sein" in der Beschreibung als ein nicht einschränkendes Beispiel für Verbindungselemente zu verstehen ist (Seite 4, Zeilen 12-14).

4.4 Was die Aufnahme aus der Beschreibung des Merkmals "Durchgangslöcher" anbelangt, vermag die Kammer keinen engen strukturellen und funktionellen Zusammenhang mit weiteren Merkmalen, etwa der T-Form des Fußflansches des Turmsegments, der beidseitig mit einem breiteren Nivellierring verbunden ist, zu erkennen. Es ist für den Fachmann sofort erkennbar, dass die Tatsache, dass Durchgangslöcher für die Verbindungselemente vorgesehen sind, unabhängig ist von der genauen Form und den relativen Maßen des Flansches, oder ob die Verbindung ein- oder beidseitig des Flansches ist.

4.5 Aus diesen Gründen stellt die Kammer fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, Artikel 123 (2) EPÜ. Außerdem entspricht Anspruch 1 dem erteilten Anspruch 1, so dass der Schutzbereich des Patents nicht erweitert wird, Artikel 123(3) EPÜ.

5. Neuheit

5.1 In ihrer Beschwerdebegründung bestreitet die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 die Neuheit von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1* (jetziger Hauptantrag) gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1. Insbesondere sei der dort offenbarte Ankerring "anchoring ring 18" als Fundament mit Segmentankern anzusehen.

5.2 In ihrer Mitteilung, Abschnitt 4.2, hat die Kammer die folgende vorläufige Meinung geäußert:

"... Das zum Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ gehörende, und daher nur für die Frage der Neuheit heranzuziehende Dokument E1 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig, wie der Ringanker "anchor ring 18" ausgeführt ist, ob einstückig oder in mehreren Segmenten. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist dagegen wegen der Pluralform "mit Segmentankern" auf ein Fundament mit mehreren Segmentankern gerichtet. Diese Argumentation gilt analog für den Hilfsantrag 1*."

5.3 Da die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen hat, bestätigte die Kammer ihre vorläufige Meinung. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher neu gegenüber der E1, Artikel 54(3) EPÜ.

6. Erfinderische Tätigkeit

Die erfinderische Tätigkeit wurde ausgehend von E3, E8, E9 oder ausgehend von einem bekannten Verfahren zum Errichten eines Turms einer Windenergieanlage angegriffen. Zu diesen Angriffslinien bemerkt die Kammer folgendes:

6.1 Ausgehend von E3, oder ausgehend von einem bekannten Verfahren zum Errichten eines Turms einer Windenergieanlage

6.1.1 Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird das Dokument E3 als geeigneter Ausgangspunkt angesehen, da es ein Verfahren zum Errichten eines Turmes einer Windenergieanlage offenbart (Spalte 1, Zeilen 12 bis 14: "large towers which may be used to support ... wind turbines"). Beim Verfahren nach E3 wird kein Nivellierring verwendet. Stattdessen wird das untere Turmsegment in eine mit Vergussmasse gefüllte Nivellierfuge des Fundaments gestellt (siehe Seite 10 der angegriffenen Entscheidung für Details).

Das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von der Offenbarung des Dokuments E3 insbesondere dadurch, dass das untere Turmsegment auf einem Nivellierring aufgestellt wird, der auf der Oberseite des Fundaments platziert ist. Diesem Unterscheidungsmerkmal liegt die objektive technische Aufgabe zugrunde, die untere Turmsektion in situ exakt und auf einfache Weise auszurichten (Patentschrift, Absatz 8).

Unter der Annahme, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens oder bestehender Normen auch andere Gebiete des Stahlbaus berücksichtigen würde, könnte er zur Lösung dieser Aufgabe E4 oder E5 heranziehen. Das Dokument E5 offenbart bereits einen Nivellierring 9. Dieser wird jedoch nicht auf der Oberseite des Fundaments, sondern in einer mit Vergussmasse unterfütterten Fuge im Fundament platziert (Spalte 3, Zeilen 49 und 50: "Einsetzen in das Betonfundament"; Spalte 6, Zeilen 6, 8 und 9: "herausnehmbaren Flansches", "eingesetzter ... Flansch"; Figuren 2 und 3). Auch das vorhergehende Einsetzen in die Fundamentgrube stellt kein Platzieren auf der Oberseite eines Fundaments dar, da zu diesem Zeitpunkt das Fundament noch nicht betoniert worden ist (Spalte 5, Zeilen 48-50 und 66-68). Dagegen offenbart das Dokument E4 wegen der rechteckigen Darstellung in der Figur 2 und der durchgehenden Schraffur in der Figur 3 nur eine öffnungslose Grundplatte 3, und damit keinen Nivellierring. Ein Ring weist nämlich implizit eine zentrale Öffnung auf.

6.1.2 Das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von bekannten Verfahren zum Errichten eines Turms einer Windenergieanlage, wie z.B. in der Patentschrift, Absatz [0003] beschrieben, ebenfalls darin, dass das untere Turmsegment auf einem Nivellierring aufgestellt wird, der auf der Oberseite des Fundaments platziert ist. Diesem Unterscheidungsmerkmal liegt aus den oben genannten Gründen die objektive technische Aufgabe zugrunde, die untere Turmsektion in situ exakt auszurichten.

Unter der Annahme, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens oder bestehender Normen auch andere Gebiete des Stahlbaus berücksichtigen würde, könnte er zur Lösung dieser Aufgabe E7 heranziehen. E7 offenbart zwar ein Fundament für größere Maschinen wie z.B. Turbinen, auf dessen Oberseite eine Nivellierplatte platziert wird (Figuren 1 und 2: "foundation plate 4"). Die Nivellierplatte ist aber rechteckig, so dass sie gerade keinen Nivellierring bildet.

6.1.3 Daher kann selbst die Kombination von E3 und E4 oder E5 bzw. die Kombination des bekannten Verfahrens zum Errichten eines Turms einer Windenergieanlage mit E7 - unbeschadet der Frage der Zulassung dieser verspäteten Druckschrift - nicht nahelegen, dass ein Nivellierring auf der Oberseite des Fundaments platziert wird.

6.2 Ausgehend von E8 oder E9

Nach geltender Rechtsprechung ist der Fachmann zwar völlig frei in der Wahl eines Ausgangspunkts, er ist dann aber an diese Wahl gebunden. Insbesondere wird durch seine Wahl einer bestimmten Gattung der weiteren Entwicklungsrahmen, nämlich innerhalb dieser Gattung, vorgegeben (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.3.6).

Ein anspruchsgemäßes Verfahren zum Errichten eines Turmes einer Windenergieanlage gehört nicht zum selben oder einem eng verwandten technischen Gebiet wie ein Fundament für die Säule eines Fertiggebäudes gemäß E8, oder ein Fundament für den Mast einer Außenbeleuchtung gemäß E9. Nach Ansicht der Kammer legt der Fachmann, indem er E8 oder E9 als Ausgangspunkt wählt, den normalen Entwicklungsrahmen im Bereich der Säulen für Fertiggebäude bzw. der Masten für Außenbeleuchtungen fest. Es liegt nicht in diesem Rahmen, als nicht im normalen fachmännischen Können, einen Verfahren zum Verbinden einer solchen Säule mit ihrem bzw. eines solchen Masts mit seinem Fundament in ein Verfahren zur Errichtung einer Windenergieanlage umzugestalten.

Daher beruhen die von E8 oder E9 ausgehenden Angriffe - und unbeschadet der Frage der Zulassung dieser verspätet eingereichten Druckschriften - auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise.

6.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags wird aus diesen Gründen ausgehend von E3, E8, E9 oder von einem an sich bekannten Verfahren zum Errichten eines Turms einer Windenergieanlage nicht nahegelegt, Artikel 56 EPÜ.

7. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Hauptantrag gewährbar ist, da Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ erfüllt. Außerdem ist der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 neu gegenüber E1, Artikel 54(3) EPÜ. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht ausgehend vom herangezogenen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ. Zudem ist die Beschreibung auf zulässige Weise an diesen Anspruchssatz angepasst worden.

Unter Berücksichtigung der nach dem Hauptantrag vorgenommenen Änderungen stellt die Kammer fest, dass das Patent die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, und somit nach Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Fassung aufrechterhalten werden kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

Nr. 1 und 2 des Hauptantrags eingereicht mit Schreiben vom 26 Juli 2019,

Beschreibung:

Seiten 2 bis 4 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer,

Zeichnungen:

Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.

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