T 1204/15 (Wasch- oder Reinigungsmittel mit Fliessgrenze / HENKEL) of 1.8.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T120415.20180801
Datum der Entscheidung: 01 August 2018
Aktenzeichen: T 1204/15
Anmeldenummer: 06707517.6
IPC-Klasse: C11D 3/37
C11D 3/20
C11D 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Klares Wasch- oder Reinigungsmittel mit Fliessgrenze
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: Procter & Gamble, Inc.
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Zulässigkeit des spät eingereichten Vorbringens (Einwand fehlender Neuheit) (nein)
Ausführbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1488/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 863 895 zurückgewiesen worden ist.

II. Anspruch 1 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:

"1. Klares, flüssiges Wasch- und Reinigungsmittel mit Fließgrenze, enthaltend Tensid(e) sowie weitere übliche Inhaltsstoffe von Wasch- und Reinigungsmitteln, wobei das Mittel ein Polyacrylat als Verdicker und eine Lösungsmittelkomponente, umfassend ein Gemisch aus Dipropylenglykol und 1,2-Propandiol, enthält und wobei das Verhältnis Dipropylenglykol zu 1,2-Propandiol 3:1 bis 1:3 beträgt."

III. Im Einspruchsverfahren hat die Einsprechende unvollständige Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) dieses beanspruchten Gegenstandes geltend gemacht.

Folgende Dokumente wurden unter anderem zitiert:

D3: EP 1 352 644 A1 und

D4: GB 1 471 406 A.

IV. In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung insbesondere zu dem Schluss, dass die Erfindung ausführbar und der beanspruchte Gegenstand neu und erfinderisch gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik sei.

V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat mit ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt, dass die Erfindung nicht ausführbar und der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ausgehend von D3 als nächstliegendem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat in ihrer Erwiderung die Einwände der Beschwerdeführerin bestritten.

Insbesondere führte sie aus, dass die von der Beschwerdeführerin gegen die Ausführbarkeit erhobenen Einwände nur die Deutlichkeit des Begriffs "Verdicker" beträfen. Zudem stelle das Dokument D4, und nicht D3, den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Mit dem weiteren Schreiben vom 4. April 2018 hat sie zwei geänderte Anspruchsfassungen als Hilfsanträge 1 und 2 eingereicht.

VII. Mit ihrem in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Bescheid teilte die Kammer ihre vorläufige und nicht bindende Auffassung zu bestimmten Punkten mit, unter anderem:

- dass die beanspruchte Erfindung ausführbar sei;

- dass D4 den nächstliegenden Stand der Technik darstelle und

- dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber D4 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VIII. Mit Schreiben vom 17. Juli 2018 beanstandete die Beschwerdeführerin die Neuheit des erteilten Anspruchs 1 gegenüber D3 sowie die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D3 oder D4. Zudem reichte sie drei neue Dokumente ein und führte aus, dass, wie in D3 und in den drei neuen Dokumenten gezeigt, die Verwendung der erfindungsgemäßen Lösungsmittelmischungen in tensidhaltigen Flüssigkeiten dem allgemeinen Fachwissen angehöre.

IX. Die mündliche Verhandlung fand am 1. August 2018 statt.

Die Beschwerdeführerin trug während der Verhandlung keine spezifisch auf den mit Schreiben vom 17. Juli 2018 eingereichten weiteren drei Dokumenten basierten Argumente vor.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis eines der mit Schreiben vom 04. April 2018 eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2.

XI. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

- Die Bedeutung des im Anspruch 1 enthalten und auf Polyacrylat bezogen Wortlauts "als Verdicker" sei nicht definiert. Insbesondere enthalte die Beschreibung keinen Hinweis, wann und in welcher Konzentration die rheologische Wirkung (als Verdicker) eines gewählten Polyacrylats in einer bestimmten erfindungsgemäßen Zusammensetzung als Verdickung angesehen werden könne. Daher sei der Fachmann nicht in der Lage, genau festzustellen, ob das gewählte Polyacrylat einen Verdicker im Sinne des Anspruchs 1 darstelle oder nicht. Ferner seien die zwei veranschaulichten spezifischen Verdicker nicht ausreichend, um die Erfindung in der gesamten Breite des Anspruchs auszuführen. Die beanspruchte Erfindung sei daher nicht ausreichend offenbart.

- Der beanspruchte Gegenstand sei gegenüber den Formulierungen der Beispiele 17 und 20 der D3 nicht mehr neu.

- D4 lege nahe, Glykole oder Glykolether als äquivalente Alternative zu dem bevorzugten Ethanol einzusetzen, um ein klares flüssiges Reinigungsmittel zu erhalten.

- Außerdem, gehöre die Verwendung solcher Lösungsmittel und deren Mischungen in flüssigen Reinigungsmitteln dem allgemeinen Fachwissen an, wie es zum Beispiel in D3 gezeigt sei.

- Ausgehend aus D4 als nächstliegendem Stand der Technik sei es daher für den Fachmann naheliegend gewesen, eine Lösungsmittelmischung wie beansprucht auszuprobieren, um ein weiteres flüssiges Reinigungsmittel oder sogar ein alternatives klares und stabiles flüssiges Reinigungsmittel bereitzustellen.

- Ausgehend aus D3 (Beispiel 17 und 20) sei keine oder nur eine kleine Änderung der Lösungsmittelkonzentrationen ausreichend, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

- Der beanspruchte Gegenstand beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

XII. Die Beschwerdegegnerin hat im Gegenzug insbesondere Folgendes vorgetragen:

- der vorgebrachte Einwand der unvollständigen Offenbarung beträfe in der Tat die Klarheit des Begriffs "Verdicker";

- die Erfindung sei ausreichend offenbart;

- der spät vorgebrachte Neuheitseinwand basierend auf D3 sei nicht zulässig;

- für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei D3 ein weniger geeigneter Ausgangspunkt als D4;

- D4 nenne keine spezifischen Glykole oder Glykolether und enthalte keinen Hinweis, ein Lösungsmittelgemisch wie beansprucht einzusetzen;

- auch wenn solche Lösungsmittel in flüssigen Reinigungsmitteln bereits eingesetzt worden seien, könne das nicht bedeuten, dass sie alle gleichwertig und austauschbar seien, wie gezeigt im Streitpatent für die Lösungsmittel Dipropylenglykol und 1,2-Propandiol;

- daher sei es nicht naheliegend gewesen, anstatt des im D4 bevorzugten Ethanols, genau ein Lösungsmittelgemisch wie beansprucht auszuprobieren;

- der Fachmann habe auch keine Veranlassung gehabt, D4 mit der Lehre des D3 und insbesondere mit den Formulierungen 17 oder 20 des D3 zu kombinieren, zumal sie ein verschiedenes Tensidsystem und insbesondere Phosphattenside beträfen;

- die Formulierungen 17 und 20 des D3 wiesen jedenfalls nicht ein Verhältnis der Lösungsmittel wie beansprucht auf;

- daher könne D3 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen;

- der beanspruchte Gegenstand beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des geänderten Vorbringens der Beschwerdeführerin (spät erhobener Einwand der fehlenden Neuheit gegenüber D3)

1.1 Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung nur bezüglich der Ausführbarkeit der Erfindung und der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes begründet.

Der Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass der beanspruchte Gegenstand neu gegenüber dem zitierten Stand der Technik sei, wurde in der Beschwerdebegründung nicht widersprochen, sie also insoweit nicht angefochten.

Daher war die angebliche fehlende Neuheit nicht Teil des gemäß Artikel 12(2) VOBK eingereichten vollständigen Sachvortrages der Beschwerdeführerin, noch weniger der Begründung, mit der die Aufhebung der Entscheidung der Einspruchsabteilung und der Widerruf des Streitpatentes beantragt wurde.

1.2 Erst mit ihrem Schreiben vom 17. Juli 2018, d.h. zwei Wochen vor der am 01. August 2018 abgehaltenen mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes beanstandet.

Diese neue Beanstandung stellt daher eine Änderung ihres Vorbringens dar, deren Zulassung und Berücksichtigung im Ermessen der Kammer gemäß Artikel 13(1) und (3) VOBK steht.

1.3 Die Kammer bemerkt, dass die Beschwerdeführerin nicht überzeugend hat erklären bzw. rechtfertigen können, warum der Einwand fehlender Neuheit in der Beschwerdebegründung nicht geltend gemacht wurde und warum diese Änderung des Vorbringens so spät eingereicht wurde.

1.4 In dieser Hinsicht kann diese Änderung des Vorbringens auch nicht als Reaktion auf den Kammerbescheid in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung geltend gemacht werden, da sich die Kammer in besagtem Bescheid nur auf die eingereichte Beschwerdebegründung bezogen und daher die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes nicht angesprochen hatte.

1.5 Die Kammer ist daher der Meinung, dass das spät eingereichte, geänderte Vorbringen der Beschwerdeführerin (Einwand fehlender Neuheit) nur als Versuch verstanden werden kann, den in der Beschwerdebegründung nicht mehr verfolgten Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit zu einem sehr späten Zeitpunkt wieder ins Verfahren einzuführen. Dies wertet die Kammer als einen Missbrauch des Verfahrens (ebenso z.B. T 1488/08 vom 14. Oktober 2011, Gründe, 2.1-2.2).

1.6 Daher hat die Kammer das geänderte Vorbringen ins Verfahren nicht zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).

Hauptantrag der Beschwerdegegnerin (Patent wie erteilt)

2. Ausführbarkeit

2.1 In Bezug auf die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Einwände hatte die Kammer in ihrem Bescheid in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung ihre vorläufige Meinung mitgeteilt, nämlich

- dass der Anspruch 1 keine Viskosität der beanspruchten Zusammensetzung vorschreibe;

- dass eine mindeste oder endgültige rheologische Wirkung des Polyacrylats in der beanspruchten Zusammensetzung, welche auch aus der Natur und Wirkung der anderen in der Zusammensetzung enthaltenen Komponente abhängen könne, weder definiert noch verlangt werde;

- dass also die Angabe "als Verdicker" in Anspruch 1 nur qualitativ verstanden werden solle, nämlich als die Funktionsfähigkeit des in einer Zusammensetzung wie beansprucht enthaltenen Polyacrylats als Verdicker zu wirken;

- dass der Einwand der Beschwerdeführerin eher die Deutlichkeit des Anspruchs 1 im Bezug auf den Wortlaut "Polyacrylat als Verdicker" betreffe, nicht aber die Ausführbarkeit der Erfindung;

- dass daher für die beanspruchte Erfindung keine unzureichende Offenbarung aus den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Gründen vorliegen könne.

2.2 Darüber hinaus, wie auch schriftlich mitgeteilt, ist für die Kammer ersichtlich,

- dass das Streitpatent (Absatz [0099]) vier erfindungsgemäße Zusammensetzungen veranschaulicht, welche zwei kommerziell zugängliche Polyacrylate aufweisen, also zumindest vier Wege, um die Erfindung auszuführen, die als solche nicht bestritten werden,

- dass weitere Polyacrylate, welche in einer Zusammensetzung mit Fließgrenze potentiell als Verdicker wirken können, anscheinend im Stand der Technik bereits bekannt gewesen waren (siehe Abschnitt [0008] des Streitpatents),

- dass die Patentschrift (Absätze [0034] und [0036]) eine Vielzahl denkbarer Alternativen von Klassen oder kommerziell zugänglichen Verdickern offenbart, die als Verdicker im Sinne des Streitpatents angegeben sind, und

- dass die Patentschrift (Absätze [0022], [0035] und [0055]) ausreichende Angaben zu den relevanten Kriterien (Mengeangaben des Polyacrylats und Viskosität der Zusammensetzung) offenbart, anhand derer mit vertretbarem Aufwand geeignete Alternativen aus dem beanspruchten Bereich ausgewählt werden können.

2.3 Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung auf ihren schriftlichen Vortrag verwiesen und diesbezüglich keine weitere Einwände vorgetragen.

2.4 Daher hat die Kammer keine Veranlassung, ihre vorläufige Meinung zu ändern, dass das Streitpatent eine vollständige Offenbarung zur Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung im Sinne von Artikel 83 EPÜ enthält.

2.5 Der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ steht folglich der Aufrecherhaltung des Streitpatents nicht entgegen.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Die Erfindung

3.1.1 Die Erfindung betrifft ein klares, flüssiges Wasch- und Reinigungsmittel mit Fließgrenze (Abschnitt [0001] des Streitpatents und Anspruch 1).

3.1.2 Das Streitpatent definiert im Abschnitt [0085], was mit einem klaren flüssigen Mittel gemeint ist, d.h. ein Mittel, das keinen Bodensatz aufweist und mindestens transluzent und vorzugsweise transparent ist. Zudem ist es unbestritten, dass die Fließgrenze die mindeste mechanische Spannung bezeichnet, oberhalb der ein Mittel zum Fließen übergeht. Daher betrifft die Erfindung ein flüssiges Wasch- und Reinigungsmittel, das keinen Bodensatz aufweist, mindestens transluzent und vorzugsweise transparent ist und oberhalb einer mechanischen Spannung fließt.

3.1.3 Aus der Beschreibung des Streitpatents ist Folgendes zu entnehmen

- "Eine Möglichkeit um Partikel in einer Flüssigkeit zu suspendieren, ist die Verwendung von strukturierten Flüssigkeiten...Eine externe Strukturierung kann beispielweise durch Einsatz von strukturierenden Gums... oder von Polyacrylatverdickern erzielt werden." (Abschnitt [0008]).

- "Aus ästhetischer Sicht ist es wünschenswert, dass die flüssigen Waschmittel, in denen die Partikel suspendiert sind, transparent bzw. zumindest transluzent sind. Der Einsatz von strukturierenden Gums führt aber oft zu trüben Zusammensetzung." (Abschnitt [0009]).

- "Es ist auch nicht immer möglich, in elektrolyt- und/oder tensidreichen Systemen Fließgrenzen zu erzeugen."(Abschnitt [0012]).

3.1.4 Das Streitpatent erwähnt daher als Zielsetzung der vorliegenden Erfindung (Abschnitt [0015]) die Bereitstellung eines klaren flüssigen Wasch- und Reinigungsmittels mit Fließgrenze, welches lager- und transportstabil und in der Lage ist, Partikel homogen zu dispergieren.

3.2 Der nächstliegende Stand der Technik

3.2.1 D3 (Abschnitte [0001] und [0007]) betrifft ein phosphathaltiges Reinigungsmittel, das ausgezeichnete cremige Schaumkraft und Stabilität bei niedrigen Temperaturen (und daher bestenfalls auch Transparenz: siehe Abschnitt [0039]) aufweist, weniger Irritation auf der Haut verursacht und daher ein gutes Hautgefühl bewirkt und ein einfaches Mischen seiner Komponenten erlaubt.

D3 betrifft jedoch mindestens nicht ausdrücklich ein Reinigungsmittel mit Fließgrenze, welches Partikel homogen dispergieren kann.

In der Tat wird D3 in der ursprünglich eingereichten Anmeldung auch nicht gewürdigt.

3.2.2 D4 (Seite 1, Zeilen 10 bis 25 und 75 bis 79) betrifft hingegen die Bereitstellung eines klaren flüssigen Reinigungsmittels, das ein gießbares Gel sein kann (und daher eine Fließgrenze aufweisen kann), welches lager- und transportstabil und in der Lage ist, Partikel homogen zu dispergieren. D4 war schon in der ursprünglich eingereichten Anmeldung gewürdigt.

3.2.3 Daher stellt D4, dessen Zielsetzung, im Gegensatz zu der von D3, der dem Streitpatent ausdrücklich beinahe identisch ist, für die Kammer den geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.

3.2.4 Auch die Einspruchsabteilung (Punkt 4.2 der Entscheidung) und die Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin (Paragraph II.b) in dem Schreiben vom 23. Dezember 2015) haben D4, Anspruch 1, als nächstliegenden Stand der Technik berücksichtigt.

3.2.5 Daher hält die Kammer ihre im Bescheid geäußerte vorläufige Meinung aufrecht, dass D4 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu wählen ist.

Insbesondere, wie in der angefochtene Entscheidung angemerkt, stellt die Formulierung des Anspruchs 1 von D4 den nächstliegenden Stand der Technik dar.

3.3 Die technische Aufgabe

3.3.1 Die Kammer hat auch keine Veranlassung, die objektive technische Aufgabe, ausgehend aus der Formulierung des Anspruchs 1 des D4, anders zu formulieren als in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 4.5), d.h. als die Bereitstellung einer alternativen klaren stabilen flüssigen Reinigungszusammensetzung.

3.3.2 Da die beanspruchte Zusammensetzung zwingend klar sein und eine Fließgrenze aufweisen muss, so dass Formulierungen ohne diese Merkmale von Anspruch 1 nicht umfasst sind, kann die technische Aufgabe nicht so formuliert werden, wie von der Beschwerdeführerin alternativ vorgeschlagen und begehrt, einfach als die Bereitstellung einer weiteren flüssigen Reinigungszusammensetzung (die nicht unbedingt klar sein und eine Fließgrenze nicht aufweisen muss).

3.3.3 Die Kammer ist auch angesichts der Beispiele E1 bis E4 des Streitpatents davon überzeugt, dass die obige Aufgabe durch eine Formulierung nach Anspruch 1 erfolgreich gelöst worden ist.

4. (Nicht) Naheliegen der Lösung

Es verbleibt demnach zu untersuchen, ob es ausgehend von der Zusammensetzung gemäß D4/Anspruch 1 für den mit der technischen Aufgabe befassten Fachmann naheliegend war, die Komponenten der bekannten Zusammensetzung derart abzuwandeln, dass sich dabei das in Anspruch 1 definierte Reinigungsmittel ergibt.

4.1 Das Dokument D4

4.1.1 Die Zusammensetzung laut Anspruch 1 von D4 ist ein klares, flüssiges Wasch- und Reinigungsmittel mit Fließgrenze, enthaltend Tenside wie Triethanolaminlaurylsulfat, weitere übliche Inhaltsstoffe wie Mittel zur Einstellung des pH-Wertes, ein Polyacrylat als Verdicker, 0 bis 30% an mit Wasser mischbaren Lösungsmitteln ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Alkoholen, Glykolen und Glykolethern und suspendierte Partikel.

Davon unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nur insoweit, als es ein Gemisch aus Dipropylenglykol (im Folgenden DPG) und 1,2-Propandiol (im Folgenden PD), enthält, wobei das Verhältnis DPG zu PD 3:1 bis 1:3 beträgt. Dieser Unterschied ist unstrittig.

4.1.2 Es bleibt daher zu entscheiden, ob es für den Fachmann naheliegend war, angesichts der Lehre des D4 und der Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens, ein Lösungsmittelgemisch wie beansprucht in einer Zusammensetzung nach D4 auszuprobieren, um eine alternative klare stabile flüssige Reinigungszusammensetzung bereitzustellen.

4.1.3 Es ist unbestritten, dass obwohl D4 Alkohole, Glykole und Glykolether als geeignete Lösungsmittel für die Erhaltung einer klaren flüssigen Phase allgemein erwähnt (Seite 2, linke Spalte, Zeilen 8 bis 14), nur Ethanol (ein Alkohol) als Brennspiritus (Industrial methylated spirits) als bevorzugt angegeben wird (Seite 2, Zeilen 14 bis 17). Auch die in den Beispielen von D4 veranschaulichten Zusammensetzungen enthalten Alkohole, nämlich Brennspiritus (Beispiel 1) oder n-Propan-1-ol (ein weiteres Alkohol) (Beispiel 2). Also werden weder Glykole noch Glykolether bevorzugt. D4 erwähnt in der Tat keine spezifischen Glykole oder Glykolether, noch weist auf den Einsatz eines Gemisches solcher Verbindungen hin.

Daher ergibt sich aus der Offenbarung des D4 kein Hinweis für den Fachmann, ein Gemisch aus DPG und PD zu wählen und zu verwenden, noch weniger mit einem Verhältnis DPG zu PD von 3:1 bis 1:3.

4.1.4 Auch wenn die Verwendung von Gemischen der DPG und PD in flüssigen Reinigungsmitteln bereits bekannt sein sollten und unter Umständen auch zum allgemeinen Fachwissen gehören, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, hätte der Fachmann ausgehend aus der Lehre von D4 keine Veranlassung gehabt, anstelle von den von D4 bevorzugten Alkoholen, genau ein Gemisch wie in Anspruch 1 des Streitpatents definiert (bestehend aus DPG und PG mit einem bestimmten Verhältnis, 3:1 zu 1:3), aus den unzähligen von der Lehre des D4 umfassten Alternativen zu wählen, um die gestellte technische Aufgabe zu lösen.

4.1.5 Zudem, wie bereits in der angefochtenen Entscheidung (Gründe, Punkt 4.7) angemerkt wurde, zeigt das Streitpatent eindeutig (Beispiele V1 und V2), dass die Fähigkeiten der PG und DPG, einem flüssigen Mittel Klarheit zu verleihen, nicht gleichwertig sind, da PG für sich allein (V1) im Gegensatz zu DPG (V2) zu keiner klaren Flüssigkeit führt. Jedenfalls war es für den Fachmann weder aus D4 noch aus allgemeinem Fachwissen zu entnehmen, dass ein Gemisch wie beansprucht in einer Formulierung enthaltend die Komponente des Anspruchs 1 des D4 ohne weiteres zu einer klaren Flüssigkeit führen würde.

4.1.6 Daher ist die Kammer der Meinung, dass der Fachmann, ausgehend aus D4, auch mit Einbeziehung seines allgemeinen Fachwissens, keine Veranlassung haben konnte, ein Lösungsmittelgemisch wie beansprucht auszuprobieren, und damit zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

4.2 Die Kombination von D4 mit D3

4.2.1 Die von der Beschwerdeführerin angesprochenen Formulierungen von D3 (Beispiele 17 und 20) enthalten wohl eine Mischung von DPG und PG, insbesondere 1.5% DPG und 5% PD. Jedoch sind diese Formulierungen, die zwingend Phosphattenside (siehe auch Anspruch 1 des D3) enthalten, mindestens in dem Tensidsystem den Formulierungen gemäß Anspruch 1 des D4 nicht ähnlich. Sie sind jedenfalls sehr unterschiedlich von den in D4 beispielhaft dargestellten Formulierungen. Zudem, wie in der angefochtenen Entscheidung angemerkt wurde (3.2, dritter Absatz), enthalten (auch für die Kammer) die zitierten Formulierungen ein Verhältnis von DPG zu PG außerhalb des Bereiches des erteilten Anspruchs 1. D3 enthält auch keine Lehre, ob und in welcher Grenze das in diesen Beispielen verwendete Lösungsmittelgemisch variiert werden kann.

4.2.2 Daher hätte der Fachmann, schon bei der Suche von geeigneten alternativen Lösungsmittel(n)(gemischen) für die Formulierungen des D4, zwischen unzähligen anderen Möglichkeiten, nicht in naheliegender Weise genau D3 in Betracht gezogen. Noch weniger hätte er insbesondere auf die zwei spezifischen Beispiele 17 und 20 des D3 zurückgegriffen und, darüber hinaus, hätte er das Verhältnis DPG zu PG nicht variieren wollen, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, zumal kein Hinweis dafür vorhanden war.

Die obige Analyse zeigt, dass der Fachmann nur durch eine rückschauende Betrachtungsweise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen konnte. Solch eine ex-post facto Analyse ist jedoch bei Anwendung des Aufgabe-Lösung Ansatzes zu vermeiden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 8. Auflage 2016, I.D.6, Seiten 211 und 212).

4.2.3 Daher kann auch die Kombination von D4 mit D3 nicht zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 führen.

4.2.4 Dieser Schluss erstreckt sich a fortiori auf die Kombination von D3 und D4, zumal D3 keinen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellen kann.

4.3 Folglich kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (Anspruch 1 wie erteilt) auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

5. Schließlich stehen auch die Einspruchgründe unter Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des erteilten Streitpatents nicht entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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