T 1171/15 () of 21.12.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T117115.20181221
Datum der Entscheidung: 21 Dezember 2018
Aktenzeichen: T 1171/15
Anmeldenummer: 09761752.6
IPC-Klasse: G09B 23/28
A61B 19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: OPHTHALMOSKOP-SIMULATOR
Name des Anmelders: VRmagic GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 09761752 zurückzuweisen.

II. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 beantragte die Beschwerdeführerin/Anmelderin die Erteilung eines Patents auf der Basis eines Antrags B8. Die Ansprüche und die Beschreibung wurden dabei gegenüber den der Entscheidung zugrunde liegenden Anmeldeunterlagen verändert.

III. Während eines Telefongesprächs vom 20. Dezember 2018 modifizierte die Anmelderin diesen Antrag B8 dahingehend, den Begriff Ophthalmoskoplinsen-Dummys in Merkmal i2 in Anspruch 1 sowie auf Seite 4 in Zeile 5 der Beschreibung jeweils durch den Begriff Ophthalmoskop-Dummys zu ersetzen.

Darüber hinaus stellte die Anmelderin während dieses Telefongesprächs klar, dass in Bezug auf die Beschreibungsseiten 6 und 10 des Antrags B8 jeweils die Fassung zu berücksichtigen sei, bei der die vorgenommenen Änderungen fett gedruckt seien.

Bei Seite 10 sei dies die Seite mit der handgeschriebenen Seitenzahl 10.

Bei Seite 6 sei dies die Seite, deren letzte Zeile laute: Dummys dargestellt, wobei der

IV. Es wird auf die folgenden Dokumente verwiesen:

D2: D. Lee et al.: "Ophthalmoscopic Examination Training Using Virtual Reality", Virtual Reality (1999) 4: 184-191; Print ISSN: 1359-4338; XP002553166

D8: Bichlmeier et al.: "Contextual Anatomic Mimesis Hybrid In-Situ Visualization Method for Improving Multi-Sensory Depth Perception in Medical Augmented Reality", 6th IEEE and ACM International Symposium on Mixed and Augmented Reality, 2007; Print ISBN: 978-1-4244-1749-0; XP031269886

V. Unter Berücksichtigung der von der Anmelderin im Telefongespräch vom 20. Dezember 2018 beantragten Änderungen hat Anspruch 1 des Antrags B8 den folgenden Wortlaut:

a Verfahren zum Betrieb eines Ophthalmoskop-Simulators (1) zur Simulation der Handhabung eines Ophthalmoskops, aufweisend

b eine an einem Kopf (3) eines Beobachters anbringbare Halterung (1.5), an der mindestens eine bildgebende erste Anzeige (1.4) angeordnet ist,

b1 wobei die Anzeige (1.4) vor einem Beobachterauge (3.1) zwecks Darstellung einer virtuellen Realität positionierbar ist,

b2 wobei an der Halterung (1.5) mindestens eine Videokamera (1.2) zum Erzeugen von Videobildern (1.3) der realen Umgebung vorgesehen ist,

c ein Positionserkennungssystem (5), über das die räumliche Position und Lage der Halterung (1.5) ermittelbar ist,

d und einen Computer (4), über den von der mindestens einen Videokamera erzeugte Bilder (1.3) der realen Umgebung (7) auf der Anzeige (1.4) dem Beobachter dargestellt werden können,

e wobei ein Ophthalmoskop-Dummy (1.1) und ein Patientenkopf-Dummy (2) vorgesehen sind,

e1 und der Patientenkopf-Dummy (2) zumindest eine einer Gesichtsform nachgebildeten Peripheriefläche (2.4) mit einer darin platzierten Patientenaugen-Position (2.1) aufweist, auf der die Hand abgestützt werden kann,

f wobei mittels des Positionserkennungssystems (5) die räumliche Position und Lage des Ophthalmoskop-Dummys (1.1) und des Patientenkopf-Dummys (2) ermittelbar ist

g wobei in das dem Beobachter dargestellte Bild (1.3) der realen Umgebung (7) ein Bildteil (2.2) einspielbar ist,

h wobei

- mittels des Positionserkennungssystems (5) die räumliche Position und Lage des Ophthalmoskop-Dummys (1.1) und des Patientenkopf-Dummys (2) und der Halterung (1.5) ermittelt werden,

i und in Abhängigkeit der relativen Lage dieser drei Objekte (1.1, 2, 1.5)

i1 - ein von der mindestens einen Videokamera erzeugtes Bild (1.3) der realen Umgebung betreffend den Patientenkopf-Dummy und den Ophthalmoskop-Dummy (1.1) auf der Anzeige (1.4) dargestellt wird, und

i2 - in dem dargestellten Bild (1.3) der realen Umgebung (7) an die Stelle des Ophthalmoskop-Dummys der Bildteil (2.2) eingespielt wird, wobei der eingespielte Bildteil (2.2) eine virtuelle Retina und/oder eine virtuelle Umgebung (7) darstellt, wie sie der Beobachter durch das von ihm gehaltene Ophthalmoskop sehen würde, wenn es sich um ein entsprechendes Instrument handeln würde,

i3 wobei

- der eingespielte Bildteil (2.2) die virtuelle Retina nur dann darstellt, wenn die relative Lage zwischen der Halterung (1.5) und dem Ophthalmoskop-Dummy (1.1) und dem Patientenkopf-Dummy (2) vordefinierte realitätsnahe Bedingungen erfüllt

k wobei es sich bei dem Ophthalmoskop-Dummy (1.1) um einen Dummy für eine Linse (1.1) eines indirekten Ophthalmoskops oder einen Dummy für ein direktes Ophthalmoskop handelt.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 123(2) EPÜ

1.1 Anspruch 1:

Die Merkmale b, b1, c, e, e1 (erster Teil) und f entstammen dem ursprünglichen Anspruch 1.

Die Merkmale b2 und d sind im ursprünglichen Anspruch 2 sowie auf Seite 6, Absatz 2 und 3 und Seite 14, Absatz 3 der ursprünglichen Beschreibung offenbart.

Die Merkmale a und h entstammen dem ursprünglichen Anspruch 12, welcher sich auf alle vorhergehenden Ansprüche bezog.

Die Merkmale e1 (zweiter Teil), g, i, i1, i2 und i3 haben eine Basis in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, zweiter Absatz sowie Seite 15, erster und zweiter Absatz.

Das Merkmal k schließlich beruht auf dem ursprünglichen Anspruch 3 sowie auf Seite 7, Absatz zwei, Seite 9, Absatz eins und Seite 15, vorletzter Absatz bis Seite 16, erster Absatz.

1.2 Abhängige Ansprüche

Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 14 bis 17.

1.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt sind.

2. Artikel 84 EPÜ

Die von der Kammer im ersten Bescheid erhobenen Klarheitseinwände wurden von der Anmelderin durch Änderungen ausgeräumt. Die Kammer sieht daher die Bedingungen des Artikels 84 EPÜ als erfüllt an.

3. Die Erfindung

Die technische Aufgabe, die der vorliegenden Anmeldung zugrunde liegt, ist, mit Hilfe eines Verfahrens zum Betrieb eines Ophthalmoskopsimulators eine möglichst realitätsnahe Simulation einer Augenuntersuchung zu gewährleisten (Seite 3, letzter Absatz).

Zu diesem Zweck wird nach der Erfindung eine augmented reality (AR)-Technik verwendet, bei der in Abhängigkeit von der relativen Lage einer kopfgehaltenen Anzeige, eines Ophthalmoskop-Dummys und eines Patientenkopf-Dummys zueinander auf der Anzeige ein virtueller Bildteil in ein Bild der realen Umgebung eingespielt wird.

4. Stand der Technik

4.1 D8

Die Druckschrift D8 betrifft verschiedene Möglichkeiten für den Einsatz von augmented reality (AR) im medizinischen Trainingsbereich. Dabei geht es im Wesentlichen um invasive Verfahren (siehe Abschnitt 1 Introduction: the ability to see into a living human system) in Verbindung mit chirurgischen Instrumenten (surgical instruments, siehe Abschnitt 3.1).

Über ein Positionserkennungssystem werden die räumliche Position und Lage einer kopfgehaltenen Anzeige, eines Thorax-Dummys und eines chirurgischen Instruments sowie auch deren relative Lagen zueinander ermittelt (siehe Abschnitt 3.1).

An die Stelle des chirurgischen Instruments wird ein virtueller Bildteil eingespielt (Figuren 10 b und 12 a,b). Der Inhalt des virtuellen Bildteils hängt dabei von den relativen Lagen der Halterung, des Patienten-Dummys und des medizinischen Instruments zueinander ab (siehe Abschnitt 4.2 am Ende, visual feedback while navigating).

4.2 D2

Die Druckschrift D2 betrifft die Simulation ophthalmoskopischer Untersuchungen mit Hilfe einer virtual reality (VR)-Technik (siehe Titel: Ophthalmoscopic Examination Training Using Virtual Reality. Siehe auch Abschnitt Materials and Methods).

Bei dem in D2 offenbarten Verfahren wird eine 3D-Computermaus in Bezug auf einen Monitor bewegt, auf dem ein Patientenkopf zu sehen ist. Ein Patientenkopf-Dummy ist nicht vorgesehen. Das Bild, das auf dem Monitor gezeigt wird, hängt dabei von der relativen Lage der Maus und des auf dem Monitor dargestellten Patientenkopfes ab und stellt bei richtiger Positionierung der beiden Objekte eine virtuelle Retina (fundus image) dar (siehe Abschnitt Results, erster Absatz). Ein Bild einer realen Umgebung wird weder von einer Videokamera erzeugt noch auf dem Monitor dargestellt.

Die 3D-Maus kann nach D2 durch einen Ophthalmoskop-Dummy (wired ophthalmoscope) ersetzt werden (Seite 190, linke Spalte, zweiter Absatz).

Darüber hinaus schlägt D2 auch vor, ganz auf handgehaltene Sensoren zu verzichten und statt der 3D-Maus bzw. des Ophthalmoskop-Dummys einen Sensor zu Ermittlung der Kopfposition (head tracker) zu verwenden, um den Benutzer dazu zwingen, sich zu bewegen (Seite 190, linke Spalte, Absatz 3), oder statt des Monitors ein head-mounted display (HMD) zu verwenden, um dem Benutzer ein volles Eintauchen in die virtuelle Realität zu ermöglichen (Seite 190, linke Spalte, Absatz 4).

5. Neuheit

5.1 D8

In Bezug auf den vorliegenden Anspruch 1 offenbart D8 ein Verfahren zum Betrieb eines Trainingsgeräts/Simulators (Zusammenfassung, The results can be applied for designing medical AR training and educational applications.), welches die Merkmale b, b1, b2, c, d aufweist (siehe Zusammenfassung und Abschnitt 3.1 Tracking System).

Darüber hinaus offenbart D8 einen Instrumenten-Dummy (surgical instrument) und einen Patienten-Dummy (thorax phantom), das heisst die Merkmale f, g, h, i und i1 (siehe Abschnitte 3.2 und 3.3 i.V.m. den Figuren 4, 6 und 10 sowie Abschnitt 4.2).

Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von D8 dadurch, dass

(i) der Simulator ein Ophthalmoskop-Simulator zur Simulation der Handhabung eines Ophthalmoskops ist,

(ii) der Instrumenten-Dummy ein Ophthalmoskop-Dummy ist,

(iii) der Patienten-Dummy ein Patientenkopf-Dummy ist,

(iv)/e1 der Patientenkopf-Dummy zumindest eine einer Gesichtsform nachgebildeten Peripheriefläche mit einer darin platzierten Patientenaugen-Position aufweist, auf der die Hand abgestützt werden kann,

(v)/i2 in dem dargestellten Bild der realen Umgebung an die Stelle des Ophthalmoskop-Dummys ein Bildteil eingespielt wird, wobei der eingespielte Bildteil eine virtuelle Retina und/oder eine virtuelle Umgebung darstellt, wie sie der Beobachter durch das von ihm gehaltene Ophthalmoskop sehen würde, wenn es sich um ein entsprechendes Instrument handeln würde,

(vi)/i3 wobei der eingespielte Bildteil die virtuelle Retina nur dann darstellt, wenn die relative Lage zwischen der Halterung und dem Ophthalmoskop-Dummy und dem Patientenkopfdummy vordefinierte realitätsnahe Bedingungen erfüllt,

(vii)/k wobei es sich bei dem Ophthalmoskop-Dummy um einen Dummy für eine Linse eines indirekten Ophthalmoskops oder einen Dummy für ein direktes Ophthalmoskop handelt.

5.2 D2

Das System der D2 erfordert keinen Patienten-Dummy und offenbart daher den entsprechenden Teil der Merkmale e, e1, f, h, i1 und i3 nicht.

Da kein Patientenkopf-Dummy vorgesehen ist, hängt in diesem Dokument das, was auf der jeweiligen Anzeige (Monitor oder HMD) angezeigt wird, auch immer nur von der relativen Lage jeweils zweier Objekte ab.

Selbst in der Variante mit dem HMD offenbart D2 also keines der Merkmale, die das Vorhandensein von drei Objekten betreffen, deren räumliche Position und Lage (zueinander) ermittelt werden. Dies betrifft die Merkmale f, h, i, i2 und i3.

Darüber hinaus offenbart D2 auch in der Variante mit HMD keine Videokamera zum Erzeugen von Videobildern der realen Umgebung (D2 betrifft ein reines virtual reality-System). Entsprechend können diese Bilder auch nicht dargestellt werden. Dies betrifft die Merkmale b2, d, g, i1 und i2.

Letztendlich offenbart D2 zwar wie die streitgegenständliche Anmeldung die Simulation einer ophthalmoskopischen Untersuchung, setzt diese jedoch technisch anders um.

5.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des vorliegenden Antrags ist daher gegenüber den Dokumenten D8 und D2 neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Nächstliegender Stand der Technik

Das Dokument D8 betrifft einen Gegenstand, der zu einem ähnlichen Zweck entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung (Simulation medizinischer Vorgehensweisen) und der die wichtigsten Merkmale mit ihr gemein hat (Verwendung von bestimmten AR-Techniken).

Das Dokument D2 betrifft einen Gegenstand, der zum gleichen Zweck entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung (Simulation ophthalmoskopischer Untersuchungen), verwendet dafür aber eine andere Technik und hat daher nur wenige Merkmale mit ihr gemein.

Nach Ansicht der Kammer ist D8 daher als Ausgangspunkt für den für den Aufgabe-Lösung-Ansatz besser geeignet und stellt daher den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Dies entspricht auch der Argumentation der Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung.

6.2 Technischer Effekt / objektives technisches Problem

Die den Gegenstand des Anspruchs 1 von D8 unterscheidenden Merkmale (i) bis (vii) haben den technischen Effekt, die Simulation einer ophthalmoskopischen Augenuntersuchung mit technischen Mitteln zu ermöglichen.

Die zu lösende objektive technische Aufgabe kann daher als die Übertragung der in D8 offenbarten augmented reality-Technik auf die Simulation einer anderen medizinischen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode formuliert werden.

6.3 D8 kombiniert mit D2

Die Druckschrift D2 beschäftigt sich mit der Anwendung von virtual reality in der Medizin im Allgemeinen (erster Satz des Abschnitts Introduction) und, wie oben dargelegt, im Bereich der Ophthalmoskopie im Besonderen.

Der Fachmann würde die D2 daher ausgehend von D8 konsultieren und ihr entnehmen, dass die Ophthalmoskopie ein geeigneter Kandidat für eine Übertragung entsprechend der oben formulierten objektiven technischen Aufgabe ist.

Der Fachmann könnte der D2 dabei zwar entnehmen, dass die Darstellung einer virtuellen Retina verwendet werden kann, um dem Nutzer anzuzeigen, dass die Position und Lage des Ophthalmoskop-Dummys korrekt ist (siehe auch Punkt 14.1.6 der angefochtenen Entscheidung).

In D2 wird die Simulation der ophthalmoskopischen Untersuchung mit Hilfe von virtual reality-Techniken allerdings als Alternative zur (früher üblichen) Verwendung von Patientenkopf-Dummys dargestellt (Seite 185, linke Spalte, letzter Absatz: ...unlike the traditional training with the styrofoam head where the instructor must convey the process through language, virtual technology allows...; siehe auch Seite 187, Absatz 3: Most of the students in both groups had used a mannequin with slides as a training aid...).

Der Fachmann würde D2 daher so verstehen, dass bei der Verwendung von virtual reality-Techniken für die Simulation einer ophthalmoskopischen Untersuchung kein Patientenkopf-Dummy mehr erforderlich ist. Die Lehre der D2 würde den Fachmann also nicht dazu anregen, statt des Patienten-Dummys (thorax phantom) der D8 einen Patientenkopf-Dummy nach Merkmal e1 vorzusehen. Stattdessen würde der Fachmann nach der Lektüre der D2 eher erwägen, ganz ohne den Patienten-Dummy der D8 auszukommen.

Darüber hinaus wird auf der Anzeige der D2 kein Bild der realen Umgebung dargestellt. Dieses Dokument würde den Fachmann daher dazu anregen, die Darstellung dieses Bildes auch im System der D8 wegzulassen.

Ausgehend von D8 würde die Lehre der D2 den Fachmann also vom Gegenstand des Anspruchs 1 wegführen. Auf diesem Wege würde der Fachmann daher nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung gelangen.

6.4 D8 kombiniert mit dem allgemeinen Fachwissen

Die in D8 offenbarten Trainingsverfahren/Simulationen betreffen invasive Verfahren. Dies bedeutet, dass die dabei verwendeten chirurgischen Instrumente zum Teil nicht mehr sichtbar sind, da sie sich im Inneren des Patienten beziehungsweise des Patientendummys befinden. Die verwendete AR-Technik hat also bei invasiven Verfahren den unmittelbaren Vorteil, die verborgenen Instrumententeile sichtbar machen zu können.

Im Gegensatz dazu sind die bei einer Ophthalmoskopieuntersuchung verwendeten Instrumente (Ophthalmoskope) immer komplett sichtbar. Es ist daher gar nicht notwendig, verborgene Instrumententeile sichtbar zu machen.

Es ist daher bereits fraglich, ob der Fachmann, ausgehend von D8 und ohne zusätzliche Anregung durch ein anderes Dokument, überhaupt auf die Idee käme, die AR-Technik der D8 auf die nicht-invasive Untersuchungsmethode der Ophthalmoskopie zu übertragen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Fachmann eine solche Übertragung in Betracht ziehen würde, bedeutet dies noch nicht, dass der Fachmann dadurch zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen würde.

Simulationen sind sehr aufwändig. Daher ist die erreichbare Realitätsnähe nie das einzige Kriterium bei der konkreten Ausgestaltung einer Simulation. Stattdessen spielt auch immer der für eine bestimmte Realitätsnähe jeweils notwendige technische Aufwand eine Rolle.

Im vorliegenden Fall wird gemäß den Merkmalen (v)/i2 und (vi)/i3 eine virtuelle Retina zwar nur dargestellt, wenn eine vordefinierte Bedingung erfüllt wird. Allerdings wird auch sonst, wenn die Bedingung nicht erfüllt ist, immer ein (virtueller) Bildteil eingespielt. Dadurch wird ein hohes Maß an Realitätsnähe erreicht, der Aufwand ist jedoch ebenfalls hoch.

Ausgehend von D8 könnte man beispielsweise auch gar keinen Bildteil einspielen, solange die vordefinierte Bedingung nicht erfüllt wird. Dies wäre, zum Beispiel in Verbindung mit einem transparenten Ophthalmoskop-Dummy eine weniger aufwändige Möglichkeit.

Ebenso könnte man ausgehend von D8 statt einer komplexen virtuellen Retina ein einfaches Symbol darstellen, wenn die vordefinierte Bedingung erfüllt ist. Auch dies wäre weniger aufwändig als die beanspruchte Lösung.

Die Merkmale (v)/i2 und (vi)/i3 können daher nicht als Realisierung einer weiteren offensichtlichen Vorgabe angesehen werden, die der Realität entspringt (wie von der Prüfungsabteilung für die im Wesentlichen gleichen Merkmale (i) und (ii) des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3c argumentiert, siehe Punkte 15.1 bis 15.3 der angefochtenen Entscheidung).

Stattdessen müssen sie als das Ergebnis einer Entscheidung angesehen werden, die aus technischen Überlegungen heraus getroffen wurde, um einen bestimmten Grad der Realitätsnähe des Simulators in Kombination mit einem bestimmten technischen Aufwand zu erreichen.

Nach Ansicht der Kammer hätte der Fachmann daher, selbst falls er versuchen würde, das Verfahren der D8 auf die Simulation einer Ophthalmoskopieuntersuchung zu übertragen, ohne Kenntnis der Erfindung keinen Anlass, den eingespielten Bildteil gerade entsprechend den Merkmalen (v)/i2 und (vi)/i3 zu gestalten.

Die Kammer kann daher nicht erkennen, wie der Fachmann ausgehend von D8 und nur unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 kommen würde.

7. Schlussfolgerung bezüglich erfinderischer Tätigkeit

Unter Berücksichtigung der Dokumente D8 und D2 sowie seines allgemeinen Fachwissens würde der Fachmann daher nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

Die anderen im erstinstanzlichen Prüfungsverfahren genannten Dokumente sind weniger relevant als D8 und D2.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird widerrufen.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 5 gemäß Antrag B8, eingereicht mit Schreiben vom 18. Dezember 2018, wobei in Merkmal i2 des Anspruchs 1 der Begriff Ophthalmoskoplinsen-Dummys durch den Begriff Ophthalmoskop-Dummys zu ersetzen ist.

Beschreibung:

- Seiten 1 bis 6, 10 und 11 wie eingereicht mit

Schreiben vom 18. Dezember 2018, wobei

- der Begriff Ophthalmoskoplinsen-Dummys auf Seite 4

der Beschreibung in Zeile 5 durch den Begriff

Ophthalmoskop-Dummys zu ersetzen ist;

- Seiten 6 und 10 diejenige Fassung erhalten, bei der

die vorgenommenen Änderungen fett gedruckt sind. In

Bezug auf Seite 10 ist dies die Fassung, bei der

die Seitenzahl 10 nicht gedruckt, sondern

handgeschrieben ist. In Bezug auf Seite 6 ist dies

die Fassung, deren letzte Zeile lautet: "Dummys

dargestellt, wobei der".

- Seiten 7 bis 9 und 12 bis 17 wie ursprünglich

eingereicht.

Zeichnungen: Blatt 1/2 bis 2/2 wie ursprünglich eingereicht.

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