T 1161/15 () of 31.1.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T116115.20200131
Datum der Entscheidung: 31 Januar 2020
Aktenzeichen: T 1161/15
Anmeldenummer: 05731057.5
IPC-Klasse: H01H 47/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Meldegerät für eine Sicherheitsschaltung
Name des Anmelders: Pilz GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: SICK AG
EUCHNER GmbH + Co. KG
K.A. Schmersal GmbH
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag, Hilfsantrag BE1 (nein)
Neuheit - Hilfsantrag BE3 (ja)
Änderungen - Hilfsantrag BE2
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag BE3 (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und aller drei Einsprechenden betreffen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 738 383 in geänderter Fassung gemäß dem damaligen Hilfsantrag 3.

II. Die folgenden, während des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung genannten Dokumente sind für die Entscheidung relevant:

SickD1 : DE 100 11 211 A1

SickD2 : DE 102 16 226 A1

SickD5 : EP 0 803 632 B1

EuchnerD5 : DE 600 01 235 T2

III. In einer gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer darüber informiert, dass sie dazu neige, die Beschwerden der Einsprechenden zurückzuweisen. Ferner teilte die Kammer den Parteien mit, sie sehe keinen Anlass, die verspätet vorgebrachten Dokumente EuchnerD11 und EuchnerD12 sowie SchmersalD5 bis SchmersalD8 in das Verfahren zuzulassen. Zu den verspätet vorgebrachten Dokumenten folgte nach der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK kein weiterer Parteivortrag.

IV. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 31. Januar 2020 statt. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung teilte der Vorsitzende mit, die Kammer sei nach Würdigung der nach der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK eingegangenen Schriftsätze der Parteien zu der vorläufigen Meinung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowohl gegenüber der Offenbarung des Dokuments SickD1, als auch gegenüber jener des Dokuments SickD2 nicht neu sei.

V. Die Patentinhaberin beantragte abschließend die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung als Hauptantrag, oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung aufgrund eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge BE1 bis BE3, oder aufgrund eines der mit dem Schreiben vom 14. Dezember 2015 eingereichten Hilfsanträge BE4 bis BE7, wobei Hilfsantrag BE4 der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung entsprach.

VI. Die Einsprechenden beantragten abschließend die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents, oder hilfsweise die Zurückverweisung an die erste Instanz.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (Patent wie erteilt) lautet:

"Meldegerät für eine Sicherheitsschaltung, mit einem Eingangsteil (52) zum Aufnehmen einer externen Zustandsgröße, mit zumindest einem Schaltelement (34, 36) mit einem Eingang (38) und einem Ausgang (42), und mit einem Steuerteil (30, 32), der dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit von der externen Zustandsgröße das zumindest eine Schaltelement (34, 36) so anzusteuern, dass ein am Eingang (38) anliegendes Signal zum Ausgang (42) durchgeschaltet ist, wobei der Eingang (38) des Schaltelements (34, 36) intern mit einem festen Potential, vorzugsweise einem High-Potential (UB ), belegt ist, gekennzeichnet durch zumindest einen Eingang, vorzugsweise einen redundanten Sicherheitseingang (60, 62), für ein externes Freigabesignal (88, 90), das dem Steuerteil (30, 32) zugeführt ist, wobei der Steuerteil (30, 32) das zumindest eine Schaltelement (34, 36) auch in Abhängigkeit von dem Freigabesignal (88, 90) ansteuert."

VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag BE1 unterscheidet sich von jenem des Hauptantrags durch Streichung der Worte "zumindest einen Eingang, vorzugsweise" vor "einem redundanten Sicherheitseingang".

IX. Der unabhängige Anspruch 9 des Hilfsantrags BE2 enthält das folgende, aus der Beschreibung hinzugefügte Merkmal "wobei ein Durchschleifen der Freigabesignale (88, 90) durch mehrere Sensoren (18a, 18b) zur Sicherheitssteuerung (12) nachgebildet wird."

X. Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags BE3 unterscheidet sich von jenem des Hauptantrags dadurch, dass anstatt eines Meldegeräts ein Sensor beansprucht ist, dass "gekennzeichnet durch zumindest einen Eingang, vorzugsweise einen redundanten Sicherheitseingang" ersetzt ist durch "ferner mit zumindest einem redundanten Sicherheitseingang", sowie durch das zusätzliche Merkmal ", und wobei der Steuerteil (30, 32) dazu ausgebildet ist, einen geräteinternen Funktionsfehler zu detektieren und mit Hilfe des zumindest einen Schaltelements (34, 36) ein Datentelegramm (96) an dessen Ausgang (42) zu erzeugen."

Die Ansprüche 2 bis 8 sind von Anspruch 1 abhängig.

Der unabhängige Anspruch 9 des Hilfsantrags BE3 lautet wie folgt:

"Sicherheitsschaltung zum sicheren Abschalten einer gefahrbringenden Anlage (10), mit einer übergeordneten Sicherheitssteuerung (20), die dazu ausgebildet ist, die Anlage (10) fehlersicher abzuschalten, und mit einem stromaufwärts liegenden ersten und zumindest einem stromabwärts liegenden zweiten Sensor (18a, 18b), die in Reihe zueinander an die übergeordnete Sicherheitssteuerung (20) angeschlossen sind, wobei jeder Sensor (18a, 18b) einen Eingangsteil (52) zum Aufnehmen einer externen Zustandsgröße, zumindest zwei redundante Schaltelemente (34, 36) mit je einem Eingang (38) und je einem Ausgang (42) sowie einen Steuerteil (30, 32) besitzt, der dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit von der externen Zustandsgröße die zumindest zwei redundanten Schaltelemente (34, 36) so anzusteuern, dass ein am Eingang (38) anliegendes Signal zum Ausgang (42) durchgeschaltet ist, wobei der Eingang (38) der zumindest zwei Schaltelemente (34, 36) in jedem Sensor intern jeweils mit einem festen Potential, vorzugsweise einem High-Potential, belegt ist, wobei dem Steuerteil (30, 32) des ersten Sensors (18a) von der übergeordneten Sicherheitssteuerung (20) zwei Taktsignale als Freigabesignale (88, 90) zugeführt sind, wobei der Steuerteil (30, 32) des ersten Sensors (18a) die zumindest zwei Schaltelemente (34, 36) des ersten Sensors (18a) auch in Abhängigkeit von den zwei Freigabesignalen (88, 90) ansteuert, wobei der jeweilige Ausgang (42) der zumindest zwei Schaltelemente (34, 36) in dem ersten Sensor (18a) dem Steuerteil (30, 32) des zweiten Sensors (18b) zugeführt ist, und wobei der Steuerteil (30, 32) des zweiten Sensors (18b) die zumindest zwei Schaltelemente (34, 36) des zweiten Sensors (18b) auch in Abhängigkeit von dem ersten Sensor (18a) ansteuert, wobei ein Durchschleifen der Freigabesignale (88, 90) durch mehrere Sensoren (18a, 18b) zur Sicherheitssteuerung (12) so nachgebildet wird, dass aus Sicht der übergeordneten Steuerung (20) kein Unterschied erkennbar ist, indem die Freigabesignale (88, 90) nicht durch die Schaltelemente (34, 36) durchgeschleift werden, sondern in jedem Sensor (18a, 18b) neu erzeugt werden, wobei der Steuerteil (30, 32) des zweiten Sensors (18b) die Ausgangssignale des ersten Sensors (18a) berücksichtigt."

Der Anspruch 10 ist von Anspruch 9 abhängig.

XI. Die Entscheidungsrelevanten Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Aus Absatz [0068] des Patents folge, dass die von der Patentinhaberin behauptete Trennung zwischen Meldegeräten und Sicherheitssteuerungen nicht vorliege. Der Eingangsteil des Meldegeräts könne anstatt einer externen Zustandsgröße auch lediglich einen Strom oder eine Spannung erfassen. Somit sei das beanspruchte Meldegerät identisch mit der in SickD1 offenbarten Sicherheitssteuerung, welche gemäß Figur 4 die von dem Not-Aus-Taster 50 zugeführte Spannung erfasse. Auch Dokument SickD2 offenbare die beanspruchte Kombination aus Meldegerät und Sicherheitssteuerung. Aus Absatz [0046] sei bekannt, dass Sicherheitsschaltgeräte, also Sicherheitssteuerungen im Sinne des Patents, integrierte Sensorfunktionen haben könnten. Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch aus SickD2 bekannt.

Für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE1 gelte nichts anderes, da SickD1 in Figur 4 ebenfalls redundante Sicherheitseingänge 54, 55 offenbare.

Anspruch 9 des Hilfsantrags BE2 verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da das hinzugefügte Merkmal, dass das Durchschleifen der Freigabesignale nachgebildet werde, nur im Zusammenhang damit offenbart sei, dass aus Sicht der übergeordneten Steuerung kein Unterschied erkennbar sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE3 sei nicht neu hinsichtlich der Offenbarung des Dokuments SickD2 und beruhe angesichts einer Zusammenschau der Dokumente SickD1 und SickD5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. SickD2 offenbare redundante Sicherheitseingänge 90, 92 gemäß EN 954-1. Dies ergebe sich aus Absatz [0019]. Das am Anschluss 32 anliegende Signal werde mittels zweier Eingangskreise 90, 92 verarbeitet. Laut Absatz [0067] erkenne das Sicherheitsschaltgerät nach SickD2 einen internen Fehler und gebe ein entsprechendes Datentelegramm an ein weiteres Sicherheitsschaltgerät aus. Der Inhalt des beanspruchten Datentelegramms sei in Anspruch 1 nicht definiert, sodass auch der stationäre Low-Pegel des Schaltsignals 94 in SickD2 darunter falle. Ferner sei der Gegenstand des Anspruchs 1 durch eine Zusammenschau der Dokumente SickD1 und SickD5 nahegelegt. Aus den Absätzen 116 bis 118 sowie den Figuren 9 und 10 von SickD5 sei zu entnehmen, dass mittels des Schaltelements ein Datentelegram am Ausgang erzeugt werde. Das einzige Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Offenbarung von SickD1 sei damit aus SickD5 bekannt.

Zudem sei der Gegenstand des Anspruchs 9 des Hilfsantrags BE3 hinsichtlich der Offenbarung von SickD1 nicht neu und beruhe ausgehend von SickD1 in Zusammenschau mit dem allgemeinen Fachwissen oder der Offenbarung von EuchnerD5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Einzige Unterschied gegenüber der Offenbarung von SickD1, dass dem ersten Sensor von der übergeordneten Sicherheitssteuerung zwei Taktsignale als Freigabesignale zugeführt sind, bedinge keinerlei technischen Effekt. In einer linearen Reihenanordnung von Sicherheitsschaltgeräten, wie jener der SickD1 könne das letzte Sicherheitsschaltgerät als übergeordnete Sicherheitssteuerung angesehen werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher durch SickD1 nahegelegt. Außerdem sei das strittige Merkmal bereits auch aus der Offenbarung von EuchnerD5 bekannt. Dort werde ein gepulstes digitales Signal von einer zentralen Steuereinheit über eine Kaskade von Näherungsschaltern geführt und anschließend im Kreis zu der Steuereinheit zurückgeführt. Aus Figur 1 von EuchnerD5 ergebe sich, dass ein Freigabesignal dem jeweiligen Sensor am Anschluss "In" und das andere am Eingang der Empfängerspule "H" zugeführt werde. Somit offenbare EuchnerD5 das strittige Merkmal zweier Freigabesignale.

XII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu. Insbesondere offenbare keines der Dokumente SickD1 und SickD2 ein Meldegerät im Sinne des Anspruchs 1. Beide Dokumente beschäftigten sich ausschließlich mit Sicherheitssteuerungen. Der Fachmann unterscheide strikt zwischen Meldegeräten, welche externe Zustandsgrößen aufnehmen, und an der zu überwachenden Anlage montiert seien und in Installationsschränken geschützten Sicherheitssteuergeräten, welche die von den Meldegeräten erfassten Zustandsgrößen auswerteten. Es sei nicht bekannt gewesen, ein Meldegerät mit den Funktionen eines Sicherheitssteuergeräts zu versehen. Zudem unterscheide das Patent deutlich zwischen Meldegeräten einerseits und Sicherheitssteuerungen andererseits. Die in den Dokumenten SickD1 und SickD2 offenbarten Sicherheitssteuerungen ließen sich nicht unter das beanspruchte "Meldegerät" subsumieren. Der Not-Aus Taster gemäß SickD1 sei entfernt von der aus SickD1 bekannten Sicherheitssteuerung angebracht.

Figur 4 von SickD1 zeige ein Sicherheitsschaltgerät und kein Meldegerät. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE1 neu gegenüber SickD1.

Anspruch 9 des Hilfsantrags BE2 verstoße nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Aus den Absätzen [0015] und [0053] des Patents ergebe sich, dass das Nachbilden der Freigabesignale unabhängig davon erfolgen könne, ob aus Sicht der übergeordneten Steuerung ein Unterschied erkennbar sei.

Im Unterschied zu Anspruch 1 des Hilfsantrags BE3 offenbare SickD2 lediglich einen einzigen Sicherheitseingang und damit keinen redundanten Sicherheitseingang. Die EN 954-1 fordere lediglich eine redundante Auswertung und keine redundanten Eingänge. SickD2 offenbare lediglich eine redundante Auswertung von Freigabesignalen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei folglich neu gegenüber SickD2. Der Fachmann habe weder ausgehend von Dokument SickD1 noch ausgehend von SickD2 Veranlassung, ein Datentelegramm mittels des Schaltelements am Ausgang des Sensors zu erzeugen. Darüber hinaus ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 auch aus einer Zusammenschau der Dokumente SickD1 und SickD5 nicht in naheliegender Weise. Der aus SickD5 bekannte Low-Pegel am Ausgang des Schaltelements stelle kein Datentelegramm dar, weil darin keinerlei Informationen enthalten seien. Folglich werde der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE3 durch eine Zusammenschau der Dokumente SickD1 und SickD5 nicht nahegelegt.

Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 9 des Hilfsantrags BE3 sei ebenfalls neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. SickD1 offenbare unter anderem keine übergeordnete Sicherheitssteuerung, keine Ringstruktur sowie keine Nachbildung von zwei Freigabesignalen. EuchnerD5 offenbare lediglich ein einziges Freigabesignal. Dieses werde zudem invertiert und obendrein nicht nachgebildet.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerden

Die Beschwerden der Patentinhaberin und aller drei Einsprechenden wurden frist- und formgerecht eingereicht und ausreichend substantiiert. Alle vier Beschwerden sind folglich zulässig.

2. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 100 a) u. 54 (2) EPÜ)

Zur Neuheit ist unter den Parteien strittig, ob die Dokumente SickD1 und SickD2 ein Meldegerät offenbaren, wie es in Anspruch 1 beansprucht ist. Die Patentinhaberin wendet sich insbesondere gegen die Auslegung des Begriffs "Meldegerät" durch die Einsprechenden und die Einspruchsabteilung. Diese haben unter anderem die in den Dokumenten SickD1 und SickD2 offenbarten Sicherheitssteuerungen als Meldegeräte im Sinne des Anspruchs 1 interpretiert und daraus geschlossen, die Ansprüche 1 und 10 des erteilten Patents seien nicht neu. Laut der Patentinhaberin definieren die Ansprüche 1 und 10 jedoch jeweils ein Meldegerät und keine Sicherheitssteuerung. Die Erfindung liege darin, die Erfassung von Informationen, d.h. externer Zustandsgrößen und deren Verarbeitung im Meldegerät zu integrieren. Übliche Sicherheitssteuerungen, wie in SickD1 und SickD2 offenbart, dienten lediglich der Verarbeitung von Informationen, könnten jedoch selbst keine externen Zustandsgrößen erfassen. Daher sei keines der vorgebrachten Dokumente neuheitsschädlich für das Patent wie erteilt.

Die Kammer ist von den Argumenten der Patentinhaberin nicht überzeugt. Ausweislich der Absätze [0004] und [0005] unterscheidet das angegriffene Patent zwar klar zwischen Meldegeräten, Sensoren und Signalgebern einerseits und Sicherheitsschaltungen bzw. Sicherheitssteuerungen andererseits, wobei die Sicherheitsschaltgeräte Meldegeräte und Sicherheitssteuerungen umfassen. Auch die beiden unabhängigen Patentansprüche 1 und 10 für sich genommen rechtfertigen diese Auslegung, denn sie sind einerseits auf ein Meldegerät für eine Sicherheitsschaltung und andererseits auf eine Sicherheitsschaltung mit mindestens zwei Meldegeräten gerichtet. Die Patentansprüche können daher einerseits so verstanden werden, dass jedenfalls implizit durch den Eingangsteil des beanspruchten Meldegeräts die externe Zustandsgröße unmittelbar erfasst wird.

Andererseits soll laut Absatz [0068] des Patents auch eine Ausführungsform umfasst sein, bei welcher der Eingangsteil des Meldegeräts lediglich eine Spannung oder einen Strom umfasst. Damit unterscheidet sich das beanspruchte Meldegerät jedoch nicht mehr von einem Sicherheitsschaltgerät, welches ebenfalls nur eine Spannung oder einen Strom erfasst. In SickD1 und SickD2 ist zwar von Meldegeräten nicht die Rede, sondern nur von Sicherheitsschaltungen. Jedoch fällt das beanspruchte Meldegerät bzw. der beanspruchte Sensor aufgrund der ihm im angegriffenen Patent gegebenen Bedeutung unter die Offenbarung der Sicherheitsschaltgeräte in SickD1 und SickD2.

Die Kammer ist daher zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowohl gegenüber der Offenbarung des Dokuments SickD1, als auch gegenüber jener des Dokuments SickD2 nicht neu ist (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 (2) EPÜ).

3. Hilfsantrag BE1 - Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ)

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE1 unterscheidet sich von jenem des Hauptantrags in der Substanz lediglich dadurch, dass der im Hauptantrag optional definierte redundante Sicherheitseingang nun obligatorisch ist.

Dieses Unterscheidungsmerkmal ist jedoch ebenfalls aus Dokument SickD1 bekannt. In Figur 4 sind zwei Sicherheitseingänge 54 und 55 gezeigt, an denen jeweils ein Freigabesignal angelegt ist.

Die Kammer ist folglich zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE1 gegenüber der Offenbarung des Dokuments SickD1 nicht neu ist (Artikel 54 (2) EPÜ).

4. Hilfsantrag BE2 - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Der Anspruch 9 des Hilfsantrags BE2 enthält das folgende zusätzliche Merkmal:

"wobei ein Durchschleifen der Freigabesignale (88, 90) durch mehrere Sensoren (18a, 18b) zur Sicherheitssteuerung (12) nachgebildet wird."

Laut Patentinhaberin lässt sich dieses Merkmal den Absätzen [0015] und [0053] des Patents entnehmen, welche mit den entsprechenden Stellen der ursprünglich eingereichten Anmeldung übereinstimmten.

Die Kammer ist vom Vorbringen der Patentinhaberin nicht überzeugt. Der genannte Absatz [0015] stellt das zusätzliche Merkmal ausschließlich in Zusammenhang damit dar, "dass aus Sicht der übergeordneten Sicherheitssteuerung kein Unterschied erkennbar ist". Absatz [0053] enthält zwar die Aussage, dass sich die Freigabesignale auch "von den Taktsignalen 88, 90 beispielsweise hinsichtlich ihrer Frequenz" unterscheiden könnten. Diese Aussage in Absatz [0053] mag daher eine Ausführungsform andeuten, bei welcher die Freigabesignale nicht nachgebildet, sondern in der Frequenz verändert werden. Hierzu ist jedoch nichts weiter ausgeführt. Der gesamte restliche Absatz [0053] geht von einer Nachbildung der Freigabesignale aus und spezifiziert diese nicht weiter. Im Zusammenhang mit der Nachbildung von Freigabesignalen ist in Absatz [0053] daher keine zusätzliche Information enthalten, welche als ursprüngliche Offenbarung für das in Anspruch 1 aufgenommene Merkmal angesehen werden könnte.

Die Kammer ist daher zu der Auffassung gelangt, dass der Anspruch 9 des Hilfsantrags BE2 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.

5. Hilfsantrag BE3 - Patentierbarkeit

5.1 Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ)

Die Kammer ist von den Argumenten der Einsprechenden, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE3 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments SickD2, nicht überzeugt. Einerseits offenbart SickD2 keine zwei redundanten Sicherheitseingänge. In der Figur 2 ist entgegen den Behauptungen der Einsprechenden lediglich ein einziger Sicherheitseingang 32 offenbart. Es stimmt zwar, dass innerhalb der in Figur 2 gezeigten Sicherheitsschaltung 14 das Schaltsignal 94 aufgeteilt und anschließend redundant ausgewertet wird. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit zwei redundanten Sicherheitseingängen, an welchen entsprechend auch zwei Freigabesignale anliegen. Darüber hinaus offenbart SickD2 auch kein Datentelegramm am Ausgang des Schaltelements. Aus dem von den Einsprechenden herangezogenen Absatz [0067] von SickD2 geht lediglich hervor, dass im Falle eines internen Fehlers des Sicherheitsschaltgeräts das Schaltsignal 94 einen stationären Low-Pegel annimmt. Ein stationärer Low-Pegel kann jedoch keine Daten enthalten und folglich auch nicht als Datentelegramm im Sinne des Anspruchs 1 angesehen werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE3 ist daher neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments SickD2.

5.2 Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Ebenso wenig ist die Kammer überzeugt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE3 durch eine Zusammenschau der Dokumente SickD1 und SickD5 nahegelegt ist. Hierzu müsste ausgehend von SickD1 nämlich aus SickD5 hervorgehen, dass im Falle eines internen Funktionsfehlers am Ausgang mit Hilfe des zumindest einen Schaltelements ein Datentelegramm ausgegeben wird. Tatsächlich ist jedoch bereits die Struktur des in SickD5 beschriebenen Türsteuergeräts völlig unterschiedlich zu dem in Anspruch 1 beanspruchten Sensor.

In SickD5 ist einerseits das Schaltelement nicht intern mit einem festen Potential belegt. Andererseits weist der Sensor nach SickD5 auch keinen redundanten Sicherheitseingang für ein externes Freigabesignal auf. Folglich wird in SickD5 das Schaltelement auch nicht in Abhängigkeit von dem Freigabesignal angesteuert.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags BE3 ist daher ausgehend von SickD1 in Kombination mit SickD5 nicht nahegelegt.

5.3 Anspruch 9 - Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ)

Der Anspruch 9 betrifft eine Sicherheitsschaltung mit zwei Sensoren und einer übergeordneten Steuerung sowie einer Nachbildung des Durchschleifens der Freigabesignale durch mehrere Sensoren zur übergeordneten Steuerung.

Die Kammer schließt sich den Einsprechenden nicht dahingehend an, dass der Gegenstand des Anspruchs 9 aus SickD1 bekannt ist. Insbesondere offenbart SickD1 keine übergeordnete Steuerung. Figur 4 zeigt beispielsweise nur zwei fast identisch aufgebaute Sicherheitsschaltgeräte. Es wurde argumentiert, das erste Sicherheitsschaltgerät könne als übergeordnete Steuerung angesehen werden und das zweite Sicherheitsschaltgerät sei dann der Sensor im Sinne des Anspruchs 9. Diese Argumentation hält die Kammer für abwegig.

Auch das in Figur 6 gezeigte Sicherheitsschaltgeräte-System 60''' kann nicht als Sicherheitsschaltung im Sinne des Anspruchs 9 angesehen werden. Figur 6 zeigt zwar zwei Sicherheitsschaltgeräte 20 und 20' sowie das Relais 47. SickD1 offenbart jedoch weder die übergeordnete Steuerung, noch dass von dieser zwei Taktsignale zugeführt werden. Laut Figur 6 werden von dem ersten Sicherheitsschaltgerät zwei Taktsignale erzeugt und über die Not-Aus-Taster 50 an das erste Sicherheitsschaltgerät zurückgeschleift. Diese Taktsignale werden aber weder durchgeschleift noch zu einer übergeordneten Steuerung zurückgeführt. Auch wenn angenommen würde, das zweite Sicherheitsschaltgerät 20' nach SickD1 entspräche der übergeordneten Steuerung, würde dies den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht vorwegnehmen. In diesem Fall fehlte dann nämlich ein zweiter Sensor. Außerdem werden von der zweiten Sicherheitssteuerung 20' in SickD1 keine Taktsignale an den ersten Sensor zugeführt.

Der Gegenstand des Anspruchs 9 des Hilfsantrags BE3 ist folglich neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments SickD1.

5.4 Anspruch 9 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

5.4.1 Ferner wurde von den Einsprechenden vorgebracht, der Gegenstand des Anspruchs 9 sei ausgehend von Dokument SickD1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt. Hierbei gehen die Einsprechenden davon aus, der einzige Unterschied des Anspruchs 9 gegenüber der Offenbarung des Dokuments SickD1 sei, dass dem Steuerteil des ersten Sensors von der übergeordneten Steuerung zwei Taktsignale zugeführt würden. Wie oben zur Neuheit des Anspruchs 9 ausgeführt bestehen jedoch weitere Unterschiede zur Offenbarung des Dokuments SickD1. SickD1 offenbart bereits keine übergeordnete Steuerung, sodass die Zufuhr von Taktsignalen durch die übergeordnete Steuerung ebenfalls nicht in SickD1 offenbart ist.

Auch das Argument, aufgrund der Tatsache, dass die Sicherheitsschaltgeräte 20 und 20' in SickD1 identisch aufgebaut seien folge, dass die Zufuhr von Taktsignalen durch die übergeordnete Steuerung naheliege, überzeugt die Kammer nicht.

In jedem Fall zeigt sowohl die Figur 3, wie auch die Figur 6 von SickD1 nur zwei mehr oder weniger identisch aufgebaute Sicherheitsschaltgeräte.

Anspruch 9 definiert jedoch eine Sicherheitsschaltung mit zwei Sensoren, also Sicherheitsschaltgeräten im Sinne von SickD1, und einer übergeordneten Steuerung, welche mit den Sensoren zusammen eine Ringschaltung für die Freigabesignale bildet. Sogar wenn der Fachmann die zwei in SickD1 offenbarten Sicherheitsschaltgeräte wie von den Einsprechenden vorgetragen so verschalten würde, dass eines als Sensor und ein anderes als übergeordnete Steuerung arbeiten würde, ergäbe sich folglich nicht der Gegenstand des Anspruchs 9.

5.4.2 Die Kammer teilt ferner nicht die Auffassung der Einsprechenden, der Gegenstand des Anspruchs 9 sei aus einer Zusammenschau der Dokumente SickD1 mit EuchnerD5 nahegelegt.

Hierzu müsste das in Anspruch 9 definierte Durchschleifen der Freigabesignale durch mehrere Sensoren zur Sicherheitssteuerung so nachgebildet sein, dass aus Sicht der übergeordneten Steuerung kein Unterschied erkennbar ist.

EuchnerD5 mag zwar offenbaren, ein digitales Signal von einer übergeordneten Steuerung einem ersten Sensor zuzuführen, es durch einen zweiten Sensor durchzuschleifen und zur übergeordneten Steuerung zurückzuführen. Die Übertragung dieses digitalen Signals unterscheidet sich jedoch wesentlich von der in Anspruch 9 definierten Nachbildung des Durchschleifens der Freigabesignale. Zum einen werden die Signale laut EuchnerD5 zwischen den Sensoren und der übergeordneten Steuerung invertiert weitergegeben. Dies fällt nach Auffassung der Kammer nicht unter das Anspruchsmerkmal, dass "aus Sicht der übergeordneten Steuerung kein Unterschied besteht".

Außerdem wird gemäß EuchnerD5 nur ein einziges Freigabesignal übertragen. Das Argument, in EuchnerD5 stelle das am Eingang "In" in Figur 1 anliegende Signal das erste Freigabesignal dar und das vom Zielobjekt der Figur 1 auf den Eingang der Empfängerspule "H" zurückgeführte Signal stelle das zweite Freigabesignal dar, überzeugt die Kammer nicht, da hierbei völlig unterschiedliche Teile der in Figur 1 von EuchnerD5 gezeigten Schaltung herangezogen werden und darüber hinaus das vom Zielobjekt zurückgeführte Signal dem am Eingang "In" zugeführten entspricht, also dasselbe Freigabesignal ist und kein zweites Freigabesignal, wie in Anspruch 9 beansprucht.

Sogar wenn der Fachmann die Lehren der Dokumente SickD1 mit EuchnerD5 kombinieren würde, wären folglich nicht alle Merkmale des Anspruchs 9 erfüllt.

5.5 Der Gegenstand des Anspruchs 9 des Hilfsantrags BE3 ist daher ausgehend von SickD1 weder in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, noch in Kombination mit EuchnerD5 nahegelegt.

6. Zurückverweisung (Artikel 111 (1) EPÜ)

Dem Antrag der Einsprechenden auf Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz zur weiteren Prüfung wird nicht stattgegeben.

Es ist nicht richtig, dass hinsichtlich des von der Kammer positiv beschiedenen Hilfsantrags BE3 noch nicht über sämtliche Aspekte der Patentierbarkeit von der Einspruchsabteilung entschieden worden ist. Die Einspruchsabteilung hat bereits über die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 des vormaligen Hilfsantrags 2 sowie des Anspruchs 9 des vormaligen Hilfsantrags 3 entschieden, welche den jeweiligen unabhängigen Ansprüchen 1 und 9 des gültigen Hilfsantrags BE3 entsprechen.

7. Schlussfolgerung

Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber mit dem Hilfsantrag BE3 vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Übereinkommens im Sinne des Artikels 101 (3) a) EPÜ genügen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags BE3 und einer gegebenenfalls anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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