T 1134/15 () of 21.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T113415.20191121
Datum der Entscheidung: 21 November 2019
Aktenzeichen: T 1134/15
Anmeldenummer: 04724978.4
IPC-Klasse: H02K 35/02
H01L 41/113
H01F 7/14
H01F 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Elektromagnetischer Energiewandler
Name des Anmelders: EnOcean GmbH
Name des Einsprechenden: Schneider Electric Industries SAS
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 101(3)(b)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Mangelnde Neuheit - Hauptantrag
Mangelnde Deutlichkeit, neue Sachverhalte - Hilfsantrag 1
Neue Sachverhalte - Hilfsantrag 2
Hilfsantrag 3 nicht zugelassen - hätte im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht werden können
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der vorliegenden Beschwerde ficht die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) die Entscheidung der Einspruchsabteilung an, die am 12. März 2015 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 1 611 662 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.

II. Die folgenden Dokumente des Standes der Technik werden in der vorliegenden Entscheidung genannt:

D10|US 3,895,244 A|

D12|US 4,177,800 A|

III. Am 21. November 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die abschließenden Anträge der Parteien waren wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags, oder eines der Hilfsanträge 1 bis 3, allesamt eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2019, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Anordnung mit:

einem elektromagnetischen Energiewandler mit zumindest

- einem Permanentmagneten (1)

- einem weichmagnetischem Element (9), und

- einer elektrischen Spule (6),

wobei durch den Permanentmagnet (1) und das weichmagnetische Element (9) ein magnetischer Kreis mit einer ersten Flussrichtung gebildet ist und die Spule einen Teil des magnetischen Kreises umschließt, wobei das weichmagnetische Element (9) und der Permanentmagnet (1) um eine Achse (4) zueinander drehbar gelagert sind und durch Anschlagstellen (8a-8d) Endpunkte einer damit möglichen Drehbewegung gebildet sind,

dadurch gekennzeichnet, dass die Anordnung einen energieautarken Funksignalgeber aufweist, wobei der elektromagnetische Wandler den Funksignalgeber mit elektrischer Energie versorgt."

V. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 enthielt gegenüber dem Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag anstelle der Worte "dadurch gekennzeichnet, dass" das Wort "wobei" und weiterhin am Ende des Anspruches das Merkmal

"und der Funksignalgeber derart ausgebildet ist, dass abhängig von der Richtung, in der die Änderung des magnetischen Flusses erfolgt, eine Funktionsinformation gesendet wird."

VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 enthielt gegenüber dem Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die Bezeichnung "Funkschalter" anstelle von "Anordnung" und anstelle des Kennzeichens das Merkmal

"einem energieautarken Funksignalgeber,

wobei der elektromagnetische Wandler den Funksignalgeber mit elektrischer Energie versorgt und

wobei abhängig von der Richtung, in der eine Änderung des magnetischen Flusses erfolgt, eine Polarität einer erzeugten elektrischen Spannung wechselt, und

wobei der Funkschalter derart ausgebildet ist, dass er eine Information über die Richtung des Wechsels mit einem auszusendenden Funksignal überträgt."

VII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 enthielt gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag anstelle des Kennzeichens das Merkmal

"einem energieautarken Funksignalgeber,

wobei der elektromagnetische Wandler den Funksignalgeber mit elektrischer Energie versorgt, einem Federelement (7), das eine Kraft auf den Permanentmagneten (1) und/oder auch das weichmagnetische Element (9) in Richtung der ersten Endlage der Drehbewegung ausübt,

wobei die durch das Federelement (7) ausgeübte Kraft so dimensioniert ist, dass die zweite Ruhelage instabil gestaltet wird, so dass nach einer Drehbewegung in die zweite Ruhelage eine durch das Federelement ausgelöste Drehbewegung zurück in die erste Ruhelage erfolgt."

VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin waren im Wesentlichen wie folgt:

Hauptantrag

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei neu.

D10 enthalte keine ausführbare Lehre und sei deshalb auch kein für die Bewertung der Neuheit relevanter Stand der Technik. Aus D10 gehe nicht hervor, wie der Energiewandler als Implantat mechanisch angeregt werden könne oder wie er einen Sender ("transmitter") baulich aufnehmen und ihn versorgen könne. Dokument D12 verwende einen Piezokristall, bei dem kleinste Kräfte zur Anregung genügten. Bei D10 hingegen müsse die Armatur gegen die Federkräfte und magnetischen Haltekräfte bewegt werden. Es sei nicht offenbart, wo und wie das im Körper geschehen solle. Auch die Passage in D10 Spalte 4, Zeilen 34 bis 66 zeige, dass die Lehre nicht ausführbar sei, denn dort werde eine große konstante Kraft beschrieben, zum Beispiel wenn ein Patient im Bett läge, die die Drehbewegung des Wandlers gar nicht anregen könne. Auch wie und zu welchem Zweck Funkwellen aus dem Körper heraus gesendet werden sollen, werde nicht offenbart und sei am Einreichungstag im Jahr 1973 eher Science Fiction als eine ausführbare Lehre.

Selbst wenn man der Auffassung sei, D10 enthalte eine ausführbare Lehre, so würde diese den Anspruchsgegenstand nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen. D10 offenbare nämlich nicht eindeutig, dass es sich bei den Magneten 21A und B um Permanentmagneten handele, denn es werden an anderer Stelle in D10 auch Elektromagnete erwähnt. Die Anordnung in D10 benötige zwei Permanentmagnete, wohingegen der Anspruch auf einen Permanentmagneten gerichtet sei. Auch zeige D10 keine Funksignalgeber im Zusammenhang mit dem ersten Ausführungsbeispiel. Ein "transmitter" werde nämlich nur im Zusammenhang mit dem Stand der Technik offenbart. Darüber hinaus habe die Einspruchsabteilung richtig erkannt, dass eine Funkübertragung nicht implizit in D10 offenbart sei, da dort eine magnetische oder kabelgebundene Übertragung offenbart sei und sich Funkwellen schlecht im Körper ausbreiteten.

Hilfsantrag 1

Der Begriff "Funktionsinformation" sei klar und ursprünglich offenbart. Er sei im Kontext des Anspruches und der Beschreibung, insbesondere von Seite 10, Absatz 2 und vom Brückenabsatz der Seiten 11 und 12 der WO-Veröffentlichung (d.h. WO 2004/093299 A1, die internationale Veröffentlichung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung), auszulegen. Aus der Beschreibung folge, dass Information über die Polarität versendet werde. Was die Information genau beinhalte sei möglicherweise breit auszulegen, jedoch als solche für den Fachmann klar. Der Begriff finde in den eben genannten Passagen auch seine Ursprungsoffenbarung.

Hilfsantrag 2

Die Änderungen seien auf den Seiten 2 und 11 der WO-Veröffentlichung ursprünglich offenbart. Auf Seite 2 werde offenbart, dass ein Energiewandler gemäß ursprünglichem Anspruch 1 einen energieautarken Funkschalter versorge und aus Seite 11 folge, dass der Funkschalter einen Funksignalgeber aufweise und Informationen über die Richtungsänderung in Form der Polarität versende.

Hilfsantrag 3

Dieser Hilfsantrag sei bis auf die Einfügung des Wortes "energieautark" identisch mit dem Hilfsantrag, der in Reaktion auf die unerwartete Meinung der Einspruchsabteilung bereits mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden war. Ein früherer Zeitpunkt sei nicht möglich gewesen, denn die Einspruchsabteilung hatte bereits den ersten Hilfsantrag nicht zugelassen, der fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden war. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu erwarten gewesen, dass die Einspruchsabteilung einen weiteren Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung zulassen würde. Es müsse einem Patentinhaber erlaubt sein, durch Aufnahme neuer technischer Aspekte wie vorliegend die Dimensionierung der Federelemente einem Widerruf zuvorzukommen.

IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin waren im Wesentlichen wie folgt:

Hauptantrag

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mangele es an Neuheit gegenüber Dokument D10.

D10 enthalte insgesamt eine ausführbare Lehre. Dokument D12, welches aus dem Jahr 1979 stammt, bestätigt, dass ein im Körper implantierter Funksender zum Senden von beispielsweise der Herzfrequenz an medizinische Überwachungsgeräte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der D10 ausführbar war.

Im Kontext eines Implantats sei implizit offenbart, dass die Datenübertragung aus dem menschlichen Körper heraus mittels Funkübertragung bewerkstelligt würde. Daher sei der Sender ("transmitter") der D10 implizit ein Funktransmitter. Es sei im Kontext eines Implantats abwegig anzunehmen, es könne sich bei den Magneten 21A und B der D10 um Elektromagneten handeln, die ja eine eigenen Energieversorgung benötigen würden. Auch hätten Elektromagneten keine festen Nord- und Südpole, wie es in den Figuren der D10 aber angedeutet sei. Überdies sei Anspruch 1 nicht auf einen einzelnen Permanentmagneten eingeschränkt.

Hilfsantrag 1

Der Begriff "Funktionsinformation" komme in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht vor. Der einzige Absatz, in dem das Wort "Information" vorkomme, sei auf Seite 10 der WO-Veröffentlichung zu finden. Dort sei aber die Übermittlung der Information betreffend die Polarität der induzierten Spannung durch einen Funkschalter offenbart. Der Absatz biete daher keine Basis für die Verallgemeinerung auf den allgemeinen und unklaren Begriff "Funktionsinformation", der z.B. auch die Temperatur und nicht nur die Polarität umfasse. Daher erfülle Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 weder die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ noch von Artikel 123 (2) EPÜ.

Hilfsantrag 2

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei auf die Kombination eines Funkschalters mit einem energieautarken Funksignalgeber und einem Energiewandler gerichtet. Eine solche Kombination sei nirgends ursprungsoffenbart. Die gesamte ursprüngliche Beschreibung enthalte den Begriff "Funksignalgeber" nicht. Im ursprünglichen Anspruch 14 seien Funkschalter und Funksignalgeber als alternative Beispiele für energieautarke Schalter offenbart.

Hilfsantrag 3

Hilfsantrag 3 sei nicht zulässig, denn er hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren gestellt werden können und müssen. Mit diesem Hilfsantrag verfolge die Beschwerdeführerin ein völlig neues Sachthema, das im Einspruch nicht behandelt worden sei. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruhe auf der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 7 und 9. Gegen diesen Gegenstand habe die Beschwerdegegnerin bereits in der Einspruchsbegründung vorgetragen. Die Beschwerdeführerin hingegen sei im Einspruchsverfahren hierauf nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist nicht neu gegenüber der aus Dokument D10 bekannten Anordnung. Daher erfüllt er nicht die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

Dokument D10 offenbart nämlich eine

Anordnung mit:

einem elektromagnetischen Energiewandler (Figur 2) mit zumindest

- einem Permanentmagneten

(magnet 21A, Spalte 2, Zeilen 37 to 39)

- einem weichmagnetischem Element

(rocking armature 24, Spalte 2, Zeilen 46 bis 48. Die Tatsache, dass Armatur 24 weichmagnetisch ist folgt aus Figuren 3a bis c und Spalte 3, Zeile 37, da die Armatur durch den Permanentmagneten ummagnetisiert werden kann.)

- einer elektrischen Spule

(coil 30, Spalte 2, Zeilen 62 bis 65),

wobei durch den Permanentmagnet (21A,B) und das weichmagnetische Element (24) ein magnetischer Kreis mit einer ersten Flussrichtung gebildet ist

(Figur 3a, Spalte 3, Zeilen 23 bis 31)

und die Spule einen Teil des magnetischen Kreises umschließt,

(Figur 2, loc. cit.)

wobei das weichmagnetische Element (24) und der Permanentmagnet (21A) um eine Achse zueinander drehbar gelagert sind

(Spalte 2, Zeilen 51 bis 56)

und durch Anschlagstellen (20A,B) Endpunkte einer damit möglichen Drehbewegung gebildet sind,

(Spalte 2, Zeilen 51 bis 60)

wobei die Anordnung einen energieautarken Funksignalgeber aufweist, wobei der elektromagnetische Wandler den Funksignalgeber mit elektrischer Energie versorgt.

(transmitter, Spalte 1, Zeilen 26 bis 39)

2.2 Die Gegenargumente der Beschwerdeführerin vermochten aus den folgenden Gründen nicht, die Kammer zu überzeugen:

D10 enthält eine in allen Aspekten ausführbare Lehre. Dokument D12 belegt, dass im Jahr 1979 Implantate Daten über Funk an Geräte außerhalb des Körpers übermitteln konnten, siehe Spalte 1, Zeilen 13 bis 17. Es ist daher nicht überzeugend, dass dies bei D10, die nur vier Jahre vorher veröffentlicht wurde, dem Bereich der "Science Fiction", wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, zuzuschreiben sei. Die Behauptung, dass Kräfte im Körper nicht ausreichten, um den Wandler gemäß D10 zu betreiben, wurde nicht durch Nachweise belegt. Die Federelemente 33 gemäß Figur 2 sorgen dafür, dass die magnetischen Haltekräfte überwunden werden. Darüber hinaus scheinen sich die Federkräfte in der neutralen Mittellage zu kompensieren, so dass die Bewegung der Armatur (24) nur kleine Kräfte erfordert. Die Behauptung, dass Piezokristalle wie in der D12 viel geringere Kräfte erforderten, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Wie im Detail die Anbindung des freien Endes der Armatur an Muskelgewebe im Körper erfolgt, sind Einzelheiten, die ein medizintechnisch bewanderter Fachmann in der Praxis implementieren kann. Die Passage in Spalte 4, Zeilen 35 bis 66 sagt nicht aus, dass der Energiewandler der D10 durch eine konstante Kraft betrieben werden soll, sondern, wie eine große und konstante anliegende Kraft, zum Beispiel, wenn ein Patient im Bett liegt, so kompensiert werden kann, dass die Anregung des Energiewandlers trotzdem möglich ist. Es ist auch keineswegs verwunderlich, dass eine Patentschrift sich auf die Beschreibung der wesentlichen Teile der Erfindung fokussiert, nicht jedoch weitreichende Details der anvisierten Verwendung nahelegt (hier das Einbringen und Anbinden des Implantats in den Körper). Auch die Beschwerdeführerin legt im Streitpatent keinerlei Details der Anwendung dar, sondern nennt nur schlaglichtartig mögliche Verwendungen. Ohne objektive Nachweise bleibt der diesbezüglich Vortrag der Beschwerdeführerin damit bei einer unbelegten Behauptung. D10 offenbart eine in allen Teilen ausführbare Lehre und ist damit Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ.

D10 offenbart alle Merkmale des Anspruchs 1. Im Kontext eines implantierbaren Energiewandlers ist es abwegig, dass die Magneten 21A und B als Elektromagneten ausgestaltet sein sollten, denn dies würde eine eigene Energieversorgung nötig machen, für die in einem Implantat kein Platz ist. Die Passage Spalte 1, Zeile 10 bis 13, in der Elektromagnete genannt werden bezieht sich erkennbar nur auf den Stand der Technik. Des Weiteren wird in den Figuren 2, 3A bis C, 7 und 9 keine Spule gezeigt, die nötig wäre, um einen Elektromagneten zu betrieben. Die Magnete tragen die Bezeichnungen "N" und "S", was für Nordpol und Südpol steht. Elektromagnete haben keinen festen Nord und Südpol, nur Permanentmagnete. Anspruch 1 ist nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, auf einen einzelnen Permanentmagneten gerichtet, sondern auf "zumindest einen Permanentmagneten".

Unter einem "transmitter" im Kontext eines Implantats würde der Fachmann nichts anderes als einen Sender verstehen, der per Funk Information überträgt. Es ist technisch inkorrekt, dass sich Funkwellen im Körper nicht ausbreiteten, da Körpergewebe Funkwellen nicht besonders stark absorbiert. Auch Dokument D12 belegt, dass ein Implantat über Funkwellen Daten an Geräte außerhalb des Körpers übermitteln kann, siehe Spalte 1, Zeilen 13 bis 17. Was unter einer "magnetischen Übertragung" verstanden werden sollte, geht aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin nicht hervor. Da in D10 nur geschlossene magnetische Kreise gezeigt werden, ist nicht nachvollziehbar, wie oder mit welchem anderen Gerät der Energiewandler magnetisch gekoppelt sein könnte. Die Passage in Spalte 1, Zeilen 26 bis 39, in der der Sender offenbart wird, bezieht sich aufgrund ihres letzten Satzes erkennbar auf die Erfindung, nicht auf den Stand der Technik.

Es erscheint abwegig, einen Energiewandler zur Versorgung eines Implantats bereitzustellen, wenn die Information des Senders über Kabel aus dem Körper geführt werden sollten, denn dann könnten dieselben Kabel auch zur Energieversorgung des Senders benutzt werden, und ein Energiewandler würde überhaupt nicht benötig. Abgesehen davon erscheint es absolut praxisfern, einem Patienten zuzumuten, dauerhaft mit aus dem Körper geführten Kabeln zu leben, wenn dies durch Verwendung von Funkübertragung vermeidbar ist.

2.3 Da der Hauptantrag im Ergebnis nicht gewährbar war, brauchen die Gründe für sein Zulassung nicht erörtert zu werden.

3. Hilfsantrag 1

3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 erfüllt nicht die Erfordernisse der Artikel 84 EPÜ und 123 (2) EPÜ.

3.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde im Einspruchsverfahren dahingehend geändert, dass der Funksignalgeber derart ausgebildet ist, dass abhängig von der Richtung, in der die Änderung des magnetischen Flusses erfolgt, eine Funktionsinformation gesendet wird.

3.3 Der Begriff "Funktionsinformation" taucht in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht wörtlich auf. Zwar wird auf Seite 10, mittlerer Absatz der WO-Veröffentlichung offenbart, dass Information über die Änderung der Polung in einem Funkschalter verwendet werden kann, der Anspruchsgegenstand nutzt aber den allgemeineren Begriff "Funktionsinformation", der erkennbar nicht darauf eingeschränkt ist, dass die Information die Polung der induzierten Spannung ist. Vielmehr ist der Vortrag der Beschwerdeführerin in der Hinsicht zutreffend, dass der Begriff breit ist und alle möglich Informationen, wie z.B. "Garagentor öffnen", "Licht einschalten" oder "Funksignalgeber funktioniert einwandfrei" umfassen kann. Die Beschwerdeführerin konnte allerdings keine ursprüngliche Offenbarung aufzeigen, die eine Verallgemeinerung der Information über die Polung auf eine beliebige "Funktionsinformation" erlauben würde. Der letzte Satz des mittleren Absatzes auf Seite 10 der WO-Veröffentlichung ist nur so zu verstehen, dass im Empfänger die ihm übermittelte Polaritätsinformation auf weiter Funktionen abgebildet wird. Auch der Absatz zwischen den Seiten 11 und 12 bezieht sich auf die Polarität der Spannung, die von einer angeschlossenen Elektronik zusammen mit einem Funksignal übertragen werden kann. Auch hier wird also nur offenbart, dass die gesendete Information die Polarität der induzierten Spannung ist, nicht hingegen, dass eine ganz allgemeine "Funktionsinformation" übertragen wird. Daher findet sich für die Verallgemeinerung im Anspruch 1 keine Ursprungsoffenbarung.

Des Weiteren beziehen sich alle genannten Passagen auf Funkschalter, nicht jedoch auf Funksignalgeber. Gemäß ursprünglichem Anspruch 14 sind aber Funkschalter und Funksignalgeber zwei alternative spezifische Beispiele für den generischen Begriff "energieautarker Schalter" und nicht lediglich Synonyme, auch wenn die Begriffe selbst nicht unmittelbar eine klare Unterscheidung erlauben. Gemäß dem Vortrag der Beschwerdeführerin bezeichne der Begriff Funksignalgeber ein Gerät, das Signale per Funk aussendet und ein Funkschalter ein Gerät, welches die Funksignale des Funksignalgebers empfange und daraufhin einen Schalter betätige. Die Beschwerdegegnerin verstand den Begriff Funkschalter hingegen als einen Schalter, dessen Zustand per Funk übermittelt wird. Dies zeigt, dass dem Begriff weder eine objektive eindeutige Bedeutung zukommt, noch dass es eindeutige ursprüngliche Offenbarungsstellen gab, die es erlaubt hätten, den Inhalt der benannten Absätze auf den Seiten 10 und 11 bis 12 von Funkschaltern auf Funksignalgeber zu übertragen.

Aus diesen Gründen genügt Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ.

Der Begriff "Funktionsinformation" hat darüber hinaus auch keine objektive Bedeutung. Es bleibt aus dem Kontext des Anspruches heraus unklar, welche objektive Bedeutung diesem Begriff zuzuschreiben ist. Da die Ansprüche für sich selbst genommen den Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, deutlich angeben müssen, genügt Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ. Es sei zusätzlich erwähnt, dass der Begriff nicht einmal unter Rückgriff auf weitere Auslegungsmittel wie die Beschreibung objektiv geklärt werden kann, da er in der ursprünglichen Anmeldung nirgendwo auftaucht.

Aus dem Vorangegangen wird ersichtlich, dass durch die Änderungen ein Mangel an Deutlichkeit herbeigeführt worden ist, der im Rahmen des Einspruchsverfahren zu prüfen war, siehe Leitsatz der Entscheidung G3/14, veröffentlicht im Amtsblatt 2015, 102.

3.4 Die Gegenargumente der Beschwerdeführerin vermochten aus den folgenden Gründen nicht, die Kammer zu überzeugen:

Aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin geht nicht hervor, wo sich eine eindeutige Offenbarung befindet, die es erlaubt, die Merkmale Funkschalter und Funksignalgeber eindeutig zu unterscheiden und die Lehre der herangezogenen Passagen, die einen Funkschalter betreffen, auch auf einen Funksignalgeber zu übertragen. Insbesondere erwähnt der Absatz, der Seiten 11 und 12 keinen Funksignalgeber.

Auch ging nicht aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin hervor, welche objektive Bedeutung dem Begriff Funktionsinformation beikommt. Der Vortrag der Beschwerdeführerin ist widersprüchlich. Einerseits trägt sie vor, der Begriff sei breit auszulegen, was dem Fachmann ohne Schwierigkeiten gelänge, ohne allerdings einen Beleg für diese Behauptung zu erbringen. Andererseits sei der Begriff im Lichte der Beschreibung, Seite 11 bis 12 der WO-Veröffentlichung, und des technischen Kontextes nicht anders zu verstehen, als die Information über die Polarität der induzierten Spannung. Abgesehen von der Widersprüchlichkeit der Aussagen, handelt es sich hier um ein zirkuläres Argument, das einem allgemein gehaltenen Begriff ohne objektiv klare Bedeutung im Anspruch im Lichte der ursprünglichen Beschreibung gerade eine solche konkrete und einschränkende Bedeutung zukommen lassen möchte, dass die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und 84 EPÜ beide erfüllt sind.

3.5 Da Hilfsantrag 1 im Ergebnis nicht gewährbar ist, ist es entbehrlich, die Gründe für seine Zulassung ins Verfahren anzugeben.

4. Hilfsantrag 2

4.1 Anspruch 1 laut Hilfsantrag 2 wurde derart geändert, dass Sachverhalte eingeführt wurden, die über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinausgingen.

4.2 Anspruch 1 ist nun auf einen Funkschalter mit einem Energiewandler gerichtet. Der Funkschalter enthält einen energieautarken Funksignalgeber.

Wie bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag 1 erläutert enthalten die ursprünglichen Anmeldeunterlagen keine eindeutige Offenbarung, wie die Merkmale Funkschalter und Funksignalgeber zu unterscheiden seien, ob es sich dabei im Wesentlichen um Synonyme handelt oder ob es sich, wie im ursprünglichen Anspruch 14 dargestellt, um alternative Formen eines energieautarken Schalters handelt. Zumindest geht aus keiner Passage eindeutig hervor, dass ein energieautarker Funksignalgeber eine Komponente eines Funkschalters sein könnte. Die von der Beschwerdeführerin angeführte Passage auf Seite 2 bezog sich aber nur auf Funkschalter.

4.3 Da Hilfsantrag 2 im Ergebnis nicht gewährbar war, ist es entbehrlich, die Gründe für seine Zulassung ins Verfahren anzugeben.

5. Hilfsantrag 3

5.1 Die Kammer übte ihr Ermessen gemäß Artikel 12 (4) VOBK dahingehend aus, den Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zuzulassen, da er im erstinstanzlichen Verfahren hätte eingereicht werden sollen.

5.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist auf ein neues Sachthema (hier: die Dimensionierung von Federelementen) gerichtet, das im erstinstanzlichen Verfahren nicht diskutiert worden war. Daher ist nicht zu erkennen, inwiefern dieser Antrag eine Reaktion auf die Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung darstellen sollte.

Die Beschwerdeführerin führte aus, dass die Reaktion darin bestand, einen vollständigen Widerruf des Streitpatents zu vermeiden. Dass aber ein Widerruf ein möglicher Ausgang des Einspruchsverfahren ist, kann nicht als überraschend gelten. Vielmehr muss ein Patentinhaber mit einem solchen Ausgang rechnen. Um einem Widerruf vorzubeugen, muss er auch solche Anträge rechtzeitig einreichen, die Gegenstände betreffen, die zumindest im Falle des Scheiterns der in erster Linie verfolgten Schutzbegehren als Rückfallpositionen dienen können und dann bereits im erstinstanzlichen Verfahren diskutiert werden können. Im Übrigen ist es zutreffend, dass die Beschwerdegegnerin bereits in ihrer Einspruchsbegründung im Rahmen der ursprünglichen abhängigen Ansprüche 7 und 9 auf den nun verfolgten Gegenstand eingegangen ist, sich aber keine inhaltliche Auseinandersetzung hiermit seitens der Beschwerdeführerin während des Einspruchsverfahrens finden lässt. Daher war die Diskussion um diesen Gegenstand sogar bereits im erstinstanzlichen Verfahren angeregt, wurde aber aufgrund der fehlenden Reaktion der Beschwerdeführerin nicht geführt.

Durch Zulassung des Hilfsantrages 3 würde dem Charakter des Beschwerdeverfahrens als gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht entsprochen, sondern lediglich das erstinstanzliche Verfahren fortgeführt oder aber das Verfahren durch eine mögliche Zurückverweisung unnötig in die Länge gezogen.

Auch ging weder aus der angefochtenen Entscheidung noch der Niederschrift der mündlichen Verhandlung hervor, dass der Versuch, einen weiteren Hilfsantrag einzureichen, auf jeden Fall aussichtslos gewesen wäre. Zwar ist es zutreffend, dass die Einspruchsabteilung einen Hilfsantrag, der erst fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden war, nicht zugelassen hatte. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass es unmöglich war, weitere Anträge einzureichen. Zumindest ein dokumentierter Versuch hätte möglicherweise Auswirkungen auf die Entscheidung der Kammer hinsichtlich der Zulässigkeit haben können.

6. Aus diesen Gründen kann die Kammer den Anträgen der Beschwerdeführerin nicht nachkommen, sondern gibt dem Antrag der Beschwerdegegnerin statt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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