T 1132/15 () of 27.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T113215.20181127
Datum der Entscheidung: 27 November 2018
Aktenzeichen: T 1132/15
Anmeldenummer: 02719706.0
IPC-Klasse: C08K 3/32
A61L 15/60
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WASSERABSORBIERENDES MITTEL, VERFAHREN ZU SEINER HERSTELLUNG UND SEINE VERWENDUNG
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Evonik Degussa GmbH
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 27. März 2015 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 366 111.

II. Anspruch 1 des erteilten Patents hatte folgenden Wortlaut:

"Wasserabsorbierendes Mittel, umfassend Teilchen eines wasserabsorbierenden Polymerisats, deren Oberfläche mit einem wasserunlöslichen Metallphosphat einer mittleren Teilchengröße von 2 bis weniger als 400 mym assoziiert ist."

III. Gegen das Patent wurde unter Geltendmachung der Gründe gemäß Artikel 100(a) EPÜ (mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100(b) EPÜ und Artikel 100(c) EPÜ Einspruch eingelegt.

IV. In der angefochtenen Entscheidung wurden unter anderem folgende Dokumente zitiert:

E1: EP-A-1 605 215

E3: JP 6-11 25 436

E5: Versuchsbericht der Patentinhaberin eingereicht mit Schreiben vom 20. August 2012.

Die angefochtene Entscheidung erfolgte auf Grundlage eines Hauptantrags sowie zweier Hilfsanträge, die mit Schreiben vom 20. August 2012 eingereicht wurden.

Anspruch 1 des Hauptantrags unterschied sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass die Teilchen als oberflächenvernetzt definiert wurden und lautet deshalb wie folgt:

"Wasserabsorbierendes Mittel, umfassend Teilchen eines oberflöchennachvernetzten wasserabsorbierenden Polymerisats deren Oberfläche mit einem wasserunlöslichen Metallphosphat einer mittleren Teilchengröße von 2 bis weniger als 400 mym assoziiert ist."

Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 entsprach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mit der Einschränkung des Bereiches der mittleren Teilchengröße auf "von 2 bis weniger als 10 mym" bzw. "von 2 bis weniger als 7 mym".

V. Gemäß der Entscheidung erfülle der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ, sei aber nicht neu gegenüber Dokument E1. Hierbei bezog sich die Einspruchsabteilung auf zwei Entscheidungen der Beschwerdekammer bezüglich Auswahl aus einer in mehrere Unterlisten aufgeteilten Liste.

Der Gegenstand des Hilfsantrags 1 erfülle zwar die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ und sei ausreichend offenbart, sei aber nicht neu gegenüber Dokument E1. Hierbei bezog sich die Einspruchsabteilung auf die Rechtsprechung hinsichtlich Auswahlerfindungen, insbesondere das sogenannte dritte "Kriterium" - Vorhandensein einer gezielten Auswahl - welches als nicht erfüllt angesehen wurde. Das Gleiche gelte für den Hilfsantrag 2. Ferner hat die Einspruchsabteilung als obiter dictum angegeben, der Gegenstand aller Anträge würde den Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit nicht entsprechen.

VI. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.

Die Anträge aus dem Einspruchsverfahren wurden wieder eingereicht und weiter verfolgt. Ferner wurden zwei weitere Hilfsanträge, 3 und 4 zusammen mit der Beschwerdebegründung sowie in korrigierter Fassung mit Schreiben vom 19. September 2018 eingereicht.

Es wurde mit der Beschwerdebegründung auch ein weiterer Versuchsbericht - E8 - eingereicht.

Im Schreiben vom 19.September 2018 wurde auch folgende Frage zur Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer formuliert:

"Liegt eine Auswahl aus mehreren Listen vor, wenn eine Entgegenhaltung die Gegenwart optionaler Hilfs- und Zusatzstoffe offenbart, die Hilfs- und Zusatzstoffe funktionell ungleichartigen Klassen zugeordnet sind und für jede Klasse Unterlisten mit beispielhaften Vertretern angegeben sind, und ein spezifischer Vertreter einer Unterliste ausgewählt wird?"

VII. In der Beschwerdeerwiderung hielt die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) die Einwände wegen fehlender Ausführbarkeit, fehlender Neuheit sowie fehlender erfinderischen Tätigkeit aufrecht.

Es wurde ein weiteres Dokument eingereicht:

E9: Römpp Chemie Lexikon, Thieme Verlag, 1993, Band 9, Seiten 558-559).

VIII. Es erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung und ein Bescheid der Kammer.

IX. Die mündliche Verhandlung fand am 27. November 2018 statt.

Die Beschwerdegegnerin erklärte, keine Einwände gegen die Ausführbarkeit der Erfindung in Bezug auf den Hauptantrag zu haben.

X. Die Argumente der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Hauptantrag lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Neuheit

Die anspruchsgemäße Teilchengröße erfordere eine Auswahl aus den verschiedenen Teilabschnitten von E1.

Ebenfalls sei das Merkmal "Metallphosphate" nur über eine Auswahl aus der in E1 offenbarten "water-insoluble particulate substances" zu erreichen, wobei diese Auswahl an sich bereits eine mehrstufige Auswahl sei.

Es gehe aus E1 nicht eindeutig hervor, dass sich die Metallphosphatteilchen an der Oberfläche oder im Partikelinneren befanden.

Auch wie durch den Versuchsbericht E8 belegt, seien unter den Bedingungen von E1 die Metallphosphate - sofern verwendet - hydrolysiert worden mit dem Ergebnis, dass diese im Endprodukt nicht mehr vorhanden sein würden.

b) Erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik sei E3.

Die Unterscheidungsmerkmale seien die Oberflächen­vernetzung sowie die Teilchengröße des Phosphats.

Die Beispiele - insbesondere aus dem Bericht E5 - würden zeigen, dass hierdurch die Saline Flow Conductivity (SFC) wesentlich verbessert worden sei. Insbesondere gehe aus dem Vergleichsbeispiel 3* von E5, bei dem lediglich Kalziumphosphat verwendet worden sei, hervor, dass diese alleine zu keiner Verbesserung des SFCs führe. Würden jedoch sowohl Oberflächenvernetzung als auch Behandlung mit dem Phosphat durchgeführt, übersteige das erhaltene SFC den Wert der Summe der zwei Vergleichsbeispiele. Dies belege somit eine synergistische Wirkung. Es sei nicht naheliegend, dass die Oberflächenvernetzung zu diesen Effekt führe. E1 verwende zwar Oberflächenvernetzung, aber offenbare lediglich, dass dies eine Verringerung des Monomergehalts bewirke. Ein Hinweis auf Flusseigenschaften z.B. SFC sei E1 nicht zu entnehmen.

Der Einwand, E8 belege, dass für manche Ausführungsformen der Effekt nicht auftrete, könne nicht durchgreifen, da bei dem infragekommenden Beispiel von E8 die Phosphatverbindung aufgrund von Hydrolyse nicht mehr vorhanden sei.

XI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin bezüglich des Hauptantrags können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Neuheit

Teilchengrößen im anspruchsgemäßen Bereich sowie Metallphosphaten seien explizit in E1 genannt.

Bei der Beurteilung des Offenbarungsgehaltes einer in mehrere Abschnitte unterteilten Liste spiele der Grad der Bevorzugung der verschiedenen Merkmale innerhalb jeder (Unter)Gruppe keine Rolle. Es sei nicht der Fall, dass nur Merkmale gleichen Bevorzugungsgrades kombiniert werden dürfen, um den Offenbarungsgehalt eines Dokuments künstlich zu beschränken. Da sowohl Teilchengröße als auch Metallphosphaten explizit in E1 offenbart seien, ist auch deren Kombination als offenbart anzusehen.

Bezüglich der Frage, ob das Metallphosphat lediglich an der Oberfläche vorhanden sei, sofern der Anspruch dies überhaupt verlange, und angesichts der Tatsache, dass der Begriff "Oberfläche" bei porösen Teilchen ohnehin auch z.B. innere Flächen umfasst, könne dies nicht als unterscheidendes Merkmal dienen.

Ferner lägen keine Nachweise vor, das Phosphat wäre bei den Bedingungen von E1 hydrolysiert. Hierfür seien Säuren wie H2SO4 sowie HNO3 erforderlich, welche nicht im System von E1 vorhanden seien.

b) Erfinderische Tätigkeit

Als nächstliegender Stand der Technik sei ebenfalls E3 anzusehen, wovon sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Oberflächenvernetzung sowie die Teilchengröße des Phosphats unterscheide.

Bezüglich der Argumentation im Hinblick auf einen synergistischen Effekt, wurde anlässlich der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen, es gehe aus den Beispielen des Patents nicht hervor, dass die Teilchen oberflächenvernetzt seien. Lediglich Beispiel 5 des Patentes verwende Oberflächenvernetzung.

Ferner gehe ein solcher synergisticher Effekt aus der Anmeldung nicht hervor. Dies sei vielmehr erstmals während des Einspruchsverfahren erwähnt. Somit sei es nicht zulässig, einen solchen Effekt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geltend zu machen, auch wenn er auftreten würde, welche mangels Beweise verneint wurde.

Darüber hinaus in Anbetracht von E8 sei der Effekt fraglich oder trete nicht im gesamten Umfang des Anspruchs auf, da hieraus hervorgehe, dass die Verwendung des Phosphats, wenn überhaupt, nur zu einer geringen Verbesserung des Absorptionswertes führe.

Folglich könne die zu losende Aufgabe lediglich als die Bereitstellung weiterer wasserabsorbierender Teilchen formuliert werden.

Die Lösung - Oberflächenvernetzung - sei jedoch vollkommen üblich, wie aus E1 hervorginge. Auf jeden Fall Belege Versuchsbericht E5, dass der vermeintliche Effekt ohnehin bei der Verfahrensweise von E1 auftrete.

Auch seien alle anderen Merkmale des Anspruchs herkömmlich.

Es werde ferner kein Effekt im Zusammenhang mit der Teilchengröße nachgewiesen.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 und 2, sämtliche Anträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder auf der Grundlage der Hilfsanträge 3 oder 4, eingereicht mit Schreiben vom 19. September 2018.

Ferner beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der mit Schreiben vom 19. September 2018 vorgeschlagenen Rechtsfrage an die Grosse Beschwerdekammer, wenn diese Frage für die Entscheidung über den Hauptantrag erheblich sein sollte.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde sowie die Nichtzulassung der Hilfsanträge 3 und 4 in das Verfahren.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Neuheit

E1 offenbart ein wasserabsorbierendes Mittel in Form eines Gels, eines Pulvers oder in Form von Teilchen die an, oder im Bereich der Oberfläche vernetzt sind (Spalte 3, Zeilen 19-31). Diese Teilchen werden behandelt um den Gehalt an Restmonomer zu reduzieren (Spalte 2, Zeile 31 bis Spalte 3, Zeile 4).

Der geltende Anspruch 1 definiert hinsichtlich der Teilchen unter anderem die Art des Additivs ("deren Oberfläche mit einem wasserunlöslichen Metallphosphat assoziiert ist") und die Teilchengröße des Additivs ("von 2 bis weniger 400 mym").

1.1.1 Art des Additivs

E1 erwähnt verschiedene Arten von Additiven (Spalte 7, Zeilen 32 bis 35) und enthält insbesondere eine lange Liste der möglichen wasserunlöslichen Additive (Spalte 7, Zeile 36 bis 51). Unter Anderem werden Kalziumphosphat und Bariumphosphat explizit genannt.

Die Additive gemäß Anspruch 1 des Patents stellen eine enge Auswahl aus dieser Liste dar.

1.1.2 Teilchengröße des Additivs

E1 offenbart unterschiedliche Teilchengrößenbereiche für die Additive (Spalte 7, Zeilen 52-55), nämlich:

0,01-1.000my, 0,01-50my, sowie 0,01-10my, wobei die in Fett geschriebene Werte im Bereich des Anspruchs liegen.

Somit stellt die anspruchsgemäße Teilchengröße ebenfalls eine Auswahl aus der Offenbarung von E1 dar.

1.1.3 Es folgt somit, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 mindestens eine 2-Fache Auswahl aus der Offenbarung von E1 erfordert.

Da die Kombination der spezifischen Additive mit der spezifischen Teilchengröße aus E1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, ist die Neuheit anzuerkennen.

Die während des schriftlichen Beschwerdeverfahrens aufgeworfene Frage, ob die Auswahl des Additivs aus der in mehreren Teilen aufgeschlüsselte Liste von E1 eine einzige oder mehrfache Auswahl erfordert, muss somit für die Beurteilung der Neuheit im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden. Deshalb braucht die Kammer über den Antrag auf Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer nicht zu entscheiden.

1.2 Erfinderische Tätigkeit

1.2.1 Nächstliegender Stand der Technik

Das Patent befasst sich mit der Bereitstellung eines teilchenförmigen wasserabsorbierendes Mittels ("Superabsorber" oder "SAP"), welches sich insbesondere durch verbesserte Anwendungseigenschaften, insbesondere hohe Absorptionskapazität unter Druck, verbesserte Flüssigkeitstransportleistung und schnelle Anquellgeschwindigkeit auszeichnet (Absatz [0001] und insbesondere Absatz [0006]).

Gemäß Absatz [0003] haben herkömmliche Absorptionsmittel den Nachteil, dass bei Flüssigkeits­aufnahme das Superabsorber an der Eintrittsstelle stark anquillt und eine Sperrschicht bildet, wodurch Weiterleitung und Verteilung der Flüssigkeit im Kern des Superabsorbers verhindert wird - sogenannte "Gelblocking".

Die Parteien waren sich einig, dass E3, welche ebenfalls ein wasserabsorbierendes Mittel enthaltend ein wasserunlösliches Phosphat offenbart (E3, Zusammenfassung), den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

Die Kammer kann keinen Grund erkennen, anderer Auffassung zu sein.

1.2.2 Unterscheidendes Merkmal

Bei den Beispielen von E3 wird das Polymerisat mit getrocknetem Hydroxyapatit (ein Metallphosphat) gemischt - Reference Example 1. Durch diese Art der Behandlung wird das Phosphat somit auf der Oberfläche des Partikels sein, wodurch dieses Merkmal des Anspruchs keinen Unterschied gegenüber E3 darstellt.

Gegenüber E3 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 somit dadurch, dass das Polymerisat oberflächenvernetzt ist, sowie durch die Teilchengröße, welche E3 nicht zu entnehmen ist. Auch dieser Punkt war unbestritten.

1.2.3 Technischer Effekt

In dem während des Einspruchsverfahrens eingereichten Versuchsbericht E5 der Beschwerdeführerin wurden verschiedene Versuche durchgeführt, die in einer Tabelle zusammengefasst wurden:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Der Vergleich des Beispiels 3* (mit Phosphatverbindung aber ohne Oberflächenvernetzung) und Beispiel 4 (mit Phosphatverbindung und Vernetzung) zeigt einen Anstieg des SFC-Wertes vom 0 auf 62. Auch bei der Absorption unter Druck wird eine Verbesserung belegt. Dagegen sind die Zentrifugenretentionskapazität(CRC) und Quellgeschwindigkeit (QG) etwas reduziert.

Ferner geht aus den Vergleichsbeispielen 2* und 3* hervor, dass die Verbesserung des SFC vorrangig durch die Oberflächenvernetzung erreicht wird. Die Oberflächenbehandlung mit Phosphat allein trägt hierzu nicht bei (Vergleichsbeispiel 3*).

Aus dem Beispielpaar 2* und 4 (oder 5) geht ferner hervor, dass die zusätzliche Anwesenheit von Phosphat zu einem Wert des SFCs führt, der höher ist als bei Oberflächenvernetzung allein.

Aus der Zusammenschau dieser Daten geht somit ein synergistischer Effekt durch die Kombination der Behandlung der Partikel sowohl durch Oberflächenvernetzung und also auch durch die Phosphatbehandlung hervor. Nämlich sind die Eigenschaften der Teilchen, bei denen beide Behandlungsschritte vorgenommen wurde besser als die Summe der Werte, bei denen nur einer dieser Behandlungen vorgenommen wurde.

Die Beschwerdegegnerin bestritt die Analyse der E5 nicht, aber vertrat die Auffassung, dieser Effekt könne nicht geltend gemacht werden, da dieser der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen sei und erst während des Einspruchsverfahrens überhaupt zur Sprache kam.

Dazu stellt die Kammer fest, dass dieses Argument erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhoben wurde und an sich verspätet sei.

Auf jedem Fall wurde bei dieser Argumentation seitens der Beschwerdeführerin kein der Anmeldung nicht zu entnehmender technischer Effekt geltend gemacht, sondern wurde durch die nachgereichten Daten (E5) nachgewiesen, dass durch ein in einem abhängigen Anspruch der Anmeldung genanntes Merkmal (Oberflächenvernetzung - Anspruch 5 der Anmeldung) ein bereits in der Anmeldung (Seite 2, Zeilen 8-12) angesprochener Effekt, nämlich Verbesserung des SFCs, weiter verbessert oder optimiert werden kann. Hiermit wurde ein zusätzlicher Vorteil geltend gemacht, welche der Aufgabenstellung der Anmeldung entspricht, d.h., ohne das Wesen der Erfindung zu verändern (vgl. T 440/91) und die Diskussion darüber in der "Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, 8. Auflage (2016) Abschnitt II.D.4.4.2.

Bezüglich des Einwands der Beschwerdegegnerin in Hinblick auf E8, wonach der Effekt der Verbesserung des SFCs nicht über dem gesamten Anspruchsumfang erhalten wird, ist zu bemerken, dass gemäß dem Beispiel A von E8 das Harz und Phosphat mit Natriumbisulfit/Isopropanol/Wasser vermischt und wärmebehandelt wird. Hierdurch findet eine Hydrolyse des Phosphats statt. Ein solcher Schritt ist in E1 zwingend vorgeschrieben (E1, Ansprüche 1 und 3). Eine solche Behandlung wird jedoch im vorliegenden Patent nicht durchgeführt. Somit kann der Beweis von E8 die Gültigkeit des aus E5 nachgewiesenen Effekts nicht infrage stellen.

1.2.4 Objektiv zu lösende Aufgabe

Die zu lösende Aufgabe kann demnach als die Bereitstellung eines wasserabsorbierenden Mittels mit verbesserten Eigenschaften, insbesondere SFC formuliert werden.

1.2.5 Naheliegend

E3 enthält keinen Hinweis, der SFC könne durch Oberflächenvernetzung weiter verbessert werden, und ebenso wenig einen Hinweis auf die Verwendung einer Oberflächenvernetzung aus anderem Grunde.

Auch aus der Diskussion der Oberflächenvernetzung in E1 kann keine entsprechende Lehre entnommen werden. E1 weist dieser Maßnahme entweder keine Wirkung zu (Spalte 3, Zeilen 24-28) oder diese wird ausschließlich im Bezug auf Monomerreduzierung behandelt (Spalte 9, Zeilen 4-9).

Die Argumentation der Beschwerdegegnerin, dieser Effekt würde bei dem Verfahren von E1 ohnehin auftreten, wie durch Versuchsbericht E5 belegt, ist nicht zielführend.

Auch wenn dies den Tatsachen entsprechen sollte, ist diese Information dem Stand der Technik (E1 oder andere Dokumente) nicht zu entnehmen, sondern basiert ausschließlich auf der Information, welche erstmals während des laufenden Verfahrens - auf Basis des eingerechten Bericht E5 - vorgelegt wurde.

Somit kann auch dieses Argument das Naheliegen der patentgemäßen Lösung des obigen Problems nicht belegen.

Aus diesen Gründen kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, dass eine erfinderische Tätigkeit ausgehend von E3 anzuerkennen ist.

2. Da keine weiteren Einwände gegen den Hauptantrag erhoben wurden, ist das Patent gemäß diesen Ansprüchen aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags (Ansprüche 1 bis 9) und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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