T 1127/15 () of 12.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T112715.20180612
Datum der Entscheidung: 12 Juni 2018
Aktenzeichen: T 1127/15
Anmeldenummer: 07111268.4
IPC-Klasse: B60J 7/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schott für einen PKW
Name des Anmelders: FKT GmbH
Körber, Stefan
Name des Einsprechenden: Scambia Holdings Cyprus Limited
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 8. April 2015 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 1889740 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.

II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 im Hinblick auf das Dokument

EP 1201475 A2 (E1)

nicht neu ist.

III. Die Kammer berücksichtigt in dieser Entscheidung weiterhin

EP 1621 386 A2 (E5);

EP 0778 171 A2 (E3) und

DE 196 16 448 A1 (E4).

IV. Am 12. Juni 2018 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführer/Patentinhaber beantragten die angefochtene Entscheidung aufzuheben und Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin/Einsprechende beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der Anspruchs 1 wie erteilt lautet wie folgt (die Merkmale 1.6 und 1.7 gemäß Merkmalsgliederung der Beschwerdeführer/Patentinhaber auf Seite 2 der Beschwerdebegründung wurden von der Kammer durch Fettschrift hervorgehoben):

Schott (1) für ein Personenkraftfahrzeug mit einem Schottrahmen (6) und mindestens einer innerhalb des Schottrahmens (6) angeordneten Flachmaterialbahn (10a) mit einer Abdeckung umfassend einen Abdeckungsrahmen (13) und mindestens eine innerhalb des Abdeckungsrahmens (13) angeordneten Flachmaterialbahn (10b), wobei der Schott­rahmen (6) und der Abdeckungsrahmen (13) schwenk­bar miteinander verbunden sind, wobei der Abdeckungsrahmen (13) in mindestens zwei Teilrahmen (13a, 13b) unterteilt ist, die über mindestens ein Drehgelenk (11) schwenkbar miteinander verbunden sind, so dass das Schott (1) aus einer gefalteten Aufbewahrposition in eine Gebrauchsposition und wieder zusammen faltbar ist,

wobei eine am Abdeckungsrahmen (13) angeordnete Verriegelungseinrichtung (30) zur Fixierung der Teilrahmen (13a, 13b)relativ zueinander in der Gebrauchsposition des Schotts (1) vorgesehen ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Verriegelungseinrichtung (30) im Bereich der Anlenkung des Schottrahmens am Abdeckungsrahmen (13) angeordnet ist.

VI. Die Argumente der Beschwerdeführer/Patentinhaber soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei neu gegenüber Dokument E1.

Die Öse 116 stelle mit dem Riegel 114 die Verriegelungseinrichtung dar und da die Öse nicht am Abdeckrahmen angeordnet sei, seien die Merkmale 1.6 und 1.7 nicht in E1 offenbart.

Der Schottrahmen könne schon deshalb keine Verriegelungseinrichtung im Sinne des Anspruchs 1 darstellen, da der Wortlaut zweifelsfrei zwischen einer Verriegelungseinrichtung und einem Schottrahmen unterscheide. Dies seien distinkte Bauteile.

Auch verriegele der Schottrahmen nicht derart, dass die Rahmenteile der Abdeckung zueinander fixiert seien, sondern erhöhe lediglich die Stabilität.

Aus denselben Gründen sei auch der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt nicht durch E5 vorweggenommen.

Auch ausgehend von E1 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahegelegt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Fachmann die dort offenbarte Konstruktion verändern sollte. Schließlich müsse durch die Verriegelungs­einrichtung weiterhin ein Windschottteil mit dem dazugehörigen Abdeckteil verbunden werden. Dies aber könne eine Verriegelung, die nur am Abdeckteil angeordnet ist, nicht leisten. Weiterhin sei nicht erkennbar, warum der Fachmann eine weitere Verriegelungsvorrichtung an den Abdeckrahmen anbringen sollte. Die Stabilität des gesamten Schotts sei, wie die Beschwerdegegnerin/Einsprechende korrekt bemerkte, durch das aufgestellte Windschott ausreichend gegeben.

Auch die Kombination der Dokumente E3 und/oder E4 führe den Fachmann nicht zum Gegenstand der angegriffenen Erfindung. Schließlich blieben auch in der Zusammenschau beider Dokumente Merkmale nicht offenbart. So zeige zum Beispiel keines der Dokumente E3 oder E4 einen Abdeckrahmen und folglich auch keine Verbindung von Abdeckrahmen. Somit bleibe es völlig unklar, warum der Fachmann eine Verriegelung, wie sie beispielsweise in der E4 (Teil 17) gezeigt sei, an den Abdeckrahmen verlegen sollte. Daher beruhten diese Argumente auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Hinsichtlich der bemängelten Nichtausführbarkeit der Erfindung werde auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung verwiesen.

VII. Die Beschwerdegegnerin/Einsprechende begegnete diesen Argumenten wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber dem Dokument E1. Insbesondere gehe aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 nicht eindeutig hervor, was unter einer Verriegelungseinrichtung zu verstehen sei, und ob wirklich alle Elemente womöglich mehrerer Verriegelungs­­einrichtungen am Abdeckrahmen angebracht sein müssten. So sei es zwar korrekt, dass die Öse 116 (vgl. Figur 6 in E1) am Schottrahmen angebracht sei, die in der Gebrauchsstellung mit dem Riegelbolzen 114 am Abdeckrahmen verraste, siehe Paragraph [0059].

Allerdings weise der Schottrahmen selbst ebenfalls eine Stabilisierungsfunktion auf, die eine Fixierung der Abdeckrahmenteile ermögliche. In der Gebrauchs­stellung gemäß Merkmal 1.6 sei der Schottrahmen aufgeklappt. Damit liege die untere Basis dieses Rahmens völlig auf den Abdeckrahmenteilen auf und stabilisiere diese auf dieselbe Art und Weise, wie es die Verriegelungs­einrichtung 32, 34 im Streitpatent mache, siehe dort vor allem die Figuren 2 bis 5, nämlich dadurch, dass die Drehachse der Abdeckrahmenteile senkrecht auf der Drehachse der Schottrahmenteile stehe. Damit erfülle der Schottrahmen als Verriegelungseinrichtung die Merkmale 1.6 und 1.7 des strittigen Anspruchs 1.

Dieselben Verhältnisse ergäben sich auch aus den Ausführungsbeispielen der Figuren 12 bis 16 des Dokuments E5, gemäß welchem die Teilrahmen der Abdeckung um die Schwenkachse 206 relativ zueinander schwenkbar seien und durch Aufstellen des Windschott­rahmens in die Gebrauchsposition relativ zueinander fixiert würden.

Daher sei E5 aus denselben Gründen wie Dokument E1 neuheitsschädlich.

Des Weiteren beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1. Es sei für den Fachmann nahegelegt, eine Verriegelungseinrichtung vorzusehen, die analog zu der des Schottrahmens funktioniere und diesen in der Funktion unterstütze. Damit werde eine verbesserte Stabilität erreicht.

Auch die Kombination der Dokumente E3 und E4 lege den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nahe, wobei es gleichgültig sei, von welchem der beiden Dokumente ausgegangen werde. Beide Dokumente offenbarten eine zweiteilige Abdeckplatte die gesteckt (E3, Figur 3) oder mit einer Verriegelungseinrichtung (17 in E4) verbunden werde. Somit werde der einzige Unterschied darin gesehen, dass die Verriegelungseinrichtung im Bereich der Anlenkung des Schottrahmens am Abdeckrahmen angeordnet sei, wobei Anspruch 1 wie erteilt die Verriegelungseinrichtung nur insoweit definiere, dass die Teilrahmen der Abdeckung relativ zueinander in der Gebrauchsstellung des Schott fixiert würden. Es läge nun nahe diese Verbindungseinrichtung an den Randbereich der Abdeckung zu legen. In E3 sei die Verriegelungseinrichtung durch eine Verrastung dargestellt, die bis in den Bereich der Anlenkung des Schottrahmens an der Abdeckung reiche.

Die weiteren im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Argumentationslinien zum Mangel an Neuheit würden nicht weiter verfolgt.

Des Weiteren sei die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. So sei der Gegenstand, der sich durch die Kombination der Ansprüche 5 und 6 ergebe nicht ausführbar, da dann, wenn das Drehgelenk stets senkrecht zu den Schwenkachsen der Verriegelungselemente und des Abdeckrahmens verlaufe, der Abdeckrahmen nicht zusammenklappbar sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt ist neu im Hinblick auf das Dokument E1 bzw. E5, Artikel 54 (2) EPÜ.

2.1 Zunächst ist festzustellen, dass die Verriegelungs­einrichtung des Windschotts gemäß E1 durch die Öse 116 und den Verriegelungsbolzen 114 gebildet wird, vgl. Figur 6 und Paragraph [0059]. Die Öse 116 ist aber am Windschottrahmen angebracht, so dass E1 keine Verriegelungseinrichtung im Sinne der Merkmale 1.6 und 1.7 des Streitpatents offenbart, vgl. Merkmals­gliederung der Patentinhaber/Beschwerde­führer auf Seite 2 der Beschwerdebegründung.

Dieser Punkt ist zwischen den Parteien unstrittig.

2.2 Die Beschwerdegegnerin/Einsprechende argumentiert, dass der Anspruchswortlaut nicht klar sei dahingehend, was eine Verriegelungseinrichtung sei und ob diese ausschließlich am Abdeckrahmen angebracht sein müsse. So habe der Schottrahmen in aufgeklappter Position, die der Gebrauchsposition gemäß Merkmal 1.6 des strittigen Anspruchs entspreche, fraglos dieselbe stabilisierende Wirkung, wie die anspruchsgemäße Verriegelungs­einrichtung (vgl. Figur 4 der Patentschrift); der Schottrahmen sei am Abdeckrahmen angeordnet (Merkmal 1.7) und fixiere damit die Teilrahmen der Abdeckung. Somit sei der Schottrahmen als Verriegelungseinrichtung im Sinne des Anspruchs 1 zu sehen.

2.3 Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht. Wie oben unter Punkt 2.1 festgestellt, besteht die Verriegelungseinrichtung in E1 aus der Öse und dem Riegel. Eine weitere Verriegelungseinrichtung ist in E1 nicht offenbart. Auch wenn unbestritten der aufgeklappte Schottbügel zu einem erheblichen Anteil an der Stabilität der Vorrichtung in der Gebrauchsstellung beträgt, hat dieser jedoch keinerlei Verriegelungs­funktion. Die Vorrichtung gemäß E1 ließe sich ohne die Öse und den Riegel nicht stabil in der Gebrauchsstellung halten.

Zum anderen ergibt sich aus Sicht der Kammer aus der Semantik des Anspruchswortslauts eindeutig, dass der Schottrahmen und die Verriegelungseinrichtung getrennte Elemente sind. So lässt es insbesondere Merkmal 1.7, welches definiert, dass die Verriegelungseinrichtung in der Nähe des Schottrahmens (am Abdeckrahmen) angeordnet ist, nicht zu, dass die Verriegelungseinrichtung mit dem Schottrahmen gleichgesetzt werden könnte.

2.4 Aus den genannten Gründen ist auch das Dokument E5 nicht in der Lage die Neuheit des erteilten Anspruchs 1 infrage zu stellen.

Die Beschwerdegegnerin/Einsprechende trägt vor, dass die Verhältnisse in E5 genauso seien wie in E1, da die Teilrahmen der Abdeckung, die um eine Achse schwenkbar seien, durch Aufstellen des Windschotts in die Gebrauchsposition relativ zueinander fixiert würden.

Diesem Argument folgt die Kammer nicht.

Auch hier hat das Windschott lediglich eine stabilisierende Funktion, trägt aber nichts zur Verriegelung bei, derart, dass die Abdeckungsteile relativ zueinander fixiert werden.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von Dokument E1 und in Bezug auf die Kombination der Dokumente E3 und E4, Artikel 56 EPÜ.

3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Windschott gemäß E1 - wie oben ausgeführt - durch das kennzeichnende Merkmal (Merkmal 1.7), wonach die Verriegelungseinrichtung am Abdeckrahmen befestigt ist.

Die mit diesem Merkmal zu lösende Aufgabe wird darin gesehen, ein Windschott zur Verfügung zu stellen, welches auch bei hohen Belastungen eine hohe Formstabilität des Schotts garantiert.

Die Aufgabe ist nicht strittig.

3.2 Die Kammer folgt hierbei nicht der Argumentation der Beschwerdegegnerin/Einsprechenden, dass der stabilisierenden Schottbügel ohne fachmännisches Zutun gegen eine entsprechende Verriegelungseinrichtung ersetzt oder ergänzt werden könne. Das Windschott gemäß E1 ist bereits mit der vorhandenen Verriegelungs­einrichtung, bestehend aus Riegel 114 und Öse 116 als stabil anzusehen. Auf diese Verriegelungseinrichtung kann auch nicht verzichtet werden, da sie das Schottrahmenteil 52 mit dem Abdeckungsrahmenteil 62 verbindet. Insofern besteht für den Fachmann überhaupt keine Motivation, eine weitere Verriegelungseinrichtung vorzusehen.

3.3 Alternativ trägt die Beschwerdegegnerin/Einsprechende vor, dass auch die Kombination der Dokumente E3 und E4 den Gegenstand des Anspruchs 1 nahelege.

Beide Dokumente offenbarten Abdeckteile, die faltbar miteinander verbunden seien und die eine Stabilisierung dadurch erführen, dass eine Verriegelung der beiden Abdeckplattenteile vorgesehen sei.

In E3 sei dies durch eine Steckverbindung realisiert, in E4 durch eine Verriegelung (17). Somit sei es naheliegend, diese Verriegelung an ein Rahmenteil zu verlegen.

Zunächst ist festzustellen, dass auch in der Zusammenschau beider Dokumente E3 und E4 weder die Merkmale die den Abdeckungsrahmen definieren (Merkmale 1.2 und 1.4), noch das Merkmal 1.7 offenbart sind. Somit müsste der Fachmann zunächst eine Rahmen­konstruktion mit einer Flachmaterialbahn für die Abdeckung vorsehen, um dann in einem weiteren Schritt die Verriegelung an den Abdeckungsrahmen zu verlegen. Dazu hat aber der Fachmann keinen Anlass: er gäbe damit die bekannten Vorteile einer festen plattenförmigen Abdeckeinrichtung auf, siehe E3, Spalte 3, Zeilen 14 ff. Weiterhin hätte er verschiedene Möglichkeiten, die Fixierung der beiden Rahmenteile des Abdeckrahmens zueinander vorzunehmen; eine davon ist beispielsweise in E1 gezeigt. Daher ist nicht nachvollziehbar, warum der Fachmann gerade die Lösung des Streitpatents wählen sollte. Die von der Beschwerdegegnerin/Einsprechenden aufgeführten Argumentationslinien basieren somit auf dem Wissen der Erfindung.

4. Die Erfindung ist so deutlich und vollständig beschrieben, dass ein Fachmann sie ausführen kann, Artikel 100 b) EPÜ.

Die Beschwerdegegnerin/Einsprechende argumentiert, dass die Definition des Anspruchs 5 zu einer Nichtausführbarkeit führe, da wenn die Drehachsen stets senkrecht zueinander stehen, das Schott nicht zu falten sei.

Die Kammer folgt in diesem Punkt vollumfänglich der Auffassung der Einspruchsabteilung. Sie hat diesbezüglich nichts hinzuzufügen, siehe Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 2, Punkt 1.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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