T 1124/15 () of 7.9.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T112415.20180907
Datum der Entscheidung: 07 September 2018
Aktenzeichen: T 1124/15
Anmeldenummer: 06005546.4
IPC-Klasse: A61C 13/15
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gerät zum Polymerisieren von polymerisierbarem Dentalmaterial sowie Verfahren zur Bestimmung des Polymerisationsgrades
Name des Anmelders: Ivoclar Vivadent AG
Name des Einsprechenden: 3M Innovative Properties Company
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Änderungen der Anmeldung
Änderungen - zulässig (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 20. März 2015 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass das europäische Patent 1 716 820 in der Fassung gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag 2, unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen, den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Am 07. September 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 716 820.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung, die es durch die angefochtene Entscheidung erhalten hat, oder in der Fassung des ersten oder zweiten Hilfsantrags, beide eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

V. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut (die Merkmalsbezeichnungen sind von der Kammer hinzugefügt):

1a) "Gerät zum Polymerisieren von polymerisierbarem Dentalmaterial (14),

1b) mit einer Lichtquelle (18), mit welcher das zu polymerisierende Dentalmaterial (14) beaufschlagbar ist,

1c) mit einer Steuervorrichtung (26) für die Lichtquelle (18) und einem an die Steuervorrichtung (26) angeschlossenen Sensor (24),

1d) wobei der Sensor eine von dem Dentalmaterial (14) abgegebene Eigenstrahlung einer vorgegebenen Wellenlänge erfasst,

1e) die vom Wellenlängenbereich der Polymerisationsstrahlung verschieden ist,

1f) dadurch gekennzeichnet, dass mit dem Sensor (24) Licht in einem Wellenlängenbereich zwischen 800 nm und 10.000 nm erfassbar ist,

1g) und mit einem Lichtleitelement (44), welches eine Sammellinse und einen Lichtleitstab aufweist, welche Sammellinse dazu ausgebildet ist, die von der Lichtquelle (18) abgegebene Strahlung zu sammeln und dem Lichtleitstab (46) zuzuleiten,

1h) wobei der Lichtleitstab (46) Beaufschlagungs-Lichtleitfasern (50) aufweist, welche sich axial durch den Lichtleitstab (46) hindurch erstrecken und dazu ausgebildet sind, das Dentalmaterial (14) mit Lichtstrahlung zu beaufschlagen,

1i) und wobei der Lichtleitstab (46) Erfassungs-Lichtleitfasern (52) aufweist, welche dazu ausgebildet sind, dem Sensor (24) eine Erfassungsstrahlung zuzuleiten, wobei die Erfassungs-Lichtleitfasern (52) vollständig durch den Lichtleitstab (46) hindurch gezogen sind,

1j) wobei die Erfassungsstrahlung von dem Polymerisationsbereich (14) durch den Lichtleitstab (46) hindurch dem Sensor (24) zuleitbar ist, welcher benachbart dem Außenumfang des Lichtleitstabs (46) angeordnet ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags durch die folgenden Änderungen in Merkmal 1d) (Hinzufügungen unterstrichen):

"wobei der Sensor eine von dem Dentalmaterial (14) abgegebene Eigenstrahlung einer vorgegebenen Wellenlänge von 3000 bis 5000 nm erfasst,".

Außerdem wurde die einteilige Form benutzt.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch die folgenden Änderungen in Merkmal 1e) (Hinzufügungen unterstrichen):

"die vom den Bereich des ultravioletten Lichts abdeckenden Wellenlängenbereich der Polymerisationsstrahlung so verschieden ist, dass ein deutlicher Abstand zwischen diesen vorliegt".

Außerdem wurde Merkmal 1f) gestrichen.

VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag - ursprüngliche Offenbarung

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe durch die Kombination der Merkmale 1d) und 1e) über den Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht hinaus. In diesen Merkmalen werde definiert, dass der Sensor eine von dem Dentalmaterial abgegebene Eigenstrahlung einer vorgegeben Wellenlänge erfasst und dass diese verschieden sei vom Wellenlängenbereich der Polymerisationsstrahlung, das heißt, dass die erfasste Wellenlänge außerhalb vom Wellenlängenbereich der abgegebenen Polymerisationsstrahlung liege.

Dies sei so allgemein wie in den Merkmalen 1d) und 1e) definiert, weder in den Ansprüchen 2 und 4, noch in dem Ausführungsbeispiel der Figur 3 und dem dazugehörigen Absatz 3 auf Seite 18 der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart.

Hilfsanträge 1 und 2 - Zulassung

Die Beschwerdeführerin sei von den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträgen überrascht und habe sich auf diese nicht vorbereiten können. Die Anträge seien verspätet eingereicht, beruhen auf Änderungen mit Basis in der Beschreibung und ließen mehrere Einwände bezüglich Klarheit, unzulässigen Erweiterungen und erweiterten Schutzumfang aufkommen, so dass sie prima facie nicht gewährbar seien.

Die Anträge sollten daher nicht zugelassen werden.

VII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag - ursprüngliche Offenbarung

Die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht, offenbare in den Ansprüchen 2 und 4, sowie in dem einzigen bevorzugten Ausführungsbeispiel in Figur 3 und den dazugehörigen Absatz 3 auf Seite 18, dass die Wellenlänge(n) der Lichtquelle und der Empfindlichkeitsbereich des Sensors voneinander völlig getrennt seien. Es sei dem Fachmann somit klar, dass die vom Sensor erfasste Wellenlänge außerhalb des Wellenlängenbereichs der Polymerisationsstrahlung liege.

Der Fachmann finde daher in der ursprünglichen Anmeldung eine direkte und unmittelbare Offenbarung für die Kombination der Merkmale 1d) und 1e) im Anspruch 1.

Hilfsanträge 1 und 2 - Zulassung

Die Hilfsanträge enthalten nur kleine, wenig komplexe Änderungen, die eine Reaktion auf die in dem Bescheid der Kammer angesprochene Auslegungen von den Begriffen "Wellenlängenbereiche" und "Wellenlängen" darstellen. Die Anträge seien für alle Verfahrensbeteiligten ohne Probleme direkt in der Verhandlung zu erörtern. Somit würde ihre Zulassung das Verfahren nicht verzögern.

Die hinzugefügten Merkmale seien in der ursprünglichen Anmeldung direkt offenbart und der Gegenstand des Anspruchs 1 des jeweiligen Antrags sei klar.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - ursprüngliche Offenbarung

1.1 Die Merkmale 1d) und 1e) des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag definieren, dass der Sensor eine von dem Dentalmaterial abgegebene Eigenstrahlung einer vorgegebenen Wellenlänge erfasst, die vom Wellenlängenbereich der Polymerisationsstrahlung verschieden ist. Es ist unstreitig, dass eine Wellenlänge, die von einem Wellenlängenbereich verschieden ist, sich außerhalb dieses Wellenlängenbereichs befindet. Die Merkmale 1d) und 1e) besagen in Kombination daher, dass die vorgegebene Wellenlänge der von dem Sensor erfassten Strahlung für jeden Wellenlängenbereich der Polymerisationsstrahlung außerhalb von diesem liegt.

1.2 Dies ist weder in den Ansprüchen 2 und 4, noch in Figur 3 in Kombination mit Absatz 3 auf Seite 18 der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart.

1.2.1 Der ursprüngliche Anspruch 2 gibt an, dass mit dem Sensor Licht in dem Wellenlängenbereich zwischen 800 nm und 10.000 nm erfassbar ist. Der ursprüngliche Anspruch 4 gibt an, dass ,,die von der Lichtquelle... abgegebene Polymerisationsstrahlung mindestens teilweise in einem Wellenlängenbereich zwischen 350 nm und 550 nm liegt". Dass sich die Polymerisationsstrahlung über diesen Wellenlängenbereich hinaus erstreckt und mit dem Empfindlichkeitsbereich des Sensors überlappen könnte, fällt somit unter dem Wortlaut der ursprünglichen Ansprüchen 2 und 4. Diese Ansprüche offenbaren deswegen nicht, dass die vom Sensor erfasste Wellenlänge zwingend außerhalb des Wellenlängenbereichs der Polymerisationsstrahlung liegt. Selbst wenn Anspruch 4 so ausgelegt würde, dass die abgegebene Polymerisationsstrahlung ausschließlich zwischen 350 nm und 550 nm liegt, ist der Unterschied des Wellenlängenbereichs der Polymerisationsstrahlung und der vom Sensor erfassten Wellenlänge nur für diesen spezifischen Wellenlängenbereich der Polymerisationsstrahlung offenbart.

1.2.2 Das Ausführungsbeispiel in Figur 3 in Kombination mit Absatz 3 auf Seite 18 offenbart eine Polymerisationsstrahlung mit einem Wellenlängenbereich um ein Maximum bei 400 nm und eine Sensorempfindlichkeitskurve mit einem Maximum bei 3000 nm. Laut der Beschwerdeführerin würde der Fachmann das Empfindlichkeitsmaximum des Sensors als die vorgegebene Wellenlänge in Merkmal 1d) verstehen. Diese liege, wie von Anspruch 1 verlangt, außerhalb des Wellenlängenbereichs der Polymerisationsstrahlung. In der ursprünglichen Anmeldung gibt es jedoch keine explizite Offenbarung, die die ,,vorgegebene Wellenlänge" in Merkmal 1d) mit der maximalen spektralen Empfindlichkeit in Absatz 3 auf Seite 18 gleichstellt. Selbst wenn die maximale spektrale Empfindlichkeit mit der ,,vorgegebenen Wellenlänge" in Merkmal 1d) gleichgestellt wird, handelt es sich in diesen Passagen um ein Ausführungsbeispiel mit spezifischen Wellenlängenbereichen bzw. einer spezifischen vorgegebenen Wellenlänge, die vom Sensor erfasst wird.

1.2.3 Die Merkmale 1d) und 1e) vom Anspruch 1 des Hauptantrags verlangen jedoch allgemein, dass sich die vom Sensor erfasste Wellenlänge unabhängig vom Wellenlängenbereich der Polymerisationsstrahlung, außerhalb dieses Bereichs befindet. Diese Verallgemeinerung umfasst auch Kombinationen eines Wellenlängenbereichs der Polymerisationsstrahlung mit einer vorgegebenen Wellenlänge, die vom Sensor erfasst wird, die jedoch nicht in den Ansprüchen 2 und 4 oder Figur 3 in Kombination mit Absatz 3 auf Seite 18 offenbart sind. Folglich enthalten die Merkmale 1d) und 1e) des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung.

1.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag geht somit über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

2. Hilfsanträge 1 und 2 - Zulassung

Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden erst während der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Beide Anträge beinhalten Änderungen, die auf der Beschreibung basieren. Es hat sich im Verlauf des Verfahrens außerdem keine Änderung ergeben, die diese späte Einreichung der Anträge rechtfertigt.

Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, führen die die Änderungen in Merkmal 1d) von Anspruch 1 in den Hilfsanträgen 1 und 2 zu einem Klarheitsmangel des Anspruchs.

Merkmal 1d) des Anspruchs 1 der erteilten Fassung und gemäß Hauptantrag besagt, dass der Sensor eine vorgegebene Wellenlänge erfasst. Merkmal 1d) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 besagt, dass "der Sensor eine von dem Dentalmaterial abgegebene Eigenstrahlung einer vorgegebenen Wellenlänge von 3000 bis 5000 nm erfasst". Dieses Merkmal kann sowohl so verstanden werden, dass eine einzige Wellenlänge im Bereich 3000 nm bis 5000 nm erfasst wird, als auch in der Weise, dass der ganze Bereich von 3000 nm bis 5000 nm erfasst wird. Somit ist nicht klar was Merkmal 1d) unter Schutz stellt.

Da die Hilfsanträge 1 und 2 wegen fehlender Klarheit (Artikel 84 EPÜ) prima facie nicht gewährbar sind, werden sie in das Verfahren nicht zugelassen (Artikel 13(3) VOBK).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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