T 1119/15 () of 16.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T111915.20190516
Datum der Entscheidung: 16 Mai 2019
Aktenzeichen: T 1119/15
Anmeldenummer: 07019794.2
IPC-Klasse: G02B 21/00
A61B 5/00
G01B 9/02
A61B 19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Operationsmikroskop mit OCT-System
Name des Anmelders: Carl Zeiss Meditec AG
Name des Einsprechenden: Möller-Wedel GmbH / OptoMedical Technologies GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Klarheit - Hilfsanträge (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechenden haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 1918754 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 52(1), 54(1) und 56 EPÜ angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem zweiten Hilfsantrag das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügten.

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK, die als Anlage einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige und unverbindliche Meinung zu bestimmten, wesentlichen Aspekten des Beschwerdeverfahrens mit.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 14. Mai 2019 statt. Die Verkündung der Entscheidung erfolgte am 16. Mai 2019.

VI. Die Einsprechenden (Beschwerdeführerinnen) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

VII. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs (Hauptantrag) oder

- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit den Ansprüchen 1 bis 14 gemäß dem Hilfsantrag 1 eingereicht mit Schreiben vom 7. November 2014, oder

- die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden (Hilfsantrag 2) oder

- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit den Ansprüchen 1 bis 13 gemäß dem Hilfsantrag 3 eingereicht mit Schreiben vom 23. Dezember 2015.

VIII. Die vorliegende Entscheidung nimmt Bezug auf das folgende, aus dem erstinstanzlichem Verfahren bereits bekannte Dokument:

E1: "Non-invasive intraoperative optical coherence tomography of the resection cavity during surgery of intrinsic brain tumors", A. Giese et al., Proc. of SPIE Vol. 6078, 2006, Seiten 1 bis 8.

IX. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet (die aus der angefochtenen Entscheidung bekannte Nummerierung A bis F der Merkmale des Anspruchs 1 wird übernommen und dem eigentlichen Wortlaut der jeweiligen Merkmale des Anspruchs 1 vorangestellt):

"[A] Operationsmikroskop (100)

- mit einer Mikroskop-Abbildungsoptik (101, 108), [B] die ein Mikroskop-Hauptobjektivsystem (101) sowie ein Vergrößerungssystem (108) mit variabler Vergrößerung umfasst;

- [C] mit einem Beobachtungsstrahlengang (109) zur Untersuchung eines Objektbereichs, der die Mikroskop-Abbildungsoptik (101, 103) durchsetzt; wobei

- [D] die Mikroskop-Abbildungsoptik (101, 108) einen konvergenten Beobachtungsstrahlengang (109) aus dem Objektbereich (114) in einen parallelen Strahlengang überführt; und

- [E] mit einem OCT-System (120, 320) zur Untersuchung des Objektbereichs (114),

dadurch gekennzeichnet, dass

- [F] das OCT-System (120, 320) einen OCT-Abtaststrahlengang (190, 390) bereitstellt, der durch das Mikroskop-Hauptobjektivsystem und das Vergrößerungssystem des [sic] Mikroskop-Abbildungsoptik (101, 108) geführt ist."

Hilfsantrag 1

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das Hinzufügen des folgenden Merkmals am Ende des kennzeichnenden Teils:

"und dass das OCT-System eine verstellbare Kollimationsoptik (130) aufweist, die den OCT-Abtaststrahlengang (190, 390) zu einem parallelen Strahlenbündel (140) bündelt".

Hilfsantrag 2

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch den Ersatz des kennzeichnenden Teils durch folgendes Merkmal:

"dadurch gekennzeichnet, dass das OCT-System eine verstellbare Kollimationsoptik (130) aufweist, um bei einer Änderung eines Abbildungsmaßstabs im Beobachtungsstrahlengang (109) einen Abbildungsparameter für den OCT-Abtaststrahlengang (190, 390), der gleich dem Verhältnis aus der Brennweite der Mikroskop-Abbildungsoptik mit Mikroskop-Hauptobjektivsystem (101) und Vergrößerungssystem (108) und der Brennweite der Kollimationsoptik (130) ist, anzupassen, wobei die verstellbare Kollimationsoptik (130) den OCT-Abtaststrahlengang (190, 390) zu einem parallelen Strahlenbündel (140) bündelt".

Hilfsantrag 3

Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags durch das Hinzufügen des folgenden Merkmals am Ende des kennzeichnenden Teils:

"und dass eine Koppelung von Mikroskop-Abbildungsoptik (101, 108) und Kollimationsoptik (130) des OCT-Systems (120) vorgesehen ist, um die Abbildungsmaßstäbe im Beobachtungsstrahlengang (109) und im OCT-Abtaststrahlengang (190) aneinander anzupassen".

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit

1.1 Das Operationsmikroskop gemäß Anspruch 1 mit den Merkmalen A bis F wird durch die Offenbarung des Dokuments E1 vorweggenommen (Artikel 54(1) EPÜ 1973).

1.1.1 Die Kammer folgt der Meinung der Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 4) und der Einsprechenden, dass das Dokument E1 zum Stand der Technik gehört. Die Patentinhaberin hat während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ihren ursprünglichen Einwand, das Dokument E1 sei nicht vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht, zurückgezogen.

1.1.2 Merkmale A bis D

Die Druckschrift E1 offenbart, in Zusammenhang mit der Figur 4B und der Beschreibung auf Seite 5, letzter Absatz, ein Operationsmikroskop vom Typ Möller-Wedel HI R-20-1000 in kommerzieller Fassung. Da es sich um ein kommerzielles Operationsmikroskop handelt, folgt die Kammer der Meinung der Einsprechenden in ihrem Schreiben vom 18. Dezember 2015, Seite 3, letzter Absatz, dass "[j]eder Erwerber [des Operationsmikroskops vom Typ Möller-Wedel HI R-20-1000] sich Kenntnis über den inneren Aufbau dieses Operationsmikroskops verschaffen" kann. Dabei stellt er fest, dass es sich um ein Operationsmikroskop mit standardmäßigem Aufbau handelt, d.h. mit einem Hauptobjektivsystem, welches Strahlen aus dem Objektbereich kollimiert, und mit einem Vergrößerungssystem mit variabler Vergrößerung. Die Kammer sieht keinen Grund, diesem Vortrag der Einsprechenden nicht zu folgen.

Somit offenbart E1 implizit ein Operationsmikroskop mit den Merkmalen A bis D des Anspruchs 1.

1.1.3 Merkmal E

E1 offenbart auf Seite 3, Punkt 2.5, zweiter Absatz, die Kombination eines OCT-Systems mit einem Operationsmikroskop. Dies entspricht dem Merkmal E des Anspruchs 1.

1.1.4 Merkmal F

Die Druckschrift E1 offenbart, im Zusammenhang mit der Figur 4B, deren Bildunterschrift und der Beschreibung auf Seite 5, weiterhin ein Operationsmikroskop, an dessen Seiteneinblick ("side view") ein OCT-System angeschlossen und in dessen optischen Weg es integriert ist ("OCT unite [sic] integrated into the optical path"). Das OCT-System benutzt die gleiche Optik wie das Mikroskop ("same optic as the microscope"; siehe E1, Seite 3, vierter Absatz).

Somit offenbart E1 ebenfalls das Merkmal F des Anspruchs 1.

1.2 Die Patentinhaberin trug die folgenden Gegenargumente vor.

1.2.1 Die Patentinhaberin bestritt, dass "der Fachmann allein aus der Typenbezeichnung HI R-20-1000 in dem Dokument E1 die Merkmale A-D des Anspruchs 1 des Streitpatents entnehmen kann. (...) E1 enthält keinerlei Angaben über den Aufbau des dort genannten Operationsmikroskops HI R-20-1000" (siehe Beschwerdebegründung, Seite 4, Absätze 1 bis 4). Weiterhin argumentierte die Patentinhaberin, dass "der optische Aufbau eines in E1 genannten Operationsmikroskops Hi-R 1000 (...) nicht zum Fachwissen des Fachmanns [gehört], somit offenbart E1 bereits die Merkmale A bis D nicht unmittelbar und eindeutig" (siehe Schreiben der Patentinhaberin vom 23. Dezember 2015, Seite 3, dritter Absatz).

Die Kammer stimmt der Patentinhaberin zu, dass E1 den optischen Aufbau des Operationsmikroskops vom Typ Möller-Wedel HI R-20-1000, und somit auch die Merkmale A bis D, nicht explizit offenbart. Auch gehört der optische Aufbau des Operationsmikroskops vom Typ Möller-Wedel HI R-20-1000 nicht zum Fachwissen des Fachmanns. Dies widerspricht jedoch nicht der Aussage der Einsprechenden, der sich die Kammer anschließt (siehe Punkt 1.1.2 oben), dass durch die Typenbezeichnung Möller-Wedel HI R-20-1000 ein bestimmtes technisches Gerät definiert ist, das zwangsläufig bestimmte technische Merkmale aufweist, und zwar die Merkmale A bis D, wie jeder Erwerber des Mikroskops feststellen kann (siehe Schreiben der Einsprechenden vom 18. Dezember 2015, Seite 2, vierter Absatz und Seite 3, letzter Absatz).

1.2.2 Die Patentinhaberin vertrat den Standpunkt, es gehe nicht eindeutig aus E1 hervor, dass das in Figur 4B und auf Seite 5 beschriebene Operationsmikroskop HI R-20-1000 ein Standardmikroskop mit standardmäßigem Aufbau sei, weil es mit einem OCT-System verbunden sei und es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von E1 keine Standardmikroskope mit einem integrierten OCT-System gegeben habe. Der standardmäßige Aufbau eines Standardmikroskops könne in dem in E1 benutzten Mikroskop umgebaut gewesen sein, um die Integration des OCT-Systems zu ermöglichen. Auch aus diesem Grund seien die Merkmale A bis D dem Dokument E1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.

Von Seiten der Kammer ist hierzu Folgendes festzustellen: Die Vermutung der Patentinhaberin, der standardmäßige Aufbau des Operationsmikroskops HI R-20-1000 im Rahmen des in E1 geschilderten Experiments hätte in seinen optischen Grundzügen verändert werden können, ist durch den Hinweis in E1 auf Seite 5, dass es sich bei dem in der Figur 4 gezeigten Mikroskop um ein Mikroskop in kommerzieller Fassung handele, ausgeschlossen.

1.2.3 Gemäß der Patentinhaberin ist Merkmal F des Anspruchs 1 ebenfalls nicht in E1 offenbart.

- Die Figur 4B, auf die sich die Einsprechenden u.a. stützten, sei in E1, Seite 5, nur vage beschrieben, ohne einen konkreten Verlauf des OCT-Abtaststrahlengangs auch nur zu erwähnen.

- Bei der in Figur 4A gezeigten, von der Mitte des Mikroskops zum Objekt verlaufenden, gestrichelten Linie handele es sich nicht um den OCT-Strahl, sondern um einen vom OCT-Strahl unabhängigen Laserstrahl zum Anvisieren des zu beobachtenden Objektbereichs ("pilot laser").

- Der Satz in E1, Seite 3, vierter Absatz, "The SD-OCT uses the same optic as the microscope" bedeute lediglich, dass das OCT-System die gleiche Optik wie das Mikroskop verwende, nicht aber, dass das OCT-System die Optik des Mikroskops verwende. Es sei denkbar und realisierbar, dass der OCT-Abtaststrahl seitlich am Mikroskop vorbeigeführt werde. Insbesondere offenbare E1, Seite 3, Punkt 2.4, eine Ausführungsform, in der das OCT-System ohne Bezug zu einem Mikroskop an einem flexiblen Arm, der am Operationstisch befestigt sei, montiert worden sei.

- Den Passagen in E1, in denen eine Kombination eines OCT-Systems mit einem Operationsmikroskop offenbart seien, sei lediglich eine feste räumliche Zuordnung zueinander und eine gemeinsame Benutzung bei Operationen zu entnehmen. Bei diesen Passagen in E1 handele es sich u.a. um den letzten Satz auf Seite 2 ("... was subsequently integrated into ..."), den ersten Satz auf Seite 3, vierter Absatz ("... we combined ...") und die Bildunterschrift von Figur 4B ("... integrated into the optical path ..."). Aus diesen Passagen sei nicht eindeutig ableitbar, dass der OCT-Abtaststrahlengang tatsächlich durch die Mikroskop-Abbildungsoptik geführt werde.

- Aus der Figur 4B und dem Hinweis in E1, Seite 5, dass das OCT-System an einem Seiteneinblick ("... integrated into a housing, which could be fitted to the side view ...") des Mikroskops angebracht worden sei, könne nicht eindeutig entnommen werden, dass das OCT-System durch das Mikroskop geführt werde, sondern lediglich, dass das Gehäuse des OCT-Systems mechanisch an den Seiteneinblick des Mikroskops "angeflanscht" sei. Welche optischen Eigenschaften der Seiteneinblick des Mikroskops habe und ob er überhaupt für eine Einkoppelung eines OCT-Systems in das Mikroskops tauge, sei nicht in E1 offenbart.

Schlussfolgernd stellt die Patentinhaberin fest, es bestünden begründete Zweifel, dass E1 das Merkmal F offenbare. Daher müsse die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 anerkannt werden.

Die Kammer ist nicht von den Argumenten der Patentinhaberin überzeugt. Obwohl E1 den genauen, konkreten Verlauf des OCT-Abtaststrahlengangs nicht explizit offenbart, lassen die in Punkt 1.1.4 oben genannten Passagen in E1 keine Zweifel daran aufkommen, dass der OCT-Abtaststrahlengang durch die Mikroskop-Abbildungsoptik geführt wird. Insbesondere ist die Deutung der Patentinhaberin der Passagen in E1, Seite 3, vierter Absatz ("same optic as the microscope") und der Bildunterschrift der Figur 4B ("OCT unite [sic] integrated into the optical path"), gemäß der es sich bei der Integration des OCT-Systems in das Mikroskop um eine rein mechanische Verbindung handele, nicht mit dem ausdrücklichen Wortlaut der Passagen, gemäß dem das OCT-System in den optischen Weg des Mikroskops integriert ist und zwar so, dass es die gleiche Optik benutzt, vereinbar und daher nicht nachvollziehbar.

Die Interpretation der Patentinhaberin einer rein mechanischen Anflanschung des OCT-Systems an den Seiteneinblick des Mikroskops ist ebenfalls nicht überzeugend. Ein Seiteneinblick, oder "side view", eines Mikroskops erfüllt eine optische Funktion, z. B. als Kamera-Port oder als Ankoppelung eines Mitbeobachtungsstrahlenganges, wie von den Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Wie auch in der angefochtenen Entscheidung, Seite 13, zweiter Absatz, bemerkt, deutet daher der Wortlaut in E1, Seite 5, "fitted to the side view ... of a microscope", bestätigt durch den Wortlaut "integrated into the optical path" in der Bildunterschrift von Figur 4B, auf eine optische Koppelung hin.

Ob die gestrichelte Linie in der Figur 4A einen OCT-Abtaststrahl, einen Laserstrahl oder beide Strahlen darstellt, kann dahingestellt bleiben, da die Kammer für die Beurteilung der Neuheit die Figur 4A nicht in Betracht gezogen hat (siehe Begründung in Punkt 1.1.4 oben).

1.3 Schlussfolgernd stellt die Kammer fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu ist gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1 (Artikel 54(1) EPÜ 1973).

2. Erster Hilfsantrag

2.1 Anspruch 1, insbesondere das in Bezug zu dem erteilten Anspruch 1 hinzugekommene Merkmal "verstellbare Kollimationsoptik", ist aus den folgenden Gründen unklar (Artikel 84 EPÜ 1973):

Wie bereits im Ladungsbescheid der Kammer, Punkt 9.2, mitgeteilt, geht nicht klar aus dem Anspruch 1 hervor, was genau in der verstellbaren Kollimationsoptik des Anspruchs 1 verstellbar ist. Zum Beispiel ist unklar, ob eine einzelne oder mehrere Linsen jeweils einzeln und unabhängig voneinander verstellbar sind; oder ob mehrere Linsen voneinander abhängig verstellbar sind. Es ist ebenfalls unklar, ob die Verstellung der Linsen zu einer Veränderung des Abbildungsmaßstabs oder der Position der Abtastebene führen soll. Dies führt dazu, dass der Begriff "verstellbare Kollimationsoptik" mehrere Interpretationsmöglichkeiten zulässt und daher zweideutig ist (siehe auch die Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden, Punkt IV.2). Des Weiteren ist aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 unklar, welche Art von Verstellung überhaupt gemeint ist. Der Begriff "verstellbar" umfasst zum Beispiel: eine mechanische, Axial- oder Transversal-Verstellung der Linsen, eine Verstellung der Ausrichtung der optischen Achse oder des Scan-Bereichs oder eine Verstellung der Blendenapertur und damit der Lichtintensität.

2.2 Gemäß der Patentinhaberin ist der Begriff "verstellbare Kollimationsoptik" klar, denn er bedeute eine Optik, die axial verstellbar sei und das Licht kollimiere. Diese Stellungnahme der Patentinhaberin überzeugt die Kammer nicht, weil sie die in Punkt 2.1 genannten Aspekte weitgehend offen lässt.

3. Zweiter Hilfsantrag

3.1 Anspruch 1, insbesondere das in Bezug zu dem erteilten Anspruch 1 hinzugekommene Merkmal der Anpassung des OCT-Abbildungsparameters, ist aus den folgenden Gründen unklar (Artikel 84 EPÜ 1973):

Wie bereits im Ladungsbescheid der Kammer, Punkt 10.2.3, mitgeteilt, ist im Anspruch 1 nicht klar, an was genau der OCT-Abbildungsparameter (beta) angepasst werden soll und wie diese Anpassung anhand der verstellbaren Kollimationsoptik konkret erreicht werden soll. Daher erfüllt Anspruch 1 nicht das Erfordernis des Artikels 84 EPÜ 1973.

3.2 Die Patentinhaberin erläuterte während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dass der OCT-Abbildungsparameter (beta) gemäß Anspruch 1 an die Veränderung des Abbildungsmaßstabs des Beobachtungsstrahlengangs frei angepasst werde. Der Anspruch 1 ließe bewusst offen, ob der OCT-Abbildungsparameter (beta) bei einer Veränderung des Abbildungsmaßstabs des Beobachtungsstrahlengangs verkleinert oder vergrößert werde. Dies hinge jeweils von den konkreten Wünschen des Benutzers ab, zum Beispiel bezüglich der Größe des zu beobachtenden Ausschnitts des Objektbereichs oder der lateralen oder axialen Auflösung des OCT-Abtastlichtstrahls. Diese verschiedenen Anpassungsmöglichkeiten des OCT-Abbildungsparameters (beta) seien von der Patentinhaberin anhand der Zeichnungen in der Anlage 1 zu ihrem Schreiben vom 12. April 2019 näher erläutert worden (siehe Punkt 2 des Schreibens vom 12. April 2019). Daraus ergebe sich, dass die Anpassung des OCT-Abbildungsparameters (beta) nicht willkürlich sondern zweckgerichtet und daher auch klar sei.

Diese Argumente der Patentinhaberin überzeugen die Kammer nicht. Damit der Begriff "anzupassen" im Kontext des Merkmals des Anspruchs 1 "einen Abbildungsparameter für den OCT-Abtaststrahlengang (...) anzupassen" klar ist, erfordert er die Angabe einer bestimmten, konkreten Art und Weise, wie der Abbildungsparameter zu verändern ist. Diese Angabe bleibt aus dem Vortrag der Patentinhaberin unklar. Insbesondere ist unklar, an was genau und nach welchen Kriterien der Abbildungsparameter anzupassen ist.

Es bleibt ebenfalls unklar, mit welchen konkreten Mitteln diese Anpassung erreicht werden soll. Diese Frage ist umso relevanter, weil das Patent in den Absätzen [0025] bis [0029] einerseits und [0030] andererseits zwei grundsätzlich unterschiedliche Ausführungsformen des OCT-Abtaststrahlengangs beschreibt. In der ersten Variante ist die Kollimationsoptik nach den Scan-Spiegeln des OCT-Abtaststrahlengangs angeordnet, wodurch die OCT-Scanweite durch Verstellen der Kollimationsoptik veränderbar ist. In der zweiten Variante ist die Kollimationsoptik vor den Scan-Spiegeln angeordnet, wodurch die OCT-Scanweite bei Verstellen der Kollimationsoptik unverändert bleibt. Siehe auch Schreiben der Einsprechenden vom 15. April 2019, Punkte I.3 und I.4.

4. Dritter Hilfsantrag

4.1 Zulassung

Die Einsprechenden beantragten während der mündlichen Verhandlung, den dritten Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen, weil er ohne Angabe der Gründe, aus welchen die sich im Verfahren befindlichen Einwände der Einsprechenden durch die Änderungen im dritten Hilfsantrag behoben werden sollten, eingereicht wurde. Dies stehe nicht im Einklang mit dem Erfordernis des Artikels 12 (2) VOBK hinsichtlich des Einreichens von Hilfsanträgen.

Der mit der Erwiderung auf die Beschwerde der Einsprechenden eingereichte dritte Hilfsantrag wird, entgegen dem Antrag der Einsprechenden, gemäß Artikel 12 (4) VOBK im Verfahren berücksichtigt. Er war bereits vor der Einspruchsabteilung am 7. November 2014 eingereicht und von dieser zum Verfahren zugelassen worden. Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags stellt im Übrigen einen Fortschritt hinsichtlich der Behebung der Unklarheit des Anspruchs 1 des ersten und zweiten Hilfsantrags dar.

4.2 Klarheit

4.2.1 Die in Bezug auf den erteilten Anspruch 1 hinzugekommenen Merkmale des Anspruchs 1 hinsichtlich der Anpassung der Abbildungsmaßstäbe und der Koppelung der Mikroskop- und Kollimationsoptiken sind aus den folgenden Gründen unklar (Artikel 84 EPÜ 1973):

Ähnlich wie im Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags ist unklar, nach welchen Kriterien die Abbildungsmaßstäbe im Beobachtungsstrahlengang und im OCT-Abtaststrahlengang aneinander anzupassen sind.

Darüber hinaus ist unklar, um welche Art der Koppelung von Mikroskop-Abbildungsoptik und Kollimationsoptik des OCT-Systems es sich im Anspruch 1 handelt. Wie von den Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, gibt es einerseits - wegen des gemeinsamen Durchtretens des Beobachtungs- und des OCT-Abtaststrahlengangs durch die Mikroskop-Abbildungsoptik - eine "automatische" Koppelung zwischen den beiden Beobachtungs- und OCT-Abtaststrahlengängen: Wie in Absatz [0022] des Patents angedeutet, gewährleistet die Koppelung von Mikroskop-Abbildungsoptik und Kollimationsoptik des OCT-Systems, dass der OCT-Abtaststrahlengang den sichtbaren Beobachtungsbereich abtastet. Andererseits ist die in Anspruch 1 definierte Koppelung der beiden Beobachtungs- und OCT-Abtastoptiken vorgesehen, um die Abbildungsmaßstäbe im Beobachtungsstrahlengang und im OCT-Abtaststrahlengang aneinander anzupassen und stellt daher eine "anpassbare" oder "freie" Koppelung dar. Die Widersprüchlichkeit dieser beiden Arten der Koppelung trägt zur Unklarheit des Anspruchs 1 bei. Unabhängig davon bleibt auch die genaue Art der "freien" Koppelung unklar, weil die Kriterien nach denen die Abbildungsmaßstäbe im Beobachtungsstrahlengang und im OCT-Abtaststrahlengang aneinander anzupassen sind, nicht klar definiert sind.

4.2.2 Laut Patentinhaberin gibt die Aussage der Einsprechenden, wonach "die Koppelung der Abbildungsmaßstäbe zwischen dem Bild des OCT-Strahlengangs und dem Bild des Beobachtungsstrahlengangs bereits die zwangsläufige Folge davon sei, dass die Einkoppelung des OCT-Strahls vor der Mikroskop-Abbildungsoptik erfolgt" (siehe Schreiben vom 23. Dezember 2015, Seite 21, fünfter Absatz), den Patentanspruch 1 unzutreffend wieder. Die in Anspruch 1 definierte Koppelung der beiden Beobachtungs- und OCT-Abtastoptiken ginge über die durch die Einkoppelung des OCT-Strahls vor der Mikroskop-Abbildungsoptik bedingte, "automatische" Koppelung der jeweiligen Abbildungsmaßstäbe hinaus. Durch eine Veränderung des Abbildungsmaßstabs im Beobachtungsstrahlengang verändere sich zwar zwangsläufig auch der Abbildungsmaßstab im OCT-Abtaststrahlengang, aber die in Anspruch 1 definierte Koppelung ermögliche noch eine zusätzliche "freie" Koppelung, um die Abbildungsmaßstäbe der beiden Strahlengänge "frei" aneinander anzupassen.

Dieses Argument der Patentinhaberin kann den Einwand der fehlenden Klarheit des Anspruchs 1 nicht beheben. Der tatsächliche Wortlaut des Anspruchs 1 lässt sowohl die Interpretation einer "automatischen" Koppelung als auch einer darüber hinausgehenden, "freien" Koppelung zu, wobei die Kriterien bei der Anpassung der Abbildungsmaßstäbe bei der "freien" Koppelung nicht definiert sind. Diese widersprüchlichen Interpretationen des Merkmals und das Fehlen der Anpassungskriterien machen den Anspruch 1 unklar.

5. Aus den oben dargelegten Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass keiner der Anträge der Pateninhaberin gewährbar ist und deshalb das Patent widerrufen werden muss.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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