T 1112/15 () of 16.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T111215.20181116
Datum der Entscheidung: 16 November 2018
Aktenzeichen: T 1112/15
Anmeldenummer: 07118690.2
IPC-Klasse: C08K 5/00
C08K 5/053
C08L 23/08
C04B 24/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 499 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Geminitensid enthaltende Dispersionspulverzusammensetzungen
Name des Anmelders: Wacker Chemie AG
Name des Einsprechenden: Akzo Nobel Chemicals International B.V.
Air Products and Chemicals, Inc.
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention R 99(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention Art 54(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Beschwerde Zulässigkeit (Ja)
Hilfsantrag eingereicht mit der Beschwerdebegründung - zugelassen
Änderungen - zulässig (ja)
Neuheit (Ja)
Verspäteter Einwand der mangelnder Ausführbarkeit - nicht zugelassen
Zurückverweisung (Ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/10
T 1063/07
T 2017/07
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 1 916 275 widerrufen wurde.

II. Die Einsprechenden I und II hatten Einspruch eingelegt und den Widerruf des Streitpatents in vollem Umfang auf Grund mangelnder Ausführbarkeit, mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt. Des Weiteren war der Einspruch der Einsprechenden I darauf gestützt, dass der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausging.

III. Der angefochtenen Entscheidung lagen ein Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 5, alle eingereicht mit Schreiben vom 5. Dezember 2014, sowie zwei Hilfsanträge 6 und 7, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2015, zu Grunde. Die Ansprüche 1, 12 und 18 bis 20 des Hilfsantrags 6 lauteten wie folgt:

"1. In Wasser redispergierbare Dispersionspulver-zusammensetzung bestehend aus Polymerisaten erhältlich mittels Emulsionspolymerisation von einem oder mehreren ethylenisch ungesättigten Monomeren, 0,01 bis 5,00 Gew.-% an einem oder mehreren Geminitensiden, bezogen auf das Gesamtgewicht der Dispersionspulverzusammen-setzung, Schutzkolloiden ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyvinylalkoholen, Polyvinylacetalen, Polysacchariden in wasserlöslicher Form, Dextrinen, Cyclodextrinen, Proteinen, Gelatinen, Ligninsulfonaten, Poly(meth)acrylsäuren, Copolymerisaten von (Meth)acrylaten mit carboxylfunktionellen Comonomereinheiten, Poly(meth)acrylamid, Polyvinylsulfonsäuren und deren wasserlöslichen Copolymeren, Melaminformaldehydsulfonaten, Naphthalin- formaldehydsulfonaten, Styrolmaleinsäure- und Vinylethermaleinsäure-Copolymeren, gegebenenfalls Antiblockmitteln, gegebenenfalls Pigmenten, gegebenenfalls Füllstoffen, gegebenenfalls Schaumstabilisatoren, gegebenenfalls Hydrophobierungsmitte1n und gegebenenfalls Zementverflüssigern."

"12. Verfahren zur Herstellung der in Wasser redispergierbaren Dispersionspulverzusammensetzungen nach den Ansprüchen l bis 11 mittels Emulsionspolymerisation von einem oder mehreren ethylenisch ungesättigten Monomeren in Anwesenheit eines Schutzkolloids in wässrigem Medium und anschließender Trocknung der dabei erhaltenen wässrigen Dispersionen, dadurch gekennzeichnet, dass ein oder mehrere Geminitenside beigemengt werden."

"18. Verwendung von in Wasser redispergierbaren Dispersionspulverzusammensetzungen auf Basis von Polymerisaten von einem oder mehreren ethylenisch ungesättigten Monomeren, die ein oder mehrere Geminitenside und Schutzkolloide enthalten in bauchemischen Produkten, wobei die Schutzkolloiden ausgewählt werden aus der Gruppe bestehend aus Polyvinylalkoholen .... und Vinylethermaleinsäure-Copolymeren." (die Liste der Schutzkolloide war die gleiche wie im Anspruch 1).

"19. Verwendung von in Wasser redisperqierbaren Dispersionspulverzusammensetzungen auf Basis von Polymerisaten von einem oder mehreren ethylenisch unqesättigten Monomeren, die ein oder mehrere Geminitenside und Schutzkolloide enthalten, in Verlaufsmassen, Bauklebern, Fliesenklebern, Vollwärmeschutzklebern, Putzen, Spachtelmassen, Fugenmörteln, Dichtschlämmen oder Farben, wobei die Schutzkolloide ausgewählt werden aus der Gruppe bestehend aus Polyvinylalkoholen .... und Vinylethermaleinsäure-Copolymeren." (die Liste der Schutzkolloide war die gleiche wie im Anspruch 1).

"20. Verwendung von in Wasser redisperqierbaren Dispersionspulverzusammensetzungen auf Basis von Polymerisaten von einem oder mehreren ethylenisch unqesättigten Monomeren, die ein oder mehrere Geminitenside und Schutzkolloide enthalten, in selbstverlaufenden Bodenspachtelmassen oder Estrichen, wobei die Schutzkolloide ausgewählt werden aus der Gruppe bestehend aus Polyvinylalkoholen .... und Vinylethermaleinsäure-Copolymeren". (die Liste der Schutzkolloide war die gleiche wie im Anspruch 1)

IV. Vor der Einspruchsabteilung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D10: US 6,632,861 B1

D18: GB 974,162

D19: US 3,287,290

D24: US 2004/0048961 A1

D25: US 2,800,463

D67: Xie et al, Artikel in Chinesisch in "New Chemical Materials", April 2004, Vol. 32, No. 4, Seiten 47-50.

D68: Übersetzung ins Englische von D67

V. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die für die vorliegende Beschwerde von Relevanz sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden. Die Dokumente D67 und D68 und die Hilfsanträge 6 und 7 wurden ins Verfahren zugelassen. Die Hilfsanträge 1, 3 und 5 verstießen gegen die Bestimmungen der Artikel 84 und 123(2) EPÜ. Die Ansprüche des Hilfsantrags 6 erfüllten die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ, sowie der Artikel 123(2), 123(3), 84 und 83 EPÜ. Der Gegenstand der Ansprüche 18 und 19 der Hilfsantrags 6 sei aber gegenüber sowohl D18, als auch D19 nicht neu und D18 sei neuheitsschädlich für den Gegenstand der Ansprüche 18 und 19 des Hilfsantrags 7. Des Weiteren sei die Neuheit der Ansprüche 1, 12 und 18 bis 20 der Hilfsanträge 6 und 7 von D67 unter Berücksichtigung seiner Übersetzung D68 vorweggenommen. In einem obiter dictum wies die Einspruchsabteilung darauf hin, dass der Gegenstand gemäß allen vorliegenden Anträgen ausgehend von D10 oder D67 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VI. Gegen diese Entscheidung erhob die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde. Mit der Beschwerdebegründung (Schreiben vom 23. Juli 2015) reichte die Beschwerdeführerin neue Hilfsanträge 7 bis 10. Die Hilfsanträge 1, 3, 5 und 6, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen, wurde unnummeriert weiter verfolgt. Der Wortlaut des neuen Hilfsantrags 7 unterschied sich von dem der angefochtenen Entscheidung unterliegenden Hilfsantrag 6 lediglich darin, dass "Polysacchariden in wasserlöslicher Form, Dextrinen, Cyclodextrin" in der Liste der Schutzkolloiden in den Ansprüchen 1 und 18 bis 20 durchgestrichen wurden.

VII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 16. November 2018 statt. Während der Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin die bisherigen Hilfsanträge 1, 3, 5 und 6 zurück und erklärte den bisherigen Hilfsantrag 7, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, zum neuen Hauptantrag.

VIII. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung reichte die Einsprechende I (Beschwerdegegnerin I) unter anderem die folgenden Dokumente ein:

D77: US 3,926,650

D79: DE 42 09 987 C1

D80: EP 0 338 548 A2.

IX. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung reichte die Einsprechende II (Beschwerdegegnerin II) unter anderem die folgenden Druckschriften ein:

D85: US 5,606,015

D86: DE 10 2005 012 986 A1

D88: US 5,118,751.

X. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung des Hilfsantrags 7

a) Die Hilfsanträge 7 bis 10 stellten eine Antwort auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung dar. Da die Einreichung von weiteren Hilfsanträgen während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchs-abteilung der Patentinhaberin verwehrt worden sei, habe die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 7 bis 10 mit der Beschwerdebegründung zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingereicht. Die Hilfsanträge 7 bis 10 seien daher ins Verfahren zuzulassen.

Artikel 123(2) EPÜ

b) Der Hilfsantrag 7 umfasse nur Merkmale und nur Gegenstände, die in den ursprünglichen eingereichten Unterlagen offenbart seien. Die Verwendung der Pluralform für die Merkmale "Gelatinen" und "Poly(meth)acrylsäuren" führe inhaltlich zu keinem Unterschied gegenüber der ursprünglich definierten Singularform dieses Merkmals. T 2017/07 sei nicht anwendbar, da im vorliegenden Fall, anders als in T 2017/17, alle wesentlichen Merkmale der vorliegenden Erfindung in den anhängigen Ansprüchen enthalten seien. Darüber hinaus begründe das Streichen einzelner Schutzkolloide, einzelner Monomere und einzelner optionaler Komponenten keine Auswahl aus dem ursprünglich Offenbarten, womit das Kriterium der Auswahl von Merkmalen aus verschiedenen Listen nicht anwendbar sei. Aus den ursprünglichen Unterlagen sei auch zu entnehmen, dass Emulgatoren bzw. Antischaummittel enthalten sein können oder eben auch nicht enthalten sein können. Der Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ sei daher nicht überzeugend.

Neuheit

c) D67 stelle einen Übersichtsartikel dar. Es fasse den Stand der Technik zusammen, verweise auf den Marktbedarf und stelle Vorschläge für Forschung bzw. Entwicklung dar, die nicht ausreichend definiert und daher nicht ausführbar seien. D67, das daher kein Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ sei, solle folglich aus dem Verfahren ausgeschlossen werden. Aus D67 blieben daher als Stand der Technik nur die Dokumente, die darin zitiert seien.

d) Es sei nicht erlaubt, verschiedene Passagen aus D67, das unterschiedliche Dokumente des Standes der Technik bzw. unterschiedliche Lehren beschreibe, zu kombinieren. Eine solche Analyse von D67 sei nur mit einer rückschauenden Betrachtungsweise möglich, d.h. in Kenntnis des Streitpatents. Im Falle des Einsatzes von Emulgatoren, wie einem Geminitensid, sei in D67 klar gestellt, dass die Polymerdispersionen als Schutzkolloide PVP oder Cellulosematerialien enthalten (Seite 48, erste Spalte, Zeilen 7-9 und 29-32), deren Verwendung von den Schutzkolloiden des Hilfsantrags 7 nicht erfasst sei. Die Darstellung des in D67 genannten Standes der Technik sei des Weiteren mangelhaft, da es nicht immer eindeutig sei, auf welchen Stand der Technik sich einige Passagen dieses Dokuments beziehen würden. Die in der Tabelle 2 auf Seite 47 offenbarte Emulsion enthalte Polyvinylalkohol, während die Literaturstelle [3] (entsprechend Dokument D85 im Beschwerdeverfahren), die die Verwendung eines Geminitensids beschreibe, Polyvinylalkohol freie Systeme betreffe. Ferner stehe die in der linken Spalte der Seite 48 offenbarte Verwendung von Core-Shell Polymeren in Widerspruch zu der Angabe in der Tabelle 2, dass ein Ethylen-Vinylacetat Copolymerisat verwendet werde. Darüber hinaus sei die Verwendung von Cellulosederivaten vom Gegenstand des Anspruchs 1 nicht umfasst. Des Weiteren beziehe sich die Sektion 1.2 von D67 nicht auf die in der Sektion 1.1 genannte Literaturstelle [3]. Die Neuheit gegenüber D67 sei daher anzuerkennen.

Mangelnde Ausführbarkeit - Zulassung

e) Es sei möglich, die Beispiele des Streitpatents nachzuarbeiten. Gespräche der Beschwerdegegnerin II mit ihrem technischen Sachverständigen in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vor der Kammer stellten lediglich eine Tatsache dar, aber keine Rechtfertigung für den verspäteten Einwand der mangelnden Ausführbarkeit der Erfindung. Dieser neue Einwand sei daher nicht ins Verfahren zuzulassen.

Zurückverweisung

f) Die Beschwerdeführerin hatte keine Gelegenheit, sich im Einspruchsverfahren zu den Einwänden der Einspruchsabteilung bezüglich erfinderischer Tätigkeit zu äußern, und die diesbezügliche Stellungnahme der Einspruchabteilung mit einem obiter dictum im Punkt 20 der Entscheidung sei rein informativ und kein Entscheidungsgrund. In Anbetracht der Vielzahl der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen, auf Basis derer Einwände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit erhoben worden seien, sei es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs unerlässlich, die Klärung der erfinderischen Tätigkeit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

XI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerinnen können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulässigkeit der Beschwerde

a) Es sei unklar, welche Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht korrekt sei und was der Hauptantrag der Beschwerdeführerin sein solle. Ebenso sei es unklar, in welcher Reihenfolge die Hilfsanträge 1, 3, 5 und 6 bis 10 zu prüfen seien. Diese Anträge seien darüber hinaus nicht konvergierend. Folglich sei nach Meinung der Beschwerdegegnerin I die Beschwerde der Patentinhaberin unzulässig.

Zulassung des Hilfsantrags 7

b) Die Hilfsanträge 7 bis 10 seien nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewesen und stellten einen neuen Fall dar. Eine Rechtfertigung für ihre verspätete Einreichung gebe es nicht. Die Beschwerdeführerin habe genügend Gelegenheiten gehabt, geänderte Anträge vorzulegen, um den Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber D18 und D67 auszuräumen. Ein direkter Zusammenhang zwischen der angefochtenen Entscheidung und den neuen Hilfsanträgen sei nicht angegeben worden. Darüber hinaus seien die geänderten Ansprüche dieser Anträge nicht eindeutig gewährbar, insbesondere, weil keine Begründung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit angegeben worden sei. Die Hilfsanträge 7 bis 10 sollten daher als verspätet nicht ins Verfahren zugelassen werden.

Artikel 123(2) EPÜ

c) Die Definition, dass die Zusammensetzung aus gewissen Komponenten bestehe, wobei einige Komponenten als optional bezeichnet worden seien, in Kombination mit der Auswahl der definierten Schutzkolloide, führe zu einer Erweiterung des Gegenstands des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich einreicht. Eine Kritikalität der wesentlichen und optionalen Komponenten der Zusammensetzung, die in den Unterlagen wie ursprünglich eingereicht nicht offenbart sei, sei durch die durchgeführten Änderungen entstanden. Es sei in den Unterlagen wie ursprünglich eingereicht auch nicht offenbart, dass die Liste der im Anspruch genannten Additive eine vollständige Liste darstelle. Es sei auf die Entscheidungen T 2017/07 und T 1063/07 verwiesen. Des Weiteren resultiere aus der Verwendung der Pluralform für die Merkmale "Gelatinen" und "Poly(meth)acrylsäuren" eine andere Bedeutung des ursprünglich definierten Gegenstands. Der Gegenstand des Anspruchs 1 verstoße somit gegen die Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ.

Neuheit

d) D67 sei ein vorveröffentlichtes Dokument, das daher zum Stand der Technik gehöre. D67 präsentiere bekannte technische Informationen in einem einzigen Dokument, und stelle darüber hinaus präzise Forschungsergebnisse bzw. Entwicklungsvorschläge dar. D67 müsse gelesen werden, als ob es ein Verfahren zur Herstellung von redispergierbaren Dispersionspulverzusammensetzungen beschreibe. Dieses Verfahren umfasse die Herstellung einer Emulsion und deren Sprühtrocknung, für welche Informationen in Sektionen 1.1 und 1.2 gegeben seien. Die Maßnahmen, die darin beschrieben seien, stellten Möglichkeiten dar, die im Rahmen dieses allgemeinen Verfahrens anwendbar, bzw. kombinierbar seien.

e) Eine im Wasser redispergierbare Dispersionspulver-zusammensetzung auf der Basis eines Ethylen-Vinylacetat Copolymerisats, erhältlich durch Emulsionspolymerisation, sei auf Seite 47 in der Tabelle 2 beschrieben. Es sei möglich, ein Geminitensid zuzusetzen, wie auf Seite 48, linke Spalte, Zeilen 14-15, beschrieben. Die Zusammenverwendung eines Geminitensids mit Polyvinylakohol sei daher in D67 offenbart. Ein Gehalt an Vinylacetat von 5 bis 30 Gew.-% sei bevorzugt (letzter Absatz vor Sektion 1.2). Diese Emulsionspolymerisation könne in Anwesenheit entweder eines Tensids oder eines Schutzkolloids stattfinden (Seite 48, linke Spalte, Zeilen 7-32). Im Falle des Einsatzes von Tensiden, wie einem Geminitensid, sei in D67 offenbart, dass die Polymerdispersionen zusätzlich als Schutzkolloide PVP oder Methylcellulose enthielten (Seite 48, erste Spalte, Zeilen 7-9 und 29-32). Methylcellulose stelle gemäß Dokumenten D77, D79 und D80 einen Schaumstabilisator dar, dessen Verwendung vom Hilfsantrags 7 erfasst sei. Darüber hinaus beschreibe D67 in Sektion 1.2 den Zusatz vom Polyvinylakohol vor der Sprühtrocknung. Die Anwesenheit eines Schutzkolloids in der Lösung sei notwendig, um die Dispergierbarkeit der Pulverzusammensetzung zu erreichen. Nach Meinung der Beschwerdegegnerin II führe lediglich die Auswahl des Geminitensids aus der Lehre von D67 zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Hilfsantrag 7 sei daher nicht neu gegenüber D67.

Mangelnde Ausführbarkeit - Zulassung

f) In Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vor der Kammer sei die Frage der erfinderischen Tätigkeit, die bis jetzt nicht intensiv diskutiert worden sei, mit dem technischen Sachverständigen der Beschwerdegegnerin II besprochen worden, woraus neue Erkenntnisse über die Beispiele und Vergleichsbeispiele des Streitpatent gewonnen worden seien. Nach Meinung der Beschwerdegegnerin II sei die Information im Streitpatent über diese Beispiele und Vergleichsbeispiele lückenhaft, so dass eine Nacharbeit der Erfindung nicht möglich sei. Das Erheben eines Einwandes der mangelnden Ausführbarkeit während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer sei daher auf Grund dieser neuen Erkenntnisse gerechtfertigt und daher ins Verfahren zuzulassen.

Zurückverweisung

g) Die Beschwerdeführerin hatte genügend Zeit, sich mit den Argumenten der Beschwerdegegnerinnen in Bezug auf erfinderische Tätigkeit auseinander zu setzen. Auf Grund der Verfahrensökonomie und der Tatsache, dass der Stand der Technik auf Basis dessen die erfinderische Tätigkeit zu diskutieren sei, im Beschwerdeverfahren und vor der ersten Instanz der gleiche gewesen sei, sei es nicht gerechtfertigt, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen, so dass die Kammer die Frage der erfinderischen Tätigkeit entscheiden solle.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung auf Basis des Hilfsantrags 7 (neuer Hauptantrag), eingereicht mit der Beschwerdebegründung oder auf Basis eines der Hilfsanträge 8 bis 10, eingereicht mit der Beschwerdebegründung. Weiterhin wurde beantragt, die Dokumente D86 und D88 nicht ins Verfahren zuzulassen.

XIII. Die Beschwerdegegnerin I beantragte die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig. Hilfsweise beantragte sie die Zurückweisung der Beschwerde. Es wurde weiter beantragt, die Hilfsanträge 7 bis 10 nicht ins Verfahren zuzulassen.

XIV. Die Beschwerdegegnerin II beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Weiterhin beantragte sie, dass keine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung erfolgt.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit der Beschwerde

1. Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin I hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin gehen nicht über die unsubstantiierten Behauptungen hinaus, dass es nicht klar sei, welche Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht korrekt sei, was der Hauptantrag der Beschwerdeführerin sein solle, und in welcher Reihenfolge die damaligen Hilfsanträge 1, 3, 5 und 6 bis 10 zu prüfen seien, und, dass diese Anträge nicht konvergierend seien. Ungeachtet dessen, dass die von der Beschwerdegegnerin I genannten angeblichen Mängel der Beschwerde auf sachlich unzutreffenden Behauptungen beruhen, ist festzustellen, dass sich die Beschwerdegegnerin I mit den rechtlichen Voraussetzungen und der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des EPA hinsichtlich der Zulässigkeit einer Beschwerde, weder allgemein, noch spezifisch auf den konkreten vorliegenden Fall bezogen, auseinandergesetzt hat. Die Voraussetzungen an die insoweit der Beschwerdegegnerin I obliegenden Darlegungslast sind nicht erfüllt. Es sind daher Tatsachen oder Argumente weder vorgetragen noch ersichtlich, aufgrund derer die Kammer Grund zur Annahme hätte, dass die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin die Voraussetzungen der Regel 99(2) EPÜ nicht erfüllt. Der Einwand der Beschwerdegegnerin I, dass die Beschwerde der Patentinhaberin nicht zulässig ist, der nach der klaren vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer in ihrem Bescheid während der mündlichen Verhandlung ohne weiteren Vortrag aufrechterhalten wurde, vermag daher nicht zu überzeugen.

Zulässigkeit des Hilfsantrags 7

2. Es wird von der Beschwerdegegnerin I beantragt, dass der Hilfsantrag 7, der den neuen Hauptantrag der Beschwerdeführerin bildet, nicht ins Verfahren zugelassen wird.

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung hat die beschwerdeführende Patentinhaberin, die im Einspruchsverfahren unterlegen ist, das Recht, die zurückgewiesenen Anträge von der Beschwerdekammer erneut prüfen zu lassen oder im Beschwerdeverfahren rechtzeitig - insbesondere zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung - neue Anträge einzureichen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 8. Auflage, Juli 2016, IV.E.4.1.4). Die Zulassung von Anträgen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, liegt nach Artikel 12(4) VOBK im Ermessen der Kammer, die die relevanten Faktoren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls prüfen und abwägen muss.

2.2 Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung und den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Debatte hinsichtlich Neuheit während der mündlichen Verhandlung nur die Hilfsanträge 6 und 7 betraf, nachdem festgestellt wurde, dass der Hilfsantrag 6 die Einwände nach Artikel 123(2) und 84 EPÜ gegen die vorrangigen Anträge ausräumte. Die Kammer stellt weiter fest, dass der Befund der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung, dass die Neuheit des Gegenstands der Hilfsanträge 6 und 7 gegenüber D67, D18 und D19 nicht gegeben sei, auf dem Argument basiert, dass die in D67, D18 und D19 verwendeten Cellulosematerialen wasserlösliche Polysaccharide seien (siehe Entscheidungsgründe, Seite 18, Punkt 15.8, vierten und fünften Absatz; Seite 17, zweiten Absatz).

2.3 Es ist nicht strittig, dass dieser entscheidende Aspekt der Begründung für die fehlende Neuheit des beanspruchten Gegenstands erst während der mündlichen Verhandlung angedeutet wurde (Protokoll, Seite 5, Abschnitt über Artikel 54 EPÜ, vierter Absatz). Die Frage, ob Cellulose kein Polysaccharid sei, wurde von der Einspruchsabteilung lediglich im Rahmen der Diskussion über Neuheit gegenüber D67 gestellt und nicht weiter vertieft, nachdem von der Patentinhaberin angegeben wurde, dass Cellulose nicht wasserlöslich sei, und somit kein Polysaccharid in wasserlöslicher Form darstelle. Es ist aus dem Protokoll nicht ersichtlich, dass dieser Aspekt während der späteren Diskussion über die Neuheit gegenüber D18 und D19 wieder aufgegriffen wurde.

2.4 Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ist weiter zu entnehmen, dass die Einspruchsabteilung der Meinung war, dass die Patentinhaberin sowohl schriftlich, als auch in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheiten gehabt hatte, einen weiteren Antrag zu stellen. Aufgrund der oben dargestellten Entwicklung des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung kommt aber die Kammer zu einer anderen Schlussfolgerung, da der entscheidende Aspekt der Begründung für die fehlende Neuheit des Gegenstands der Hilfsanträge 6 und 7 gegenüber D18, D19 und D67 erst in der mündlichen Verhandlung bezüglich dieser Anträge angedeutet wurde. Im Hinblick auf die einzige Frage der Einspruchsabteilung während der mündlichen Verhandlung, ob Polysaccharid in wasserlöslicher Form ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber D67 darstellen könne, und das nicht widersprochene Gegenargument der Patentinhaberin diesbezüglich, kann vernünftigerweise nicht von der Patentinhaberin erwartet werden, dass sie umgehend einen weiteren Hilfsantrag zu stellen hat. Nachdem die Entscheidung über die mangelnde Neuheit der Hilfsanträge 6 und 7 verkündet wurde, beantragte die Patentinhaberin eine Unterbrechung der Verhandlung von 10 Minuten, um zu beraten, welche Änderungen die Basis für einen weiteren Hilfsantrag bilden könnten und eine erneute Gelegenheit zu erhalten, einen weiteren Hilfsantrag einzureichen. Dieser Antrag wurde von der Einspruchsabteilung abgelehnt. Eine unterbliebene Mitwirkung der Patentinhaberin im Verfahren vor der Einspruchsabteilung oder ein taktischer Missbrauch des Verfahrens ihrerseits lässt sich daher nicht erkennen.

2.5 Der nun mit der Beschwerdebegründung eingereichte Hilfsantrag 7 lehnt sich an den Hilfsantrag 6 an, dessen Gegenstand gemäß der angefochtenen Entscheidung nicht neu gegenüber D18, D19 und D67 sei. Dieser Hilfsantrag enthält lediglich eine weitere Einschränkung hinsichtlich des verwendeten Schutzkolloids. Die im Hilfsantrag durchgeführte Änderung besteht aus dem Durchstreichen von "Polysaccharide in wasserlöslicher Form, Dextrine, und Cyclodextrine" in der Liste der Schutzkolloide. Diese Änderung stellt somit eine direkte und legitime Reaktion auf den Befund der Einspruchabteilung hinsichtlich der fehlenden Neuheit gegenüber D18, D19 und D67 dar. Der Vollständigkeit halber ist angemerkt, dass das angebliche Kriterium, dass die geänderten Ansprüche eindeutig gewährbar sein müssten (siehe Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin I, Seite 8, letzen Absatz), im Fall von Anträgen, die mit der Beschwerdeschrift eingereicht werden, keine Anwendung findet. Des Weiteren bildet im vorliegenden Fall eine fehlende Begründung, warum der neue Hilfsantrag die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit erfüllt, keinen Grund, diesen Hilfsantrag als nicht substantiiert zu betrachten, da die angefochtene Entscheidung nicht auf einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit basiert.

2.6 Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, ihr gemäß Artikel 12 (4) VOBK zukommendes Ermessen dahingehend auszuüben, den Hilfsantrag 7 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Artikel 123(2) EPÜ

3. Der Einwand der Beschwerdegegnerinnen nach Artikel 123(2) EPÜ richtet sich gegen den Anspruch 1. Er definiert einen geänderten Gegenstand, der zwischen den ursprünglich offenbarten Ausführungsformen der Beispiele 1 und 2 und der ursprünglichen, allgemein gefassten Definition der Dispersionspulverzusammenset-zungen im Anspruch 1 liegt. Der allgemein akzeptierte Maßstab für die Beurteilung, ob eine Änderung die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt, ist, ob der Fachmann diese Änderung der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen würde (siehe Rechtsprechung, supra, II.E.1). Zu prüfen ist, ob die Änderung dazu führt, dass der Fachmann neue technische Informationen erhält (siehe Rechtsprechung, supra, II.E.1.2.1 und G 2/10, ABl. 2012, 376, Punkt 4.5.1 der Entscheidungsgründe "Offenbarungs-test"). Die Beschwerdegegnerinnen haben Einwände gegen die folgenden Änderungen im Anspruch 1 erhoben:

"Gelatinen" und "Poly(meth)acrylsäuren"

3.1 Hinsichtlich der Offenbarung der einzelnen Merkmale dieses Anspruchs in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht, wurde lediglich die Verwendung der Pluralform für die Merkmale "Gelatinen" und "Poly(meth)acrylsäuren" beanstandet. Der Text der Unterlagen wie ursprünglich eingereicht sowie des vorliegenden Anspruchs 1 ist an einen Fachmann adressiert, der den Informationsgehalt dieses Textes in einer technisch sinnvollen Weise ohne konstruierte oder semantische Auslegung liest. In Abwesenheit von weiteren Merkmalen, die "Gelatine" und "Poly(meth)acrylsäure" in den Unterlagen wie ursprünglich eingereicht näher definieren, hat der Fachmann in Bezug auf diese Merkmale keinen Anlass zu verstehen, dass nur eine spezifische Gelatine oder eine spezifische Poly(meth)acrylsäure gemeint wurde. Es wird eher allgemein der Stoff "Gelatin" oder "Poly(meth)acrylsäure" mit allen seinen bekannten möglichen Eigenschaften verstanden, der somit als "Gelatine" oder "Poly(meth)acrylsäure" benannt werden kann. Der Einwand betreffend der Pluralform für diese Merkmale geht somit ins Leere.

Änderung von "auf Basis von" in "bestehend aus"

3.2 Die einzigen erfindungsgemäßen Beispiele aus der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung, die eine in Wasser redispergierbare Dispersionspulverzusam-mensetzung als solche betreffen, sind die Beispiele 1 und 2 (Seite 17, Zeilen 7-22). Diese offenbaren zwei spezifische Pulverzusammensetzungen, die aus drei Komponenten bestehen, die gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 zwingend enthalten sein müssen, nämlich ein Polymerisat erhältlich mittels Emulsionspolymerisation von einem oder mehreren ethylenisch ungesättigten Monomeren, ein Geminitensid und ein Schutzkolloid.

Der wesentliche Charakter der Polymerisate und Geminitenside für die Erfindung wird im Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung betont, der außer diesen zwei Komponenten die Verwendung von anderen Komponenten nicht verlangt, wobei die Verwendung eines Schutzkolloids durch die Offenbarung der Beispiele 1 und 2 und die Lehre auf Seite 11, Zeile 4 bis Seite 12, Zeile 6 und Seite 12, Zeile 34 bis Seite 13, Zeile 35, Schutzkolloide für die Herstellung der Polymere, bzw. für deren Trocknung zu benutzen, als bevorzugt zu betrachten ist. Aus den Beispielen 5 und 6 der ursprünglich eingereichten Fassung, die die Verwendung dieser Dreiermischung ohne weitere Zusatzstoffe zur Herstellung von Bodenspachtelmassen offenbart, entnimmt der Fachmann die Bestätigung, dass eine bevorzugte Form der vorliegenden Erfindung in Zusammensetzungen, die aus diesen drei Komponenten bestehen, liegt.

Verwendung von optionalen Komponenten

3.3 Der Fachmann entnimmt zusätzlich aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (Seite 14, Zeile 23 bis Seite 15, Zeile 9) die explizite Information, dass spezifische Klassen von Additiven als optionale Komponenten je nach erwünschter Funktion für die Herstellung der Dispersionspulverzusammensetzung oder für die Verbesserung ihrer anwendungstechnischen Eigenschaften verwendet werden können. Bei den im vorliegenden Anspruch 1 aufgenommenen Additiven handelt sich um Komponenten, die die Lagerfähigkeit verbessern (Antiblockmitteln; Seite 14, Zeilen 26-29) oder, um Komponenten zur Verbesserung der anwendungstechnischen Eigenschaften, nämlich Pigmente, Füllstoffe, Schaumstabilisatoren, Hydrophobierungs-mittel oder Zementverflüssiger (Seite 15, Zeilen 4-9). Es es ebenfalls für den Fachmann implizit offenbart, dass diese Eigenschaften unabhängig von einander variiert werden sollten, womit ebenfalls implizit offenbart wird, dass die oben genannten optionalen Additive unabhängig von einander verwendet werden können. Dieses wird im vorliegenden Anspruch 1 mit der Verwendung des Terms "gegebenenfalls" vor jedem der aufgelisteten optionalen Additive zum Ausdruck gebracht.

Durch die offene Formulierung im Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung wird die Verwendung von Additiven, die in der Anmeldung nicht definiert werden, nicht ausgeschlossen. Dennoch ist die Kammer der Ansicht, dass die explizite Nennung dieser optionalen Additive in den Unterlagen wie ursprünglich eingereicht ihren bevorzugten Charakter betont, d.h. weitere denkbare optionale Additive, die in den Unterlagen wie ursprünglich eingereicht nicht erwähnt oder nicht implizit sind, gelten somit als weniger bevorzugt. Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls werden somit durch die Unterlagen wie ursprünglich eingereicht dem Fachmann unmittelbar und eindeutig Dispersionspulverzusammensetzungen offenbart, die aus (i) Polymerisaten erhältlich mittels Emulsionspolymerisation von einem oder mehreren ethylenisch ungesättigten Monomeren, (ii) einem oder mehreren Geminitensiden, (iii) Schutzkolloiden und gegebenenfalls einem oder mehreren der in der Anmeldung genannten optionalen Additive bestehen.

Aufgrund der technischen Umstände des vorliegenden Falls verstoßen somit die Änderungen von "auf Basis von" in "bestehend aus" mit der Angabe, dass optionale Komponenten verwendet werden können nicht gegen die Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ. Die von den Beschwerdegegnerinnen zitierten Entscheidungen T 2017/07 und T 1063/07 betreffen Fälle, bei denen angesichts der spezifischen technischen Lehre der jeweiligen Patentanmeldungen in der ursprünglich eingereichten Fassung die jeweilige Kammer zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen ist. In der Entscheidung T 2017/07 (siehe Punkte 4.2 der Entscheidungsgründe, letzten Absatz) und in der Entscheidung T 1063/07 (siehe Punkte 2.3 der Entscheidungsgründe, letzte drei Absätze) wurde unter anderem festgestellt, dass die Beispiele der ursprünglich eingereichten Fassung nicht gemäss dem geänderten Gegenstand waren. Die Entscheidungen T 2017/07 und T 1063/07 beruhen auf einer anderen Sachlage und deren Schlussfolgerungen sind daher auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar.

Streichen von Elementen aus den Listen von optionalen Komponenten und Schutzkolloide

3.4 Aus den optionalen Komponenten, die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung als solche offenbart werden, wurden lediglich Emulgatoren und Antischaummittel nicht beibehalten. Hinsichtlich der Schutzkolloide wurden aus deren Liste lediglich Polyvinylpyrrolidone und Polysaccharide in wasser-löslicher Form (Seite 11, Zeilen 5-9 und Seite 13, Zeilen 22-25), wie die implizit weniger bevorzugte Alternative des wasserunlöslichen, filmbildenden, Polyadditions- und Polykondensationspolymers (Seite 12, Zeile 34 bis Seite 13, Zeile 2) durchgestrichen. Es wird angemerkt, dass "Stärken (Amylose und Amylopectin), Cellulose und deren ... Cyclodextrine", die in dieser Liste erfasst werden, als Beispiele von Polysacchariden in wasserlöslicher Form angeben werden. Das gleiche gilt für "Kasein oder Kaseinat, Sojaprotein", die als Beispiele für Proteine dargestellt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern lautet das Leitprinzip, dass das Streichen von in jeweiligen Listen aufgezählten Bedeutungen von Substituenten in einer generischen chemischen Formel nicht zum Herausgreifen einer bestimmten Kombination von jeweils einer einzigen spezifischen, ursprünglich jedoch nicht offenbarten Substituentenbedeutung führen darf (Rechtsprechung, supra, II.E.1.4.2). Nach dem gleichen Prinzip führt im vorliegenden Fall das Streichen der optionalen Additive Emulgatoren und Antischaummittel und das Streichen der Schutzkolloide Polyvinylpyrrolidone, Polysaccharide in wasserlöslicher Form und wasserunlösliche, filmbil-dende, Polyadditions- und Polykondensationspolymere aus den jeweils ursprünglich offenbarten Listen nicht zum Herausgreifen einer bestimmten Kombination von Merkmalen, wodurch der beanspruchte Gegenstand seinen allgemeinen Charakter behält. Aus diesen Gründen führt die Änderung nicht dazu, dass der Fachmann neue technische Informationen erhält.

3.5 Infolgedessen kommt die Kammer zu der Schlussfolgerung, dass die Einwände der Beschwerdegegnerinnen bezüglich Artikel 123(2) EPÜ gegen Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 nicht überzeugend sind.

Neuheit

4. Nach Meinung der Beschwerdegegnerinnen ist die Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 18 des Hilfsantrags 7 gegenüber D67 nicht gegeben. Im Folgenden beziehen sich die zitierten Passagen von D67, die in Chinesisch verfasst ist, auf die Übersetzung D68 dieses Dokuments in englischer Sprache. Es ist nicht strittig, dass D67 in April 2004 und somit vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin gehört somit D67 zum Stand der Technik im Sinne von Artikel 54(2) EPÜ.

4.1 D67 stellt einen Artikel dar, der gemäß seiner Zusammenfassung die Herstellungstechnologie, die Effekte und die Verwendung von redispergierbaren Polymerpulverzusammensetzungen zusammenfasst, den Marktbedarf für diese Produkte in China hinweist und Forschung- bzw. Entwicklungsvorschläge darstellt. Aus dieser Zusammenfassung ist es schon ersichtlich, dass es sich in D67 um einen Übersichtsartikel handelt. In der Einleitung (Tabelle 1), im Teil 1 (Abbildung 1) und im ganzen Teil 1.1, inklusive der Tabelle 2, werden teilweise unter Bezugnahme auf Referenzen aus dem Stand der Technik, insbesondere Referenz [3], unterschiedliche Emulsionen oder geeignete Polymere dargestellt, die für die Herstellung von solchen Polymerpulverzusammensetzungen verwendet werden können. Im Teil 1.2 von D67 wird Wissen über die Sprühtrocknung von Polymeremulsionen dargestellt. In den Teilen 3 und 2 werden allgemeine Hinweise hinsichtlich der Verwendung derartiger Polymerpulverzusammensetzungen oder Überlegungen über mögliche Forschungsarbeiten für ihre Entwicklung gegeben.

4.2 Es ist nicht strittig, dass die Verwendung von Geminitensiden in D67 lediglich im Teil 1.1 (Seite 48, linke Spalte, Zeile 15) mit der Nennung von "acetylenic acid polyols, such as ethoxylated tetramethyl decyne diol" unter Bezugnahme auf Referenz [3] beschrieben wird. Unter Berücksichtigung des Kontexts dieser Passage von D67, die Tenside betrifft, und des Inhaltes der Referenz [3] (entsprechend Dokument D85 im Beschwerdeverfahren; siehe Spalte 4, Tabelle V und Spalte 1, Zeile 39), die in D67 als Informationsquelle über diese Verbindungen angegeben wird, ist mit dem Ausdruck "acetylenic acid polyols" die Verwendung von acetylenischen Polyolen zu verstehen.

4.3 Die Textstelle von D67, die die Verwendung von acetylenischen Polyolen beschreibt, berichtet über die Möglichkeit, nicht-ionische Tenside mit einem HLB-Wert unterhalb von 7 bei der Herstellung der Polymeremulsion zu verwenden, wenn Emulsionen ohne Anwendung von Polyvinylakohol als Schutzkolloid hergestellt werden. Acetylenische Polyole werden als Beispiele in einer langen Liste anderer nicht-ionischer Tenside mit einem HLB-Wert unterhalb von 7 angegeben. Gemäß D67 (Seite 48, linke Spalte, Zeilen 29-32) werden gleichzeitig Schutzkolloide zugesetzt, wie PVP oder Cellulose-materialien, wie Methylcellulose, Ethyloxylcellulose, Methylhydroxypropylcellulose. Somit resultiert aus diesen kombinierten Textstellen keine Zusammensetzung, die ein Schutzkolloid gemäß der Liste im Anspruch 1 enthält. Die Tatsache, dass Methylcellulose als Schaumstabilisator vom Gegenstand des Anspruchs 1 erfasst sein kann, ändert nichts an der fehlenden Offenbarung in D67 für einen der aufgelisteten Schutzkolloide in Kombination mit einem Geminitensid.

4.4 Die Beschwerdegegnerinnen waren ebenfalls der Meinung, dass sich die Lehre in D67, Geminitenside zu verwenden mit anderen Passagen von D67, die die Verwendung von Polyvinylalkohol oder Methylcellulose als Schutzkolloid beschreiben, kombinatorisch lesen lässt, womit der beanspruchte Gegenstand in D67 offenbart sei. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammer (siehe Rechtsprechung, supra, I.C.4.2) dürfen bei der Beurteilung der Neuheit verschiedene Passagen eines Dokuments nicht kombiniert werden, wenn das Dokument nicht ausdrücklich eine entsprechende Lehre enthält.

4.5 D67 enthält keinen unmittelbaren und eindeutigen Hinweis, dass einzelne in diesem Übersichtsartikel dargestellte Lehren aus dem Stand der Technik, wie zum Beispiel spezifische Geminitenside zu verwenden, zwangsläufig mit einer anderen spezifischen Lehre kombinatorisch zu lesen ist. Es gilt umso mehr hinsichtlich der Emulsionen, die in der Tabelle 2 auf Seite 47 dargestellt werden, da diese in Widerspruch zu der Lehre betreffend die Verwendung von Geminitenside Polyvinylalkohol als Schutzkolloid enthalten. Des Weiteren, selbst wenn es für den Fachmann eindeutig ist, dass ein Verfahren zur Herstellung von redispergierbaren Polymerpulverzusammensetzungen sowohl der Herstellung einer Polymeremulsion, als auch einer Sprühtrocknung bedarf, ist es aus D67 nicht zu entnehmen, dass es die Absicht des Autors von D67 gewesen ist, ein eigenständiges Verfahren zu beschreiben, das aus verschiedenen Teilen der darin beschriebenen Teilinformationen besteht. Die Kammer ist daher der Überzeugung, dass die Information in Sektion 1.2 betreffend die Sprühtrocknung der Polymeremulsion losgelöst von der Darstellung der Information in Sektion 1.1 von D67 von Fachmann gelesen wird. Aber selbst wenn man zu Gunsten der Beschwerdegegnerinnen eine andere Meinung vertreten sollte, wäre der beanspruchte Gegenstand durch D67 nicht offenbart. Eine solche Offenbarung würde eine nicht beschriebene doppelte Auswahl voraussetzten, nämlich die der Geminitenside aus der Liste der nicht-ionischen Tenside mit einem HLB-Wert unterhalb von 7 für die Herstellung der Emulsion und die vom Polyvinylakohol als Schutzkolloid für die Sprühtrocknung. Eine solche doppelte Auswahl würde darüber hinaus der in D67 berichteten Lehre, Geminitenside zu verwenden, um auf die Verwendung zu Polyvinylakohol zu verzichten, zuwider laufen.

4.6 Die Kammer kommt daher aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Hilfsantrags 7 neu gegenüber D67 ist (Artikel 54(2) EPÜ).

Mangelnde Offenbarung

5. Von der Beschwerdegegnerin II wurde erst während der mündlichen Verhandlung ein Einwand der mangelnden Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands geltend gemacht. Dieser Einwand betraf die Offenbarung der Beispiele, die gemäß der Beschwerdegegnerin II mangelhaft sei. Die Beschwerdeführerin rügte diesen neuen Einwand als verspätet und beantragte, dass er nicht ins Verfahren zugelassen werde. Als einzige Begründung für dieses verspätete Vorbringen nannte die Beschwerdegegnerin II neue Erkenntnisse über den experimentellen Teil des Streitpatents, die bei der Diskussionen mit ihrem technischen Sachverständiger in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vor der Kammer hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit gewonnen wurden. Da nicht angegeben wurde, und darüber hinaus nicht ersichtlich ist, wie ein solcher Einwand durch neue von der Kammer aufgeworfene Fragen oder durch neue Handlungen der gegnerischen Partei verursacht wurde, sieht die Kammer keine Rechtfertigung für das Vorbringen dieser angeblich neuen Erkenntnisse und den damit verbundenen Einwand. Aus diesen Gründen und in Anbetracht des späten Zeitpunkts für das Vorlegen dieses Einwands übt die Kammer ihr Ermessen dahingehend aus, den Einwand der Beschwerdegegnerin I nicht zuzulassen (Artikel 13(1) VOBK).

Zurückverweisung

6. Da das Streitpatent von der Einspruchsabteilung wegen Verstoßes gegen Artikel 123(2), 84 und 54 EPÜ widerrufen worden ist und die Kammer indessen festgestellt hat, dass diese Bedingungen des EPÜ hinsichtlich des neuen Hauptantrags der Beschwerdeführerin (Hilfsantrag 7) erfüllt sind, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Gleichwohl sieht die Kammer es für angemessen keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit zu treffen, da die Einspruchsabteilung zur Frage der erfinderischen Tätigkeit keine beschwerdefähige Entscheidung getroffen hat. Hierzu steht eine abschließende Prüfung der ersten Instanz noch aus, weil die Einspruchsabteilung die Parteien in der mündlichen Verhandlung über diese Frage nicht gehört hatte, geschweige denn über den neuen im Beschwerdeverfahren eingereichten Hilfsantrag 7. Im Hinblick auf die drei Ansätze, ausgehend von drei unterschiedlichen Entgegenhaltungen als nächstliegendem Stand der Technik (D10, D24 und D25), die von den Beschwerdegegnerin II verfolgt werden, die Erkenntnis der Beschwerdegegnerin II, dass die erfinderische Tätigkeit bis jetzt nicht intensiv diskutiert wurde, und ihre erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer mitgeteilte Ansicht, dass die Beispiele und Vergleichsbeispiele des Streitpatents nicht ausreichend offenbart und deshalb nicht aussagekräftig seien, hält die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ es daher für angezeigt, die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des Hilfsantrags 7, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, zurückverwiesen.

Quick Navigation