T 1053/15 (Abschirmung gegen Strahlen / Alishahi) of 25.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T105315.20200925
Datum der Entscheidung: 25 September 2020
Aktenzeichen: T 1053/15
Anmeldenummer: 01925178.4
IPC-Klasse: A61N1/16
E04H9/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUM ABSCHIRMEN GEGEN STRAHLEN
Name des Anmelders: Alishahi, Ali
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83 (2007)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der Beschwerde wird die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen, angefochten.

II. Die Anmeldung wurde wegen mangelnder Offenbarung zurückgewiesen. Laut der Prüfungsabteilung sei die im Anspruch 1 definierte "Vorrichtung zum Abschirmen von Strahlen" nicht im vollen Umfang des Schutzbereichs offenbart.

III. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Basis der vor der Prüfungsabteilung vorliegenden Fassung.

IV. In einem Bescheid nach Regel 100(2) EPÜ teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung mit, dass die beanspruchte Erfindung nicht ausreichend deutlich offenbart sei, und dass eine Vorrichtung, die nicht unterhalb der Erdoberfläche angeordnet ist in der ursprünglich eingereichten unterlagen keine Basis habe.

V. Die Beschwerdeführerin reichte einen neuen Hauptantrag und einen Hilfsantrag ein und war der Ansicht, dass die vorgenommenen Änderungen alle Einwände ausräumen würden.

VI. Ein Antrag auf mündliche Verhandlung ist im Beschwerdeverfahren nicht gestellt worden.

VII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

Vorrichtung zum Abschirmen gegen Strahlen mit einer Wandstruktur (13, 32, 4, 15) mit Wänden, die eine kugelförmige Hülle (3) bildet die einen Raum umgibt, der gegen die Strahlen abzuschirmen ist, und wobei die Hülle (3) unterhalb der Erdoberfläche angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Wandstruktur mit fünf Stäben (7) verbunden ist, dass vier Stäbe (7) etwa in einer Ebene und auf einander etwa im rechten Winkel schneidenden Achsen liegen, dass der fünfte Stab (7) auf einer Achse angeordnet ist, die zur Ebene der vier ersten Stäbe (7) im rechten Winkel ausgerichtet ist, und dass sich die Achsen (7) im Zentrum der Hülle (3) schneiden.

VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags fügt am Ende hinzu:

und dass die Wandstruktur aus einer gitterförmigen Konstruktion aus Stäben (13, 32; 45, 46, 47) besteht und dass die gitterförmige Konstruktion auf ihrer Außenseite mit Kupferplatten (14), die mit einer Schicht aus Silber und Palladium überzogen sind, und auf seiner Innenseite mit Kupferplatten versehen ist.

Entscheidungsgründe

1. Die im Hauptantrag vorgenommenen Änderungen sprechen den Einwand bezüglich Artikel 123(2) an.

2. Die Änderungen selbst üben aber hier kein Einfluss auf die Bewertung der Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPÜ aus, da das strittige Merkmal im jeweiligen Anspruch 1 definiert bleibt (beide Anträge). Die Beschwerdeführerin hat sich zum Einwand unter Artikel 83 EPÜ schriftlich geäußert und keinen Antrag auf einer mündlichen Verhandlung gestellt. Die Sache kann daher entschieden werden (Artikel 12(8) VBOK).

3. Die Erfindung geht von der Theorie aus, dass

der gesamte menschlichen Körper, seine Zellen und seine Gene im Zeitalter der Technik ständig unter dem Einfluß krebserregender Wellen bzw. Strahlenenergie stehen (veröffentlichte Anmeldung, Seite 1, Zeilen 9 - 12).

4. Wird der Mensch gänzlich von Strahlen abgeschirmt, so dass

die Ursache der durch die Strahlung verursachten Reizüberflutung behoben ist, kommt es wieder zu einer regulierten Zellteilung. Das Wuchern kranker Krebszellen wird eingedämmt und das Immunsystem entlastet und so gestärkt, dass zumindest ein Stagnieren und in weiterer Folge ein Abbau bereits vorhandener Krebsgeschwüre erfolgt (Seite 1, Zeilen 34 - 39).

5. Gegenstand der Erfindung ist deshalb eine Vorrichtung zum Abschirmen gegen Strahlen. Sie besteht aus einer unterirdisch angeordnete kugelförmige Hülle (Seite 2, Zeile 12 bis 17; Anspruch 1 beider Anträge).

6. Der Patient wird in der Vorrichtung gegen jegliche Strahlung von außen abgeschirmt (Seite 2, Zeilen 31 - 32). Hierdurch wird

das überflüssige, positive Potential in den Zellen absorbiert und gleichzeitig das negative Potential erhöht ... die Kanäle der Zellwände und der Kernhülle sowie auch der kleinen Kernwand gänzlich oder fast gänzlich geschlossen. Das heißt, daß sich die Zellen nicht mehr unkontrolliert teilen können, wodurch sich der Körper regeneriert, Geschwüre abgebaut werden und der Krebs geheilt wird (Seite 2, Zeilen 21 - 28).

7. Die Prüfungsabteilung war der Ansicht, dass das einzige Ausführungsbeispiel nicht gegen jegliche Strahlung, insbesondere gegen energiereiche Strahlungen (z.B. radioaktive, Gamma- oder kosmische Strahlung) abschirmen könne.

8. Laut der Beschwerdeführerin sei dies weder rechtlich noch sachlich korrekt.

9. In rechtlicher Hinsicht sei eine Zweckbestimmung kein strukturelles Merkmal. Die Erfindung sei ausreichend offenbart, wenn die Anmeldung glaubhaft mache, dass der Zweck erreicht werden könne. Es sei nicht nötig, den ganzen Schutzbereich mit Beispielen abzudecken. Im vorliegenden Fall sei der Fachmann in der Lage, durch Versuche festzustellen, inwieweit der Zweck erreicht werde, und das Gerät zweckgemäß zu dimensionieren.

10. In sachlicher Hinsicht bewirke die im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierte Struktur eine deutliche Reduktion auch energiereicher Strahlungen. Eine vollständige Abschirmung sei nach Wortlaut des Anspruchs nicht nötig.

11. Durch die unterirdische Anordnung werde insbesondere eine Abschirmung gegen Partikelstrahlen und Lichtstrahlen erreicht. Die Metallhülle sorge für eine Abschirmung gegen elektromagnetischen Strahlen.

12. Die kritische Intensität, also das kritische Reduktionsniveau, sei dem Fachmann bekannt. Er sei auch in der Lage, das Gerät gegebenenfalls anzupassen, um die notwendige Reduktion zu erreichen.

13. Nach ständiger Rechtsprechung (Rechtsprechung der Beschwerdekammern I.C.8.1.5, 2019 Auflage) ist eine Zweckbestimmung so auszulegen, dass eine Vorrichtung sich für den definierten Zweck eignet. Sollten die anderen definierten Merkmale nicht genügen, impliziert die Zweckbestimmung weitere physikalische Merkmale, die die Vorrichtung befähigen, sich für diesen Zweck zu eignen.

14. Im Rahmen der Offenbarungserfordernisse muss der Fachmann demzufolge auf Basis der Anmeldung und seiner allgemeinen Fachkenntnisse in der Lage sein, die weitere implizite physikalische Merkmale zu identifizieren und die Vorrichtung entsprechend herzustellen.

15. Wenn mehrere Zwecke gleichzeitig definiert sind, muss folgerichtig die Vorrichtung gleichzeitig für alle Zwecke geeignet sein. Auch wenn Beispiele nicht für alle Zwecke angegeben werden müssen, muss der Fachmann in der Lage sein, die Vorrichtung derart zu konfigurieren, dass sie für alle Zwecke geeignet ist.

16. Im vorliegenden Fall, lautet die Zweckbestimmung "zum Abschirmen gegen Strahlen". Um die Vorrichtung konfigurieren zu können, muss der Fachmann erst bestimmen, gegen welche Strahlenarten abgeschirmt werden soll und was unter "Abschirmen" zu verstehen ist. Weil für jede Strahlenart unterschiedliche Abschirmensmaßnahmen benötigt werden (die Abschirmung gegen kosmischen Strahlen erfordert andere Maßnahme als die Abschirmung gegen UV-licht), definiert diese Zweckbestimmung de facto einen vielfältigen Satz von Zwecken, bzw. einen für jede Strahlenart.

17. Nach Ansicht der Prüfungsabteilung, muss gegen alle Strahlenarten abgeschirmt werden.

18. Die Beschwerdeführerin vermag diese Auslegung nicht zu widersprechen. Die Beschreibung weist auf keine Beschränkung der Wellenlängen hin, sondern ganz im Gegenteil auf jegliche Strahlung (Seite 2, Zeilen 31-32; Absatz 6, oben).

19. Der Fachmann könnte eventuell vermuten, dass nur gegen krebserregende Strahlen abgeschirmt werden soll (Seite 1, Zeilen 29-32). Da diese nicht identifiziert werden, wäre eine derartige Auslegung der Zweckbestimmung aber unklar, und führe zu einer unklaren technischen Aufgabe.

20. Um den definierten Zweck zu erreichen muss daher der Fachmann die Vorrichtung mit physikalischen Merkmale versehen, die gleichzeitig gegen allen Strahlenarten abschirmen.

21. Der zweite Auslegungspunkt ist der Begriff "Abschirmen" selbst.

22. Die Kammer stimmt hier der Beschwerdeführerin zu, dass keine vollständige Barriere dargestellt werden muss. Trotz mehrere Aussagen die eine gänzliche Abschirmung betreffen (z.B. Seite 2, Zeilen 31 - 32: gegen jeglichen Strahlung von außen abgeschirmt) versteht der Fachmann, dass eine Reduktion auf eine unkritische Intensität in der Tat auch zweckgemäß wäre: Seite 1, Zeile 30 besagt z.B. nicht, dass gänzlich von krebserregenden Strahlungen abzuschirmen ist, sondern gänzlich gegen deren Wirkung; Seite 2, Zeile 9 besagt, dass für den Zweck der Erfindung eine hohe Abschirmung erforderlich ist.

23. Allerdings gibt es in der Anmeldung keinen Hinweis darauf, wie hoch die erforderliche hohe Abschirmung (Seite 2, Zeile 9) sein sollte. Auch fehlen Versuchsergebnisse, welche erlauben könnten, die von der Vorrichtung erreichten Reduktionsniveaus zu bewerten.

24. Es mag sein, wie von der Beschwerdeführerin vorgeführt, dass für einige Wellenlänge die kritische Exposition dem Fachmann bekannt ist. Doch der Zweck hier ist gegen allen Strahlungen abzuschirmen.

25. Es mag auch sein, wie die Beschwerdeführerin auch vorgeführt hat, dass die Form einer Kugel und die verwendeten Stoffe (Kupfer/Palladium) einige Elektromagnetische Strahlungen und die unterirdische Anordnung einige Partikelstrahlungen mindestens teilweise blockieren. Das Problem bleibt aber, dass der Fachmann nicht weiß, welche weitere physikalische Merkmale für eine geeignete gleichzeitige Verringerung aller Strahlenarten notwendig sind.

26. Die Gestaltung der Vorrichtung um diese weitere Merkmale zu gewährleisten, wenn es überhaupt möglich wäre, stellt für den Fachmann einen unzumutbaren Aufwand dar.

27. Zum ersten weiß der Fachmann nicht welche Abschirmungseigenschaften die beschriebene Vorrichtung schon hat. Deren Messung für alle Strahlenarten ist schon eine erhebliche Aufgabe.

28. Zum zweiten ist offenbart weder welche Abschirmungseigenschaften (Höhe der Abschirmung) benötigt werden, noch welche Materialen und Formen für alle verschiedenen Strahlenarten anzuwenden sind.

29. Aus den obenstehenden Überlegungen kommt die Kammer zum Schluss, dass die technische Lehre nicht ausreicht, um die beschriebene Wirkung der Vorrichtung, d.h. Abschirmung gegen (wenigstens krebserregenden) Strahlen, zu erreichen oder überhaupt zu evaluieren.

30. Es folgt, dass die beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass der Fachmann sie ausführen könnte (Artikel 83 EPÜ).

31. Da Anspruch 1 beider Anträge dieselbe Zweckbestimmung definieren, gilt dies für beide.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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