T 1039/15 () of 30.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T103915.20190130
Datum der Entscheidung: 30 Januar 2019
Aktenzeichen: T 1039/15
Anmeldenummer: 04025453.4
IPC-Klasse: E01C 19/00
E01C 19/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Steuern eines Strassenfertigers
Name des Anmelders: Joseph Vögele AG
Name des Einsprechenden: ABG Allgemeine Baumaschinen-Gesellschaft mbH
CATERPILLAR INC.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention Art 52(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 544 354 (im Folgenden: Patent) betrifft ein Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers.

II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurden zwei Einsprüche eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden geltend gemacht unzulässige Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung (Artikel 100 c) EPÜ 1973), unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ 1973) sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973).

III. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hat diese entschieden, dass der Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung sowie in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag I entgegenstehe, und dass das Patent in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag II den Erfordernissen des EPÜ genüge.

IV. Die Patentinhaberin und die Einsprechenden 1 und 2 haben jeweils Beschwerde gegen diese Zwischenentscheidung eingelegt.

V. Nachdem alle Beteiligten somit Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin sind, werden sie im Folgenden nur in ihrer Eigenschaft als Patentinhaberin bzw. Einsprechende benannt.

VI. Eine mündliche Verhandlung fand am 30. Januar 2019 statt.

VII. Anträge

Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche eines der Hilfsanträge I bis VIII, eingereicht mit Schreiben vom 5. Februar 2015, aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechenden 1 und 2 beantragten jeweils, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VIII. Anspruchssätze

a) Hauptantrag

Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet folgendermaßen (die Nummerierung der Merkmale wurde in Anlehnung an die in der angefochtenen Entscheidung und von den Beteiligten verwendete Merkmalsanalyse hinzugefügt):

1) Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers,

2) wobei in einem Einstellvorgang zunächst eine

Grundeinstellung wenigstens eines Betriebs-

parameters von wenigstens einer Arbeitskomponente

des Straßenfertigers nach vorgegebenen

Standardbedingungen, und

3a) auf der Basis der Grundeinstellung anschließend

eine Feineinstellung des Betriebsparameters

3b) unter Berücksichtigung tatsächlicher Gegebenheiten

im Betrieb vorgenommen wird,

dadurch gekennzeichnet, dass

4) der Betriebsparameter nach der Feineinstellung

5a) sowie eine besonders wichtige, mehrere oder so

viele wie möglich der tatsächlichen Gegebenheiten

5b) mit Bezug auf den fein eingestellten Betriebs-

parameter gespeichert werden und

6a) dieser Betriebsparameter als Standardbedingung für

die Grundeinstellung in einem weiteren Einstell-

vorgang

6b) auf einer neuen Baustelle

6c) bei vergleichbaren tatsächlichen Gegebenheiten

verwendet wird.

b) Hilfsantrag I

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, dass mit dem (zu speichernden Betriebsparameter) "ein optimales Ergebnis erhalten wurde".

c) Hilfsantrag II

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, dass "der fein eingestellte Betriebsparameter in dem Einstellvorgang unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten im Betrieb zu einem optimalen Ergebnis geführt hat".

d) Hilfsantrag III

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, dass "die tatsächlichen Gegebenheiten die Außentemperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Windgeschwindigkeit, die Art des verwendeten Einbaumaterials, die Art der einzubauenden Fahrbahndecke, die spezielle Trassenführung, die gewünschte Verdichtung der Fahrbahndecke und die Arbeitsbreite sind".

e) Hilfsantrag IV

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, dass "die tatsächlichen Gegebenheiten die Art der einzubauenden Fahrbahndecke, die gewünschte Verdichtung der Fahrbahndecke und die Arbeitsbreite sind".

f) Hilfsantrag V

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, dass bei Verwendung der abgespeicherten Betriebsparameter für die Grundeinstellung eines weiteren Einstellvorgangs auf einer neuen Baustelle "nachfolgend eine weitere Feineinstellung vorgenommen wird".

g) Hilfsantrag VI

Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Änderungen am Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sind wie folgt kenntlich gemacht: Gestrichene Passagen erscheinen im Text als durchgestrichen und neue Passagen erscheinen im Fettdruck):

Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers, wobei in einem Einstellvorgang zunächst eine Grundeinstellung [deleted: wenigstens eines] einer Mehrzahl von Betriebsparametern[deleted: s] einer Mehrzahl von [deleted: wenigstens einer] Arbeitskomponenten des Straßenfertigers nach vorgegebenen Standardbedingungen, und auf der Basis der Grundeinstellung anschließend eine Feineinstellung der[deleted: s] Mehrzahl von Betriebsparametern[deleted: s] unter Berücksichtigung tatsächlicher Gegebenheiten im Betrieb vorgenommen wird, dadurch gekennzeichnet, dass [deleted: der] die Mehrzahl von Betriebsparametern nach der Feineinstellung als Paket gespeichert werden sowie eine besonders wichtige, mehrere oder so viele wie möglich der tatsächlichen Gegebenheiten mit Bezug auf [deleted: den] die fein eingestellten Betriebsparameter gespeichert werden und [deleted: dieser] die Mehrzahl von Betriebsparametern als Paket als Standardbedingung für die Grundeinstellung in einem weiteren Einstellvorgang auf einer neuen Baustelle bei vergleichbaren tatsächlichen Gegebenheiten verwendet wird.

h) Hilfsantrag VII

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, dass "die Betriebsparameter der Feineinstellungen einer Vielzahl von Einstellvorgängen als Auswahlmenge gespeichert werden".

i) Hilfsantrag VIII

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass im Oberbegriff das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, dass die Feineinstellung des Betriebsparameters im Betrieb "während einer Einbauphase" vorgenommen wird.

IX. Entgegenhaltungen

a) In ihren Beschwerdebegründungen haben die Beteiligten Bezug unter anderem auf folgende, in der angefochtenen Entscheidung genannte Druckschriften genommen:

D1/KBS4: DE 94 16 667 U1

KBS10: Riechert A. und Nolle B., "Qualität

organisieren - wer, was, wann, wie, wo",

asphalt, Deutscher Asphaltverband e.V., Juni

1999, Deckblätter und Seiten 41 bis 53

b) Die Einsprechende 1 hat folgende Druckschrift erstmalig mit ihrer Beschwerdebegründung angeführt:

D13: Blumer M., "Der maschinelle Einbau bituminöser

Beläge", Bitumen, 6/1965, Seiten 160 bis 168

c) Mit Schreiben vom 31. Juli 2015 hat die Einsprechende 1 folgende Druckschrift erstmalig angeführt:

D14: Blumer M., "Praktischer Strassenbau: Band 2 -

Oberbau", Baufachverlag AG, 1977, Inhalts-

verzeichnis, Einleitung, Seiten 452 bis 481

d) Die Einsprechende 2 hat folgende Druckschrift erstmalig mit ihrer Beschwerdebegründung angeführt:

KBS16: "Einbaufibel - Tipps und Tricks für den

richtigen Einsatz eines Straßenfertigers",

Vögele AG, Inhaltsverzeichnis, Seiten 10 bis 20

und 48

X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Hilfsantrag II - Erfinderische Tätigkeit

Vorbringen der Einsprechenden:

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf das allgemeine Fachwissen, wie es in Absätzen 2 und 3 der Patentschrift gewürdigt und durch D13, D14, KBS10 und KBS16 dokumentiert werde, in Kombination mit D1/KBS4.

Der Begriff "tatsächliche Gegebenheiten" sei in Anspruch 1 nicht näher definiert und dürfe mithin breit ausgelegt werden. Als Beispiele benenne das Patent u. a. die Art des verwendeten Einbaumaterials, den gewünschten Verdichtungsgrad, die gewünschte Einbaubreite und die Wetterverhältnisse (in der Patentschrift siehe Absatz 2, Seite 2, Zeilen 14 und 15; Absatz 23, Seite 6, Zeilen 3 bis 6). Diese stellten vollkommen gewöhnliche Einflussfaktoren für die Einstellung der Einbaubohle eines Straßenfertigers dar (KBS10; D14, Seiten 470 und 471; D13, Seiten 161 und 167; KBS16, Seite 48).

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von dem herkömmlichen Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers auf einer Baustelle mit manuell durch geschultes Bedienpersonal eingestellten Betriebsparametern ausschließlich darin, dass ein fein eingestellter Betriebsparameter und eine zugehörige relevante Gegebenheit (z. B. das Einbaumaterial oder die Einbaubreite) gespeichert und nicht nur vom Bedienpersonal im Gedächtnis gemerkt oder niedergeschrieben werden, und dass die gespeicherten Daten für einen möglichen zukünftigen Einstellvorgang auf einer anderen Baustelle abrufbar seien.

Die sich dem Fachmann stellende Aufgabe könne somit darin gesehen werden, die Einstellung des Straßenfertigers schneller und einfacher vorzunehmen.

Für den Fachmann liege es aufgrund des allgemeinen Trends in der Technik, manuelle Bedienungsvorgänge zu automatisieren, nahe, das Ergebnis des manuellen Einstellvorgangs - d. h. der fein eingestellte Betriebsparameter und die zugehörige Gegebenheit - abzuspeichern und für zukünftige Einstellvorgänge zur Verfügung zu stellen.

D1/KBS4 zeige zudem, dass bereits eine Straßenwalze mit Mitteln zur korrelierten Abspeicherung der fein eingestellten Betriebsparameter der Maschinenkomponente und der zugehörigen Gegebenheiten vorgeschlagen worden sei, wobei die abgespeicherten Daten es einem nicht routinierten Bedienpersonal gestatten würden, optimale Verdichtungen auf einer neuen Baustelle zu erzielen (Seite 12, Absatz 3 bis Seite 13, Absatz 1). Bei Übertragung der Lehre von D1/KBS4 auf das herkömmliche Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers gelange der Fachmann zwangsläufig und unmittelbar zum Gegenstand von Anspruch 1.

Vorbringen der Patentinhaberin:

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II beruhe gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgangspunkt der Erfindung sei das allgemein bekannte, in Absätzen 2 und 3 der Patentschrift gewürdigte Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers auf einer Baustelle, mit einer erfahrungsbasierten manuellen Feineinstellung der Betriebsparameter des Straßenfertigers während der Einbauphase in Abhängigkeit von den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Lehre auf Seite 167 von D13 bzw. auf Seite 470 von D14 betreffe hingegen lediglich die Einstellung des Straßenfertigers vor Beginn der Einbaufahrt, d. h. beim Einschwingen des Straßenfertigers, nicht aber den Einstellvorgang im Betrieb während der Einbauarbeiten. Ferner würden KBS10 und KBS16 keinerlei Angaben darüber enthalten, wie die Betriebsparameter der Arbeitskomponente des Straßenfertigers fein eingestellt würden.

Wie in Absatz 3 der Patentschrift beschrieben, sei die Feineinstellung der Betriebsparameter bislang so vorgenommen worden, dass das Bedienpersonal zunächst eine Grundeinstellung nach Standardwerten verwende, die aus seiner persönlichen Erfahrung resultierten, und anschließend eine Feineinstellung vornehme, um die Betriebsparameter den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen.

Das Bedienpersonal sammle zwar Erfahrungswerte an, die dann zur Grundeinstellung nach einem sich unbewusst im Laufe der Zeit entwickelnden Gefühl benutzt werden. Es liege jedoch kein Nachweis vor, dass die angesammelten Erfahrungswerte optimalen Feineinstellungen nach konkreten Einstellvorgängen entsprächen und dass die Einstellwerte der Betriebsparameter die tatsächlichen Gegebenheiten überhaupt berücksichtigten. Dem Bedienpersonal sei bislang nicht bewusst gewesen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Betriebsparametern und den tatsächlichen Gegebenheiten bestehe. Die anderweitigen Behauptungen der Einsprechenden entsprächen einer rückschauenden Betrachtung in Vorkenntnis der Erfindung.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich daher vom herkömmlichen Steuerungsverfahren mit einem zweistufigen Einstellvorgang durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils.

Die zu lösende Aufgabe könne darin gesehen werden, ein Steuerungsverfahren bereitzustellen, mit dem die Einstellungen wesentlich einfacher und schneller vorzunehmen sein.

Die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe sei in ihrer Gesamtheit nicht durch D1/KBS4 nahegelegt und beruhe also auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Fachmann würde D1/KBS4 nicht heranziehen, weil es keinen Straßenfertiger betreffe, sondern ein Bodenverdichtungsfahrzeug. Selbst wenn der Fachmann D1/KBS4 heranziehen würde, erhielte er dort aus folgenden Gründen keine Anregung für die beanspruchte Lösung.

D1/KBS4 offenbare zwei alternativen Verfahren, um in einem Speicher des Fahrzeugs Verdichtungsdaten zu speichern.

Das erste Verfahren, auf das sich die Einsprechenden bezögen, betreffe ein "ingenieurmäßig[es]" Ermitteln optimaler Verdichtungsdaten und ein Ablegen derselben im Speicher. Im Unterschied zur beanspruchen Erfindung (Merkmal 4) von Anspruch 1) seien die abgespeicherten Daten also nicht in einer Feineinstellung im Betrieb durch den Fahrzeugführer erhalten worden, sondern "ingenieurmäßig" ermittelt (Seite 13, Zeile 23), also z. B. durch Berechnungen oder Simulationen im Ingenieurbüro. Auch würden keine tatsächlichen Gegebenheiten abgespeichert werden, entgegen Merkmalen 5a) und 5b) von Anspruch 1.

Beim zweiten Verfahren seien die zuletzt verwendeten Verdichtungsdaten abgespeichert, damit diese "nach einem kurzen Unterbruch, wie z. B. Beseitigung eines Hindernisses auf der zu verdichtenden Oberfläche, Gang zur Toilette, etc. wieder aufgerufen werden können und der Verdichtungsvorgang einfach weitergeführt werden kann, ohne eine Wiedereinstellung der Daten vornehmen zu müssen" (Seite 12, Absatz 2). Auch bei diesem Verfahren erfolge keine Abspeicherung von tatsächlichen Gegebenheiten. Im Unterschied zur beanspruchen Erfindung (siehe Merkmal 6b)) würden die abgespeicherten Verdichtungsdaten nicht als Grundeinstellung für einen weiteren Einstellvorgang auf einer neuen Baustelle eingesetzt werden, sondern lediglich zum Fortführen des Verdichtungsvorgangs nach der kurzen Unterbrechung.

Damit sei der Gegenstand von Anspruch 1 von keinem der beiden Verfahren zur Speichernutzung von D1/KBS4 nahegelegt.

Schließlich würde der Fachmann, der das herkömmliche Steuerungsverfahren verbessern möchte, mehrere alternative Lösungen in Betracht ziehen, die jeweils naheliegender als die beanspruchte Lösung seien. Beispielweise könnte er die bei einem Einbauvorgang zuletzt eingestellten Betriebsparameter des Straßenfertigers abspeichern, um sie als Grundeinstellung beim nächsten Einbauvorgang zu verwenden. Alternativ könnte er den manuell ausgeführten Einstellvorgang durch eine automatische Regelung, ohne Zugriff des Bedienpersonals, ersetzen.

b) Hilfsanträge III bis VIII

Vorbringen der Patentinhaberin:

Die in Hilfsantrag III bzw. IV genannten tatsächlichen Gegebenheiten würden die durch Einstellung der Betriebsparameter erreichbare Einbauqualität besonders stark beeinflussen. Die Abspeicherung zumindest einer dieser Gegebenheiten erlaube eine sinnvolle Bewertung, bei welchen Gegebenheiten ein gespeicherter Betriebsparameter wieder zum Einsatz gebracht werden solle. Diese Maßnahme sei im Stand der Technik weder offenbart noch nahelegt.

Gemäß Hilfsantrag V werde auf einer anderen Baustelle ein zweistufiges Einstellverfahren durchgeführt, mit einer Grundeinstellung und einer darauf basierten Feinstellung.

Dank dem zusätzlichen Merkmal gemäß Hilfsantrag VI werde eine besonders gute Grundeinstellung der Betriebsparameter verschiedener Arbeitskomponenten des Straßenfertigers als Paket abrufbar, da die Betriebsparameter zumindest bis zu einem gewissen Grad bereits untereinander abgestimmt seien. Auch diese Maßnahme sei im Stand der Technik weder offenbart noch nahelegt. Insbesondere könne nicht erwartet werden, dass das Bedienpersonal sowohl kausale Zusammenhänge zwischen den Betriebsparametern und den tatsächlichen Gegebenheiten als auch kausale Zusammenhänge zwischen den Betriebsparametern verschiedener Arbeitskomponenten untereinander erkenne und sich konkret für einen bestimmten Einbauvorgang merke.

Dank dem zusätzlichen Merkmal gemäß Hilfsantrag VII könne die für einen Einstellvorgang auf einer neuen Baustelle benötigte Zeit weiter reduziert werden. Auch könne das erfindungsgemäße System durch wiederholten Einsatz verbessert werden. Dieses Konzept sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII sei klargestellt worden, dass das Merkmal "im Betrieb" mit "während einer Einbauphase" gleichzusetzen sei.

Vorbringen der Einsprechenden:

Die in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III bzw. IV aufgelisteten tatsächlichen Gegebenheiten seien genau die Gegebenheiten, die vom Bedienpersonal nicht beeinflusst werden könnten und einen besonders großen Einfluss auf die mit bestimmten Betriebsparametern erreichbare Einbauqualität hätten. Eine erfinderische Auswahl erfolge demnach nicht.

Das in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag V hinzugefügte Merkmal einer weiteren, auf der Grundeinstellung basierten Feinstellung betreffe nicht das beanspruchte Steuerungsverfahren, sondern einen möglichen zukünftigen Einstellvorgang auf einer anderen Baustelle. Davon abgesehen sei das Vorsehen eines zweistufigen Einstellvorgangs eine Standardmaßnahme.

Auch das zusätzliche Merkmal gemäß Hilfsantrag VI sei eine fachübliche Maßnahme. Zur optimalen Erfüllung der Aufgabe des Einbaus seien eine Reihe von Betriebsparametern der Einbaubohle einzustellen, insbesondere Hub und Frequenz des Tampers, Amplitude und Frequenz der Vibrationsbohle, Anpressdruck der Pressleisten und Einbauhöhe (siehe z. B. KBS10, Seite 43, linke Spalte; KBS16, Seite 48). Dabei hinge die Einbauqualität unmittelbar vom Zusammenwirken der eingestellten Betriebsparameter ab, die optimal aufeinander abgestimmt sein müssten. Der Fachmann würde mithin in naheliegender Weise all diese fein eingestellten Betriebsparameter als Paket abspeichern.

Das in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII hinzugefügte Merkmal sei bereits in D1/KBS4 in identischer Weise offenbart. So werde dort gelehrt, dass mehrere vollständige Verdichtungsprogramme abgespeichert würden und im Bedarfsfalle abrufbar seien (Seite 2, Zeilen 14 bis 17; Seite 13, Zeilen 22 bis 27). Dies setze eine Vielzahl von Einstellvorgängen voraus, um die Auswahlmenge zu schaffen.

Die Klarstellung in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII, dass die Feineinstellung im Betrieb während einer Einbauphase durchgeführt werde, beschränke den beanspruchten Gegenstand nicht.

Entscheidungsgründe

1. Anwendbares Recht

1.1 Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, ist am 26. Oktober 2004 eingereicht worden, d. h. vor dem Inkrafttreten des revidierten Übereinkommens (EPÜ 2000) am 13. Dezember 2007.

1.2 Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung des Artikels 1 (1) des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 139) unter anderem Artikel 56, 100 und 114 (2) EPÜ 1973 sowie Artikel 52 EPÜ (2000) anzuwenden.

2. Berücksichtigung von D13, D14 und KBS16 im Verfahren

2.1 Die Einsprechenden haben die Dokumente D13, D14 und KBS16 eingereicht, um nachzuweisen, dass es zum allgemeinen Fachwissen vor dem Anmeldetag des Patents gehörte, die zuvor gemerkten oder notierten Erfahrungswerte des Bedienpersonals als Grundeinstellung für den Einstellvorgang eines Betriebsparameters zur Optimierung der Steuerung eines Straßenfertigers zu verwenden.

2.2 Das Einreichen dieser Dokumente stellt jeweils eine sachdienliche Reaktion auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in der angefochtenen Entscheidung (Gründe Nr. 14.1.4 bzw. 14.2.3.1) dar und dient nur dazu, das erstinstanzliche Vorbringen der Einsprechenden zur Frage des allgemeinen Fachwissens zu untermauern.

2.3 Die Kammer kam daher zu dem Schluss, diese Dokumente zu berücksichtigen (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 12 (4) VOBK).

2.4 Im Übrigen hat sich die Patentinhaberin nicht gegen die Berücksichtigung dieser Dokumente ausgesprochen.

3. Hilfsantrag II - Erfinderische Tätigkeit

3.1 Es ist unstreitig, dass es zum allgemeinen Fachwissen im relevanten Gebiet des Straßenbaus vor dem Anmeldetag des Patents gehört, dass ein herkömmlicher Straßenfertiger zum Einbau von Fahrbahndecken für Straßen eine Mehrzahl von Arbeitskomponenten enthält, insbesondere einen Fahrantrieb, Misch-, Verteil- und Fördereinrichtungen für das Einbaumaterial zum Herstellen der Fahrbahndecke, Heizeinrichtungen, Nivellierzylinder und eine Einbaubohle mit Tamper, Pressleiste und Glättblech.

Die Betriebsparameter dieser Arbeitskomponente sind einstellbar und müssen vom Bedienpersonal des Straßenfertigers (Fertigerfahrer und Fertigerkolonne) eingestellt werden, um die Arbeitsweise des Straßenfertigers an die unterschiedlichsten tatsächlichen Gegebenheiten auf der Baustelle anzupassen und mithin die hohen an die Fahrbahn gestellten Qualitätsanforderungen zu erfüllen (KBS10, Seite 41; D14, Seiten 452 bis 453. Dies steht im Einklang mit dem Patent (siehe Absatz 2, Seite 2, Zeilen 6 bis 8 in der Patentschrift).

So müssen beispielsweise an der Einbaubohle der Tamperhub und die Tamperdrehzahl, der Vibrationsdruck und die Vibrationsfrequenz, der Pressleistendruck und die Pressleistenfrequenz, die Temperatur der Bohle und die Einbauhöhe durch Verändern des Anstellwinkels der Bohle eingestellt werden (KBS10, Seite 43; D14, Seiten 470 und 471; D13, Seite 161 und Seite 167, rechte Spalte; KBS16, Seite 48). Auch dies steht im Einklang mit dem Patent (siehe Absatz 2, Seite 2, Zeilen 11 bis 13 in der Patentschrift).

Die erforderliche Feineinstellung dieser Betriebsparameter hängt insbesondere vom Zustand des Untergrundes auf der Baustelle, der Art und Temperatur des verwendeten Einbaumaterials, der gewünschten Einbaustärke, dem gewünschten Verdichtungsgrad, der gewünschten Einbaubreite und den Wetterverhältnissen ab (KBS10, Seite 42, linke Spalte, Seite 44, Ablauf- und Informationsschema auf Seite 46 und Seite 49, linke Spalte; D14, Seiten 454, 455, 470 und 471; D13, Seite 167, rechte Spalte). Auch dies steht im Einklang mit dem Patent (siehe Absatz 23, Seite 6, Zeilen 3 bis 6 der Patentschrift).

3.2 Es ist ebenfalls unstreitig, dass die manuelle Feineinstellung aller Betriebsparameter in Abhängigkeit von den tatsächlichen Gegebenheiten und in Abhängigkeit von ihrem Betrieb untereinander komplex und sehr arbeitszeitaufwändig ist und dass es allgemein üblich war, zu Beginn des Einbaus die eigenen gesammelten Erfahrungswerte des Bedienpersonals als Grundeinstellung für die Betriebsparameter zu verwenden und nachfolgend während des Einbaus Feineinstellungen vorzunehmen, sollte die Grundeinstellung nicht bereits zum optimalen Arbeitsergebnis führen (Absatz 3 der Patentschrift). Dieses herkömmliche Steuerungsverfahren mit einer zweistufigen Einstellung der Betriebsparameter entspricht dem im Oberbegriff von Anspruch 1 definierten Verfahren.

In diesem Zusammenhang argumentiert die Patentinhaberin, die Lehren auf Seite 167 von D13 und auf Seite 470 von D14 beträfen nicht die Einstellung der Einbaubohle während der Einbauphase, sondern während des kurzzeitigen instationären Einschwingvorgangs beim Starten des Straßenfertigers. Diese Textstellen dokumentieren jedoch eindeutig das der beanspruchten Erfindung zugrunde liegende Problem der komplexen und arbeitszeitaufwändigen Einstellung der Betriebsparameter der Einbaubohle in Abhängigkeit von den tatsächlichen Gegebenheiten bei Beginn des Einbauvorganges (siehe Absätze 2 und 3 der Patentschrift).

3.3 Bei diesem herkömmlichen Steuerungsverfahren hängt der Erfolg der erforderlichen Feineinstellung der Betriebsparameter und ihre Dauer somit stark von der persönlichen Erfahrung des Bedienpersonals ab und kann in Abhängigkeit von den tatsächlichen Gegebenheiten weiterhin arbeitszeitaufwändig bleiben.

3.4 Aufgrund der aufzuwendenden Arbeitszeit und der Komplexität der für die Feineinstellung notwendigen Vorgänge ist davon auszugehen, dass für das Bedienpersonal das Sammeln eigener Erfahrungswerte - zumindest in der Lernphase - das Speichern im Gedächtnis, oder sogar das Niederschreiben der fein eingestellten Betriebsparameter der Arbeitskomponenten und der zugehörigen relevanten Gegebenheiten nach einem konkreten Einstellvorgang verlangt, wie die Einsprechenden argumentieren. Die gegenteilige Annahme der Patentinhaberin, dass die Erfahrung des Bedienpersonals sich lediglich aus der Summe aller seiner bisher getätigten Einstellvorgänge ergebe, ist nicht plausibel, insbesondere da in der Praxis das Ergebnis eines Einstellvorgangs sehr stark von den tatsächlichen Gegebenheiten abhängt, darunter insbesondere dem gewünschten Verdichtungsgrad des einzubauenden Materials und der gewünschten Einbaubreite.

3.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich vom herkömmlichen Steuerungsverfahren mithin darin, dass zumindest ein eingestellter Betriebsparameter und zumindest eine zugehörige relevante Gegebenheit (elektronisch) gespeichert werden (Merkmal 5b)), wobei der gespeicherte Betriebsparameter als Grundeinstellung in einem weiteren Einstellvorgang auf einer neuen Baustelle bei vergleichbaren tatsächlichen Gegebenheiten verwendet werden kann (Merkmale 6a) bis 6c)).

3.6 In diesem Zusammenhang ist die Kammer der Ansicht, dass mit Merkmalen 6a) bis 6c) von Anspruch 1 kein Schritt definiert wird, der das beanspruchte Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers auf einer Baustelle weiter beschränkt; Sie betreffen lediglich die mögliche zukünftige Verwendung des gespeicherten Betriebsparameters als Grundeinstellung für den Einstellvorgang eines und desselben Straßenfertigers oder eines anderen Straßenfertigers auf einer anderen Baustelle (Absatz 14 der Patentschrift). Die Merkmale 6a) bis 6c) stellen also vielmehr eine Art Zweckangabe dar, nämlich wie die durch das beanspruchte Verfahren gewonnenen Werte in Zukunft verwendet werden können. Hier ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Anspruch 1 weder ein Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers auf mehreren Baustellen, noch ein Verfahren zum Steuern einer Straßenfertigerflotte betrifft.

3.7 Dank der genannten Unterscheidungsmerkmale können die einmal gewonnenen Erfahrungswerte bei weiteren Einstellvorgängen schneller und einfacher berücksichtigt werden. Auch kann einem wenig erfahrenen Bedienpersonal eine gute Grundeinstellung bei vergleichbaren Gegebenheiten zur Verfügung gestellt werden.

3.8 Die objektiv zu lösende technische Aufgabe liegt mithin darin, die Steuerung des Straßenfertigers so weiterzuentwickeln, dass Einstellvorgänge einfacher und schneller erfolgen können (Absatz 10 der Patentschrift).

3.9 Der Fachmann, der sich mit dieser technischen Aufgabe befasst, ist typischerweise ein Maschinenbauingenieur mit Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Straßenfertigern, der in einem Team mit einem Steuerungsingenieur arbeitet.

3.10 Der Fachmann erhält in D1/KBS4 einen konkreten Hinweis auf die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe. So offenbart dieses Dokument ein Bodenverdichtungsfahrzeug für den Straßenbau mit in Abhängigkeit von der Art der auszuführenden Verdichtung einzustellenden Fahrzeugdaten, wobei die eingestellten Daten in einem Datenspeicher abgelegt und für den Verdichtungsbetrieb wieder abrufbar sind. Die gespeicherten Daten betreffen insbesondere die Art des zu verdichtenden Materials, die Verdichtungs- bzw. Vibrationsfrequenz, die Fahrgeschwindigkeit, die Beschleunigungsrampe, die Intervalle für die Berieselung der Walze (Seite 1, Absatz 2; Seite 12, Absatz 1; Tabelle auf Seite 13). Diese Daten stellen zum Teil eine tatsächliche Gegebenheit (Verdichtungsmaterial) oder einen Betriebsparameter im Sinne des Patents dar. In D1/KBS4 wird gelehrt, dass die Abspeicherung von optimalen Daten beliebiger, oft wiederkehrender Verdichtungsvorgänge es dem Fahrzeugfahrer gestatte, vollständige Verdichtungsprogramme mit einmal eingestellten und bereits erprobten Daten vom Datenspeicher abzurufen, welche auf die betreffenden Maschinenkomponenten automatisch übertragbar sind, und dass es mit diesen abgespeicherten Daten nun auch einem nicht routinierten Fahrzeugführer möglich sei, optimale Verdichtungen zu erzielen (Seite 2, Zeilen 14 bis 17; Seite 3, Zeilen 19 und 20; Seite 12, Zeile 21 bis Seite 13, Zeile 27).

3.11 Der Fachmann würde die Vorteile dieser Lehre von D1/KBS4 zur Lösung der gestellten Aufgabe ohne weiteres erkennen. Er hätte auch keine praktischen Schwierigkeiten, diese Lehre auf das herkömmliche Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers anzuwenden und mithin technische Mittel vorzusehen, um die einmal fein eingestellten Betriebsparameter sowie die zugehörigen relevanten Gegebenheiten als optimales Einbauprogramm abzuspeichern und sie auf einer neuen Baustelle bei vergleichbaren Gegebenheiten abrufen zu können. Auf diese Weise würde der Fachmann ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zur beanspruchten Lösung gelangen.

3.12 Die Tatsache, dass D1/KBS4 keinen Straßenfertiger, sondern ein Bodenverdichtungsfahrzeug für den Straßenbau, d. h. eine Straßenwalze betrifft, ändert nichts an seiner Eignung, zur Problemlösung herangezogen zu werden. Zum einen stellen der Straßenfertiger und die Straßenwalze zwei Straßenbaumaschinen dar, die beim Einbau von Asphaltschichten auf derselben Baustelle eng verzahnt zusammenarbeiten und jeweils dazu dienen, Asphaltschichten zu verdichten. Auch stellt sich bei diesen Straßenbaumaschinen jeweils das Problem der komplexen und arbeitszeitaufwändigen Einstellung der Betriebsparameter durch einen mehr oder minder erfahrenes Bedienpersonal bei unterschiedlichsten tatsächlichen Gegebenheiten auf der Baustelle. Daher würde der Fachmann die Lehre von D1/KBS4 heranziehen und aufgrund der unmittelbar zu erzielenden Vorteile mit dem vorbekannten Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers kombinieren.

3.13 Die Patentinhaberin argumentiert, aus der genannten Lehre von D1/KBS4 auf Seite 12, Zeile 21 bis Seite 13, Zeile 27 gehe nicht hervor, die optimalen Verdichtungsdaten durch Feineinstellung im Betrieb zu gewinnen, sondern vielmehr, sie "ingenieurmäßig zu ermitteln" (Seite 13, Zeile 23), d. h. durch Simulation im Ingenieurbüro. Die Kammer teilt diese Auffassung aufgrund folgender Überlegungen nicht.

Der Begriff "ingenieurmäßig" beschränkt sich schon nach dem allgemeinen Verständnis keineswegs nur auf den Einsatz von computergestützten Berechnungen oder Simulationen. Ein solches von der Patentinhaberin behauptetes eingeschränktes Verständnis wird dem fachmännischen Leser von D1/KBS4 auch nicht nahegelegt.

Im Hinblick auf die "ingenieurmäßig[e]" Ermittlung der optimalen Verdichtungsdaten verweist die genannte Textstelle auf Seite 13 von D1/KBS4 explizit auf die vorhergehenden Ausführungen (siehe "wie oben ausgeführt"). Die einzige vorhergehende Textstelle von D1/KBS4, die das Erreichen einer optimalen Verdichtung beschreibt, befindet sich auf Seite 3, Absatz 4. Dort ist beschrieben, dass eine Reihe von Daten für das Bodenverdichtungsfahrzeug eingestellt werden müssen und dass einige Daten laufend während des Verdichtungsvorgangs verändert werden müssen. Die Ermittlung der optimalen Verdichtungsdaten erfolgt mithin im laufenden Betrieb des Bodenverdichtungsfahrzeugs und nicht nur im Rahmen einer Simulation. Der Begriff "ingenieurmäßig" ist in diesem Zusammenhang dahingehend zu verstehen, dass die Ermittlung der optimalen Verdichtungsdaten vor Ort durch Einstellung der Daten und Bewertung des erreichten Verdichtungserfolgs im laufenden Betrieb und auf Grundlage des allgemeinen Fachwissens eines Straßenbauingenieurs erfolgt. D1/KBS4 beinhaltet keinen Hinweis auf eine irgendwie geartete theoretische Berechnung der optimalen Verdichtungsdaten durch einen Ingenieur in Abhängigkeit der tatsächlichen Gegebenheiten aufgrund einer Simulation.

3.14 Auch die Argumentation der Patentinhaberin, in D1/KBS4 werde keine tatsächliche Gegebenheit eines Verdichtungsvorgangs abgespeichert (Merkmale 5a) und 5b)), trifft nicht zu. D1/KBS4 offenbart die Abspeicherung von vollständigen Verdichtungsprogrammen mit fein eingestellten Betriebsparametern der Maschinenkomponente (sog. "Verdichtungsdaten"), von denen der Fahrzeugfahrer in Abhängigkeit der auszuführenden Verdichtung das jeweils Passende auswählen und abrufen kann, um eine optimale Verdichtung zu erzielen (Seite 2, Zeile 14; Seite 3, Zeilen 19 und 20; Seite 12, Zeilen 21 bis 25). Dies setzt voraus, dass die Betriebsparameter jeweils mit Bezug auf relevante tatsächliche Gegebenheiten eines konkreten Verdichtungsvorgangs bereits gespeichert wurden, weil ansonsten eine Zuordnung des jeweils auszuwählenden Verdichtungsprogramms zu einem neu auszuführenden Verdichtungsvorgang unmöglich wäre. Die Tabelle auf Seite 13 von D1/KBS4 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den eingestellten Betriebsparametern und der Art des zu verdichtenden Materials ("Kies" bzw. "Asphalt"). Letztere entspricht einer tatsächlichen Gegebenheit im Sinne der beanspruchten Erfindung (siehe "die Art des verwendeten Einbaumaterials" in Absatz 23 der Patentschrift, Seite 6, Zeilen 4 und 5).

3.15 Schließlich führt die Patentinhaberin noch an, dass der mit der zu lösenden Aufgabe befasste Fachmann eine Reihe von Alternativlösungen in Betracht ziehen würde, die jeweils naheliegender als die beanspruchte Lösung seien. Hierauf kommt es aber rechtlich nicht an, wenn, wie hier, die beanspruchte Lösung bereits durch die Lehre von D1/KBS4 nahegelegt wird. Kommen für den Fachmann auch naheliegende Alternativlösungen in Betracht, spielt es grundsätzlich keine Rolle, welche er zunächst ausprobieren würde.

3.16 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II beruht also nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973.

4. Haupt- und Hilfsantrag I

4.1 Anspruch 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag I betrifft das gleiche Steuerungsverfahren wie Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II, er ist lediglich breiter gefasst. Dies wurde von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt.

4.2 Demnach trifft der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit auf den Anspruch 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag I in gleicher Weise zu.

5. Hilfsanträge III bis VIII

5.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsanträgen III bis VIII unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag darin, dass jeweils ein anderes zusätzliches Merkmal aufgenommen worden ist. Diese Änderungen sind aus folgenden Gründen nicht geeignet, den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit auszuräumen:

5.2 Hilfsanträge III und IV

5.2.1 In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III wurde das zusätzliche Merkmal aufgenommen, dass es sich bei den tatsächlichen Gegebenheiten, von denen eine besonders wichtige, mehrere oder so viele wie möglich gespeichert werden (Merkmal 5a) von Anspruch 1), um "die Außentemperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Windgeschwindigkeit, die Art des verwendeten Einbaumaterials, die Art der einzubauenden Fahrbahndecke, die spezielle Trassenführung, die gewünschte Verdichtung der Fahrbahndecke und die Arbeitsbreite" handelt. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV wurde durch die Auswahl der zu speichernden tatsächlichen Gegebenheiten auf "die Art der einzubauenden Fahrbahndecke, die gewünschte Verdichtung der Fahrbahndecke und die Arbeitsbreite" weiter beschränkt.

5.2.2 Der Fachmann weiß aber aufgrund seines allgemeinen Fachwissens, dass diese tatsächlichen Gegebenheiten jeweils einen besonders großen Einfluss auf die Feineinstellung der Betriebsparameter der Einbaubohle und mithin auf die Qualität der einzubauenden Fahrbahn haben (siehe z. B. KBS10, "Verdichtungsgrad" auf Seite 41 und "Einbaubreite" auf Seite 42, linke Spalte, Ablauf- und Informationsschema auf Seite 46 und Seite 49, linke Spalte). Bei der vorstehend unter Punkt 3.11 beschriebenen Änderung des herkömmlichen Steuerungsverfahrens im Hinblick auf die Lehre von D1/KBS4 würde der Fachmann ohne weiteres geeignete technische Mittel vorsehen, um zumindest eine dieser besonders wichtigen Gegebenheiten (z. B. die Einbaubreite) mit Bezug auf den fein eingestellten Betriebsparameter zu speichern, denn dies ist zwingend erforderlich, um das Ergebnis des Einstellvorgangs als gute Grundeinstellung für einen zukünftigen Einstellvorgang bei vergleichbaren Gegebenheiten zu verwenden.

5.3 Hilfsantrag V

5.3.1 In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag V wurde das zusätzliche Merkmal aufgenommen, dass nach der Grundeinstellung in einem weiteren Einstellvorgang auf einer neuen Baustelle (Merkmal 6c) von Anspruch 1) eine weitere Feineinstellung vorgenommen wird.

5.3.2 Wie bereits im Hinblick auf Hilfsantrag II ausgeführt (Punkt 3.6 vorstehend) betrifft dieses zusätzliche Merkmal lediglich eine Zweckangabe, die jedoch das in Anspruch 1 definierte Verfahren zum Steuern eines Straßenfertigers auf einer Baustelle nicht beschränkt.

5.4 Hilfsantrag VI

5.4.1 In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI wurde das zusätzliche Merkmal aufgenommen, dass eine Mehrzahl von Betriebsparametern einer Mehrzahl von Arbeitskomponenten fein eingestellt und nach der Feineinstellung als Paket gespeichert werden.

5.4.2 Dieses hinzugefügte Merkmal muss wegen fehlender genauer Definition des Zusammenhangs zwischen den "Betriebsparametern" und den "Arbeitskomponenten" breit ausgelegt werden. Deshalb umfasst Anspruch 1 unter anderem ein Steuerungsverfahren, bei dem mehrere Betriebsparameter der ein- und derselben Arbeitskomponente des Straßenfertigers fein eingestellt und nach der Feineinstellung als Paket mit zumindest einer wichtigen tatsächlichen Gegebenheit, wie die immer zu berücksichtigende Einbaubreite, gespeichert werden.

5.4.3 Auch diese zusätzliche Maßnahme liegt für den Fachmann nahe. Er weiß nämlich, dass als wichtige Betriebsparameter der Einbaubohle insbesondere der Tamperhub und die Tamperdrehzahl, der Vibrationsdruck und die Vibrationsfrequenz, der Pressleistendruck und der Anstellwinkel in Abhängigkeit von den tatsächlichen Gegebenheiten fein einzustellen sind (Punkt 3.1 vorstehend). Bei der Änderung des vorbekannten Steuerungsverfahrens im Hinblick auf die Lehre von D1/KBS4 wird er daher technische Mittel für die Abspeicherung auch dieser fein eingestellten Betriebsparameter in ihrer gegenseitigen Beziehung zueinander als Paket vorsehen, denn dies ist zwingend erforderlich, um eine gute Grundeinstellung für einen möglichen zukünftigen Einstellvorgang bei vergleichbaren Gegebenheiten zur Verfügung zu stellen.

5.4.4 Im Übrigen ist in D1/KBS4 gelehrt, die bei der Feineinstellung einer Mehrzahl von Maschinenkomponenten des Bodenverdichtungsfahrzeugs erhaltenen Betriebsparameter als vollständiges Verdichtungsprogramm zu speichern und in einem weiteren Einstellvorgang automatisch auf die betreffenden Maschinenkomponente zu übertragen (Seite 2, Zeilen 14 bis 17). Diese Lehre von D1/KBS4 würde den Fachmann ebenfalls dazu anregen, die bei der Feineinstellung einer Mehrzahl von Arbeitskomponenten des Straßenfertigers erhaltenen Betriebsparameter als Paket zu speichern und als Paket für die Grundeinstellung der Arbeitskomponente in einem weiteren Einstellvorgang zu verwenden.

5.5 Hilfsantrag VII

5.5.1 In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII wurde das zusätzliche Merkmal aufgenommen, dass die Betriebsparameter der Feineinstellungen einer Vielzahl von Einstellvorgängen als Auswahlmenge gespeichert werden.

5.6 Diese Maßnahme liegt für den Fachmann aus den gleichen Gründen nahe wie bei Hilfsantrag VI. Denn D1/KBS4 lehrt, dass dem Fahrzeugführer mehrere vollständige Verdichtungsprogramme als Auswahlmenge zur Verfügung stehen, aus der er jeweils eine optimale Einstellung der Maschinenkomponente im Hinblick auf die auszuführende Verdichtung heraussuchen kann. Dies setzt wiederholte Einstellvorgänge bei unterschiedlichen Verdichtungsvorgängen voraus, um die Auswahlmenge zu schaffen.

5.7 Hilfsantrag VIII

5.7.1 In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII wurde das zusätzliche Merkmal aufgenommen, dass die Feineinstellung des Betriebsparameters "während einer Einbauphase" durchgeführt wird.

5.7.2 Damit wurde zwar die Bedeutung des im erteilten Anspruch 1 verwendeten Begriffs "im Betrieb" klargestellt. Wie die Patentinhaberin selbst ausgeführt hat, bewirkt dies jedoch keine Beschränkung des beanspruchten Gegenstands.

6. Die Kammer kommt also zu dem Schluss, dass der von den Einsprechenden geltend gemachte Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) wie auch in geändertem Umfang auf der Grundlage jedes der Hilfsanträge I bis VIII entgegensteht. Daher ist die Beschwerde der Patentinhaberin unbegründet, die der Einsprechenden dagegen begründet.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

3. Das Patent wird widerrufen.

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