European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T094515.20181112 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 November 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0945/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07803452.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C11D 17/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | WASCH- ODER REINIGUNGSMITTELABGABESYSTEM | ||||||||
Name des Anmelders: | Henkel AG & Co. KGaA | ||||||||
Name des Einsprechenden: | THE PROCTER & GAMBLE COMPANY | ||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichte Beweismittel hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (nein) Spät eingereichter Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (nein) Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Lösung |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden (im Folgenden "Beschwerdeführerin") betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent 2 069 471 B1 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
II. Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung (im Folgenden "Hauptantrag") lautet wie folgt:
"1. Wasch- oder Reinigungsmittelabgabesystem, umfassend einen streifenförmigen, blattförmigen, scheibenförmigen, schichtförmigen, plattenförmigen oder bahnförmigen Wasch- oder Reinigungsmittelformkörper, welcher zumindest zu 20 Gew.-% aus Polymeren besteht sowie eine Substanz mit Reinigungsvermögen umfasst, wobei der Formkörper in einem Entnahmebehältnis bereitgestellt ist, und wobei der Formkörper auf einer Oberfläche eine Klebeschicht trägt, welche ein bei Raumtemperatur unter Druck und/oder bei Anwesenheit von Feuchte klebendes Polymerisat umfasst, und der Formkörper eine Folie aus vorzugsweise flexiblem Material umfasst und eine Substanz mit Reinigungsvermögen in der Folie und/oder als Schicht auf der Folie aufgebracht ist, wobei diese Folie eine geschäumte Folie ist."
III. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin neue Dokumente D8 (US 6162458), D9 (US 20020077266 A1), D10 (WO 03084579) und D11 (J. Schut, "Foamed Films as new Niches", Plastics Technology (2002)) eingereicht, und vorgetragen, dass der Hauptantrag u. a. die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfülle.
IV. Mit ihrer Erwiderung vom 5. Oktober 2015, hat die Patentinhaberin (im Folgenden "Beschwerdegegnerin") Hilfsanträge 1-9 eingereicht und beantragt, die neu eingereichten Dokumente wegen Verspätung nicht in das Verfahren zuzulassen.
V. Mit Schreiben vom 13. Juli 2016 hat die Beschwerdeführerin weitere Dokumente D12/D12a (JP 2002-235098 und Übersetzung), D13 (US 3695989) und D14 eingereicht, und vorgetragen, dass Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber u. a. der Kombination von D12/12a mit D13 nicht erfinderisch sei.
Außerdem war sie der Ansicht, dass die Hilfsanträge 1-9 die Anforderungen der Artikel 123(2), 84 und 56 EPÜ nicht erfüllen.
VI. Nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer hat die Beschwerdegegnerin u. a. beantragt, die neu eingereichten Dokumente nicht ins Verfahren zuzulassen.
VII. Während der mündlichen Verhandlung, die am 12. November 2018 stattfand, wurde die Zulassung der neu eingereichten Dokumente bzw. der Hilfsanträge in das Verfahren sowie die Gewährbarkeit des beanspruchten Gegenstands im Hinblick auf Artikel 56 EPÜ, insbesondere ausgehend von D12/D12a als nächstliegendem Stand der Technik, in Kombination mit D13 erörtert.
VIII. Am Ende der Verhandlung lautete die Antragslage wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise das Patent in geänderter Form auf der Basis eines der Hilfsanträge 1-9, eingereicht mit der Erwiderung zur Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung der neu eingereichten Dokumente
1.1 Dokumente D8-D11
1.1.1 Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, dass diese Dokumente schon im Einspruchsverfahren hätten eingereicht werden sollen und nach Artikel 12(4) VOBK nicht ins Verfahren zugelassen werden sollten.
1.1.2 Die Kammer folgt dem nicht, denn die Dokumente D8-D11 mit der Beschwerdebegründung als Reaktion auf die Aufnahme des Merkmals "geschäumte Folie" in die einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von der Patentinhaberin eingereichten geänderten Anspruchssätze eingereicht wurden. Dieses Merkmal war zwar schon im Patentanspruch 2 einiger Anträge enthalten, der indes wegen der Mängel des Patentanspruchs 1 zunächst nicht im Fokus der Diskussion stand. Erst im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung reichte die Patentinhaberin einen neuen Antrag ein, in dem Anspruch 1 gestrichen war, um dadurch eine Erfindung auf der Grundlage des Merkmals "geschäumte Folie" zu verfolgen.
1.1.3 Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer in Ausübung ihres Ermessens keine Veranlassung, die Dokumente D8-D11 gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen.
1.2 Dokumente D12-D14
1.2.1 Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, dass diese erst nach ihrer Beschwerdeerwiderung eingereichten Dokumente schon im Einspruchsverfahren bzw. spätestens mit der Beschwerdebegründung hätten eingereicht werden sollen und dass sie nach Artikel 13(1) VOBK nicht ins Verfahren zugelassen werden sollten.
1.2.2 Die Kammer stimmt dem nicht zu, weil das Einreichen dieser Dokumente als Reaktion auf die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1-9 anzusehen ist.
Insbesondere ist die Einreichung dieser Dokumente die Reaktion auf die Kombination des Merkmals "wobei der Formkörper wasserlöslich oder wasserdispergierbar ist" mit dem Merkmal "geschäumte Folie" in Hilfsantrag 1. Zwar war diese Kombination, wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend ausgeführt, schon Teil der am 21. Oktober 2014 (d. h. einen Monat vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung) eingereichten Hilfsanträge 1-4. Die Einsprechende hatte aber nicht genügend Zeit, sich vor der mündlichen Verhandlung angemessen auf diese neue Merkmalskombination vorzubereiten. In dem in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von der Patentinhaberin eingereichten neuen Hilfsantrag 5, den die Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet hat, war das maßgebliche Merkmal "wobei der Formkörper wasserlöslich oder wasserdispergierbar ist" demgegenüber nicht mehr vorhanden und wurde dementsprechend nicht relevant für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands.
Die Beschwerdeführerin hatte daher auch keine Veranlassung, sich schon in der Beschwerdebegründung mit diesem Merkmal auseinanderzusetzen, sondern erst nachdem die Beschwerdegegnerin mit ihrer Beschwerdeerwiderung neue Anspruchssätze eingereicht hat, die dieses Merkmal enthielten.
1.2.3 Die Kammer hat ihr Ermessen nach Artikel 13(1) VOBK daher dahingehend ausgeübt, die Dokumente D12-D14 ins Verfahren zuzulassen.
2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
2.1 Dokument D12/D12a, das von den Parteien als nächstliegender Stand der Technik angesehen wurde, offenbart (Absätze [0001], [0007]-[0013], [0018]) ein klebendes blattförmiges Reinigungsmittel umfassend einen plattenförmigen Formkörper, der ein Waschmittel, ein wasserlösliches Polymer und eine wasserlösliche Klebeschicht aufweist. Obwohl der Gewichtsanteil des Polymers nicht explizit offenbart wird, weisen die Abbildungen a1-b4 eine Trägerfolie (Ref. 1), ein Waschmittel (Ref. 2), eine Schutzfolie (Ref. 3) und eine Klebeschicht (Ref. 4) auf, wobei die Kleberschicht und die Folien aus Polymeren bestehen ([0010], [0013] und [0017]) und das Waschmittel vorzugsweise 10-50 Gew. -% eines Waschmittelbuilders enthält, der aus 2 bis 30 Gew.-% löslichen Polymeren besteht ([0031], [0032]).
2.2 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der einzige Unterschied zwischen Anspruch 1 und Dokument D12/D12a darin bestehe, eine geschäumte Folie bereitzustellen. Insbesondere war sie der Auffassung, dass der Verweis in Absatz [0013] dieses Dokuments auf die Lagerung des Reinigungsmittels darauf hindeutete, dass ein Entnahmebehälter implizit offenbart worden sei. Sie trug außerdem vor, dass einen Mindestpolymeranteil von 20 Gew.-% auch implizit offenbart sei, da sowohl die Stützfolie als auch die Klebeschicht aus Polymeren bestehen würden.
2.3 Die Kammer ist der Auffassung, dass der Verweis auf eine "Lagerung" keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung eines Entnahmebehälters ist. Auch bezüglich des Polymergehalts ist lediglich nur belegt, dass er größer als 15% ist (mit 30 Gew.-% als maximaler Polymeranteil eines Waschmittelbuilders, der maximal 50 Gew.-% des Waschmittels beträgt), weil die Menge an Polymer in den Schutz-, Stütz- bzw. Kleberfolien unbekannt und daher auch sehr klein sein kann. Daher ist der Polymergehalt von mindestens 20 Gew.-% nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
D12/D12a offenbart daher nicht, dass der Formkörper
i) zumindest zu 20 Gew. -% aus Polymeren besteht,
ii) in einem Entnahmebehältnis bereitgestellt ist, iii) eine geschäumte Folie umfasst.
2.4 Aufgabe
Gemäß Streitpatent (Absatz [0004]) besteht die Aufgabe darin, ein besonders anwendungsfreundliches und leicht handhabbares Wasch- oder Reinigungsmittel bereitzustellen.
2.5 Lösung
Zur Lösung der obengenannten Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Wasch- oder Reinigungsmittelabgabe-System umfassend einen Reinigungsmittelformkörper gemäß Anspruch 1 vor, welches insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass der Formkörper eine geschäumte Folie umfasst, aus mindestens 20 Gew.-% Polymer besteht und in einem Entnahmebehältnis bereitgestellt wird.
2.6 Erfolg der Lösung
2.6.1 Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, dass die Besonderheiten der geschäumten Folien (gemäß Streitpatent, Absatz [0184], zeichnen sie sich durch besonders gute Haptik und verbesserte Wasserlöslichkeit aus), zusammen mit dem Polymergehalt von zumindest 20 Gew.-% und der Bereitstellung eines Entnahme-behältnisses, die oben gestellte Aufgabe lösen würden.
2.6.2 Die Kammer kann dem nicht folgen, weil wie von der Beschwerdeführerin zutreffend ausgeführt wurde, die drei unterscheidenden Merkmale keinen kombinatorischen technischen Effekt hervorrufen, der anders ausfällt als die Summe der technischen Wirkungen der Einzelmerkmale, da es keine funktionelle Wechselwirkung zwischen diesen Merkmalen gibt.
2.6.3 Die Beschwerdegegnerin hat zwar zutreffend ausgeführt, dass (wie beispielsweise von D13 gezeigt) bestimmte geschäumte Folien besonders wasserlöslich und weich sind und somit eine verbesserte Handhabbarkeit bieten. Indes ist zu merken, dass der geltende Anspruch 1 weder auf ein bestimmtes Material noch auf eine spezifische Wasserlöslichkeit bzw. Weichheit eingeschränkt ist, sodass gewisse geschäumte Folien - wie z. B. Polyurethanfolien - die weder weich noch wasserlöslich sind auch unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fallen, mit der Folge, dass eine verbesserte Handhabbarkeit nicht in der gesamten Breite des Anspruchs zu erwarten ist.
2.6.4 Zudem sind die aus D12/D12a bekannten Folien auch wasserlöslich, so dass auch diese Funktion nicht zur Bestimmung der zu lösenden Aufgabe verwendet werden kann.
2.6.5 Ungeachtet des Umstands, dass die Bereitstellung eines Entnahmebehälters zu einem anwenderfreundlichen System beiträgt, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern der Polymergehalt von mindestens 20 Gew.-% die Anwenderfreundlichkeit und/oder die Handhabbarkeit des Waschmittels beeinflussen kann. Deshalb muss die zu lösende Aufgabe umformuliert werden.
2.7 Neuformulierte Aufgabe
Vor diesem Hintergrund besteht die der Erfindung zugrunde liegende objektive Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines anwenderfreundlichen Wasch- oder Reinigungsmittels.
2.8 Naheliegen der Lösung
2.8.1 Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung für diese Aufgabe angesichts des Standes der Technik nahelegt war.
2.8.2 Dokument D13 lehrt in Spalte 2, Zeile 58 bis Spalte 3, Zeile 6, dass sich hochmolekulare Polyvinylalkohol (PVA)-Folien in kaltem Wasser langsam auflösen, und dass die Einführung von Gasblasen in diese Folien zur Bildung von Schaumstrukturen den Auflösungsprozess erheblich beschleunigt. Im Dokument D13 wird zudem in Spalte 4, Zeilen 11-15, darauf hingewiesen, dass diese verbesserte Löslichkeit im Bereich der Verpackung von pulverförmigen Konsumgütern, wie z. B. Waschmittel, besonders nützlich sei.
2.8.3 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass sich die Waschmittelelemente von D13 (Packungen enthaltend pulverförmiges Waschmittel) von den in D12/D12a blattförmige Reinigungsmitteln unterscheiden und der Fachmann daher eine Kombination dieser Dokumente nicht in Betracht ziehen würde, überzeugt die Kammer nicht. Die durch das Vorhandensein von Gasblasen in PVA-Folien induzierte bessere Löslichkeit ist nämlich unabhängig von der Form des Waschmittelelemente. Außerdem ist die bessere Löslichkeit der geschäumten Folie auch unabhängig von der Art der Verwendung der Folie (ob als Verpackung wie in D13 oder als Träger wie in D12/D12a.
2.8.4 Darüber hinaus hält die Kammer die zusätzlichen Unterscheidungsmerkmale (nämlich den Polymeranteil von mindestens 20 Gew.-% und den Entnahmebehälter) für unzureichend, um ein erfinderisches Zutun gemäß Artikel 56 EPÜ zu belegen.
Wie bereits oben erklärt, offenbart D12/D12a einen Gehalt an Polymeren von mehr als 15 Gew.-%. Ausgehend von dieser Offenbarung, würde man zu einem Polymeranteil von mindestens 20 Gew.-% in eine "Einbahnstraßen-Situation" gelangen, da eine Gesamtmenge von 5% oder mehr für ein System enthaltend eine Schutzfolie, eine Klebefolie und eine Stützpolymerfolie eine triviale Untergrenze darstellt.
Die Bereitstellung eines Entnahmebehälters scheint zudem eine naheliegende Alternative darzustellen. Dieses Merkmal als solches impliziert lediglich einen Behälter, in dem eine Reihe von Waschmittelelementen gespeichert ist. Es versteht sich von selbst, dass solche Behälter nicht nur bekannt sind, sondern die häufigste Alternative darstellen, um dem Kunden ein Konsumgut anzubieten.
2.9 Die Kammer ist daher überzeugt, dass der Fachmann die Lehre von D13 bei der Suche nach anwenderfreundlichen Alternativen für das Waschmittel von D12/12a berücksichtigen würde und dass er damit ohne Ausübung von erfinderischer Tätigkeit zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde.
Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch ist.
Der Hauptantrag erfüllt daher nicht die Anforderungen des Artikels 56 EPÜ.
3. Zulassung des Hilfsantrags 1
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von dem des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal:
"wobei der Formkörper wasserlöslich oder wasserdispergierbar ist und die Klebeschicht wasserdispergierbar oder wasserlöslich ist.",
und entspricht dem Anspruch 2 des Hilfsantrags 1 vom 21. Oktober 2014, der eingereicht wurde als Reaktion auf die vorläufige Stellungnahme der Einspruchs-abteilung, dass Anspruch 2 des Hauptantrags (der dieses Merkmal nicht enthielt) neu und erfinderisch war.
Da der Gegenstand von Anspruch 1 bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt und nicht zurückgewiesen wurde, besteht weder eine Veranlassung noch eine Grundlage ihn gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen.
4. Hilfsantrag 1 - Artikel 56 EPÜ
Es besteht Einigkeit, dass Dokument D12/D12a auch den nächstliegenden Stand der Technik für den Hilfsantrag 1 darstellt.
4.1 Da die Unterscheidungsmerkmale von Anspruch 1 in Bezug auf D12/D12a die gleichen wie im Hauptantrag sind, löst der Gegenstand des Anspruchs 1 die gleiche Aufgabe wie der Hauptantrag.
4.2 Die gegen den Hauptantrag vorgebrachten Einwände gelten daher auch für den Hilfsantrag 1, der somit im Hinblick auf die Kombination von D12/D12a mit der Lehre von D13 nicht erfinderisch ist.
5. Zulassung des Hilfsantrags 2
5.1 Anspruch 1 dieses Antrags entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags mit den folgenden Änderungen:
"zumindest 75 Gew.-% aus Polymeren" (anstelle von 20 Gew.-%),
und
"wobei die Polymere Polyvinylalkohole und/oder PVAL-Copolymere sind, deren Hydrolysegrad 70 bis 100% beträgt, und die Klebeschicht wasserdispergierbar oder wasserlöslich ist."
5.2 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass sowohl der Mindestpolymeranteil von 75 Gew.-% als auch das Polymermaterial der geschäumten Folie in der Beschwerdeerwiderung erstmals ins Verfahren eingeführt wurden. Da die Beanstandungen in Bezug auf die Offensichtlichkeit von geschäumten Folien schon im Einspruchverfahren vorgezogen wurden, hätte die Beschwerdegegnerin die Möglichkeit gehabt, diese Änderungen vor der ersten Instanz einzuführen. Daher sei Hilfsantrag 2 gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen.
5.3 Die Kammer sieht Hilfsantrag 2, in Einklang mit der Argumentation der Beschwerdegegnerin, demgegenüber als Reaktion auf die Einreichung der neuen Dokumente D8-D11 seitens der Beschwerdeführerin. Da im Einspruchs-verfahren kein relevantes Dokument vorgelegt wurde, aus dem hervorging, dass "geschäumte Folien" tatsächlich eine offensichtliche Alternative darstellten, hatte die Beschwerdegegnerin keine Veranlassung, zu diesem Zeitpunkt eine Fallback-Position für dieses Merkmal in Betracht zu ziehen.
Die ersten Dokumente (nämlich D8-D11), die zur Untermauerung der Vorstellung verwendet wurden, dass geschäumte Folien eine offensichtliche Alternative darstellen, wurden mit der Beschwerdebegründung eingereicht, so dass es nicht fair wäre, der Beschwerdegegnerin die Möglichkeit zu nehmen, auf diese Dokumente durch entsprechende Beschränkung des Gegenstands von Anspruch 1 zu reagieren nachdem die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 12(4) VOBK dahingehend ausgeübt hat, diese Dokumente ins Verfahren zuzulassen.
5.4 Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, Hilfsantrag 2 nach Artikel 12(4) VOBK zurückzuweisen.
6. Hilfsantrag 2 - Artikel 123(2) EPÜ
6.1 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass die Definition der spezifischen Polymere zu Kombinationen führe, zum Beispiel die Kombination der jetzt definierten Polymere mit einer wasserlöslichen oder wasserdispergierbaren Klebeschicht, die ursprünglich nicht offenbart worden seien.
Darüber hinaus machte sie geltend, dass die Änderungen auf einer Auswahl aus zwei Listen basieren würden, nämlich aus der Liste von Polymeranteilen auf Seite 2, 2. Absatz und der Liste der Hydrolysengrade auf Seite 4, 2. Absatz.
6.2 Die Kammer ist der Auffassung, dass die Definition der Polyvinylalkohol und/oder PVAL-Copolymere mit einem Hydrolysegrad von 70 bis 100% auf Seite 4, 2. Absatz der ursprünglichen Offenbarung keine Auswahl aus einer Liste, sondern eine bevorzugte Ausführungsform darstellt. Daher ist die Kombination dieser Polymere mit anderen bevorzugten Ausführungsformen (z. B. der wasserlöslichen oder wasserdispergierbaren Klebeschicht) und mit einer Auswahl aus einer Liste (nämlich dem Mindestpolymeranteil von 75 Gew.-%) nach Artikel 123(2) EPÜ ursprünglich offenbart.
7. Hilfsantrag 2 - Artikel 84 EPÜ
7.1 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass die Natur der Polymere nicht definiert sei und somit zu Unklarheiten des Gegenstands nach Artikel 84 EPÜ führe.
7.2 Die Kammer findet diese Argumentation nicht überzeugend, weil der Fachmann unter Verwendung seines allgemeinen Fachwissens in der Lage wäre, Polyvinyl-alkohol oder PVAL-Copolymere geschäumte Folien mit einem Hydrolysegrad von 70 bis 100 Mol-% zu identifizieren bzw. wiederzugeben. Daher kann die Kammer keine Unklarheiten in Anspruch 1 erkennen, die den Fachmann daran hindern könnten, den Schutzumfang der Erfindung klar anzuerkennen.
7.3 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass Hilfsantrag 2 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.
8. Hilfsantrag 2 - Artikel 56 EPÜ
8.1 Nächstliegender Stand der Technik
Die Kammer teilt hierzu die Meinung der Parteien, dass Dokument D12/D12a den nächstliegenden Stand der Technik auch für diesen Antrag darstellt.
8.2 Aufgabe
Wie bereits oben ausgeführt, besteht die Aufgabe des Streitpatents (Absatz [0004]) darin, ein besonders anwenderfreundliches und leicht handhabbares Wasch- oder Reinigungsmittel bereitzustellen.
8.3 Lösung
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Wasch- oder Reinigungsmittelabgabesystem gemäß geltendem Anspruch 1 vor, der insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass der Formkörper enthaltend die Wasch- oder Reinigungssubstanz, "zumindest zu 75 Gew.-% aus Polymeren besteht", bzw. "die Polymere Polyvinylalkohole und/oder PVAL Copolymere sind, deren Hydrolysegrad 70 bis 100 Mol-% beträgt".
8.4 Erfolg der Lösung
8.4.1 Die Beschwerdegegnerin behauptete, dass die in Anspruch 1 definierten Polymere eine besonders gute Wasserlöslichkeit aufweisen und dass der hohe Anteil dieser Polymere zu einem stabileren Formkörper führe.
Diese technischen Effekte würden jeweils die Bereitstellung und die Handhabbarkeit der Waschmittelelemente verbessern und somit zu einer erfolgreichen Lösung der gestellten Aufgabe beitragen.
8.4.2 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der untere Wert von 75% willkürlich gewählt sei und diese Untergrenze keine spezifischen oder unerwarteten technischen Auswirkungen habe.
Die Kammer folgt dem nicht, weil eine Erhöhung des Polymergehalts offensichtlich zu einer verbesserten Stabilität führt, insbesondere angesichts der Tatsache, dass es sich bei den Polymeren nach Anspruch 1 um "Polyvinylalkohole und/oder PVAL-Copolymere" handelt.
Die Beschwerdeführerin argumentierte außerdem, dass weder aus dem Streitpatent noch aus den vorliegenden Beweismitteln hervorgehe, dass die in Anspruch 1 definierten Polymere wasserlöslich seien, geschweige denn, dass sie einen Vorteil in Bezug auf die Wasserlöslichkeit bieten.
Die Kammer ist der Ansicht, dass es allgemein bekannt ist, dass Polyvinylalkohole wasserlöslich sind; dies wird u. a. durch die Dokumente D12, D13 oder D14 bestätigt.
8.4.3 Somit stimmt die Kammer mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl eine verbesserte Wasserlöslichkeit als auch eine erhöhte Stabilität gewährleistet und dass diese technischen Effekte zur erfolgreichen Lösung der gestellten Aufgabe führen.
8.5 Naheliegen der Lösung
8.5.1 Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, dass der Gegenstand von Anspruch 1 im Hinblick auf die Kombination von D12/D12a und D13 nicht erfinderisch sei. Sie räumte ein, dass keines der zitierten Dokumente die Mindestmenge an Polymer von 75 Gew.-% ausdrücklich offenlege, vertrat aber dennoch die Auffassung, dass der Fachmann den beanspruchten Polymeranteil als naheliegende Alternative betrachten würde.
8.5.2 Die Kammer stellt fest, dass D12/D12a nicht ausdrücklich auf die relative Menge an Polyvinyl-alkohole in den Reinigungselementen verweist. Dieses Dokument enthält auch keinen Hinweis, der den Fachmann dazu veranlassen würde, den Betrag auf den hohen Anteil von 75 Gew.-% gemäß Anspruch 1 zu steigern.
8.5.3 Die Kammer ist außerdem der Ansicht, dass Dokument D13 nicht als relevante Lehre zur Lösung der gestellten Aufgabe betrachtet werden kann.
D13 bezieht sich auf wasserlösliche Verpackungen für pulverförmige Konsumgüter wie z.B. Waschmittel. Die Folie in solchen Verpackungen ist im Wesentlichen dazu bestimmt, die Stoffe zu verpacken bzw. zu schützen bevor sie ins Wasser freigelassen werden. Im Gegensatz dazu sind die Polymere in D12/D12a und in Anspruch 1 nicht zu diesem Zweck konzipiert, sondern dazu, die Substanz mit Reinigungsvermögen in der Folie und/oder als Schicht auf der Folie aufzubringen, bzw. den Wasch- oder Reinigungsmittel-Formkörper an einer Oberfläche zu befestigen.
8.5.4 Selbst wenn aber der Fachmann die Lehre von D13 in Betracht ziehen würde, insbesondere die Bereitstellung von Polyvinylalkoholschaumfolien mit einem Hydrolysen-grad von 87-89 Mol-% nach Beispielen 1 und 2, zur Erhöhung der Wasserlöslichkeit der Reinigungselemente in D12/D12a, wäre der Anspruch 1 dennoch nicht offensichtlich. D13 gibt dem Fachmann nämlich keinen Hinweis, der zu dem in Anspruch 1 definierten Mindestanteil von 75 Gew.-% an Polyvinylalkohol-polymeren und/oder -Copolymeren führen würde. Wenn überhaupt, würde die Aufnahme der geschäumten Folien von D13 für den Fachmann ein Hindernis darstellen, die Menge dieser Polymere in den Reinigungselementen zu erhöhen, da beide Maßnahmen zu einer Erhöhung der Dicke der Reinigungselemente beitragen und dies nicht wünschenswert ist, wenn man bedenkt, dass D12/D12a (Absatz [0007]) sich auf dünnwandige Reinigungselemente bezieht.
8.6 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 erfinderisch ist.
Ansprüche 2-8 sind vom Anspruch 1 abhängig und erfüllen somit auch die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.
Verfahrensansprüche 9-10 beziehen sich auf die Verwendung eines Formkörpers aus einem Reinigungsmittelabgabesystem gemäß einem der Ansprüche 1-8 und entsprechen daher ebenfalls den Anforderungen von Artikel 56 EPÜ.
8.7 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass Hilfsantrag 2 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 2 eingereicht mit Schreiben vom 5. Oktober 2015 und einer anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.