European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T092015.20180423 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 April 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0920/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06022038.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47L 9/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kompaktes Saugreinigungsgerät für die autarke Reinigung von Bodenbeläge | ||||||||
Name des Anmelders: | Wessel-Werk GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Dyson Technology Limited | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Post gegeben am 05. März 2015, das europäische Patent Nr. 1 913 856 nach Art 101(3) (b) EPÜ zu widerrufen.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 06. Mai 2015 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 15. Juli 2015 eingereicht.
III. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Art 100 (a) i.V.m. Art 54 und 56 EPÜ und Art 100 (b) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der in Artikel 100(a) i.V.m. Art 56 EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünde.
IV. In ihrer Entscheidung hat sie unter anderem folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:
A2' Englische Übersetzung einer Besprechung des LG Electronics Robotcleaner "Roboking" auf www. popco.net (www.popco.net/zboard/view.php?id=tr_review&no=40), 28 August 2005
D7 EP 0 451 401 A1
V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), oder hilfsweise in der Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 3, erstmals eingereicht am 12. November 2014 mit Schriftsatz vom 11. November 2014, erneut eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
VI. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. den Widerruf des Patents in vollem Umfang.
VII. In einem Bescheid vom 05. Februar 2018 gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 23. April 2018 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 der Anträge hat folgenden Wortlaut:
Hauptantrag
"Kompaktes Saugreinigungsgerät (1) für die autarke Reinigung von glatten und textilen Bodenbelägen, insbesondere im privaten Wohnbereich, mit einem Gehäuse (2), einem Saugmund (3) an der Unterseite des Gehäuses (2), einer in einem Walzenraum (4) angeordneten Reinigungswalze (5), einem Staubfangbehälter (6), einem Sauggebläse (7), einem elektrischen Fahrantrieb (8), einer Steuerelektronik (9) und einer Stromquelle (10), wobei die Gerätehöhe (z) des Saugreinigungsgerätes kleiner als 180 mm ist, dadurch gekennzeichnet, dass der maximale Saugluftstrom qmax , der durch den Saugmund (3) eintritt, durch den Staubfangbehälter (6) geführt wird und das Saugreinigungsgerät (1) durch das Sauggebläse (7) verlässt, größer als 15 l/s (Liter pro Sekunde) ist und dass die maximale Saugleistung P2,max. größer als 10 W ist." |
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag, unter Änderung des Wertes für die maximale Saugleistung zu 15 W und unter Hinzufügung des folgenden Merkmals im Kennzeichen: "dass der maximale Unterdruck hmax mindestens 4 kPa ist".
Hilfsantrag 2
Wie im Hauptantrag, unter Hinzufügung des folgenden Merkmals im Kennzeichen: "dass der Saugmund (3) an der Unterseite des Walzenraumes (4) angeordnet ist, wobei entweder die Reinigungswalze (5) federnd im Gehäuse (2) gelagert ist oder der Walzenraum (4) als Ganzes in vertikaler Richtung federnd im Gehäuse (2) gelagert ist".
Hilfsantrag 3
Wie im Hilfsantrag 2, unter Änderung des Wertes für die maximale Saugleistung zu 15 W und unter Hinzufügung des folgenden Merkmals im Kennzeichen: "dass der maximale Unterdruck hmax mindestens 4 kPa ist".
IX. Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von A2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
X. Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nahegelegt werde durch eine Kombination des Dokuments A2 mit dem Fachwissen. Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer zusätzlichen Kombination mit D7.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft ein kompaktes Saugreinigungs-gerät für die autarke Reinigung von glatten und textilen Bodenbelägen (Figuren 1 und 2). Um eine verbesserte Reinigungswirkung zu erzielen, ist der maximale Saugluftstrom qmax , der durch den Saugmund eintritt, durch den Staubfangbehälter geführt wird und das Saugreinigungsgerät durch das Sauggebläse verlässt, größer als 15 Liter pro Sekunde. Zudem ist die maximale Saugleistung P2,max. größer als 10 W.
3. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
3.1 Die Neuheit von Anspruch 1 des Hauptantrags ist unbestritten.
3.2 Als geeigneter Startpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird die Veröffentlichung im Internet A2' angesehen. A2' ist unstrittig vor dem Prioritätsdatum veröffentlich worden. A2' offenbart ein kompaktes (Seite 4: "34 cm diameter", "13.3 cm high") Saugreinigungsgerät (Seite 2: "second generation Roboking") für die autarke Reinigung von glatten (Seite 6: Fliesen; Seite 8: Parkett) und textilen (Seite 13, linke Figur: Teppichboden) Bodenbelägen, mit einem Gehäuse (Seite 4), einem Saugmund (Seite 4: in der Umgebung von "Rotary Brush") an der Unterseite des Gehäuses (Seite 4 zeigt die Unterseite), einer in einem Walzenraum (Umgebung von "Rotary Brush") angeordneten Reinigungswalze ("Rotary Brush"), einem Staubfangbehälter (Seite 3: "Dust Collector"), einem Sauggebläse (Seite 9, Absatz "Powerful Motor": "suction power during actual cleaning"), einem elektrischen Fahrantrieb (Seite 4: "It has 2 wheels and 4 auxiliary wheels" i.V.m. "Battery Cover", was einen elektrischen Fahrantrieb impliziert), einer Steuerelektronik (Seite 10: "Roboking uses a 32 bit mircoprocessor ... quick computation .. artificial intelligence") und einer Stromquelle (Seite 9 unten: "Lithium Polymer Battery"), wobei die Gerätehöhe des Saugreinigungsgerätes kleiner als 180 mm ist (Seite 4: "13.3 cm"), wobei der Saugluftstrom q durch den Saugmund eintritt, durch den Staubfangbehälter geführt wird und das Saugreinigungsgerät durch das Sauggebläse verlässt (Seite 10, untere Figur; Seite 3: "Exhaust Outlet"), und dass die maximale Saugleistung P2,max. größer als 10 W ist (Seite 9: "its suction performance of around 100W").
3.3 Unbestritten unterscheidet sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags von der Offenbarung der A2' darin, dass der maximale Saugluftstrom qmax größer als 15 l/s (Liter pro Sekunde) ist. Wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, kann diesem Merkmal die Lösung der Aufgabe zugrunde gelegt werden, die Reinigungswirkung des Saugreinigungsgeräts zu verbessern (Streitpatent, Absatz 3).
3.4 Der Fachmann auf dem Gebiet der Staubsauger, worunter auch Saugreinigungsgeräte für die autarke Reinigung fallen, ist immer bestrebt, die Reinigungswirkung dieser Geräte zu verbessern. Aus seinen Fachkenntnissen ist ihm völlig geläufig, dass er dazu die wesentlichen Betriebsparameter erhöhen muss. Diese sind aus dem Fachwissen und auch aus der in der Patentschrift (Absätze 0004-0006) mehrfach genannten europäischen Norm "EN 60312: 1998 + A1:2000" bekannt: Saugluftstrom, Unterdruck, und Saugleistung als Produkt von Saugluftstrom und Unterdruck. Die bloße Nennung von neuen Werten für diese bekannten Betriebsparameter ohne anzugeben, wie diese Werte erreicht werden, kann keine erfinderische Tätigkeit begründen.
In diesem Zusammenhang überzeugt auch nicht das Argument der Beschwerdeführerin, wonach die Erfindung eine bewusste Abkehr von den bisher üblichen saugunterstützten Kehrmaschinen hin zu einem kräftigen Sauger mit Tiefenwirkung sei. Denn A2' hebt bereits hervor, dass die offenbarte Saugleistung von 100 W deutlich größer als die übliche Leistung der Mitbewerber von 10 - 50 W sei, so dass das in A2' offenbarte Saugreinigungsgerät eine Tiefenwirkung besitzt (Seite 9, "Powerful Motor": "competitors with an output of 10-50W ... well sucking up dust in cracks, or stuck dust").
Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von A2 für den Fachmann vor dem Hintergrund seines Fachwissens nahe liegt.
4. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit
4.1 Im Hinblick auf die maximale Saugleistung P2,max. offenbart A2' bereits 100 W, was die beanspruchten 15 W vorwegnimmt. Unbestritten unterscheidet sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 von der Offenbarung der A2' darin, dass der maximale Saugluftstrom qmax größer als 15 l/s (Liter pro Sekunde) ist, und dass der maximale Unterdruck hmax mindestens 4 kPa ist.
4.2 Da auch der Unterdruck zu den fachüblichen Betriebsparametern jedes Saugreinigungsgerätes zählt, wird ein Fachmann ihn im Rahmen seines routinemäßigen Handelns zur Verbesserung der Reinigungswirkung anspruchsgemäß wählen. Die bloße Nennung eines Wertes für diesen zusätzlichen Betriebsparameter ohne anzugeben, wie der Wert erreicht wird, kann keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ausgehend von A2 für den Fachmann vor dem Hintergrund seines Fachwissens nahe liegt.
5. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
5.1 Im Hinblick auf die Anordnung des Saugmundes offenbart A2' bereits einen an der Unterseite des Walzenraumes angeordneten Saugmund (Figuren auf den Seiten 4 und 10, unten rechts). Unbestritten unterscheidet sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 von der Offenbarung der A2' darin, dass der maximale Saugluftstrom qmax größer als 15 l/s (Liter pro Sekunde) ist, und dass entweder die Reinigungswalze federnd im Gehäuse gelagert ist oder der Walzenraum als Ganzes in vertikaler Richtung federnd im Gehäuse gelagert ist.
5.2 Es liegen somit zwei unterscheidende Merkmale vor. Damit stellt sich die Frage, ob - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - eine Kombinationserfindung oder - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - eine bloße Aggregation von Merkmalen, die Teilaufgaben lösen, vorliegt.
Nach gängiger Rechtsprechung liegen Teilaufgaben vor, wenn es sich bei den Merkmalen eines Anspruchs um eine Nebeneinanderstellung oder Aneinanderreihung von Merkmalen handelt. Dabei stehen die Merkmale in keiner funktionellen Wechselwirkung zueinander, d. h. sie beeinflussen sich nicht gegenseitig zur Erreichung eines über die Summe ihrer jeweiligen Einzelwirkungen hinausgehenden technischen Erfolgs (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 8. Auflage 2016, I.D.9.2.2).
Im vorliegendem Fall gewährleistet die federnde Lagerung der Reinigungswalze den Kontakt von Reinigungswalze und Bodenbelag (Streitpatent, Spalte 4, Zeilen 9-14). Dagegen werden die Betriebsparameter "Saugluftstrom" und "Saugleistung" durch die Dimensionierung des Sauggebläses und die Ausgestaltung der Strömungsquerschnitte und -übergänge im Saugreinigungsgerät bedingt (Streitpatent, Absatz 0009). Die gewählten Betriebsparameter haben keine Auswirkung auf die federnde Lagerung der Reinigungswalze, so dass keine Kombinationserfindung vorliegt.
5.3 In diesem Fall ist gemäß der zitierten Rechtsprechung zu untersuchen, ob sich die beiden unterscheidenden Merkmale jeweils für sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik herleiten lassen.
5.3.1 Im Hinblick auf den maximalen Saugluftstrom qmax größer als 15 l/s gelten die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Hauptantrag mutatis mutandis.
5.3.2 Im Hinblick auf die als Alternative zu einer federnden Lagerung von Walzenraum, Saugmund und Reinigungswalze als Ganzem beanspruchte alleinige Lagerung der Reinigungswalze offenbart das Dokument D7, dass die Reinigungswalze ("brush 18") federnd im Gehäuse ("head assembly 10") gelagert ist (Figur 4; Spalte 6, Zeilen 5-19: "springs 22"). Das Dokument D7 offenbart in diesem Zusammenhang außerdem, dass eine federnde Lagerung der Walze den Kontakt von Reinigungswalze und Bodenbelag gewährleistet (Spalte 2, Zeilen 43 bis 45: "suspension system ... maintains contact between the brush and the surface being cleaned"). Daher wird ein Fachmann auf naheliegende Weise zu D7 greifen, um eine technische Lösung für die Aufgabe zu finden, den Kontakt von Reinigungswalze und Bodenbelag zu gewährleisten.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ausgehend von A2 für den Fachmann vor dem Hintergrund seines Fachwissens und der Offenbarung der D7 nahe liegt.
6. Hilfsantrag 3 - Erfinderische Tätigkeit
6.1 Unbestritten unterscheidet sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 von der Offenbarung der A2' darin, dass der maximale Saugluftstrom qmax größer als 15 l/s (Liter pro Sekunde) ist, dass der maximale Unterdruck hmax mindestens 4 kPa ist, und dass entweder die Reinigungswalze federnd im Gehäuse gelagert ist oder der Walzenraum als Ganzes in vertikaler Richtung federnd im Gehäuse gelagert ist.
6.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 kombiniert die zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge 1 und 2. Aus den im Zusammenhang mit Hilfsantrag 2 genannten Gründen besteht keine Synergie zwischen den Betriebsparametern und der federnden Lagerung der Reinigungswalze. Daher kann auch die zusätzliche Nennung des weiteren Betriebs-parameters "Unterdruck" nicht die erfinderische Tätigkeit begründen.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ausgehend von A2' für den Fachmann vor dem Hintergrund seines Fachwissens und der Offenbarung der D7 nahe liegt.
7. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 aller vorliegenden Anträge gegenüber dem zitierten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Art 100(a) und 56 EPÜ.
Die Kammer bestätigt somit die Entscheidung der Einspruchsabteilung.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.