T 0877/15 () of 10.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T087715.20180710
Datum der Entscheidung: 10 Juli 2018
Aktenzeichen: T 0877/15
Anmeldenummer: 07105237.7
IPC-Klasse: C23C 22/34
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mittel zur Herstellung von Korrosionsschutzschichten auf Metalloberflächen
Name des Anmelders: Atotech Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: Ewald Dörken AG
Henkel AG & Co. KGaA
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Product-by-Process-Anspruch
Ausreichende Offenbarung - (nein)
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-1 978 131 betrifft Mittel zur Herstellung von Korrosionsschutzschichten auf Metalloberflächen, zu deren Herstellung wässrige Lösungen von Oxo-Kationen bestimmter Übergangsmetalle zum Einsatz gelangen sollen.

II. Gegen das erteilte Patent wurde Einspruch eingelegt von der Einsprechenden 1 (Ewald Dörken AG) und der Einsprechenden 2 (Henkel AG & Co. KG). Die Einsprechenden stützten ihre Einsprüche auf die Gründe der Artikel 100 a) und b) EPÜ.

III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ entspricht.

IV. Gegen diese Zwischenentscheidung hat die Patentinhaberin (die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt, mit der sie in erster Linie den von der Einspruchsabteilung mangels hinreichender Offenbarung der Erfindung nicht akzeptierten Hauptantrag weiterverfolgt.

V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.

VI. Eine mündliche Verhandlung fand am 10. Juli 2018 statt. Die vorliegende Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 3, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (Einsprechende 1

und 2) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Ansprüche

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Mittel zur Herstellung von Korrosionsschutzschichten auf Metalloberflächen, hergestellt durch die folgenden Stufen:

A) Herstellen einer wässrigen Lösung, die wenigstens folgendes enthält:

a) Oxo-Kationen, ausgewählt unter MnO3**(+), VO**(3+), VO**(2+), WO2**(2+), MoO2**(2+), TiO**(2+), ZrO**(2+) und Gemischen davon,

b) Halogen-Komplexanionen der Struktur MXa**(b-), wobei M unter B, Ti, Zr, Si, Al ausgewählt ist, X unter F, Cl, Br, I ausgewählt ist, a eine ganze Zahl von 3 bis 6 ist und b eine ganze Zahl von 1 bis 4 ist,

B) Bildung von Nanopartikeln mit einem mittleren Teilchendurchmesser < 500 nm in der Lösung in situ durch physikalische und/oder chemische Behandlung der Lösung, wobei die physikalische und/oder chemische Behandlung ausgewählt ist unter Veränderung der Temperatur, Veränderung der Ionen-Konzentration, Veränderung des pH-Wertes, Veränderung des Drucks, Übersättigung der Lösung, Rühren der Lösung, Zugabe eines Oxidationsmittels und/oder Zugabe eines Reduktionsmittels."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Mittels.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht dem Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wobei in Schritt A) die Liste der Oxo-Kationen limitiert wurde auf:

[deleted: MnO]3**(+)[deleted: , VO]**(3+)[deleted: ,] VO**(2+),[deleted: WO]2**(2+)[deleted: , MoO]2**(2+)[deleted: ,] TiO**(2+), ZrO**(2+) und Gemischen davon.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht dem Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wobei in Schritt A) die Liste der Oxo-Kationen limitiert wurde auf:

[deleted: MnO]3**(+)[deleted: , VO]**(3+)[deleted: ,] VO**(2+),[deleted: WO]2**(2+)[deleted: , MoO]2**(2+)[deleted: ,] TiO**(2+)[deleted: , ZrO]**(2+) und Gemischen davon.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht dem Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wobei in Schritt A) die Liste der Oxo-Kationen limitiert wurde auf:

[deleted: MnO]3**(+)[deleted: , VO]**(3+)[deleted: ,] VO**(2+),[deleted: WO]2**(2+)[deleted: , MoO]2**(2+)[deleted: , TiO]**(2+)[deleted: ,] ZrO**(2+) und Gemischen davon.

IX. Stand der Technik

Die Beteiligten verwiesen auf folgende Dokumente, wobei die Dokumente D17 bis D21 von der Beschwerdeführerin erstmalig im Beschwerdeverfahren eingereicht wurden:

D12: F.A.Cotton, G. Wilkinson, Advanced Inorganic Chemistry, 4. Auflage, 1980, Seiten 696 und 827;

D17: M. Madekufamba, L. N. Trevani, P. R. Tremaine, "Standard enthalpy of formation of aqueous titanyl chloride, TiOCl2(aq), at T=298.15 K", The Journal of Chemical Thermodynamics, 2006, 38, Seiten 1563 bis 1567;

D18: J. D. Ellis, G. A. K. Thompson, A. G. Sykes, "The Cr**(2+) Reduction of Titanium(IV). Comparisons with the Cr**(2+) Reduction of VO**(2+) and Evidence for a TiO**(2+) Structure in Aqueous Solutions, pH <=1", Inorganic Chemistry 1976, 15, Seiten 3172 bis 3174;

D19: H. Einaga, Y. Komatsu, "Hydrolytic Precipitation Reaction of Titanium(IV) from (Na,H)Cl Aqueous Solution", Journal of Inorganic and Nuclear Chemistry 1981, 43, Seiten 2443 bis 2448;

D20: M. Grätzel, F. P. Rotzinger, "Raman Spectroscopic Evidence for the Existence of TiO**(2+) in Acidic Aqueous Solutions", Inorganic Chemistry 1985, 24, Seiten 2320 bis 2321;

D21: R. L. Rich, "Inorganic Reactions in Water", 2007, 1**(st) ed., Springer-Verlag Berlin, Seite 95.

X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Anspruch 1 betreffe Mittel mit in situ hergestellten Nanopartikeln und nicht eine stabile Lösung von Oxo-Kationen. Die Frage, ob die in Anspruch 1 aufgezählten Oxo-Kationen in wässriger Lösung stabil vorliegen könnten, sei für die Herstellung der beanspruchten Mittel enthaltend Nanopartikel und deren Einsatzfähigkeit zur Erzeugung einer Korrosionsschutzschicht nicht von Bedeutung.

Die Beispiele des Streitpatents offenbarten einen Weg zur Herstellung der beanspruchten Mittel.

Für einen Chemiker sei klar erkennbar, dass es sich bei den in Anspruch 1 genannten Kationen und Anionen um die herstellungswesentlichen Ionen der einzusetzenden Salze handle. Der Einsatz entsprechender bekannter und kommerziell erhältlicher Salze stelle für den Fachmann keinerlei Problem dar.

Möglicherweise stabilisierten die Halogen-Komplexanionen die Oxo-Kationen in Wasser mittels Komplexierung.

Die Dokumente D17 bis D21 zeigten, dass die Lehre der D12 veraltet sei und und es dem Fachmann zum Anmeldetag des Streitpatents bekannt gewesen sei, wie zumindest die Oxo-Kationen TiO**(2+) und ZrO**(2+) hergestellt werden könnten.

Die Dokumente D17 bis D21 adressierten daher den die angefochtene Entscheidung zum Hauptantrag tragenden Entscheidungsgrund der mangelnden Ausführbarkeit und seien deswegen in das Verfahren zuzulassen.

XI. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

Die Frage der mangelnden Ausführbarkeit sei bereits im Einspruchsverfahren detailliert diskutiert worden. Die Dokumente D17 bis D21 hätten daher früher vorgelegt werden müssen.

Das Mittel gemäß Anspruch 1 werde mittels seines Herstellungsverfahrens definiert. Gemäß diesem sei es notwendig, in einem ersten Verfahrensschritt eine wässrige Lösung von Oxo-Kationen bestimmter Übergangsmetalle herzustellen.

D12 bestätige jedoch, dass wässrige Lösungen aller in Anspruch 1 gemäß Streitpatent genannter Oxo-Kationen vom Fachmann nicht herstellbar seien. D12 belege, dass dies noch nicht einmal für diejenige Oxo-Kationen möglich sei, deren Sulfatsalze in den Beispielen des Streitpatents eingesetzt würden. Daher könne ein Fachmann den in Anspruch 1 definierten Verfahrens-schritt A zur Herstellung des beanspruchten Mittels nicht durchführen.

Die Dokumente D17 bis D21 belegten entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht, dass die Lehre der D12 veraltet sei und die Beispiele des Streitpatents nacharbeitbar seien.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung der Dokumente D17 bis D21

Die Dokumente D17 bis D21 wurden erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht und liegen dem Beschwerdeverfahren daher grundsätzlich gemäß Artikel 12(2) VOBK zugrunde.

Allerdings stellt es Artikel 12(4) VOBK in das Ermessen der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

Hierauf berufen sich die Beschwerdegegnerinnen jedoch erfolglos. Die Dokumente D17 bis D21 untermauern das erstinstanzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin und stellen eine angemessene Reaktion auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung dar, dass nicht alle in Anspruch 1 genannten Oxo-Kationen in wässriger Lösung existierten und der Fachmann deswegen nicht in der Lage sei, die beanspruchten Mittel zu erhalten.

In Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 12(4) VOBK sieht die Kammer daher davon ab, die Dokumente D17 bis D21 nicht in das Verfahren zuzulassen.

2. Artikel 100(b) EPÜ - Hauptantrag

2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags definiert ein Mittel durch seinen Herstellungsprozess, wonach in einem Verfahrensschritt A) eine wässrige Lösung von MnO3**(+), VO**(3+), VO**(2+), WO2**(2+), MoO2**(2+), TiO**(2+)und/oder ZrO**(2+) Kationen hergestellt werden soll.

Diese in Schritt A) hergestellte Lösung wird in einem zweiten Schritt B) durch eine chemische und/oder physikalische Behandlung destabilisiert, wodurch sich in situ eine Suspension mit Nanopartikeln ausbildet.

Festzustellen ist, dass Anspruch 1 weder die konkrete Zusammensetzung des hergestellten Mittels noch der darin enthaltenen Nanopartikel als solches definiert, sondern lediglich angibt, welche Ionen in der Ausgangslösung zwingend vorhanden sein sollen und welche Maßnahmen gemäß Schritt B) durchgeführt werden können, um daraus ein Mittel mit Nanopartikeln zu erhalten.

Zur Herstellung des beanspruchten Mittels ist es daher unabdingbar, dass der Fachmann die angegebenen Edukte bereitstellen kann.

Ausgangspunkt für die Herstellung der Mittel enthaltend Nanopartikel ist gemäß dem expliziten Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Schritt A das Herstellen einer wässrigen Lösung, die bestimmte Oxo-Kationen enthält, und nicht eine wässrige Lösung, die erst durch das Auflösen bestimmter Salze der Oxo-Kationen erhalten wird, die dann wiederum in Lösung zu beliebigen Verbindungen reagieren können.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 stimmt diesbezüglich mit der Lehre im restlichen Streitpatent (siehe Absätze [0019] und [0028]) überein, das sogar einen bevorzugten Mengenbereich für die Konzentration der Oxo-Kationen in der Lösung angibt (Absatz [0022]).

Entsprechend der Definition in Anspruch 1 des Streitpatents ist es entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin daher nicht unerheblich, in welcher Form die Oxo-Kationen in Wasser vorliegen.

2.2 Gemäß dem allgemeinen Fachwissen, das von Lehrbüchern wie D12 bestätigt wird, ist es nicht möglich, wässrige Lösungen von TiO**(2+)-Kationen (D12: Seite 696, vorletzter Absatz) oder ZrO**(2+)-Kationen (D12: Seite 827, letzter Absatz) zu erhalten.

Die Beispiele des Streitpatents postulieren jedoch, dass eine wässrige Lösung enthaltend Oxo-Kationen durch Einbringen der Oxo-Metallsalze in Wasser erzielbar sein (Absatz [0028] des Streitpatents).

Für das in den Beispielen des Streitpatents eingesetzte VOSO4 ist dies zwar unstreitig möglich.

D12 streut jedoch berechtigte Zweifel, dass durch ein einfaches Auflösen von Salzen wie TiOSO4 und ZrOSO4 in Wasser gemäß der allgemeinen Beschreibung der Beispiele des Streitpatents (Absatz [0028]) eine Lösung der Oxo-Kationen TiO**(2+) und ZrO**(2+)hergestellt werden kann.

Die Beispiele des Streitpatents enthalten keinen Beleg, der die in D12 beschriebene etablierte Lehrbuchmeinung widerlegt. Insbesondere belegen diese nicht, dass durch ein Einbringen der Salze TiOSO4 oder ZrOSO4 in Wasser in der Tat eine wässrige Lösung erhalten werden kann, die die entsprechenden Oxo-Kationen TiO**(2+) oder ZrO**(2+) enthält.

Folglich sind die Beispiele kein Beleg dafür, dass der in Anspruch 1 definierte Verfahrensschritt A) für die Oxo-Kationen TiO**(2+) und ZrO**(2+) ausführbar ist.

2.3 Die Beispiele des Streitpatents stützen zudem nicht die von der Beschwerdeführerin vertretene These, dass die Halogen-Komplexanionen möglicherweise die Oxo-Kationen in Wasser stabilisieren könnten, da eine entsprechende Lösung gemäß den Absätzen [0019] und [0028] des Streitpatents schon vor der Zugabe der Komplexanionen existieren muss.

2.4 Es mag zudem möglich sein, Nanopartikel in situ durch Umsetzung kommerziell erhältlicher Salze von Oxo-Kationen in Wasser herzustellen, ohne dass Oxo-Kationen in Wasser als solches vorliegen. Es mag auch möglich sein, dass derartige Nanopartikel in Mitteln zur Herstellung von Korrosionsschutzschichten erfolgreich eingesetzt werden können, wie die Tabellen 1 und 2 des Streitpatents zeigen.

Allerdings entsprechen derartige Ausführungsvarianten nicht dem expliziten Wortlaut des Anspruchs 1, wonach zur Herstellung der Mittel in einem ersten Schritt A) eine wässrige Lösung bestimmter Oxo-Kationen hergestellt werden muss, und stellen folglich keinen Beleg dafür dar, dass Mittel gemäß dem in Anspruch 1 definierten Herstellungsverfahren erzielt werden können.

2.5 Im Allgemeinen kann es für eine Synthesevorschrift zur Herstellung eines Produkts ausreichend sein, nur die essentiellen Reaktionspartner anzugeben. Im Falle von Salzen kann es beispielsweise unnötig sein, die unrelevanten Gegenionen anzugeben, wenn diese an der eigentlich beabsichtigen Reaktion nicht teilnehmen.

Bei in Wasser stabilen Ionen kann es ebenfalls unerheblich sein, ob man die Ionen als solches angibt oder die entsprechenden Salze, da beim Auflösen der entsprechenden wasserlöslichen Salze diese erwartungsgemäß in ihre Bestandteile dissoziieren. Im Fall von beispielsweise Natriumionen und Chloridionen kann eine wässrige Lösung derartiger Ionen einfach durch Auflösen entsprechender Salze, beispielsweise Kochsalz (Natriumchlorid), hergestellt werden, die die gewünschten Ionen aufweisen.

Allerdings ist ein derartiges Vorgehen nur möglich, wenn die gewünschten Ionen dann auch erwartungsgemäß in Wasser vorliegen und für anschließende Reaktionen zur Verfügung stehen. Im Fall von Oxo-Kationen wie TiO**(2+) oder ZrO**(2+)ist dies aber gerade nicht der Fall.

Oxo-Kationen sind als Salz zwar stabil und teilweise kommerziell erhältlich. Wie oben bereits erwähnt, ist es gemäß dem allgemeinen Fachwissen jedoch nicht möglich, wässrige Lösungen von TiO**(2+)-Kationen (D12: Seite 696, vorletzter Absatz) oder ZrO**(2+)-Kationen (D12: Seite 827, letzter Absatz) zu erhalten.

Der Einsatz eines Oxo-Metallsalzes, das nur theoretisch in die gewünschten Ionen dissoziieren könnte, ohne dass dies in Wasser in Realität erfolgt, oder dessen Oxo-Kation aufgrund seiner Instabilität sofort in andere Verbindungen übergeht, ermöglicht es dem Fachmann nicht, den ersten Verfahrensschritt A) gemäß Anspruch 1 auszuführen und eine Lösung dieses Oxo-Kations herzustellen. Damit kann auch das durch das Herstel-lungsverfahren definierte Mittel gemäß Anspruch 1 nicht durch den Einsatz kommerziell erhältlicher Salze von Oxo-Kationen wie TiO**(2+) oder ZrO**(2+)hergestellt werden.

2.6 Die Beschwerdeführerin reichte die wissenschaftlichen Publikationen D17 bis D21 ein. Diese sollen der Argumentation der Beschwerdeführerin folgend zeigen, dass die in D12 beschriebene allgemeine Lehrbuchmeinung zum Anmeldezeitpunkt überholt war.

2.6.1 Die Dokumente D17 bis D20 offenbaren, dass TiO**(2+)-Kationen nur unter sehr speziellen Bedingungen bei stark saurem pH-Wert nachweisbar sind:

Gemäß D17 können TiO**(2+)-Kationen in perchlorsäure-haltiger wässriger Lösung bei einem pH-Wert von 3 oder weniger erhalten werden (Seite 1564, linke Spalte, vorletzte und letzte Zeile).

D18 bestätigt, dass TiO**(2+)-Kationen in wässriger Lösung bei saurem pH existieren können (Seite 3173, linke Spalte, vorletzte Zeile bis Seite 3173, rechte Spalte, 2. Zeile).

D19 offenbart in Figur 4, dass in einer wässrigen Lösung TiO**(2+)-Kationen unter bestimmten Bedingungen vorliegen können und zu anderen Titan-Sauerstoff-Verbindungen reagieren können.

D20 beschreibt, dass das TiO**(2+)-Kation bei einem pH-Wert von 0,7 durch Raman-Spektroskopie nachgewiesen werden kann (Seite 2321, linke Spalte, Zeilen 42 bis 44).

Die Kammer stellt fest, dass die in diesen Dokumenten beschriebenen Vorgehensweisen, die einen Nachweis von TiO**(2+)-Kationen überhaupt erst ermöglichen, nichts mit der im Streitpatent beschriebenen Vorgehensweise zu tun haben. Diese Dokumente bestätigen lediglich, dass

TiO**(2+)-Kationen nur unter sehr speziellen Bedingungen im stark sauren Milieu nachweisbar sind, diese aber weder im Streitpatent beschrieben werden noch mit der Lehre des Streitpatents, insbesondere dessen Beispielen, vereinbar sind.

Die Dokumente D17 bis D20 liefern daher keinen Hinweis darauf, dass TiO**(2+)-Kationen der Lehre des Streitpatents folgend durch ein einfaches Auflösen entsprechender Salze wie TiOSO4 in wässriger Lösung erhalten werden können.

2.6.2 D21 (Kapitel 4.2.1 auf Seite 95) beschreibt, dass

ZrO**(2+)-Kationen in hydratisierter Form im wässrigen Milieu existieren können. Allerdings offenbart auch D21 kein allgemein anwendbares Herstellungsverfahren für ZrO**(2+) Kationen. Insbesondere wird nicht bestätigt, dass wässrige Lösungen dieser Kationen durch ein einfaches Auflösen der entsprechenden Salze gemäß der Lehre des Streitpatents erhalten werden können.

2.6.3 Die Dokumente D17 bis D21 machen daher nicht glaubhaft, dass das allgemeine Fachwissen, das beispielsweise durch D12 dokumentiert ist, zum Anmeldezeitpunkt überholt gewesen ist und dem Fachmann zu diesem Zeitpunkt allgemein bekannt gewesen ist, dass TiO**(2+)-Kationen und ZrO**(2+)-Kationen in wässriger Lösung hergestellt werden können und dies insbesondere durch das Auflösen der entsprechenden Oxo-Salze erfolgen kann.

2.7 Die Beschwerdeführerin hat daher nicht schlüssig darlegen können, dass wässrige Lösungen der in

Anspruch 1 des Hauptantrags zusätzlich zu VO**(2+) genannten Oxo-Kationen hergestellt werden können.

Die Kammer kommt folglich zu dem Schluss, dass das Streitpatent nicht ausreichend offenbart, wie ein Mittel gemäß dem in Anspruch 1 definierten Verfahrensschritt A) hergestellt werden kann.

Der Hauptantrag erfüllt daher nicht die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.

3. Artikel 100(b) EPÜ - Hilfsanträge 1 bis 3

Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 umfasst jeweils Mittel, die durch die Herstellung einer wässrigen Lösung von TiO**(2+)-Kationen und/oder ZrO**(2+)-Kationen definiert werden. Hier gelten die betreffend den Hauptantrag in Punkt 2 oben dargelegten Gründe, warum das Streitpatent nicht ausreichend offenbart, wie ein Mittel gemäß Anspruch 1 hergestellt werden kann, bei dem im Verfahrensschritt A wässrige Lösungen von TiO**(2+) und ZrO**(2+)-Kationen eingesetzt werden sollen, entsprechend.

Keiner der Hilfsanträge 1 bis 3 erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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