T 0836/15 () of 5.9.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T083615.20170905
Datum der Entscheidung: 05 September 2017
Aktenzeichen: T 0836/15
Anmeldenummer: 05024878.0
IPC-Klasse: A61K 8/36
A61K 8/368
A61K 8/81
A61Q 5/02
A61K 8/49
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Haarreinigungsmittel mit optimiertem Fliessverhalten
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: L'Oréal
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 723 945 wurde mit fünfzehn Patentansprüchen erteilt.

II. Gegen die Erteilung des Patents wurde ein Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit unter Artikel 100 a) EPÜ angeführt.

III. Hauptantrag der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren war die Zurückweisung des Einspruchs. Weiter legte sie einen Hilfsantrag ("Hilfsantrag 1") vor. Der einzige unabhängige Anspruch dieses Antrags lautet wie folgt:

"1. Haarreinigungsmittel, enthaltend bezogen auf sein Gewicht

a) 5 bis 50 Gew.-% Tensid(e);

b) 0,01 bis 5 Gew.-% einer oder mehrerer als Konservierungsmittel wirksamer organischer Säure(n) aus der Gruppe Salicylsäure, Benzoesäure, Propionsäure, Dehydracetsäure (3-Acetyl-6-methyl-2H-pyran-2,4(3H)-dion) und Sorbinsäure sowie den physiologisch verträglichen wasserlöslichen Salzen dieser Säuren;

c) 0,1 bis 5 Gew.% mindestens eines Homo- oder Copolymers aus Acrylsäure und/oder Methacrylsäure und/oder Estern dieser Säuren, welches mit Allylethern von Sucrose und/oder Allylethern von Pentaerythrit vernetzt ist,

wobei das Mittel - abgesehen von der Komponente b) - frei von Konservierungsmitteln ist,

wobei die als Konservierungsmittel wirksame Säure ausgewählt ist aus Salicylsäure und ihren physiologisch verträglichen wasserlöslichen Salzen, und

wobei es einen pH-Wert von 4,5 bis 5,5 aufweist."

IV. Im Verlauf des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens wurden unter anderem die folgenden Beweismittel genannt:

D1: WO 01/76552 A2

D3: SÖFW 3; 130, 133-134 (1992)

D4: 3V Sigma: Synthalen® K: Thickening agent, Edition 2/1, 2/2 (ohne Datumsangabe; Blatt 2/2 mit Stempel "8 SEP. 2004")

D6: Technischer Versuchsbericht, vorgelegt mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2014

D9: Ergänzter technischer Versuchsbericht, vorgelegt mit der Beschwerdeerwiderung

D10: Versuche der Beschwerdeführerin (28. März 2017)

D11: Versuche der Beschwerdegegnerin (Seiten 2-3 im Schriftsatz vom 19. Juni 2017)

V. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die in der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2015 verkündete und am 19. Februar 2015 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, in der Fassung gemäß dem damaligen Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ genügen.

In der Sache kam die Einspruchsabteilung zunächst zu dem Ergebnis, dass dem Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) die Neuheit gegenüber der Entgegenhaltung D1 fehle.

Die in Beispiel 4B auf Seite 37 von D1 beschriebene salicylsäurehaltige Shampooformulierung mit Acrylatverdicker sei Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Das in Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 definierte Haarreinigungsmittel unterscheide sich von dieser vorbeschriebenen Rezeptur durch den pH-Wert und durch den Einsatz des Polymers gemäß Bestandteil c). Unter Berücksichtigung der im Versuchsbericht D6 dargestellten Resultate sei die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung von Haarreinigungsmitteln zu sehen, die ohne übliche Formalinabspalter oder Parabene mikrobiologisch und über einen längeren Zeitraum rheologisch eine verbesserte Stabilität aufwiesen. Die Entgegenhaltung D1 führe den Fachmann nicht zu der Lösung, ein Polymer gemäß Bestandteil c) (wie insbesondere Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer oder ein Carbomer gemäß den Dokumenten D3 und D4) in den Rezepturen der D1 einzusetzen, da angesichts der technischen Lehre von D1 (Seite 2, Zeilen 10 ff und Seite 52, Tabelle 1, Sample D) dadurch eher eine Verschlechterung der rheologischen Stabilität zu erwarten sei. Auch bringe D1 den im Hilfsantrag definierten pH-Bereich nicht mit erhöhter Viskositätsstabilität in Verbindung. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei daher ausgehend von D1 nicht naheliegend.

VI. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

VII. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 28. Oktober 2015 beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde und legte außerdem zwei neue Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 und 2 vor.

VIII. Mit Schriftsatz vom 28. März 2017 reichte die Beschwerdeführerin erstmals einen Versuchsbericht zu Vergleichsversuchen (D10) ein.

IX. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 reichte die Beschwerdegegnerin einen weiteren Versuchsbericht (D11) ein.

X. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 5. September 2017 statt. Einzelheiten zum Verlauf der Verhandlung sind dem Protokoll zu entnehmen.

XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Nächstliegender Stand der Technik sei die Entgegen­haltung D1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Rezeptur gemäß Beispiel 4B in D1 sei die technische Aufgabe in der Bereitstellung alternativer viskositätsstabiler salicylsäurehaltiger Tensid-Zubereitungen mit Polymerverdicker zu sehen.

Die mit dem beanspruchten Gegenstand vorgeschlagene Lösung sei naheliegend, da sowohl die Auswahl des Polymers gemäß Anspruch 1, Merkmal c) des vorliegenden Hauptantrags als auch die Auswahl des pH-Bereichs sich im Rahmen der technischen Lehre von D1 bewegten (mit Verweis auf D1: Seite 8, Zeilen 24 bis 28; Seite 27, Zeile 27; Seite 29, Zeilen 14 bis 21). Ohne den Nachweis einer besonderen technischen Wirkung handle es sich bei beiden Merkmalen nur um eine willkürliche Auswahl aus den in D1 vorgeschlagenen Möglichkeiten.

Aus D1 sei kein Grund entnehmbar, der den Fachmann davon abhalten würde, streitpatentgemäße Polymere gemäß Merkmal c) einzusetzen. Darüber hinaus sei es allgemeines Fachwissen, wie aus D3 und D4 bekannt, dass Polymere von Carbomer-Typ (konform mit Merkmal c)) im gewünschten pH-Bereich eine zufriedenstellende Verdickung bewirkten.

Die gemäß Beispiel 4B/"Sample D" mit dem streitpatentgemäßen Polymer Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer formulierte Zubereitung, die laut D1 (Seite 52, Tabelle 1) nicht stabil gewesen sei, habe nicht die gleiche Polymerkonzentration wie die mit dem Polymer Acrylates Crosspolymer formulierte und laut D1 stabile Zubereitung gemäß Beispiel 4B aufgewiesen (vgl. D1: Seite 37 und Seite 52: Tabelle 1, 4B/"Sample A"). Dies lasse sich aus der Angabe in D1 ableiten, dass die Polymerkonzentration anhand der zu erzielenden Viskosität eingestellt worden sei (vgl. D1: Seite 52, Zeilen 9 bis 10). Auch sei laut D1 die Stabilität nicht im Hinblick auf die Veränderung der Viskosität, sondern im Hinblick auf das Auftreten einer Phasentrennung beurteilt worden. Deshalb sei mit den diesbezüglichen Angaben in D1 nicht zwingend eine schlechtere Eignung des streitpatentgemäßen Polymers für die Konstanthaltung der Viskosität im Vergleich mit dem in der Zubereitung gemäß Beispiel 4B verwendeten Polymer impliziert. Zudem habe der pH-Wert beider Zubereitungen nicht im relevanten Bereich von 4,5 bis 5,5 gelegen, so dass dem Leser auch keine Rückschlüsse auf das Verhalten der Polymere in diesem pH-Bereich möglich seien. Aus diesen Gründen sei das Argument der Beschwerdegegnerin, die Lehre von D1 bezüglich Beispiel 4B/"Sample D" führe den Fachmann vom beanspruchten Gegenstand weg, nicht stichhaltig.

Darüber hinaus sei die Definition der Polymere gemäß Merkmal c) von Anspruch 1 sehr allgemein gehalten, weshalb es im Grunde nicht glaubhaft sei, dass selbst die technische Aufgabe, alternative viskositätsstabile Zubereitungen zur Verfügung zu stellen, im gesamten beanspruchten Umfang gelöst werde.

XII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Auf der Grundlage der in D6 und D9 beschriebenen Vergleichsversuche, die auf Beispiel 4B von D1 basierten, sei die zu lösende technische Aufgabe in der Bereitstellung von Reinigungszusammensetzungen zu sehen, welche eine verbesserte Viskositätsstabilität bei gleichzeitig ausreichender und unkritischer Konservierung aufwiesen.

Selbst wenn jedoch bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als technische Aufgabe lediglich die Bereitstellung alternativer viskositäts­stabiler salicylsäurehaltiger Tensid-Zubereitungen mit Polymerverdicker zugrundegelegt würde, sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags als erfinderisch anzusehen, da die technische Lehre von D1 vom beanspruchten Gegenstand wegführe. Gemäß D1 (Seite 2, Zeilen 10 bis 13) sei nämlich die rheologische Stabilität von Zubereitungen mit den Verdickern Carbomer oder Acrylates C10-30 Acrylate Crosspolymer (beide konform mit Anspruchsmerkmal c) gemäß Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags) nicht zufriedenstellend, wobei vernetzte Acrylat-Homopolymere wie Carbomer ohnehin nicht der in D1 beanspruchten Erfindung entsprächen. Konkret habe laut D1 der Einsatz von Acrylates C10-30 Acrylate Crosspolymer in sauren salicylsäurehaltigen Shampoos zu einer unzureichenden Stabilität geführt (vgl. D1: Seite 52, Tabelle 1). Der Fachmann erhalte somit den Eindruck, dass diese Polymere nicht geeignet seien, um günstige rheologische Eigenschaften zu erzielen. D1 enthalte keine experimentellen Daten zur Viskositätsstabilität und äußere sich auch nicht zum möglichen Einfluss des pH-Werts, so dass sich dem Fachmann in Ermangelung solcher Angaben kein Hinweis auf die Eignung der streitpatentgemäßen Polymere erschließe.

Auch die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen lieferten keinen Hinweis auf die in den vorliegenden Anträgen definierte Merkmals­kombination als Lösung der technischen Aufgabe.

Die Beschwerdegegnerin habe sowohl mit einem vernetzten Homopolymer als auch mit einem vernetzten Copolymer gemäß Anspruchsmerkmal c) viskositätsstabile Zubereitungen erhalten, wie mit den in D9 dargestellten Versuchsergebnissen belegt sei. Damit sei hinreichend glaubhaft gemacht, dass alternative viskositätsstabile Zubereitungen über die gesamte Anspruchsbreite erhalten würden. Die gegenteilige Behauptung sei seitens der Beschwerdeführerin nicht belegt worden.

XIII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 723 945.

XIV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte

die Zurückweisung der Beschwerde,

hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung vom 28. Oktober 2015 vorgelegten neuen Hilfsanträge 1 und 2.

Die Beschwerdegegnerin beantragte außerdem, die von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 28. März 2017 vorgelegten Versuche (D10) nicht zum Verfahren zuzulassen. Sollten diese Versuche zugelassen werden, beantragte die Beschwerdegegnerin die Zulassung ihrer eigenen, mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 vorgelegten Versuche (D11).

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

Streitpatent

1.1 Im Streitpatent wird ausgeführt, die zur Viskositäts­einstellung von Shampoos üblichen Polymere reagierten empfindlich auf Elektrolytkonzentration und pH-Wert und seien in der Regel nur im neutralen pH-Bereich einsetzbar. In diesem pH-Bereich sei eine Konservierung erforderlich, wofür aber wiederum nur bestimmte Konservierungsstoffe geeignet seien, die von den Verbrauchern kritisch gesehen würden (beispielsweise, weil sie Formaldehyd abspalteten).

Das Streitpatent stellt sich daher die Aufgabe, Haarreinigungsmittel bereitzustellen, die auch bei einer vom Verbraucher als unkritisch empfundenen Konservierung in weiten Temperaturbereichen viskositätsstabil sind (vgl. Absätze [0004] bis [0007] der Patentspezifikation).

1.2 Zur Lösung dieser Aufgabe soll streitpatentgemäß die Kombination von Säurekonservierungsmitteln gemäß Merkmal b) (bei Abwesenheit anderer Konservierungs­mittel) mit bestimmten vernetzten Polymeren gemäß Merkmal c) dienen. Diese Polymere können laut Streitpatent auch bei leicht saurem pH-Wert die Viskosität auf einem adäquaten Niveau stabilisieren, was den Einsatz der weniger unbeliebten Säurekonservierungsmittel ermöglicht. Gemäß Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags werden bei einem pH-Wert von 4,5 bis 5,5 Salicylsäure bzw. deren Salze zur Konservierung eingesetzt.

Ausgangspunkt im Stand der Technik

1.3 Die Entgegenhaltung D1 (und insbesondere die Beispiel-rezeptur 4B auf Seite 37 von D1) ist unstreitig nächstliegender Stand der Technik.

1.4 D1 will verdickte tensidbasierte wässrige Lösungen zur Verfügung stellen, die auch bei saurem pH-Wert eine ausreichende und stabile Viskosität aufweisen und die insbesondere für Shampooformulierungen geeignet sind (D1: Seite 4: Zeilen 6 bis 24; Seite 25, Zeilen 6 bis 19). Die Zubereitungen werden als stabil angesehen, wenn es nicht zur Phasentrennung bzw. dem Absetzen oder Aufcremen von Bestandteilen kommt und wenn Viskosität, pH-Wert und Textur sich bei Lagerung nicht signifikant verändern (D1: Seite 30, Zeile 21 bis Seite 31, Zeile 15). Die Zusammensetzungen gemäß D1 enthalten als Verdicker ein vernetztes Acrylat-Copolymer (vgl. D1: Ansprüche 1 und 13).

1.5 Beispiel 4B gemäß D1 beschreibt eine wässrige Shampooformulierung enthaltend 13,5 Gew.-% Tenside (Alpha-Olefin-Sulfonat und Cocoamidopropylbetain), 2,00 Gew.-% Salicylsäure und 1,5 Gew.-% Acrylates Crosspolymer bei einem pH-Wert von 3,8 bis 4,0.

Gemäß Seite 52 von D1 wurde zusätzlich eine entsprechende Rezeptur hergestellt, bei welcher der Verdicker (Acrylates Crosspolymer) gegen Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer ausgetauscht wurde, wobei eine Verdickerkonzentration eingesetzt wurde, mit der die gleiche Viskosität erzielt wurde.

Technische Aufgabe und Lösung

1.6 Im Verfahren war nicht streitig, dass der Bestandteil Acrylates Crosspolymer aufgrund der Verwendung eines anderen Vernetzers nicht unter die Definition des vernetzten Polymers gemäß Komponente c) des vor­liegenden Anspruchs 1 fällt. Ein weiterer Unterschied zwischen dem beanspruchten Haarreinigungsmittel und der Rezeptur gemäß Beispiel 4B von D1 ist der pH-Wert.

1.7 Die Verfahrensbeteiligten waren jedoch unter­schiedlicher Auffassung, was die Definition der zu lösenden technischen Aufgabe betrifft, die von der Beschwerdeführerin in der Bereitstellung einer alternativen Zubereitung und von der Beschwerdegegnerin in der Bereitstellung einer verbesserten Zubereitung gesehen wurde.

1.8 Der Versuchsbericht D9 beinhaltet die bereits in D6 dargestellten Ergebnisse, ergänzt durch zusätzliche Daten (Rezepturen V2 und V3).

Insbesondere ergibt sich aus D9, dass die Zubereitungen E3 und E4, die beide alle Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 aufwiesen, nach Lagerung für 24 Tage bei 45°C eine nur geringfügige Veränderung der Viskosität (jeweils +3%) zeigten. Beide Zubereitungen hatten einen pH-Wert von 5,1, wobei in der Zubereitung E3 das Material "Synthalen K" (Carbomer, entsprechend einem vernetzten Acrylat-Homopolymer gemäß Merkmal c) des vorliegenden Anspruchs 1) und in der Zubereitung E4 das Material "Carbopol 1342" (Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer, entsprechend einem vernetzten Acrylat-Copolymer gemäß Merkmal c) des vorliegenden Anspruchs 1) enthalten war.

Demzufolge haben sich die Rezepturen, die dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags entsprechen (E3, E4), als viskositätsstabil erwiesen.

1.9 Die Kammer ist aufgrund dessen (in der Annahme, dass auch die Zubereitung gemäß Beispiel 4B in D1 viskositätsstabil war) der Auffassung, dass zumindest die technische Aufgabe der Bereitstellung von alternativen viskositätsstabilen tensidbasierten Haarreinigungsmitteln, die Salicylsäure und Acrylatverdicker enthalten, als gelöst angesehen werden kann.

1.10 Die Beschwerdeführerin hat zwar in ihrem Vortrag im wesentlichen dieselbe Aufgabenstellung zugrundegelegt, ergänzend dazu aber noch eine zweite Argumentations­linie verfolgt, wonach es angesichts der zu allgemeinen Definition des Acrylatverdickers nicht glaubhaft sei, dass alternative (viskositätsstabile) Zubereitungen über die gesamte beanspruchte Breite erhalten würden.

1.11 Die Kammer kann sich dieser Auffassung jedoch nicht anschließen. Die anspruchsgemäßen Polymere sind als mit speziellen Allylethern vernetzte (Meth)Acrylate definiert und weisen somit immerhin eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit auf, wobei die gemäß D9 durchgeführten Versuche sowohl ein Homopolymer (E3) als auch ein Copolymer (E4) mit hydrophoben Anteilen abdecken. Auf dieser Grundlage erscheint es zunächst glaubhaft, dass sich mit den Polymeren gemäß Merkmal c) von Anspruch 1 generell alternative viskositätsstabile Rezepturen herstellen lassen. Die Beschwerdeführerin hat ihre erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer pauschal vorgebrachte gegenteilige Behauptung nicht weiter belegt, so dass sich an der Beweislage und den Schlussfolgerungen der Kammer nichts ändert.

Naheliegen der Lösung

1.12 Die streitpatentgemäßen Polymerverdicker gemäß Merkmal c) des vorliegenden Anspruchs 1 sind entweder quervernetzte Acrylat-Copolymere oder quervernetzte Acrylat-Homopolymere.

1.13 Die Entgegenhaltung D1 (vgl. Ansprüche 1 und 13) betrifft tensidbasierte Zubereitungen, die als Verdicker ein quervernetztes Acrylat-Copoymer enthalten.

1.14 Vernetzte Acrylat-Homopolymere werden dagegen nicht in D1 empfohlen; vielmehr findet sich auf Seite 2 (Zeilen 10 bis 13) die Aussage, dass die rheologische Stabilität von mit konventionellem Carbomer verdickten Zubereitungen im allgemeinen zu wünschen übrig lässt (wobei es sich bei Carbomer um ein quervernetztes Acrylat-Homopolymer handelt, das mit einem Allylether von Saccharose [im Streitpatent Sucrose genannt] oder Pentaerythrit quervernetzt sein kann). Somit legt die technische Lehre von D1 für den Fachmann nicht die Verwendung von streitpatentgemäßen quervernetzten Acrylat-Homopolymeren nahe.

1.15 Im Hinblick auf Copolymere ist zwar zunächst festzu­stellen, dass die allgemeine Definition des Acrylat-Copolymers in D1 auch vernetzte Copolymere gemäß Komponente c) von Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags zu umfassen scheint (vgl. D1: Ansprüche 1, 2 und 5 sowie Seite 7, Zeile 3 bis Seite 8, Zeile 28).

Andererseits allerdings wird im konkreten Fall das dieser Komponente c) entsprechende Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer auf Seite 52 und 53 von D1 als nicht erfindungsgemäß dargestellt. Die mit diesem Polymer hergestellte Zubereitung gemäß Beispiel 4B/"Sample D" war laut D1 nicht stabil. Auch auf Seite 2 (Zeilen 10 bis 13) von D1 wird Zubereitungen, die mit diesem Polymer verdickt sind, eine im allgemeinen unzureichende rheologische Stabilität zugeschrieben.

Ansonsten wird in den Beispielrezepturen der Entgegenhaltung D1 als Verdickerpolymer ausschließlich "Acrylates Crosspolymer" verwendet, das bekanntermaßen aufgrund der Verwendung eines anderen Vernetzers nicht den streitpatentgemäßen Polymeren entspricht (vgl. obenstehend Punkt 1.6). Weiter wird ausgesagt, dass die Polymere gemäß der in D1 beschriebenen Erfindung im Handel unter der Bezeichnung "Acrylates Crosspolymer" erhältlich sind (vgl. weiter auch D1: Seite 10, Zeilen 19 bis 21: "Polymer rheology modifiers of the present invention are commercially available (...) under the name of Acrylates Crosspolymer.").

Somit erhielte der Fachmann aus der konkreten technischen Lehre von D1 den Eindruck, dass die Erfinder von D1 in ihren Ausführungsbeispielen nur das Polymer Acrylates Crosspolymer erfolgreich eingesetzt haben, dass aber streitpatentgemäße quervernetzte Acrylat-Copolymere gemäß Komponente c), die in D1 in Form des Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer angesprochen werden, nicht für die Formulierung alternativer Zubereitungen geeignet wären, da laut den Angaben in D1 ungünstige rheologische Eigenschaften zu erwarten wären.

1.16 Das Argument der Beschwerdeführerin, in D1 sei bei dem Vergleich der Rezepturen gemäß Beispiel 4B/"Sample A" und 4B/"Sample D" lediglich die Stabilität im Hinblick auf eine Phasentrennung, aber nicht im Hinblick auf die Viskositätsstabilität beurteilt worden, ändert daran nichts, da selbstverständlich auch eine Phasentrennung unerwünscht ist. Somit würde die Angabe, dass es bei der Rezeptur gemäß Beispiel 4B/"Sample D" zu einer Phasentrennung kommt, für den Fachmann unzweifelhaft gegen die Verwendung des betreffenden Polymers sprechen.

1.17 Da der Einfluss des pH-Werts und die Konservierung nicht diskutiert werden, gibt es in D1 auch keine Hinweise darauf, dass eine Verwendung der streitpatent­gemäßen Polymere im streitpatentgemäßen pH-Bereich von Vorteil sein bzw. zu besseren Ergebnissen führen könnte.

1.18 Aus diesen Gründe ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass die technische Lehre von D1 für den Fachmann den beanspruchten Gegenstand nicht nahelegt.

1.19 Das von der Beschwerdeführerin zusätzlich in Kombination mit D1 herangezogene Beweismittel D4 ist nicht datiert und kann deshalb nicht als Stand der Technik im Sinne von Artikel 56 EPÜ gelten. Ein nachträglich erfolgter Stempelaufdruck kann nicht als solcher als Beweis für ein Veröffentlichungsdatum gelten.

D4 im Inhalt ähnlich ist die vorveröffentlichte Entgegenhaltung D3 betreffend Synthalen (Carbomer). Anders als D1 befasst sich die Entgegenhaltung D3 allerdings nicht mit tensidbasierten wässrigen shampooähnlichen Zubereitungen und bietet daher keinen weiteren Aufschluss über die Eignung von quervernetzten Homopolymeren gemäß Merkmal c) (speziell: Carbomer) für solche Zubereitungen. Aus D3 ist lediglich zu entnehmen, dass in Wasser dispergiertes Synthalen im leicht sauren pH-Bereich offenbar noch verdickend wirkt. Dieses Wissen würde den Fachmann aber nicht dazu veranlassen, entgegen der technischen Lehre von D1 Carbomer in die Rezepturen einzuarbeiten.

1.20 Aufgrund dieser Überlegungen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

2. Zulassung verspätet eingereichter Beweismittel

2.1 Da die erst spät im Verfahren vorgelegten Beweismittel D10 und D11 in der für die vorliegende Entscheidung relevanten Diskussion nicht von den Verfahrens­beteiligten herangezogen wurden, ist eine Entscheidung über ihre Zulassung in das Verfahren gemäß Artikel 13 VOBK nicht erforderlich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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