European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T078815.20190520 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Mai 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0788/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04763409.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B42D 15/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Sicherheitspapier zur Herstellung von Wertdokumenten | ||||||||
Name des Anmelders: | Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ARJOWIGGINS SECURITY DE LA RUE INTERNATIONAL LIMITED |
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Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Unzulässige Erweiterung (ja: Hauptantrag) Mangelnde Klarheit (ja: alle Hilfsanträge) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 651 449 (nachfolgend als "das Patent" bezeichnet) zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass keiner der ihr vorliegenden Anträge den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genügt.
II. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 20. Mai 2019 in Abwesenheit der Beschwerdegegnerin I statt. Wie mit Schreiben vom 16. April 2019 angekündigt, nahm die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 1) nicht an der mündlichen Verhandlung teil.
III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 9. April 2014, hilfsweise auf Grundlage der Hilfsanträge 1-4, eingereicht mit Schreiben vom 23. Dezember 2014, aufrechtzuerhalten. Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 5 und 6 wurden während der mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 1) stellte im Beschwerdeverfahren keine Anträge.
Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Sicherheitspapier zur Herstellung von Wertdokumenten (10, 20, 50), wie Banknoten, Pässen, Ausweisdokumenten oder dergleichen, wobei das Sicherheitspapier Sicherheitselemente (11, 12, 21, 22, 51, 52) mit einem visuell prüfbaren, optisch variablen Effekt aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Sicherheitspapier wenigstens zwei Sicherheitselemente (11, 12, 21, 22, 51, 52) mit einem visuell prüfbaren, optisch variablen Effekt umfasst, die jeweils eine Fläche von zumindest 1 cm² der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments (10, 20, 50) bedecken, dass zumindest zwei der Sicherheitselemente (11,12, 21,22,51, 52) überlappend angeordnet sind und dass wenigstens ein Sicherheitselement in Form eines Einzelelements (11, 21, 52), wie z. B. einem Patch, und wenigstens ein Sicherheitselement in Form eines Endloselements (12,22,51), wie z. B. einem Streifen, aufgebracht ist."
Abgesehen von Streichungen in den Bezugszeichen unterscheidet sich Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die Sicherheitselemente "zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments" bedecken, und zumindest zwei der Sicherheitselemente "auf der selben Seite des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments" angeordnet sind.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass zumindest zwei der Sicherheitselemente übereinander aufgebracht sind und dass jeweils ein Sicherheitselement die Form eines Patches bzw. eines Streifens aufweist.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass die Bedingungen betreffend die Fläche (Bedeckung von zumindest 1% und zumindest 1 cm² der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments) und der Anordnung (auf der selben Seite des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments und überlappend) für dieselben (mindestens zwei) Sicherheitselemente erfüllt sein müssen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 in derselben Art und Weise wie Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1.
V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Folgendes vorgetragen:
a) Hauptantrag: Zulässigkeit der Änderungen
Es stelle sich die Frage, was unter "großflächig" zu verstehen sei. Es handle sich um einen unbestimmten und somit unklaren Begriff, der im Erteilungsverfahren ersetzt wurde, nämlich durch das klare Merkmal, dass die Sicherheitselemente jeweils eine Fläche von zumindest 1 cm² der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken.
Im Patent würden zwei Ausführungsformen beschrieben, die darlegen, wie der Begriff "großflächig" zu verstehen sei:
Gemäß Absatz [0022] bedecken großflächige Sicherheitselemente "zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments".
Absatz [0023] verlange, dass die Sicherheitselemente leicht erkennbar sein müssen. Die Angabe "1%" sei problematisch, weil sie von der Größe des Sicherheitspapiers oder des Wertdokuments abhänge. Geldscheine könnten sehr verschiedene Größen aufweisen (vgl. die aktuelle Serie der Euro-Banknoten mit einem relativ kleinen 5-Euro-Schein und einem relativ großen 500-Euro-Schein). 1% der Fläche eines Sicherheitspapiers entspräche genau dann einer Fläche von 1 cm², wenn das Papier eine Fläche von 100 cm² aufweise (ein 20-Euro-Schein habe eine Fläche von etwa 95 cm² und ein 50-Euro-Schein eine Fläche von etwas mehr als 107 cm²). Dies bedeute, dass z.B. bei Euro-Banknoten mit einem Wert von weniger als 50 Euros ein Sicherheitselement mit einer Oberfläche von 1% der Fläche der Banknote nicht mehr "leicht erkennbar" im Sinne von Absatz [0023] sei.
Demzufolge sei die Ersetzung von "großflächig" durch "mindestens 1 cm²" klar und eindeutig.
Die Absätze [0022] und [0023] stünden eigentlich parallel nebeneinander und seien als gleichwertig anzusehen. Der Absatz [0023] sei sogar noch wichtiger als der Absatz [0022], weil er offenbare, dass die Sicherheitselemente leicht erkennbar sein müssten.
b) Hilfsanträge: Klarheit
Der Gegenstand von Anspruch 1 aller Hilfsanträge wird mittels beider Kriterien (sowohl das "1%"-Kriterium als auch das "1 cm²"-Kriterium) definiert.
Anspruch 1 bezieht sich auf die "Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments". Die Definitionen der Begriffe "Sicherheitspapier" und "Wertdokument" fänden sich in Absatz [0003] des Patents. Die Absätze [0041] und [0042] würden Einzelheiten der Herstellung offenbaren. Es sei egal, ob man sich auf die Gesamtfläche des Sicherheitspapiers oder des Wertdokuments beziehe; wichtig sei, wie in
Absatz [0023] erklärt werde, dass das Sicherheitselement optisch visuell erkennbar sei. Wenn das Sicherheits-element eine Fläche von mindestens 1 cm² habe, sei es egal, ob es sich auf einem ganzen Bogen oder auf einem Nutzen befinde, denn es sei immer erkennbar. Es sei darüber hinaus klar, dass nicht der ganze Bogen gemeint sein könne, sondern nur ein einzelnes Wertdokument. Der Bezug auf das Papier erkläre sich aus dem Wunsch, im Rahmen eines Verletzungsverfahrens auch gegen den Hersteller des Sicherheitspapiers vorgehen zu können. Der Anspruch ziele somit auf das Wertpapier bzw. den entsprechenden Nutzen ab (vgl. Absatz [0042]).
Das "und", das die beiden Kriterien für die Fläche des Sicherheitselement verbindet, stelle kein Problem dar. Falls das Wertdokument eine Fläche kleiner als 100 cm² aufweise, sei das "1 cm²"-Kriterium entscheidend; bei einer Fläche des Wertdokuments von mehr als 100 cm² hingegen das "1%"-Kriterium. Die beiden Kriterien würden sich nicht widersprechen, sondern einander ergänzen.
VI. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) haben Folgendes vorgetragen:
a) Hauptantrag: Zulässigkeit der Änderungen
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass das Kriterium von "1%" nicht ausreiche, um eine leichte Erkennbarkeit zu gewährleisten, und dass erst das "1 cm²" Kriterium diese Wirkung garantiere, stelle eine neue Lehre dar, die keine Grundlage in der ursprünglichen Offenbarung habe. Letztere offenbare gerade das Gegenteil. Sie verlange, dass das Sicherheitselement "großflächig" zu sei habe - das gehe aus dem ursprünglichen Anspruch 1 und aus Seite 4, Zeilen 22 ff. der ursprünglichen Anmeldung, bzw. Absatz [0021] des Patents, hervor. Es handle sich unzweifelhaft um ein wesentliches Merkmal. Absatz [0022] sei offenkundig wichtiger als Absatz [0023], da er den Begriff "großflächig" (über das "1%"-Kriterium) definiere. Absatz [0023] stelle dies nicht in Frage, sondern beschreibe ein zusätzliches, bevorzugtes Kriterium. Es stelle ein anderes Kriterium als das der Großflächigkeit dar, denn, je nach Größe des Wertpapiers, könne 1 cm² mehr oder weniger als 1% der Fläche des Wertpapiers ausmachen. Es handle sich somit um ein völlig unabhängiges Erfordernis.
Die Patentinhaberin habe die Wahl getroffen, dem Begriff "großflächig" eine besondere Bedeutung zuzuschreiben und einen entsprechenden Gegenstand zu beanspruchen. Die gesamte Lehre des Patents mache klar, dass es sich um ein wesentliches Merkmal handle. Dort, wo das bevorzugte Kriterium von "wenigstens 1 cm²" beschrieben sei (Seite 5, Zeilen 6 ff.), stehe es im Zusammenhang mit der Erfordernis der Großflächigkeit. Die beiden Kriterien seien also stark miteinander verbunden. Dadurch, dass die Beschwerdeführerin die beiden Kriterien nun trenne, gehe sie über die ursprüngliche Offenbarung hinaus.
b) Hilfsanträge: Klarheit
Der geänderte Anspruch 1 stelle nun zwei Bedingungen an die Fläche der Sicherheitselemente: letztere müsse zumindest 1% und zumindest 1 cm² der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments ausmachen. Es sei also nicht ausreichend, wenn das Sicherheitselement 1 cm² bedeckt.
Bezüglich des Merkmals, dem zufolge das Sicherheitselement "zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments" bedecken müsse, sei festzustellen, dass das Sicherheitspapier und das Wertdokument zwei verschiedene Dinge seien. Das Sicherheitspapier könne eine Oberfläche aufweisen, die die Fläche des Wertdokuments um ein Vielfaches übersteigt. Es sei nicht klar, welche dieser beiden Flächen berücksichtigt werden solle. Darüber hinaus sei völlig unklar, welche Oberfläche das Wertdokument haben solle. Wie Absatz [0051] des Patents zeige, sei es möglich, die Sicherheitsmerkmale erst am Ende des Herstellungsprozesses auf das Sicherheitspapier aufzubringen. Es sei daher nicht richtig, dass dem Sicherheitspapier anzusehen sei, wie groß das Wertdokument letztlich sein werde. Auch dies führe dazu, dass der genaue Umfang des Anspruchs unklar sei.
Die Beschreibung stehe auch im Widerspruch zum geänderten Anspruch 1.
Entscheidungsgründe
1. Anzuwendendes Recht
Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, wurde am 22. Juli 2004 eingereicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) Artikel 84 EPÜ 1973 sowie Artikel 123 (2) EPÜ [2000] anzuwenden.
2. Hauptantrag: Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Die ursprüngliche Offenbarung der Erfindung (siehe den ursprünglichen Anspruch 1 sowie die entsprechenden Passagen de Beschreibung) verlangte, dass das Sicherheitspapier wenigstens zwei "großflächige" Sicherheitselemente umfasst.
Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags (sowie auch des erteilten Antrags 1) umfasst das Sicherheitspapier ganz allgemein "zwei Sicherheitselemente", von denen verlangt wird, dass sie "jeweils eine Fläche von zumindest 1 cm² der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken". Die Großflächigkeit der Sicherheitselemente wird nicht mehr explizit gefordert.
Die Einspruchsabteilung hat in der Streichung des Adjektivs "großflächig" eine Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ gesehen und dazu Folgendes ausgeführt:
"Die Patentinhaberin behauptet, dass Seite 5, Zeilen 9 und 10 offenbart, dass 1 cm² eine Ausführungsform von "großflächig" ist, womit Anspruch 1 großflächige Sicherheitselemente offenbaren würde. Die "Großflächigkeit" ist jedoch, der Einspruchsabteilung zufolge, unabhängig der Größenangaben der Seite 5, Zeilen 10-12 und auf Seite 4, letzten Absatz klar definiert: Die Patentanmelder meinten mit "großflächige Sicherheitselemente" die, die zumindest 1 % der Fläche des Sicherheitspapier bzw. des Wertdokuments bedecken. Das Argument der Patentinhaberin greift somit nicht." (siehe Punkt 2.1.1 der Entscheidungsgründe)
In der ursprünglichen Anmeldung findet man die Offenbarung zur Großflächigkeit der Sicherheitselemente in einer Passage, die sich von Seite 4, Zeile 10 bis Seite 5, Zeile 12 erstreckt. Sie ist wortgleich mit den Absätzen [0019] bis [0023] des Streitpatents, die nachfolgend wiedergegeben werden:
"[0019] Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Fälschungssicherheit von Sicherheitspapieren und Wertdokumenten dadurch verbessert werden kann, dass die Sicherheitspapiere und Wertdokumente mit wenigstens zwei großflächigen Sicherheitselementen, die einen optisch variablen Effekt aufweisen, ausgestattet werden.
[0020] Die vorliegende Erfindung betrifft daher ein Sicherheitspapier zur Herstellung von Wertdokumenten, wie Banknoten, Pässen, Ausweisdokumenten oder dergleichen, wobei das Sicherheitspapier wenigstens zwei großflächige Sicherheitselemente mit einem visuell prüfbaren, optisch variablen Effekt aufweist.
[0021] Erfindungsgemäß werden großflächige Sicherheitselemente mit jeweils einem optisch variablen Effekt miteinander kombiniert. Die großflächige Verarbeitung erleichtert das Erkennen für einen Betrachter und erlaubt so eine sichere Prüfung der Echtheit des Wertdokuments.
[0022] Unter dem Begriff "großflächige Sicherheitselemente" fallen im Rahmen der vorliegenden Erfindung Sicherheitselemente, die zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken. Bevorzugt werden großflächige Sicherheitselemente, die zumindest 5%, besonders bevorzugt zumindest 10%, insbesondere zumindest 20% und ganz besonders bevorzugt zumindest 25% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken.
[0023] Die Sicherheitselemente erleichtern aufgrund ihrer Größe und eindeutigen Erkennbarkeit die Prüfung durch den Nutzer. Da die Echtheitsprüfung mithilfe der variablen Effekte der Sicherheitselemente erfolgt, müssen diese leicht erkennbar sein. Aus diesem Grund werden großflächige Sicherheitselemente bevorzugt, die zumindest 1 cm², besonders bevorzugt 4 cm², insbesondere 10 cm² und ganz besonders bevorzugt 25 cm² der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken."
Diese Offenbarung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Absatz [0019] legt allgemein dar, dass die Erfindung darin besteht, dass wenigstens zwei großflächige, optisch variable Sicherheitselemente vorgesehen werden. Absatz [0020] beschreibt nochmals die wesentlichen Merkmale des Erfindungsgegenstands. Absatz [0021] erklärt, dass die großflächige Verarbeitung das Erkennen durch einen Betrachter erleichtert und somit eine sichere Prüfung erlaubt. Anschließend wird der Begriff "großflächig" im Absatz [0022] über das "1%"-Kriterium definiert. Schließlich beschreibt Absatz [0023] eine bevorzugte Variante, der zufolge zumindest 1 cm² des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments von den Sicherheitselementen bedeckt sind.
Daraus geht hervor, dass die Großflächigkeit der Sicherheitselemente unzweifelhaft als wesentliches Merkmal der Erfindung beschrieben wird. Absatz [0022] definiert dieses Merkmal darüber, dass großflächige Sicherheitselemente zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken. Die Beschwerdeführerin hat also von der ihr zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Begriff "großflächig" eine vom allgemeinen Wortsinn (Duden: "sich über eine große Fläche erstreckend") abweichende Bedeutung (nämlich "mit einer Fläche, die zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers ausmacht") zuzuschreiben und den Anspruchsgegenstand mittels dieses Begriffs zu definieren. Damit hat sie sich aber an die von ihr selbst aufgestellte Definition gebunden und kann sich nicht davon lossagen.
Anspruch 1 des Hauptantrags definiert den Erfindungsgegenstand nunmehr ohne expliziten Bezug auf die Großflächigkeit der Sicherheitselemente. Dies würde nur dann den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ gerecht werden, wenn (1) nachgewiesen werden kann, dass die ursprüngliche Offenbarung der Erfindung auch Sicherheitspapiere mit nicht großflächigen Sicherheitselementen umfasst, oder wenn (2) die neue Formulierung des Anspruchs 1 die Großflächigkeit der Sicherheitselemente impliziert.
Dass die Bedingung (1) erfüllt ist, wurde von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Die Kammer kann auch keine entsprechende Offenbarung erkennen.
Die Bedingung (2) ist ebenso wenig erfüllt, denn aus dem Merkmal, dem zufolge die Sicherheitselemente jeweils eine Fläche von zumindest 1 cm² der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken, geht nicht hervor, dass die Sicherheitselemente großflächig im Sinne des Patents sind, d.h. zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken. Falls das Wertdokument eine Fläche von mehr als 100 cm² aufweist, was keineswegs abwegig ist, würde ein Sicherheitsmerkmal mit einer Fläche von 1 cm² nämlich nicht mehr zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments bedecken. Es könnte somit nicht mehr als großflächig im Sinne des Patents gelten.
Die gegenteilige Argumentation der Beschwerdeführerin beruht wesentlich darauf, dass die Absätze [0022] und [0023] die Offenbarung zweier alternativer Ausführungsformen verstanden werden, wobei die Lehre von Absatz [0023] eine Ausführungsform betreffen soll, die sich durch eine leichte Erkennbarkeit auszeichne. Anspruch 1 des Hauptantrags habe diese Ausführungsform zum Gegenstand.
Die Kammer kann diesem Vortrag nicht folgen, da er die Absätze [0022] und [0023] künstlich voneinander trennt. Es ist nicht richtig, dass die Wirkung der leichten Erkennbarkeit erst im Zusammenhang des Kriteriums von Absatz [0023] beschrieben wird. Die leichte Erkennbarkeit klingt vielmehr bereits im Absatz [0021], also im Zusammenhang mit der Großflächigkeit der Sicherheitselemente an. Der Fachmann, der die Offenbarung der Absätze [0019] bis [0023] liest, würde verstehen, dass der Absatz [0023] eine bevorzugte Variante beschreibt, und nicht eine Ausführungsform, die eine Alternative zur Lehre von Absatz [0022] darstellt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Anspruch 1 nunmehr Sicherheitselemente mit einer Fläche von zumindest 1 cm² betrifft, und zwar unabhängig davon, ob diese zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bedecken - und somit "großflächig" im Sinne des Streitpatents sind - oder nicht. Dafür gibt es aber keine Stütze in der ursprünglichen Offenbarung, denn dort ist die Mindestfläche von 1 cm² nur im Zusammenhang mit großflächigen Sicherheitselementen offenbart.
Da der Gegenstand von Anspruch 1 somit nicht ursprünglich offenbart ist, kann dem Hauptantrag nicht stattgegeben werden.
Angesichts dieses Ergebnisses ist es nicht erforderlich, auf die anderen gegen den Hauptantrag erhobenen Einwände einzugehen.
3. Hilfsanträge 1 bis 4: Klarheit
Der Anspruch 1 aller Hilfsanträge unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags unter anderem dadurch, dass die Sicherheitselemente "zumindest 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bzw. des Wertdokuments" bedecken.
Dadurch, dass die Fläche des Sicherheitselements nunmehr relativ zur Fläche des Sicherheitspapiers oder des Wertdokuments ("1%") definiert wird, wird letztere entscheidend für die Definition der zu verwendenden Sicherheitselemente. Wenn das Sicherheitspapier in Rollenform vorliegt, ist a priori nicht klar, ob die Oberfläche der gesamten Rolle oder eines davon abgetrennten Stücks zu betrachten ist. Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass der Fachmann letzteres annehmen würde, führt der Hinweis auf das Wertdokument zu einer Unklarheit. Angesichts der Tatsache, dass das Wertdokument unbestimmt ist (mit Ausnahme der Tatsache, dass zu seiner Herstellung das anspruchsgemäße Sicherheitspapier verwendet wird) ist für den Fachmann unklar, ob ein gegebenes Sicherheitspapier mit Sicherheitselementen, die weniger als 1% der Fläche des Sicherheitspapiers bedecken, nicht vielleicht doch unter den Anspruch fällt, indem es mehr als 1% der Fläche des damit schließlich hergestellten Wertdokuments bedeckt.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin, Anspruch 1 beziehe sich auf den Nutzen, aus dem das Wertpapier hergestellt wird, geht ins Leere, da dies im Anspruchswortlaut nicht zum Ausdruck kommt.
Somit genügt der Anspruch 1 aller Hilfsanträge nicht dem Erfordernis der Klarheit.
Angesichts dieses Ergebnisses ist es nicht erforderlich, auf die anderen gegen die Hilfsanträge erhobenen Einwände einzugehen.
Da keinem der Hilfsanträge stattgegeben werden kann, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.