European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T066115.20191029 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 October 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0661/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06706994.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 9/22 A61K 31/53 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | ARZNEIFORMEN MIT VERBESSERTEN PHARMAKOKINETISCHEN EIGENSCHAFTEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Bayer Intellectual Property GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Accord Healthcare Ltd Generics [UK] Limited |
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Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausführbarkeit (ja) Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 858 490 wurde mit neun
Ansprüchen erteilt und war auf eine Arzneimittelformulierung enthaltend Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat gerichtet.
II. Gegen die Erteilung des Patents haben zwei Einsprechende Einspruch eingelegt. Einspruchsgründe waren fehlende erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ und unzureichende Offenbarung gemäß Artikel 100 b) EPÜ.
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurden unter
anderem die folgenden Beweismittel genannt:
D6: J. M. Young, Expert Opin. Investig. Drugs (2002), 11(10), Seiten 1487 bis 1496
D17: Eidesstattliche Erklärung von Professor Dr. J. Breitkreutz, Seiten 1 bis 3
III. Der Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents lagen das erteilte Patent als Hauptantrag, ein während der mündlichen Verhandlung am 6. November 2014 eingereichter erster Hilfsantrag, sowie die mit Schreiben vom 5. September 2014 eingereichten Hilfsanträge 2 bis 18 zugrunde.
Anspruch 1 des Hauptantrags lautete wie folgt:
"1. Arzneimittelformulierung, die schnell im Mund zerfällt, enthaltend a) Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat und b) Zuckeralkohol, dadurch gekennzeichnet, dass sich mindestens 80 % der Vardenafil-Dosis aus der eingesetzten Substanzform bei 25°C in 10 ml physiologischer Kochsalzlösung auflöst und die Freisetzungsrate aus der Arzneimittelformulierung in 900 ml physiologischer Kochsalzlösung innerhalb der ersten 5 Minuten in der USP Blattrührerapparatur bei 50 Umdrehungen pro Minute bei 37 °C mindestens 70 % beträgt."
IV. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, dass die Erfindung gemäß Hauptantrag im Hinblick auf das technische Merkmal der beanspruchten Arzneimittelformulierung, wonach sich mindestens 80 % der Vardenafil-Dosis aus der eingesetzten Substanzform bei 25°C in 10 ml physiologischer Kochsalzlösung auflöst (nachfolgend "Löslichkeitsparameter"), nicht ausführbar sei. Insbesondere mangele es dem Streitpatent an einer deutlichen Lehre des Begriffes "eingesetzte Substanzform", so dass der Fachmann nicht wisse, wie er diesen Parameter zu bestimmen habe.
V. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Patentinhaberin (nachfolgend Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.
Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte sie folgende Beweismittel ein:
D35: FDA-Auszug: 21 CFR Ch. 1 (4. Januar 2000 Edition), Seite 98
D36: ICH Topic M 4 Q, Common Technical Document for the Registration of Pharmaceuticals for Human Use - Quality (CPMP/ICH/2887/99 - Quality), European Medicines Agency, Seiten 1 bis 23
D37: ICH Topic Q 6 A, Specifications: Test Procedures and Acceptance Criteria for New Drug Substances and New Drug Products: Chemical Substances (CPMP/ICH/367/96), European Medicines Agency, Seiten 1 bis 32
D38: WO 00/64419 A
D39: M. Herzler, Dissertation "Über die Aussagesicherheit der Substanzidentifizierung mittels HPLC-DAD in der Systematischen Toxikologischen Analyse unter Verwendung einer selbsterstellten UV-Spektrenbibliothek mit 2682 Einträgen", Seite 50
D42: Eidesstattliche Erklärung von Dr. P. Serno: "Apparent solubility of vardenafil hydrochloride trihydrate in physiological saline", Seiten 1 bis 3
D43: Eidesstattliche Erklärung von Dr. P. Serno: "Impact of orodispersible tablet excipients and buffers on apparent solubility of vardenafil hydrochloride trihydrate", Seiten 1 bis 4
D44: Eidesstattliche Erklärung von Dr. P. Serno: "Dissolution of commercial vardenafil hydrochloride trihydrate orodispersible tablets in physiological saline", Seiten 1 bis 2
VI. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom 20. Oktober 2015 beantragte die Einsprechende 01 (nachfolgend "Beschwerdegegnerin 01") die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2019 nahm die Beschwerdegegnerin 01 ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und teilte mit, dass sie nicht an der für den 1. August 2019 anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.
VIII. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2019 teilte die Einsprechende 02 (nachfolgend Beschwerdegegnerin 02) mit, dass sie ebenfalls nicht an dieser mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.
IX. Am 28. Juni 2019 erläuterte die Kammer in einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK ihre vorläufige Einschätzung, dass die Erfindung gemäß Hauptantrag ausführbar sei. Ferner kündigte sie an, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
X. Am 18. Juli 2019 teilte der Vertreter der beiden Beschwerdegegnerinnen mit, die Beschwerdegegnerinnen beabsichtigten, auch vor dem Hintergrund der in dem Bescheid der Kammer geäußerten vorläufigen Meinung, an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen.
XI. Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung abgesagt.
XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten schriftlichen Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Ausführbarkeit:
Aus dem Streitpatent gehe unmittelbar und eindeutig hervor, dass der Löslichkeitsparameter gemäß Anspruch 1 anhand der eingesetzten Substanzform und nicht anhand der fertigen Arzneimittelformulierung bestimmt werde. Der Begriff "Substanzform" sei im Sinne seiner unter anderem in D35 bis D37 wiedergegebenen allgemein anerkannten Bedeutung zu verstehen und bezeichne die Reinform des Wirkstoffs. Somit beziehe sich die "eingesetzte Substanzform" laut Anspruch 1 auf die Menge an Wirkstoff, die in Reinform im Hinblick auf ihre Löslichkeit in physiologischer Kochsalzlösung beurteilt und anschließend zur Herstellung der finalen Arzneimittelformulierung eingesetzt werde. Dementsprechend weise der anspruchsgemäße Löslichkeitsparameter keinen Klarheitsmangel auf. Des Weiteren belegten die Daten der D42 und der D43, dass die anspruchsgemäße Löslichkeit mit dem Wirkstoff Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat erreicht werde und dass die in der Formulierung befindlichen Hilfsstoffe diese nicht steigerten. Demzufolge sei die beanspruchte Erfindung ausführbar.
b) Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung
Diese sei gerechtfertigt, da im erstinstanzlichen Verfahren nur über die Ausführbarkeit diskutiert worden sei und wesentliche Fragen, insbesondere zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit, nicht erörtert worden seien.
XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten schriftlichen Argumente der Beschwerdegegnerin 01 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Ausführbarkeit
Der dem Streitpatent zugrunde liegenden Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung (nachfolgend "Anmeldung") mangele es an einer unmittelbaren und eindeutigen Definition des Begriffes "Substanzform". Darüber hinaus gebe es auch im Stand der Technik keine eindeutige und allgemein gültige Definition dieses Begriffes. Insbesondere erwähnten die von der Beschwerdeführerin angeführten Dokumente D35 bis D37 diesen Ausdruck nicht, während D38 und D39 diesem eine andere Bedeutung beimessen als die Anmeldung. Entsprechend sei der Fachmann aufgrund der Mehrdeutigkeit des Begriffes "Substanzform" nicht in der Lage, den anspruchsgemäßen Löslichkeitsparameter ohne unzumutbaren Aufwand zu bestimmen.
Darüber hinaus gehe aus den Beispielen 6 und 7 des Streitpatents hervor, dass sich der dort verwendete Begriff "vom eingesetzten Wirkstoff" auf die im vorherigen Satz erwähnte gesamte Arzneimittelformulierung beziehe. Allerdings gebe das Streitpatent keinerlei Anleitung, wie die Löslichkeit einer solchen Formulierung zu bestimmen sei.
Schließlich liege kein Beleg für die beanspruchte Löslichkeit vor. Die hierzu von der Beschwerdeführerin angeführten Beweismittel D42 bis D44 seien nicht aussagekräftig, da in diesen Versuchen eine höhere Menge an physiologischer Kochsalzlösung verwendet worden sei. Ferner seien darin nicht alle Faktoren angegeben, die für die Bestimmung der Löslichkeit wichtig seien und die die Löslichkeitsrate eines Wirkstoffes beeinflussten.
b) Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung
Diese sei im Hinblick auf die Tatsache, dass die Erfindung nicht dem Erfordernis der Ausführbarkeit entspreche, nicht gerechtfertigt.
XIV. Die Beschwerdegegnerin 02 hat zu der Beschwerde nicht sachlich Stellung genommen.
XV. Schriftlich gestellte Anträge der Parteien:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung zur weiteren Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerin 01 beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Darüber hinaus erachtete sie den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung für nicht gerechtfertigt.
Seitens der Beschwerdegegnerin 02 liegen keine Anträge vor.
Entscheidungsgründe
1. Ausführbarkeit
1.1 In der angefochtenen Entscheidung begründete die Einspruchsabteilung die mangelnde Ausführbarkeit damit, dass die Definition des Löslichkeitsparameters gemäß Anspruch 1 nicht deutlich sei, so dass der Fachmann nicht wisse, wie er diesen Parameter zu bestimmen habe (siehe oben unter Punkt IV.).
1.2 Dies wurde seitens der Beschwerdeführerin bestritten (siehe oben unter Punkt XII.). Entsprechend gilt es vorliegend zu prüfen, ob der Löslichkeitsparameter gemäß Anspruch 1 mehrdeutig ist.
1.2.1 In ihrer Beschwerdeerwiderung trug die Beschwerdegegnerin 01 unter Verweis auf Seite 2, vorletzter Absatz, und den Beispielen 6 bis 10 der Anmeldung vor, dass es dieser an einer unmittelbaren und eindeutigen Definition des Begriffes "Substanzform" mangele. Dieses Merkmal könne sowohl Vardenafil als solches, als auch ein Vardenafil-Salz, eine Mischung des Vardenafils oder eines seiner Salze mit einer Säure und die fertige Arzneimittelformulierung umfassen.
1.2.2 Sowohl die von der Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung behandelten Argumente als auch die von den Parteien im Beschwerdeverfahren gegen die Ausführbarkeit der Erfindung vorgetragenen Argumente beziehen sich auf die dem Streitpatent zugrunde liegende Anmeldung. Demgegenüber hatte die Kammer in Punkt 1.3 ihres Bescheides bereits darauf hingewiesen, dass es für die Beurteilung der Ausführbarkeit auf die Offenbarung des Streitpatents ankommt. Im Folgenden können daher nur diejenigen Argumente berücksichtigt werden, die sich auf solche Textstellen beziehen, die auch Bestandteil des Streitpatents geworden sind.
1.2.3 Wie die Beschwerdeführerin in Punkt II.4. ihres Schreibens vom 14. Dezember 2015 anmerkt, bedeutet dies für den von der Beschwerdegegnerin 01 zitierten vorletzten Absatz auf Seite 2 der Anmeldung, dass ihre im Hinblick auf den darin befindlichen Passus "..., beispielsweise dem Salz oder der Mischung mit einer Säure, ..." vorgetragenen Argumente (siehe insbesondere Punkt III-1 und Seite 11, zweiter Absatz der Beschwerdeerwiderung) unberücksichtigt bleiben müssen, da dieser Passus im Streitpatent gestrichen worden ist. Gleiches gilt für das in Bezug auf D17 angeführte Argument der Beschwerdegegnerin 01 auf Seite 9, erster Absatz ihrer Beschwerdeerwiderung.
1.2.4 Gemäß Absatz 0007 des Streitpatents ist die erfindungsgemäße Arzneimittelformulierung
- durch eine ausreichend hohe Löslichkeit der eingesetzten Form von Vardenafil in einer kleinen Menge wässriger Flüssigkeit, sowie
- durch eine ausreichend schnelle Lösegeschwindigkeit aus der im Mund zerfallenden Formulierung gekennzeichnet.
(Hervorhebungen seitens der Kammer zugefügt).
1.2.5 Wie bereits in Punkt 1.4.1. ihres Bescheids angegeben, ist die Kammer der Ansicht, dass der Fachmann unter Berücksichtigung dieser Lehre unter dem Begriff "Substanzform" in Anspruch 1 diejenige Form verstehen würde, in der sich die "Substanz", d.h. das Vardenafil, befindet. Laut Streitpatent handelt es sich bei dieser Form unmittelbar und eindeutig um das Hydrochlorid Trihydrat (siehe Absatz 0009 und Anspruch 1 des Streitpatents, der auf eine Arzneimittelformulierung enthaltend Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat gerichtet ist). Insofern stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin 01 zu, dass "Substanzform" und "Substanz" nicht gleichbedeutend sind (siehe Punkt III-3 ihrer Beschwerdeerwiderung). Allerdings ändert dies nichts an der Tatsache, dass der anspruchsgemäße Begriff "Substanzform" im Streitpatent eindeutig definiert ist. Darüber hinaus wird dieser in gleicher Weise im Streitpatent verwendet wie in D38 (siehe Seite 3, vorletzter Absatz) und in D39 (siehe Seite 50, letzter Absatz), so dass das in diesem Zusammenhang vorgetragene Argument der Beschwerdegegnerin 01 ebenfalls nicht überzeugen kann.
1.2.6 Ferner besteht für den Fachmann auch keine Unklarheit darüber, dass es sich bei der "eingesetzten Substanzform" um die Menge an Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat per se, d.h. in Form seiner Reinsubstanz handelt, und nicht um die Menge an Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat in der fertigen Arzneimittelformulierung. Wie bereits unter Punkt 1.4.2. des Bescheides der Kammer ausgeführt, offenbart Absatz 0007 des Streitpatents den Begriff der Löslichkeit ausschließlich in Zusammenhang mit der eingesetzten Form des Vardenafils, während sich der in diesem Absatz ebenfalls genannte Parameter der Lösegeschwindigkeit auf die gesamte im Mund zerfallende Formulierung bezieht. Entsprechend würde der Fachmann die eingesetzte Form des Vardenafils und die im Mund zerfallende Formulierung als zwei unterschiedliche Größen betrachten und demzufolge unter dem anspruchsgemäßen Begriff der "eingesetzten Substanzform" die Menge an Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat in Form seiner Reinsubstanz verstehen, die für die Herstellung der erfindungsgemäßen Arzneimittelformulierung verwendet wird.
Die Kammer folgt der Beschwerdegegnerin 01 somit darin, dass der Fachmann bei technisch sinnvoller Auslegung des Anspruchs 1 unter dem Begriff der "eingesetzten Substanzform" nicht den Wirkstoff für sich allein genommen als Bestandteil der Arzneimittelformulierung verstehen würde. Dennoch bleibt festzustellen, dass dieser Begriff aus den vorstehend genannten Gründen an sich eindeutig ist und für den Fachmann als die Menge an Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat in Form seiner Reinsubstanz zu verstehen ist.
1.2.7 Wie bereits in Punkt 1.4.3. des Bescheides der Kammer dargelegt, deckt sich diese Auslegung mit der Lehre der Beispiele des Streitpatents. So wird in den erfindungsgemäßen Beispielen 6 und 7 sowie im Vergleichsbeispiel 4 der anspruchsgemäße Löslichkeitsparameter ausschließlich im Zusammenhang mit dem eingesetzten Wirkstoff offenbart, während keinerlei Bezug zwischen diesem Parameter und der fertigen Arzneimittelformulierung hergestellt wird. Auch in dem nicht erfindungsgemäßen Beispiel 10 bezieht sich der Parameter der Löslichkeit bei 25°C in 10 ml physiologischer Kochsalzlösung ausschließlich auf das Vardenafil und die Bernsteinsäure, während zur Bestimmung des Parameters der Lösegeschwindigkeit die gesamten, in diesem Beispiel beschriebenen Tabletten herangezogen werden.
1.2.8 Schließlich steht die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Auslegung des Löslichkeitsparameters auch nicht im Widerspruch zu der in D6 offenbarten Wasserlöslichkeit des Vardenafil Hydrochlorid Trihydrats von 0,11 mg/ml (siehe Seite 1488, rechte Spalte, erster vollständiger Absatz). Wie die Kammer bereits in Punkt 1.4.4 ihres Bescheides ausgeführt hat, zeigen die Daten der Tabelle 1 der D42 und der Tabelle 3 der D43 glaubhaft, dass die gelöste Menge des Vardenafil Hydrochlorid Trihydrats in Form der Reinsubstanz in 10 ml physiologischer Kochsalzlösung mit der für die Bestimmung der Löslichkeit eingesetzten Menge an Wirkstoff steigt und dass die klinisch relevanten Mengen von 5 mg, 10 mg und 20 mg Vardenafil
Hydrochlorid Trihydrat den anspruchsgemäßen Löslichkeitsparameter aufweisen. D6 hingegen nennt nicht die Menge an Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat, die für die Bestimmung dessen Wasserlöslichkeit eingesetzt wurde, so dass in Ermangelung dieser Information der genannte Wert von 0,11 mg/ml die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Auslegung des Löslichkeitsparameters nicht in Zweifel ziehen kann.
1.2.9 In ihrem Schreiben vom 20. Oktober 2015 äußert die Beschwerdegegnerin 01 Zweifel an der Aussagekraft der in D42 bis D44 beschriebenen Versuche. Insbesondere seien in diesen Versuchen statt der anspruchsgemäßen 10 ml physiologischer Kochsalzlösung 100 ml dieser Lösung verwendet worden. Ferner gebe es weitere Faktoren, die für die Bestimmung der Löslichkeit wichtig seien und die die Löslichkeitsrate eines Wirkstoffes beeinflussen. Jedoch seien diese weder in Anspruch 1 noch in D42 bis D44 angegeben.
1.2.10 Allerdings hat die Beschwerdegegnerin 01 für diese Behauptungen, für die sie beweispflichtig ist, weder Tatsachen noch Beweismittel vorgebracht; auch nicht nachdem die Kammer dies in Punkt 1.4.6 ihres Bescheides angemerkt hat. Entsprechend vermag auch diese Argumentation die Kammer nicht zu überzeugen.
1.2.11 Nach Abwägung der angeführten Beweismittel und Argumente kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass der anspruchsgemäße Löslichkeitsparameter eindeutig definiert ist.
1.3 Demzufolge ist die Kammer überzeugt, dass der Fachmann die Erfindung auch hinsichtlich des Merkmals "Löslichkeitsparameter" ohne unzumutbaren Aufwand ausführen kann. Entsprechend erachtet sie die Erfindung gemäß den Ansprüchen des Streitpatents insgesamt für ausführbar.
2. Zurückverweisung
2.1 Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, die Sache selbst zu entscheiden oder sie an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Einen absoluten Anspruch auf Entscheidung einer Frage in zwei Instanzen gibt es nicht. Vielmehr dient die Beschwerde dazu, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung bereitzustellen. Zudem sind bei der Entscheidung über eine Zurückverweisung auch die Anträge der Beteiligten, das allgemeine Interesse daran, das Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, und die Frage zu berücksichtigen, ob die Sache im Verfahren vor der Einspruchsabteilung erschöpfend behandelt worden ist.
2.2 Da die Einspruchsabteilung sich ausschließlich mit der Frage befasst hat, ob der ihrer Entscheidung zugrundeliegende Hauptantrag (d.h. das Patent in der erteilten Fassung) ausführbar ist, hält es die Kammer für angebracht, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückverweisung der Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung stattzugeben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.