European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T064515.20180221 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 Februar 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0645/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06014597.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B66C 23/90 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Traglastermittlung bei Kranen | ||||||||
Name des Anmelders: | Liebherr-Werk Ehingen GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Manitowoc Crane Group Germany GmbH Hirschmann Automation and Control GmbH |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1748021 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 22. Januar 2015.
II. Gegen diese Entscheidung haben beide Einsprechenden Beschwerden eingelegt.
III. In dieser Entscheidung wird das folgende Dokument genannt:
DE 26 35 974 (D7).
IV. Am 21. Februar 2018 wurde mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 des Hauptantrags wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
V. Der Anspruchs 1 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag lautet wie folgt:
Verfahren zur Ermittlung der zulässigen Traglast eines Krans, bei dem die Traglast in Abhängigkeit von n Parametern zu bestimmen ist, wobei n >= 2 ist und wobei die Parameter wenigstens einen ersten und einen zweiten Parameter umfassen, wobei das Verfahren einen ersten Schritt umfaßt, bei dem die Traglasten für den Wert des ersten Parameters bei unterschiedlichen Werten des zweiten Parameters durch Interpolation oder Extrapolation auf der Grundlage bekannter Werte der Traglast bei bestimmten Werten des ersten Parameters bestimmt werden, und einen zweiten Schritt umfaßt, bei dem die Traglast für den Wert des zweiten Parameters auf der Grundlage der in dem ersten Schritt für unterschiedliche Werte des zweiten Parameters ermittelten Werte der Traglast durch Interpolation oder Extrapolation durchgeführt wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass die bestimmten Werte des ersten Parameters, bei denen die Werte der Traglast bekannt sind, in Abhängigkeit von den Werten des zweiten Parameters gewählt werden, so dass die bestimmten Werte des ersten Parameters bei den unterschiedlichen Werten des zweiten Parameters unterschiedlich sind, und der erste Parameter eine Ausladung des Krans und der zweite Parameter Hauptauslegerwinkel des Krans sind, und bei einem größeren Hauptauslegerwinkel, d.h. bei einem steiler angestellten Hauptausleger kleinere Werte der Ausladung als Stützstellen gewählt werden als bei einem kleineren Hauptauslegerwinkel.
VI. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgelegt, werde durch das Dokument D7 neuheitsschädlich vorweggenommen.
Die Figur 1 von D7 offenbare eine Zuordnung zwischen zwei Parametern, nämlich der Länge des Auslegers und dem Auslegerwinkel alpha, und der dazugehörigen Traglast. In nicht-grafischer Form sei dies eine Tabelle (Traglastentabelle). Rechne man nun die Tabelle mit der dem Fachmann bekannten Formel
Länge des Auslegers x cos (alpha) = Ausladung
auf die Ausladung um, so erhalte der Fachmann exakt den Gegenstand des Anspruchs 1.
Die Darstellung des ersten Parameters in D7 als Länge des Auslegers sei willkürlich gewählt und der Fachmann erkenne dabei sofort auch die implizite Offenbarung, dass er auch die Ausladung verwenden könne.
Durch die Nichtlinearität der cosinus-Funktion verschöben sich die Werte, die in Figur 1 als Grundlage der Interpolation fast ein Rechteck darstellten, zu einem Trapez, welches das erste Merkmal des Kennzeichens von Anspruchs 1 erfülle.
Auch beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die mit den unterscheidenden Merkmalen zu lösende Aufgabe bestehe angeblich darin, die Reduzierung der Stützstellen in der Traglasttabelle zu erreichen, damit eine effizientere Speicherung der Parameterdaten möglich sei. Zunächst sei festzustellen, dass es keinen Hinweis im Streitpatent gebe, dass diese Aufgabe zu lösen sei, und sie ergebe sich auch nicht zwangsläufig durch die im Stand der Technik diskutierten Probleme.
Weiterhin aber werde diese Aufgabe auch gar nicht gelöst, da das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils lediglich vorschreibe, dass andere Werte verwendet werden sollen, als in D7 offenbart. Der Fachmann wisse hier weder, welche Werte er für die Interpolation verwenden könne, noch könne er erschließen, dass nun bestimmte Stützwerte in der Traglasttabelle nicht mehr benötigt würden. Damit aber seien die Voraussetzung für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllt.
VII. Die Beschwerdegegnerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D7.
Der Unterschied bestehe mindestens darin, dass D7 ein Parameterfeld, bestehend aus der Länge des Auslegers und dem Auslegerwinkel offenbare. Die strittige Erfindung definiere indes die Ausladung, die zwar mit der Länge des Auslegers über die von den Einsprechenden/Beschwerdeführerinnen beschriebende Formel in Zusammenhang stehe, aber weder unmittelbar noch eindeutig offenbart sei. Die Erfindung zeichne sich insbesondere dadurch aus, dass die Werte für die Ausladung, die für eine bestimmte Interpolation herangezogen würden, von dem Winkelwert als zweiten Parameter abhängen. Dies ermöglicht den Konstrukteuren des Krans, die Traglasttabelle zu reduzieren, da nicht mehr allen Winkelwerten ein kompletter Satz an Ausladungswerten für die Berechnung der Traglasten zugewiesen werden müssen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1, wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer als Hauptantrag vorgelegt, ist neu gegenüber dem Dokument D7, Artikel 54 (1) EPÜ.
2.1 Dabei folgt die Kammer insbesondere nicht dem Argument der Einsprechenden/Beschwerdeführerinnen, dass D7 auch das Merkmal offenbart, wonach der anspruchsgemäße erste Parameter in D7 der Ausladung des Krans entspreche; schließlich weise auch der Kran gemäß D7 eine Ausladung auf, und die könne zur Betrachtung der Neuheit als erster Parameter gewählt werden.
Gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 werden aus den ersten und den zweiten Parametern durch Interpolation oder Extrapolation auf der Grundlage bekannter Werte die Traglast bestimmt. Das bedeutet, dass für die ersten und die zweiten Parameter Traglastwerte bekannt sein müssen.
Dies ist in D7 nicht der Fall.
Dort werden Traglastwerte in Abhängigkeit von der Länge des Auslegers und dem Anstellwinkel des Auslegers angegeben (vgl. dazu insbesondere die Figur 2).
Werte für die Ausladung des Krans liegen daher nicht vor.
Die Kammer stimmt den Einsprechenden/Beschwerdeführerinnen insofern zu, dass diese Werte für den Fachmann durch eine einfache mathematische Umwandlung errechnet werden könnten. Damit aber können sie vorliegend nicht einfach und unmittelbar der D7 entnommen werden, sondern müssen erst durch eine fachmännische Tätigkeit erstellt werden.
2.2 Daraus folgt, dass auch das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils in D7 nicht offenbart ist, wonach
"die bestimmten Werte des ersten Parameters, bei denen die Werte der Traglast bekannt sind, in Abhängigkeit von den Werten des zweiten Parameters gewählt werden, so dass die bestimmten Werte des ersten Parameters bei den unterschiedlichen Werten des zweiten Parameters unterschiedlich sind".
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.
3.1 Der Gegenstand des Anspruch 1 unterscheidet sich vom Verfahren zur Ermittlung einer Traglast gemäß D7 mindestens durch die in 2.1 und 2.2 genannten Merkmale.
Die mit den unterscheidenden Merkmalen zu lösende Aufgabe besteht darin, eine Alternative zu dem in D7 offenbarten Verfahren bereitzustellen.
3.2 Die Kammer folgt dabei nicht dem Vortrag der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin, dass die Aufgabe darin bestehe, ein Verfahren vorzusehen, welches weniger Stützstellen für beide Parameter benötige, also eine kleinere Traglasttabelle aufweise. Für diese Aufgabe gibt es in der Beschreibung des Streitpatents keinen Hinweis. Auch dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ist nicht zu entnehmen, dass die Reduzierung von Stützstellen in der Traglasttabelle ein für den Fachmann zu lösendes Problem darstellen soll.
3.3 Selbst wenn daher die Aufgabe weniger ambitioniert nur in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Traglastermittlung gesehen wird, ist doch festzustellen, dass dem Stand der Technik kein Hinweis auf das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils zu entnehmen (siehe oben, 2.2) ist.
Unabhängig davon, ob die spezielle Auswahl des Parameters "Ausladung" zur erfinderischen Tätigkeit beitragen kann, sieht es die Kammer als nicht nahegelegt an, von dem in D7 offenbarten Interpolationsverfahren abzuweichen und andere Bezugswerte für die Interpolation zu wählen, nämlich die Auswahl eines Wertes der Ausladung von dem Winkelwert abhängig zu machen, der als Interpolationsstützstelle (für den zweiten Parameter) ausgewählt ist.
Es ist insbesondere von den Einsprechenden/Beschwerdeführerinnen keine Begründung vorgetragen worden, warum der Fachmann derart handeln würde. Auch dem Stand der Technik ist nicht zu entnehmen, dass das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils zu einer technisch sinnvollen Alternative zu dem in D7 offenbarten Verfahren beitragen kann.
Daher ist das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu bejahen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang aufrecht zu erhalten auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 des Hauptantrags wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung, der Figuren wie erteilt und einer entsprechend anzupassenden Beschreibung.