T 0641/15 () of 16.1.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T064115.20180116
Datum der Entscheidung: 16 Januar 2018
Aktenzeichen: T 0641/15
Anmeldenummer: 09734834.6
IPC-Klasse: B65B 13/02
B65B 13/18
B65B 13/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: UMREIFUNGSVORRICHTUNG MIT EINEM ELEKTRISCHEN ANTRIEB
Name des Anmelders: Signode International IP Holdings LLC
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 113(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(3)
Schlagwörter: Mündliche Verhandlung - Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein)
Änderungen - Hilfsanträge 2 und 3
Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1704/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Anmelderin (im Folgenden Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 09 734 834.6 Beschwerde eingelegt.

II. Die angefochtene Entscheidung stützte sich u. a. auf das folgende Dokument:

D1: EP 1 413 519 A1.

III. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Grundlage des Hauptantrags, alternativ auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 - 3, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags, auf dessen Basis die angefochtene Entscheidung getroffen wurde, und lautet wie folgt:

"Mobile Umreifungsvorrichtung zur Umreifung von Packgut mit einem Umreifungsband, die eine Spanneinrichtung zur Aufbringung einer Bandspannung auf eine Schlaufe eines Umreifungsbandes, sowie eine als Reibschweisseinrichtung ausgebildete Verbindungseinrichtung zur Erzeugung einer Verbindung an zwei übereinander liegenden Bereichen der Schlaufe des Umreifungsbandes, und einen aufladbaren Energiespeicher zur Speicherung von Energie, die als Antriebsenergie für motorische Antriebsbewegungen zumindest für die Verbindungseinrichtung und/oder für die Spanneinrichtung freigebbar ist, aufweist,

gekennzeichnet durch einen bürstenlosen Gleichstrommotor als gemeinsamer Antrieb für die Spanneinrichtung und die Reibschweisseinrichtung."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, auf dessen Basis die angefochtene Entscheidung getroffen wurde, und enthält die folgenden, am Ende des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Hauptantrags hinzugefügten Merkmale:

"sowie durch einen als Lithium-Ionen Akkumulator (15) ausgebildeten Energiespeicher, mit dem Energie zum Antrieb der Reibschweisseinrichtung (10) zur Verfügung stellbar ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entspricht dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2, auf dessen Basis die angefochtene Entscheidung getroffen wurde, und unterscheidet sich gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags durch folgende zusätzliche Merkmale des kennzeichnenden Teils:

"wobei die mobile Umreifungsvorrichtung zumindest ein in unterschiedlichen Modi einstellbares Betätigungselement (16, 18) aufweist, das zur Inbetriebnahme des Motors vorgesehen ist, wobei durch Betätigen des zumindest einen Betätigungselements (16) entweder in einem ersten Modus nacheinander und automatisiert sowohl die Spanneinrichtung (6) als auch die Reibschweisseinrichtung (10) auslösbar sind oder in einem zweiten Modus die Spanneinrichtung und die Reibschweisseinrichtung durch jeweils separate Betätigungen des zumindest einen Betätigungselements (16, 18) auslösbar sind."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wurde erst mit der Beschwerdebegründung vorgelegt und enthält, hinzugefügt am Ende des kennzeichnenden Teils, im Vergleich mit Anspruch 1 des Hauptantrags die gleichen zusätzlichen Merkmale, die den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 2 hinzugefügt wurden.

V. Mit der Ladung zu einer für den 16. Januar 2018 anberaumten mündlichen Verhandlung teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf die Anträge der Beschwerdeführerin mit.

Zum Hauptantrag und zum Hilfsantrag 1 äußerte die Kammer die Auffassung, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 nicht erfinderisch zu sein schien.

Zu den Hilfsanträgen 2 und 3 war die Meinung der Kammer, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht zu erfüllen schien.

VI. Die Beschwerdeführerin hat nach Erhalt dieses Bescheids die dort enthaltenen Beanstandungen weder mit Änderungen ausgeräumt, noch hat sie Argumente vorgebracht, warum diese nicht zuträfen.

VII. Die Beschwerdeführerin erschien, wie telefonisch am selben Tag angekündigt, nicht zur mündlichen Verhandlung. Die mündliche Verhandlung wurde in Übereinstimmung mit Regel 115 (2) EPÜ und Artikel 15 (3) VOBK ohne die Partei fortgesetzt.

Entscheidungsgründe

1. Rechtliches Gehör

Obwohl die Beschwerdeführerin nicht an der mündlichen Verhandlung teilnahm, wurde das Prinzip des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ nicht verletzt, da es ausreicht, dass sie die Gelegenheit dazu hatte, gehört zu werden. Durch das Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung verzichtet die fernbleibende Partei auf diese Möglichkeit (siehe die Erläuterung zu Artikel 15 (3) VOBK, zitiert in T 1704/06, nicht veröffentlich im ABl. EPA, sowie die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 8. Auflage 2016, Abschnitte III.B.2.7.3 und IV.E.4.2.6.d)).

2. Offenbarung der D1

D1 offenbart eine mobile Umreifungsvorrichtung zur Umreifung von Packgut mit einem Umreifungsband (siehe Spalte 4, ab Zeile 1), die eine Spanneinrichtung (5) zur Aufbringung einer Bandspannung auf eine Schlaufe (Spalte 4, Zeile 13) eines Umreifungsbandes, sowie eine als Reibschweißeinrichtung ausgebildete Verbindungseinrichtung (8) zur Erzeugung einer Verbindung an zwei übereinander liegenden Bereichen der Schlaufe des Umreifungsbandes, und einen aufladbaren Energiespeicher (Akkumulator 3, siehe spalte 4, Zeile 8) zur Speicherung von Energie, die als Antriebsenergie für motorische Antriebsbewegungen zumindest für die Verbindungseinrichtung und/oder für die Spanneinrichtung freigebbar ist, aufweist,

mit einem Gleichstrommotor (15, Spalte 4, Zeile 57) als gemeinsamer Antrieb für die Spanneinrichtung und die Reibschweißeinrichtung.

Mit dem Akkumulator (3) wird bei D1 auch Energie zum Antrieb der Reibschweißeinrichtung (8) zur Verfügung gestellt (Spalte 4, Zeilen 1-9).

D1 offenbart (Spalte 3, Zeilen 5-7), dass zur Wahl der Drehrichtung des Motors zwei Schalter bzw. Tasten vorgesehen sind.

Dies impliziert, dass die mobile Umreifungsvorrichtung zumindest ein in unterschiedlichen Modi einstellbares Betätigungselement aufweist, das zur Inbetriebnahme des Motors vorgesehen ist.

D1 offenbart auch, dass durch Betätigen des zumindest einen Betätigungselements entweder in einem ersten Modus (erste Drehrichtung) oder in einem zweiten Modus (zweite Drehrichtung) die Spanneinrichtung und die Reibschweißeinrichtung durch jeweils separate Betätigungen auslösbar sind.

3. Hauptantrag

3.1 Unterschied

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist gegenüber der Offenbarung der D1 neu, da D1 keinen bürstenlosen Gleichstrommotor offenbart.

3.2 Wirkung - Aufgabe

Es ist dem Fachmann allgemein bekannt, dass bürstenlose Gleichstrommotoren im Vergleich zu gebürsteten Motoren weitgehend verschleißarm und wartungsfrei sind (siehe Seite 2, Zeile 25 der vorliegenden Anmeldung). Dies führt automatisch zu einer Erhöhung der Funktionssicherheit des Geräts, in dem sie eingebaut sind. Dies bedeutet im vorliegenden Fall auch eine Erhöhung der Funktionssicherheit des Umreifungsgeräts.

Die durch das o.g. Unterscheidungsmerkmal zu lösende Aufgabe ist somit darin zu sehen, die Funktionssicherheit der aus D1 bekannten mobilen Umreifungsvorrichtung zu verbessern.

3.3 Diskussion der erfinderischen Tätigkeit - Fachwissen

3.3.1 Die Kammer teilt die Auffassung der Prüfungsabteilung,

wonach angesichts der o.g. Aufgabe der Fachmann bei der Auswahl des in D1 in allgemeiner Form genannten Antriebs sein allgemeines Fachwissen zurate zöge.

Der Fachmann wäge die Vorteile der bürstenlosen Motoren denen der gebürsteten Motoren gegenüber ab, und, um die Funktionssicherheit des aus D1 bekannten Gerätes zu erhöhen, entscheide sich für die bürstenlose Variante.

Der Fachmann gelangte somit, ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit, zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags.

3.3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass für den Fachmann nicht erkennbar sei, dass durch die Verwendung eines bürstenlosen Gleichstrommotors ausschließlich Vorteile hinsichtlich der Funktionssicherheit zu erzielen seien.

Grund dafür sei hauptsächlich, dass die Steuerungsvorrichtung von bürstenlosen Gleichstrommotoren aufwendig gestaltet und störanfällig sei.

Die Verschleißarmut von bürstenlosen Gleichstrommotoren macht sich nur bei solchen Motoren bezahlt, welche bei sehr hohen Drehzahlen arbeiten. Bei solchen Motoren ist die Verschleißarmut ein wichtiger Planungsfaktor.

3.3.3 Die Kammer kann dies nicht gelten lassen.

Es ist unstreitig, dass bürstelose Gleichstrommotoren dem Fachmann als relativ verschleißarm und wartungsfrei bekannt sind und dass die benötigte Steuerung ebenfalls aus dem Stand der Technik abgeleitet werden kann, selbst wenn diese im Vergleich mit der Steuerung von gebürsteten Motoren komplizierter und empfindlicher ist.

Die Kammer erachtet daher, dass der sich um einen verschleißarmen und wartungsfreien Gleichstrommotor bemühende Fachmann anhand seines allgemeinen Fachwissens einen bürstenlosen Motor bei der aus D1 bekannten mobilen Umreifungsvorrichtung anwendete, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

3.3.4 Folglich mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags, ausgehend von D1 und unter Berücksichtigung des fachmännischen Handelns und Könnens, an erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

4. Hilfsantrag 1

4.1 Unterschied

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von der aus D1 bekannten Vorrichtung dadurch, dass der Gleichstrommotor bürstenlos und der Akkumulator ein Lithium-Ionen-Akkumulator ist.

4.2 Wirkungen - Aufgaben

Es ist dem Fachmann allgemein bekannt, dass Lithium-Ionen-Akkumulatoren eine höhere Energiedichte als herkömmliche Akkumulatoren besitzen und somit bei gleicher Größe eine höhere Leistung erbringen (siehe Seite 4, Zeilen 2-5 und 18-23 der vorliegenden Anmeldung).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Einsatz eines Lithium-Ionen-Akkumulators ebenfalls zur Funktionssicherheit, genau wie der Einsatz des bürstenloses Gleichstrommotors, beiträgt.

Die Kammer sieht keinen technischen Zusammenhang und auch keine gemeinsame Wirkung zwischen dem Einsatz des bürstenloses Gleichstrommotors und dem Einsatz eines Lithium-Ionen-Akkumulators. Grund dafür ist, dass einerseits die Anwesenheit eines Lithium-Ionen-Akkumulators weder den Verschleiß noch die Wartungsfreiheit des bürstenlosen Gleichstrommotors beeinflusst, und andererseits die Anwendung eines bürstenlosen Gleichstrommotors keinen Einfluss auf die Energiedichte des Akkumulators hat.

Die Kammer ist somit der Auffassung, dass die erfinderische Tätigkeit, wie in der angefochtenen Entscheidung, anhand von zwei getrennten Teilaufgaben zu bewerten ist.

Die erste Teilaufgabe ist darin zu sehen, die Funktionssicherheit der aus D1 bekannten mobilen Umreifungsvorrichtung zu verbessern (siehe Punkt 3.2 oben).

Die zweite Teilaufgabe ist darin zu sehen, die Handhabungseigenschaften der aus D1 bekannten mobilen Umreifungsvorrichtung zu verbessern (siehe z.B. Seite 2, Zeilen 14-17 der vorliegenden Anmeldung).

4.3 Diskussion der erfinderischen Tätigkeit - Fachwissen

4.3.1 Die Kammer sieht keine erfinderische Tätigkeit in der Anwendung eines bürstenlosen Gleichstrommotors bei der aus D1 bekannten mobilen Umreifungsvorrichtung (siehe Punkt 3.3 oben).

4.3.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Prüfungsabteilung, wonach der Fachmann zur Verbesserung der Handhabungseigenschaften bei der Auswahl des in D1 in allgemeiner Form genannten Akkumulators auch sein Fachwissen zurate zöge.

Es ist unstreitig, dass die höhere Energiedichte und das damit verbundene geringere Gewicht der Lithium-Ionen Akkumulatoren gegenüber herkömmlichen Akkumulatoren dem Fachmann vor dem Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung bekannt waren.

Der sich um bessere Handhabungseigenschaften für die aus D1 bekannten mobilen Umreifungsvorrichtung bemühende Fachmann setzte aufgrund der ihm bekannten Vorteile der Lithium-Ionen-Technologie Lithium-Ionen-Akkumulatoren in der aus D1 bekannten Vorrichtung ein, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

Folglich mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1, ausgehend von D1 und unter Berücksichtigung des fachmännischen Handelns und Könnens, an erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

5. Hilfsantrag 2 - Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ

Die Kammer schließt sich der Bewertung der Prüfungsabteilung an, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 aus den folgenden Gründen gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ verstößt.

Auf Seite 9, Zeile 20, bis Seite 10, Zeile 10, der ursprünglich eingereichten Beschreibung ist angegeben, dass durch ein als Druckschalter ausgebildetes Betätigungselement die drei unterschiedlichen Antriebsmodi einstellbar sind. Der o.g. Beschreibungsabschnitt ist der einzige Abschnitt in der ursprünglichen Beschreibung, in dem ein Betätigungselement in Form eines Druckschalters in Korrelation mit der Einstellbarkeit der Vorrichtung in drei unterschiedlichen Antriebsmodi offenbart ist.

Da im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 kein Druckschalter beansprucht ist, verstößt Anspruch 1 gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

6. Hilfsantrag 3 - Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 verstößt auch gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ, und zwar aus den gleichen Gründen, die in Bezug auf Hilfsantrag 2 diskutiert wurden, siehe Punkt 5 oben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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