T 0622/15 () of 11.9.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T062215.20180911
Datum der Entscheidung: 11 September 2018
Aktenzeichen: T 0622/15
Anmeldenummer: 08168009.2
IPC-Klasse: C08K 3/00
C08L 63/00
C09D 163/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hitzehärtende Epoxidharzzusammensetzungen einsetzbar als Rohbauklebstoff oder Strukturschaum
Name des Anmelders: Sika Technology AG
Name des Einsprechenden: Henkel AG & Co. KGaA
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Hilfsanträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung - nicht gerechtfertigt, sie nich zuzulassen
Hilfsanträge eingereicht nach der Beschwerdebegründung - nicht gerechtfertigt, sie nicht zuzulassen
Hilfsantrag eingereicht am Ende der mündlichen Verhandlung - nicht zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 14. Januar 2015 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Europäische Patent Nr. 2 182 025 widerrufen wurde.

II. Der strittigen Entscheidung lagen drei Anträge zu Grunde. Relevant für die vorliegende Entscheidung ist lediglich der Anspruch 1 des Hauptantrags, welcher mit Schreiben vom 7. Februar 2012 eingereicht wurde.

Anspruch 1 dieses Hauptantrags, lautete:

"1. Hitzehärtende Epoxidharzzusammensetzung enthaltend

- mindestens ein Epoxid-Flüssigharz A1 mit durchschnittlich mehr als einer Epoxidgruppe pro Molekül;

- mindestens ein Epoxid-Festharz A2 mit durchschnittlich mehr als einer Epoxidgruppe pro Molekül;

- mindestens einen polymeren Schlagzähigkeits-modifikator D;

- mindestens ein bei Raumtemperatur festes Homopolymer HP eines olefinisch ungesättigten Monomers M;

- mindestens einen Härter B für Epoxidharze, welcher durch erhöhte Temperatur aktiviert wird,

- mindestens ein physikalisches oder chemisches Treibmittel,

mit der Massgabe, dass der Gewichtsanteil des Schlagzähigkeitsmodifikators D an der Epoxidharzzusammensetzung kleiner als 20 Gew.-% ist, und dass die Gewichtsmenge des Raumtemperatur festen Homopolymers HP grösser als die Gewichtsmenge des Schlagzähigkeitsmodifikators D ist."

III. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: JP 2008-7682 A

D1b: Maschinelle Übersetzung der D1

D2: WO 00/27920 A1

IV. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem, dass Anspruch 1 des dann geltenden Hauptantrags nicht erfinderisch gegenüber D1/D1b als nächstliegendem Stand der Technik sei.

V. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung, eingereicht mit Schreiben vom 21. Mai 2015, beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß dem Hauptantrag oder einem der Hilfsanträge 1 bis 4, welche mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden. Ferner wurde folgendes Dokument eingereicht:

D5: Versuchsbericht

Anspruch 1 des Hauptantrags war identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags gemäß der strittigen Entscheidung.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterschied sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die Definition der Komponente D wie folgt geändert wurde (Hinzufügungen gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags in Fett):

"mindestens einen polymeren Schlagzähigkeits-modifikator D, der ein epoxidterminiertes Acrylnitril/Butadien-Copolymer D1 oder ein Core-Shell-Polymer ist"

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entsprach Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, wobei im Merkmal D der Begriff "oder ein Core-Shell-Polymer" gestrichen wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 entsprach Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, wobei folgende Merkmale am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurden:

"und dass die Epoxidharzzusammensetzung keine bei Raumtemperatur festen Blockcopolymeren aus (Meth)acrylsäureester und mindestens einem weiteren olefinisch ungesättigten Monomer als Schlagzähigkeits-modifikator D enthält"

Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 entsprach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2, wobei die gleichen Merkmalen wie im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurden.

VI. Mit der Beschwerdeerwiderung, eingereicht mit Schreiben vom 6. Oktober 2015, beantragte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) die Zurückweisung der Beschwerde und den Widerruf des Patents. Es wurde ferner beantragt, dass die Hilfsanträge 1 bis 4 nicht ins Verfahren zugelassen werden.

VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK datiert vom 20. April 2018 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit.

VIII. Mit Brief vom 30. Juli 2018 reichte die Beschwerdeführerin zwei weitere Hilfsanträge 5 und 6 ein.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 entsprach Anspruch 1 des Hauptantrags, wobei folgendes Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:

"und dass der polymere Schlagzähigkeitsmodifikator D ein epoxidterminiertes Acrylnitril/Butadien-Copolymer D1 oder ein Core-Shell-Polymer ist"

Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 entsprach Anspruch 1 des Hilfsantrags 5, wobei in der Definition der Komponente D der Begriff "oder ein Core-Shell-Polymer ist" gestrichen wurde.

IX. Am Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, die am 11. September 2018 stattgefunden hat, beantragte die Beschwerdegegnerin, dass die Hilfsanträge 5 und 6 nicht ins Verfahren zugelassen werden. Darüber hinaus, nachdem die Beschwerdekammer ihrer Meinung verkündet hatte, dass weder der Hauptantrag noch die Hilfsanträge 1 bis 6 die Kriterien der erfinderischen Tätigkeit erfüllen, reichte die Beschwerdeführerin den Hilfsantrag 7 ein.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 entsprach Anspruch 1 des Hauptantrags, wobei folgende Merkmale am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:

"wobei der polymere Schlagzähigkeitsmodifikator D ein epoxidterminiertes Acrylnitril/Butadien-Copolymer D1 ist und wobei das Gewichtsverhältnis von Epoxy-Festharz A2 zu Epoxy-Flüssigharz A1 einen Wert von 1 bis 5 beträgt"

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Hauptantrag - Artikel 56 EPÜ

a) Das Dokument D2 offenbare die meisten Übereinstimmungen mit den beanspruchten Zusammensetzungen und sei auf den gleichen Zweck wie das Streitpatent gerichtet, nämlich die Bereitstellung von geschäumten Strukturen zur Verstärkung von Hohlräumen z.B. im Automobilbau. D1 offenbare zwar ebenfalls Epoxidharz-zusammensetzungen, aber für einen ganz anderen Zweck, nämlich als Bestandteil von faserverstärkten Kompositmaterialien (Prepregs). Somit stelle D2, insbesondere das Beispiel 4A, den nächstliegenden Stand der Technik dar.

b) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheide sich von der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2 durch:

- die Gewichtsmenge der Komponente D;

- das Gewichtsverhältnis (Homopolymer HP):(Schlagzähigkeitsmodifikator D).

c) Die Beispiele des Streitpatents und vom Versuchsbericht D5 zeigen, dass die tatsächlich gelöste Aufgabe in der Bereitstellung einer Zusammensetzung mit verbesserten mechanischen Eigenschaften und einer verbesserter Temperaturbeständigkeit (erhöhte Glassübergangstemperatur) liege. Das Beispiel "Ref. 1" des Streitpatents entspreche dem Beispiel 4A der D2 und illustriere der Lehre der D2. In diesem Zusammenhang spiele das Mengenverhältnis der Komponenten A1 und A2 keine große Rolle. Somit zeige den Vergleich der Beispiele 2 bis 4 einerseits und Ref. 1 des Streitpatents anderseits, dass diese Aufgabe durch die oben genannten Unterscheidungsmerkmale gelöst sei.

Darüber hinaus sei es im Streitpatent erklärt und gezeigt, dass die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften und der Temperaturbeständigkeit auf die besondere Morphologie der beanspruchten Zusammensetzungen im gehärteten Zustand zurückzuführen seien. In diesem Zusammenhang seien die Angaben der Mengen der Komponenten HP und D für die Beispiele 8 und Ref. 2 der Tabelle 3 vertauscht worden, jedoch seien die dort angegebenen Gew.% an Komponente D und die HP/D Verhältnisse richtig.

d) Zu einer Modifikation gemäß den vorliegenden Unterscheidungsmerkmalen finde sich in der D2 keinerlei Veranlassung, insbesondere da die in D2 angegebenen Mengen für die Komponenten D und HP (wie im geltenden Anspruch 1 definiert) außerhalb der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Bereiche liegen. Ferner gebe es keinen Hinweis in D2, solche Änderungen durchzuführen, um die mechanischen Eigenschaften und die Temperaturbeständigkeit zu verbessern. Da D1 ausschließlich die Vorbereitung

von Prepregs betreffe, habe der Fachmann keinen Grund gehabt, die Lehren von D2 und D1 miteinander zu kombinieren.

e) Aus diesen Gründen sei der Anspruch 1 des Hauptantrags erfinderisch.

Hilfsanträge 1 bis 6 - Zulassung

f) Das Streitpatent sei wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit aller dann geltenden Anträge ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik widerrufen worden. Jedoch sei dieser Einwand zum ersten Mal während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von der Einsprechenden vorgebracht und von der Einspruchsabteilung übernommen worden. Die Patentinhaberin sei von diesem Einwand überrascht worden und sei nicht in der Lage gewesen, alle möglichen Handlungsoptionen während der mündlichen Verhandlung zu verfolgen. Ferner seien die Hilfsanträge 1 bis 4 zu Beginn der Beschwerdeverfahren eingereicht worden, d.h. zum frühesten Zeitpunkt nach der mündlichen Verhandlung.

Die Hilfsanträge 5 und 6 seien als eine Reaktion auf einen neuen Einwand, der zum ersten Mal in der Mitteilung der Kammer gemacht wurde, anzusehen. Sie seien früh genug eingereicht worden, dass die Beschwerdegegnerin nicht überrascht sein solle. Ferner riefen diese Hilfsanträge keine neue Fragen hervor.

Somit seien die Hilfsanträge 1 bis 6 ins Verfahren zuzulassen.

Hilfsanträge 1 und 2 - Erfinderische Tätigkeit

g) Im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 von der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2 durch die Natur der Komponente D. Die Beispiele 4, 9 und 10 der D5 zeigten, dass die im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 genannten Schlagzähigkeitsmodifikatoren im Vergleich mit der Klasse von Schlagzähigkeitsmodifikatoren, die im Beispiel 4A der D2 eingesetzt wurde, zu verbesserten mechanischen Eigenschaften führen. Das Beispiel 4 der D5 zeige ferner eine Verbesserung dieser Eigenschaften für die Schlagzähigkeitsmodifikatoren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2. Da dieser Effekt aus D2 und/oder dem zitierten Stand der Technik nicht zu erwarten sei, sei die erfinderische Tätigkeit gegeben.

Hilfsanträge 3 bis 6 - Erfinderische Tätigkeit

h) Die im Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 bis 6 durchgeführten Änderungen dienen lediglich dazu, entweder sich von der D1 zu distanzieren (Hilfsanträge 3 und 4) oder Einwände bzgl. Artikeln 84 und 123(3) EPÜ (Hilfsanträge 5 und 6) auszuräumen, ohne jedoch zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik beizutragen. Somit gelten für die Hilfsanträge 3 bis 6 die gleichen Argumente wie für die höherrangigen Anträge.

Hilfsantrag 7 - Zulassung

i) Der Hilfsantrag 7 sei erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht worden, als die Beschwerdeführerin den Eindruck bekommen habe, dass die Aussagekraft der Vergleichsversuche kritisch für die Entscheidung der Kammer sei. Die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 durchgeführten Änderungen dienten dazu, den beanspruchten Gegenstand vom nächstliegenden Stand der Technik weiter zu unterscheiden und sollten die erfinderische Tätigkeit eindeutig belegen.

Ferner entspreche Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 der Kombination der erteilten Ansprüche 4 und 10 und sollte daher die Beschwerdegegnerin nicht überraschen. Darüber hinaus riefen die durchgeführten Änderungen keine neue Frage hervor.

Aus diesen Gründen solle der Hilfsantrag 7 in das Verfahren zugelassen werden.

XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Sowohl D1 als D2 könnten als nächster Stand der Technik angesehen werden.

b) Sollte D2, insbesondere das Beispiel 4A, als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden, unterscheide sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 davon durch:

- die Gewichtsmenge der Komponente D;

- das Gewichtsverhältnis (Homopolymer HP):(Schlagzähigkeitsmodifikator D).

c) Es sei kein fairer Vergleich zwischen einer Zusammensetzung gemäß geltendem Anspruch 1 und einer Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2 gemacht worden. Dadurch, dass in den Beispielen 2-4 des Streitpatents oder in den Beispielen der D5 im Vergleich zum Beispiel 4A der D2 mehrere Parameter gleichzeitig verändert wurden, verliere die Beurteilung eines erzielten Effekts völlig ihre Aussagekraft.

Es sei ferner nicht glaubhaft, dass die im Streitpatent beschriebene besondere Morphologie der gehärteten Zusammensetzung auf der gesamten Breite des geltenden Anspruchs 1 vorhanden sei. Darüber hinaus gebe es keinen Beweis, dass eine solche Phasentrennung zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften und der Temperaturbeständigkeit führe. In diesem Zusammenhang sehe es aus, dass das Beispiel 8 des Streitpatents, welches eine solche Morphologie aufweise, dem Gegenstand des geltenden Anspruch 1 nicht entspreche, während das Vergleichsbeispiel "Ref. 2" es tue, obwohl es diese Morphologie nicht aufweise. Somit stützen diese Beispiele die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht.

Unter solchen Umständen liege die tatsächlich gelöste Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer weiteren schäumbaren hitzehärtenden Epoxidharzzusammensetzung als Alternative zu der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2.

d) Da die Variation der Mengenverhältnisse von Komponenten zu den Routinetätigkeiten eines Fachmann bei der Optimierung der Eigenschaften einer Zusammensetzung gehöre, könne die Wahl der geänderten Mengen der Komponenten D und HP (wie im geltenden Anspruch 1 definiert) keine erfinderische Tätigkeit begründen. Ferner seien solche Mengen üblich, wie aus D2 selbst ersichtlich oder in den Beispielen 1 und 7 der D1 gezeigt.

e) Aus diesen Gründen sei der Anspruch 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch.

Hilfsanträge 1 bis 6 - Zulassung

f) Die Hilfsanträge 1 bis 6 seien nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewesen und sollten als verspätet zurückgewiesen werden.

Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

g) Die in D5 durchgeführten Vergleiche seien aus den gleichen Gründe wie für den Hauptantrag (Vielfalt von Unterschieden) nicht geeignet, einen Effekt gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik, welcher auf die Unterscheidungsmerkmale zurückzuführen ist, zu belegen. Somit bleibe die tatsächlich gelöste Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen Zusammensetzung zu der gemäß dem Beispiel 4A der D2.

Jedoch lehre D2 selbst, dass die Core-Shell Polymere "Nipol 1411**(®)", die im Beispiel 9 der D5 eingesetzt wurden, eine geeignete Alternative zu dem im Beispiel 4A verwendeten SBS Copolymer darstellen.

Darüber hinaus seien auch "nitrile-butadiene rubber" als generischer Begriff, welcher die Komponente D1 gemäß Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 umfasst, in D2 explizit offenbart.

Somit belegen die im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 durchgeführten Änderungen keine erfinderische Tätigkeit.

Hilfsanträge 3 bis 6 - Erfinderische Tätigkeit

h) Die gleichen Argumente bzgl. der fehlenden erfinderischen Tätigkeit wie für die vorherigen Anträge gelten für den Gegenstand des Anspruchs 1 jeder der Hilfsanträge 3 bis 6.

Hilfsantrag 7 - Zulassung

i) Die Frage der Formulierung der tatsächlich gelösten Aufgabe sei nicht erst während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer angesprochen worden, sondern wurde sowohl in der Erwiderung der Beschwerdegegnerin zur Beschwerdebegründung identifiziert als auch in der vorläufigen Meinung der Kammer eindeutig angesprochen worden. Somit gebe es keinen Grund, den Hilfsantrag 7 so spät einzureichen.

Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7 völlig unerwartet und entspreche keinem Anspruch, der bis jetzt im Verfahren vorlag. Die durchgeführten Änderungen riefen neue Einwände hervor, z.B. in Bezug auf Artikel 123(2) EPÜ. Darüber hinaus sei bis jetzt die Frage des Gewichtsverhältnisses der Komponenten A2:A1 nie relevant gewesen, was für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eines solchen Antrags vermutlich relevant sei.

Unter solchen Umständen sollte der Hilfsantrag 7 nicht ins Verfahren zugelassen werden. Sollte wider Erwartung der Hilfsantrag 7 zugelassen werden, sollte die mündliche Verhandlung vertagt werden, um die Beschwerdegegnerin eine faire Chance zu geben, sich dementsprechend vorzubereiten.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des Hauptantrags, hilfsweise gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 4, sämtliche Anträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung, weiter hilfsweise gemäß einem der Hilfsanträge 5 oder 6, eingereicht mit Schreiben vom 30. Juli 2018, oder gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2018 eingereichten Hilfsantrag 7.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Sie beantragte weiterhin, die Hilfsanträge 1 bis 7 nicht ins Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

1.1 Nächstliegender Stand der Technik

1.1.1 Obwohl in der strittigen Entscheidung D1 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet wurde, wurde von den Parteien nie bestritten, dass D2 einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellen kann. Zwar hatte im schriftlichen Verfahren die Beschwerdegegnerin dargelegt, dass D1 als nächstliegender Stand der Technik dienen sollte, hatte jedoch gleichzeitig anerkannt, dass auch D2 als nächstliegender Stand der Technik dienen konnte (Beschwerdeerwiderung: Seite 7, dritter Absatz und Sektion 1.1.b). Darüber hinaus wurde der vorläufigen Meinung der Kammer, dass D1 einen weiter entfernten nächstliegenden Stand der Technik darstelle (Absatz 5.1 der Mitteilung datiert vom 20. April 2018) von der Beschwerdegegnerin nie widersprochen, insbesondere nicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

1.1.2 In diesem Zusammenhang betrifft der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags eine hitzehärtende Epoxidharzzusammensetzung enthaltend u.a. ein Treibmittel, was implizit auf schäumbare Zusammensetzungen hindeutet. Ferner ist es das Ziel des Streitpatents, hitzehärtende Epoxidharz-zusammensetzungen für die Herstellung von geschäumten Strukturen z.B. zur Verstärkung von Hohlräumen im Automobilbau bereitzustellen (Absätze 1, 5, 8, 152-156; Beispiele 2-4). Die mit solchen Zusammensetzungen hergestellten Schäume weisen eine gute Hitzbeständigkeit (Tg über 110°C), gute mechanische Eigenschaften und Haftung (Absätze 5-9, 152-156, 162; Beispiele 2-4) auf.

1.1.3 D2 offenbart schäumbare Epoxidharzzusammensetzungen, welche z.B. zur Versiegelung von Hohlräumen in Fahrzeugen eingesetzt werden können (Ansprüche 1, 2, 11, 14; Seite 1, Zeilen 5-20; Seite 2, Zeile 35 bis Seite 3, Zeile 2; Seite 3, Zeile 5 bis Seite 4, Zeile 30; Seite 5, Zeilen 19-26). Insbesondere betrifft der Anspruch 2 einen expandierbaren Abdichtungskörper, enthaltend eine Kunstharzzusammensetzung, die eine Menge eines ersten thermoplastischen Harzes in Abmischung mit etwa 30-45 Gew.-% eines Epoxidharzes enthält, wobei der Körper nach Erhitzen auf mindestens etwa 149°C (300°F) eine Expansion von mindestens etwa 95% aufweist, wobei das erste thermoplastische Harz aus der Gruppe bestehend aus Polystyrolen, festen Kautschuken und Gemischen davon stammt. Gemäß den Ansprüchen 11 und 13 von D2 können ferner weitere Mengen eines zweiten und ggfs. dritten thermoplastischen Harzes, das sich von dem ersten, bzw. von dem ersten und dem zweiten thermoplastischen Harz unterscheidet und aus der Gruppe bestehend aus Polystyrolen, festen Kautschuken und Gemischen davon stammt, enthalten sein. Die geschäumten Zusammensetzungen weisen gute mechanische Eigenschaften auf (Seite 7, Zeilen 34-37) und eignen sich für den Automobilbau (Seite 7, Zeilen 21-26). Es ist ferner angemerkt, dass ein Familiendokument der D2 sowohl in der Beschreibung als auch für das Vergleichsbeispiel des Streitpatents als Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung genannt wurde (siehe Absätze 4 und 158).

1.1.4 In Anbetracht des im Patent angegebenen Zieles gibt es keinen Zweifel, dass D2 einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

1.1.5 Was den Inhalt von D2 betrifft, waren ferner die Parteien sich einig, dass das Beispiel 4A der D2, welches mit einer Mischung eines Epoxid-Flüssigharzes und eines Epoxid-Festharzes gemäß Komponenten A1 und A2 des Anspruchs 1 durchgeführt wurde, besonders relevant

ist und als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu betrachten ist.

1.2 Unterscheidungsmerkmal(e)

1.2.1 Die Zusammensetzung des Beispiels 4A der D2 enthält:

- 133.33 g Fina Crystal 500**(®), welches ein Polystyrol ist (D2: Seite 10, Zeilen 7-8) gemäß der Komponente HP des geltenden Anspruchs 1 darstellt;

- 266.67 g Fina Clear 530**(®), welches ein SBS- Blockcopolymer (D2: Seite 10, Zeilen 2-3) gemäß der Komponente D des geltenden Anspruchs 1 ist;

- 340 g Araldite 6010**(®), welches ein flüssiges Epoxidharz (D2: Seite 10, Zeile 4) gemäß der Komponente A1 des geltenden Anspruchs 1 ist;

- 60 g Epon 1001F**(®), welches ein festes Epoxidharz (D2: Seite 3, Zeile 36) gemäß der Komponente A2 des geltenden Anspruchs 1 darstellt;

- 30 g Urisys DDA 10**(®), welches ein Härter (D2: Seite 10, Zeilen 28-29) gemäß der Komponente B des geltenden Anspruchs 1 ist;

- 6 g Celogen AZ 130, welches ein Treibmittel ist (D2: Seite 12, Zeile 19);

- weitere Additive (in einer Menge von 218.8 g), welche in der Zusammensetzung des geltenden Anspruchs 1 enthalten sein können.

1.2.2 Die Parteien waren damit einverstanden, dass sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 von der Zusammensetzung des Beispiels 4A der D2 lediglich durch folgende Merkmale unterscheidet:

- die Gewichtsmenge der Komponente D (kleiner als 20 Gew.% im Anspruch 1; 25.3 Gew.% im Beispiel 4A);

- das Gewichtsverhältnis (Homopolymer HP) : (Schlagzähigkeitsmodifikator D)

(größer als 1 im Anspruch 1; 0.5 im Beispiel 4A).

2. Die zu lösende Aufgabe

2.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin die zu lösende Aufgabe als die Bereitstellung einer Zusammensetzung mit verbesserten mechanischen Eigenschaften (Zugfestigkeit und Zugscherfestigkeit gemäß Absätze 160 und 161 des Streitpatents) und verbesserter Temperaturbeständigkeit (erhöhter Glassübergangstemperatur, Tg, welche größer als 100 °C ist), angesehen.

2.2 Die zu klärende Frage ist, welche Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik, d.h. gegenüber einer Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2, tatsächlich gelöst ist.

2.2.1 In der Tabelle 2 des Streitpatents wird eine Zusammensetzung "Ref. 1" angegeben, welche dem Beispiel 4A der D2 entspricht (siehe Absatz 158 des Streitpatents, wobei das dort angegebene US-Patent ein Familiendokument der D2 ist). Während des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Eigenschaften dieses Beispiels "Ref. 1" mit denen von den Beispielen des Streitpatents oder von den Beispielen des Versuchsberichts D5 verglichen.

Jedoch ist festzustellen, dass die Zusammensetzungen der Beispiele 2 bis 4 des Streitpatents und der Beispiele 4, 9, 10 und 12 vom D5, welche dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags entsprechen, sich in vielerlei Hinsicht von der Zusammensetzung des Beispiels 4A unterscheiden (andere Epoxidharze, andere Mengenverhältnisse Festharz/Flüssigharz, anderer Schlagzähigkeitsmodifikator als das im Beispiel 4A der D2 verwendete SBS Blockcopolymer, andere Mengen und/oder Art des Homopolymers HP), was von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde. Somit kann der von der Beschwerdeführerin herangezogene Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik keinen Effekt, welcher auf die im Absatz 1.2.2 identifizierten Unterscheidungsmerkmalen zurückzuführen ist, belegen (vgl. hierzu Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPAs, 8. Auflage, 2016, I.D.4.1: siehe insbesondere den Absatz betreffend der Entscheidung T 519/07).

2.2.2 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass im Streitpatent erklärt und gezeigt wurde, dass die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften und der Temperaturbeständigkeit auf die besondere Morphologie der beanspruchten Zusammensetzungen im gehärteten Zustand zurückzuführen sei. Somit sei, nach Meinung der Beschwerdeführerin, kein Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik erforderlich.

a) Zwar wird im Absatz 135 des Streitpatents angegeben, dass die Erfindung darauf beruht, dass die Komponenten D und HP des geltenden Anspruchs 1, welche bei Raumtemperatur in den Epoxidharzen gelöst vorliegen, beim Aushärten unter Erhitzen eine Phasenseparierung durchlaufen, wobei in den beanspruchten Zusammensetzungen die Epoxidharze A1 und A2 eine kontinuierliche Phase bilden, was nicht der Fall sei, wenn der Gehalt der Komponente D oder das Gewichtsverhältnis HP:D gemäß geltendem Anspruch 1 nicht eingehalten werden. Diese Erklärung wird ferner in den Absätzen 165 bis 168 und durch die Abbildungen 1a-b, 2a-c und 3a-c des Streitpatents näher illustriert. Jedoch wurde von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass die im Streitpatent beschriebene Phasenseparierung für die Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2 in der Tat stattfindet. In diesem Zusammenhang entsprechen insbesondere keine der Abbildungen 2a-c oder 3a-c des Streitpatents (in der eine solche Phasenseparierung zu sehen ist) einer Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2 (gemäß Absätze 166, 167 und 168 illustrieren die Abbildungen 1, 2 und 3 die Beispiele 5, "Ref. 2" und 6). Ferner wird im Absatz 169 des Patents angegeben, dass ein zu Beispiel 5 und 6 analoges Verhalten für die Beispiele 7 und 8 gemäß der Tabelle 3 des Patents gefunden hat.

Somit kann aus den Erklärungen in den Absätzen 135 und 165-168 (zusammen mit den Abbildungen 1 bis 3) des Streitpatents weder geschlossen werden, dass die beanspruchten Zusammensetzungen eine andere Morphologie im gehärteten Zustand als die Zusammensetzung gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik aufweisen, noch, dass die verbesserten Eigenschaften der Zusammensetzungen der Beispiele 2 bis 4 des Patents gegenüber der Zusammensetzung "Ref. 1" des Patents (gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik) auf eine solche besondere Morphologie zurückzuführen sind.

b) Darüber hinaus ist die im Streitpatent illustrierte besondere Morphologie/Phasenseparierung nur für bestimmte Zusammensetzungen gemäß Beispielen 5 bis 8 (Tabelle 3) festgestellt worden, insbesondere für Zusammensetzungen, welche einen großen Anteil an Epoxidkomponenten enthalten. Jedoch sind die im geltenden Anspruch 1 definierten Zusammensetzungen weder durch (absolute) Mengen der Epoxidkomponenten A1 und A2, noch durch (absolute) Mengen des Homopolymers HP begrenzt. Somit fallen Zusammensetzungen enthaltend sehr wenig Epoxidkomponenten und viel Hompolymer HP unter den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1. Für solche Zusammensetzungen ist es jedoch nicht glaubhaft, dass die im Patent beschriebene Phasenseparierung, wobei die Epoxidkomponenten eine kontinuierliche Phase bilden, stattfinden kann. Unter solchen Umständen ist der von der Beschwerdeführerin erwähnte Effekt nicht auf der gesamten Breite des geltenden Anspruchs 1 glaubhaft, wie von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung dargelegt wurde.

c) Aus diesen Gründen wird das im Punkt 2.2.2 oben dargestellte Argument der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

2.3 Unter solchen Umständen liegt die tatsächlich gelöste Aufgabe darin, weitere schäumbare hitzehärtende Epoxidharzzusammensetzungen als Alternative zu der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2 bereitzustellen.

3. Naheliegen der Lösung

3.1 Die Frage ist zu beantworten, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, dass man zum beanspruchten Gegenstand kam, mit dem Zweck, die oben definierte Aufgabe zu lösen.

3.2 Nachdem die Beschwerdegegnerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass mit dem anspruchsgemäßen Gewichtsanteil des Schlagzähigkeitsmodifikators D an der Epoxidharzzusammensetzung kleiner als 20 Gew.% oder mit dem anspruchsgemäßen Gewichtsverhältnis des Raumtemperatur festen Homopolymers HP zu dem Schlagzähigkeitsmodifikator D größer als 1 ein technischer Effekt im Vergleich zu der Zusammensetzung aus dem Beispiel 4A von D2 verbunden ist (siehe Punkte 2.2.1 und 2.2.2 oben), sind diese Grenzen weder zielgerichtet noch kritisch für die zu lösende Aufgabe.

Jedoch lehrt D2 selbst, dass das im Beispiel 4A verwendete SBS-Blockcopolymer (Komponente D gemäß Anspruch 1) "vorzugsweise" in einer Menge von 20 bis 30 Gew.% (Seite 3, Zeilen 9 bis 24, insbesondere Zeilen 21-24) eingesetzt werden kann. Diesbezüglich ist der Begriff "vorzugsweise" an sich nicht limitierend. Darüber hinaus ist weder aufgrund D2 davon auszugehen, noch wurde es von der Beschwerdeführerin dargelegt oder argumentiert, warum eine Menge an SBS-Blockcopolymer kleiner als 20 Gew.% nicht zu verwenden sei, insbesondere wenn der Fachmann lediglich versucht, eine andere, alternative Zusammensetzung herzustellen.

D2 lehrt ferner, dass das im Beispiel 4A eingesetzte Polystyrol Fina Crystal 500**(®) (Homopolymer HP gemäß Anspruch 1) in einer Menge von 5 bis 20 Gew.% eingesetzt werden kann (Seite 3, Zeilen 25-31, insbesondere Zeilen 25-26). Das bedeutet, dass es innerhalb der Lehre von D2 möglich ist, ein Gewichtsverhältnis von Polystyrol (Homopolymer HP gemäß Anspruch 1) zu SBS-Blockcopolymer (Schlagzähigkeits-modifikator D gemäß Anspruch 1) größer als 1 zu verwenden.

Diese willkürliche Wahl der Obergrenze der Menge an Schlagzähigkeitsmodifikator D und der Untergrenze des Gewichtsverhältnisses HP:D innerhalb der Lehre von D2 stellt somit, wie von der Beschwerdegegnerin dargestellt, eine Routinetätigkeit dar, die im handwerklichen Können des Fachmanns liegt, ohne dass es eines erfinderischen Zutuns seinerseits bedürfte.

3.3 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch.

4. Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 6

4.1 Die Beschwerdegegnerin beantragte, dass die Hilfsanträge 1 bis 6 nicht ins Verfahren zugelassen werden, weil sie nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens waren.

4.2 Da die Hilfsanträge 1 bis 4 zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, ist es zu beurteilen, ob es gerechtfertigt ist, diese Anträge nicht in das Verfahren gemäß Artikel 12(4) VOBK zuzulassen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob solche Anträge bereits im Einspruchsverfahren hätten eingereicht werden sollen, d.h. es ist zu prüfen, ob von der Beschwerdeführerin angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls erwartet werden konnte, dass sie diese Anträge im erstinstanzlichen

Verfahren stellt (Rechtsprechung, supra, IV.E.4.3.1 und IV.E.4.3.2c).

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass das Streitpatent wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit aller dann geltenden Anträge ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik widerrufen wurde. Jedoch wurde ein solcher Einwand zum ersten Mal während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgebracht. Die Frage der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik wurde in der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung ebenfalls nicht erwähnt. Somit ist es glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin von diesem Einwand während der mündlichen Verhandlung überrascht wurde und dass sie dann nicht in der Lage war, alle möglichen Handlungsoptionen zu verfolgen. Dadurch, dass die Hilfsanträge 1 bis 4 ferner zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, liegt weder ein Verfahrensmissbrauch vor, noch wurde das Verfahren dadurch gewollt verzögert.

Unter solchen Umständen ist es nicht gerechtfertigt, die Hilfsanträge 1 bis 4 gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen.

4.3 Die Kammer stimmt die Beschwerdeführerin zu, dass die Hilfsanträge 5 und 6 eine Reaktion auf die Anmerkungen der Beschwerdekammer unter den Punkten 12 und 13 der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK darstellen, wobei diese Fragestellungen in Bezug auf Artikel 84 und 123 EPÜ in dieser Mitteilung zum ersten Mal angesprochen wurden.

Da es bis zum Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer keine Veranlassung für solche Anträge gab und dadurch, dass diese Anträge früh genug eingereicht wurden, dass die Kammer und die Beschwerdegegnerin sie ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung berücksichtigen konnten, hat die Kammer entschieden, ihr gemäß Artikel 13(1) VOBK zukommendes Ermessen dahingehend auszuüben, die Hilfsanträge 5 und 6 in das Verfahren zuzulassen.

4.4 Aus diesen Gründen sind die Hilfsanträge 1 bis 6 im Verfahren.

5. Hilfsanträge 1 und 2 - Erfinderische Tätigkeit

5.1 Im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags wurde im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 definiert, dass der Schlagzähigkeitsmodifikator D ein epoxidterminiertes Acrylnitril/Butadien-Copolymer D1 oder ein Core-Shell-Polymer ist. Ferner soll gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die Komponente D dieses epoxidterminierte Acrylnitril/Butadien-Copolymer D1 sein.

5.2 Die Beschwerdeführerin legte dar, dass es mit D5 gezeigt wurde, dass die jetzt im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 definierten Schlagzähigkeitsmodifikatoren im Vergleich zum Schlagzähigkeitsmodifikator gemäß Beispiel 4A der D2 (SBS Blockcopolymer) zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften führe.

Jedoch, wie im Absatz 2.2.1 oben dargelegt, unterscheiden sich die Zusammensetzungen gemäß der Beispiele 4 und 9 von D5, welche dem Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 oder 2 entsprechen, in vielerlei Hinsicht von der Zusammensetzung des Beispiels 4A der D2. Somit kann, aus dem gleichen Grund wie für den Hauptantrag, der von der Beschwerdeführerin herangezogene Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik, keinen Effekt, welcher auf die oben identifizierten Unterscheidungsmerkmale zurückzuführen ist, belegen. Somit liegt die tatsächlich gelöste Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik darin, wie für den Hauptantrag, weitere hitzehärtende Epoxidharzzusammensetzungen, als Alternative zu der gemäß dem Beispiel 4A von D2, bereitzustellen.

5.3 In diesem Zusammenhang lehrt D2 (Seite 3, Zeilen 13-14), dass das spezifische Core-Shell Polymer "Nipol 1411**(®)", das ebenfalls im Beispiel 9 von D5 als Core Shell Komponente D gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 eingesetzt wurde, eine geeignete Alternative zu dem im Beispiel 4A verwendeten SBS Copolymer darstellt.

In der gleichen Passage lehrt D2 ferner (Seite 3, Zeilen 9 bis 14), dass "rubbers (preferably solid rubbers)" als Alternative zu dem im Beispiel 4A verwendeten SBS Copolymer eingesetzt werden können. Dabei können vorzugsweise "nitrile-butadiene rubber" verwendet werden. Somit kann der Beschwerdegegnerin zugestimmt werden, dass die im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 definierten Komponenten D1 (epoxid-terminiertes Acrylnitril/Butadien-Copolymer) unter den generischen Begriff "nitrile-butadiene rubber" fallen. Dem während der mündliche Verhandlung vor der Kammer vorgebrachte Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Komponente D1 längst bekannt und als Schlagzähigkeitsmodifikator verwendet sei, wurde von der Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Dem Absatz 40 des Streitpatents (in welchem kommerziell erhältliche Produkte der Linie Polydis® beschrieben werden) ist ebenfalls zu entnehmen, dass diese Produkte dem Fachmann zugänglich waren.

Somit war es für den Fachmann, der lediglich weitere schäumbare hitzehärtende Epoxidharzzusammensetzungen als Alternative zu der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 4A der D2 bereitstellen wollte, im Hinblick auf D2 ebenfalls naheliegend, bekannte Schlagzähigkeitsmodifikatoren wie das Core-Shell Polymer "Nipol 1411") oder ein Copolymer gemäß D1 zu verwenden.

Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 nicht erfinderisch.

6. Hilfsanträge 3 bis 6 - Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die im Anspruch 1 der Hilfsanträgen 3 und 4 durchgeführten Änderungen lediglich dazu dienten, den beanspruchten Gegenstand von der Offenbarung D1 zu distanzieren. Ferner legte die Beschwerdeführerin dar, dass die im Anspruch 1 der Hilfsanträgen 5 und 6 durchgeführten Änderungen lediglich dazu dienten, Einwände bzgl. Artikel 84 und 123(3) EPÜ auszuräumen.

Somit wurde es weder gezeigt, noch argumentiert, dass die weiteren enthaltenden Änderungen dazu dienen, den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik auszuräumen. Unter solchen Umständen gibt es für die Kammer keinen Grund, für die Hilfsanträge 3 bis 6 zu einer unterschiedlichen Schlussfolgerung bzgl. der erfinderischen Tätigkeit als für den Hauptantrag zu gelangen.

7. Hilfsantrag 7 - Zulassung

7.1 Von der Beschwerdeführerin wurde in einem sehr späten Stadium, nämlich erst am Ende der mündlichen Verhandlung und erst nachdem die Kammer ihre Entscheidung bzgl. des geltenden Hauptantrags und Hilfsanträge 1 bis 6 verkündet hatte, den Hilfsantrag 7 eingereicht. Die Beschwerdegegnerin rügte diesen Antrag als verspätet und beantragte, dass er nicht ins Verfahren zugelassen werde.

7.2 Entsprechend der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern liegt die Zulassung von Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung und der Erwiderung ausdrücklich in dem Ermessen der Kammern (Artikel 13(1) VOBK). Nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sind Änderungen des Vorbringens nicht mehr zuzulassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist (Artikel 13(3) VOBK).

7.3 Im vorliegenden Fall rechtfertigte die Beschwerdeführerin das verspätete Einreichen des Hilfsantrags 7 dadurch, dass sie erst während der mündlichen Verhandlung mit der Kritikalität der vorliegenden Vergleichsversuche (Tabelle 2 des Streitpatents und D5) für die Formulierung der tatsächlich gelösten Aufgabe im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit konfrontiert wurde. Im Übrigen war die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass die vorgenommenen Änderungen keine neuen Fragen oder Probleme aufwerfen würden, die der Beschwerdegegnerin nicht bereits aus dem vorliegenden Verfahren bekannt waren.

Jedoch ist festzustellen, dass die Frage der Formulierung der tatsächlich gelösten Aufgabe bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik sowohl in der Erwiderung der Beschwerdegegnerin zur Beschwerdebegründung (3 letzten Absätze der Seite 9) als auch in dem Bescheid der Kammer (Punkte 6.2 und 6.3), welcher mehr als 4 Monate vor der mündlichen Verhandlung zugeschickt wurde, eindeutig identifiziert wurde. Diese Fragestellung in Bezug auf D2 war somit der Beschwerdeführerin längst vor der mündlichen Verhandlung, und sogar seit dem Anfang des Beschwerdeverfahrens, bekannt.

Was D5 betrifft, hat die Beschwerdeführerin zum ersten Mal in Ihrem Schreiben vom 30. Juli 2018, also ca. 6 Wochen vor der mündlichen Verhandlung, in Bezug auf die Hilfsanträge argumentiert, dass die Vergleichsversuche von D5 zeigen würden, dass die Natur des Schlagzähigkeitsmodifikators D zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik beitragen würde (siehe Seite 4: Punkt 4, zweiter Absatz). Bis dahin wurde D5 ausschließlich in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit der Hilfsanträge ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik herangezogen (Beschwerdebegründung: Seite 15, dritter Absatz). Somit konnte die Beschwerdeführerin nicht überrascht sein, dass während der mündlichen Verhandlung untersucht wird, ob die in D5 durchgeführten Experimente einen fairen Vergleich gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D2 ermöglichen. Unter solchen Umständen kann die Fragestellung der Beurteilung der Vergleichsversuche von D5 während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer das Einreichen eines weiteren Hilfsantrags am Ende der mündlichen Verhandlung nicht gerechtfertigen.

Die Beschwerdeführerin hatte somit ausreichend Zeit, ihre Rückzugspositionen zu überdenken und entsprechend geänderte Ansprüche rechtzeitig einzureichen, soweit solche aus ihrer Sicht notwendig waren. Dies wäre im Hinblick auf die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren, das die Parteien verpflichtet, alle Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich einzureichen, und auch aus Gründen der Fairness gegenüber der Beschwerdegegnerin, für die so rechtzeitig wie möglich ersichtlich sein soll, in welchem Umfang die Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung des Streitpatents beabsichtigt und welche die Gründe dafür sprechen, geboten gewesen.

7.4 Ferner würde der Hilfsantrag 7 neue Fragen, z.B. in Bezug auf Artikel 123(2) EPÜ (Stütze in der ursprünglichen Offenbarung für die jetzt beanspruchte Kombination von Merkmalen gemäß Anspruch 1) und Artikel 56 EPÜ (Rolle des Gewichstverhältnisses der Komponenten A2:A1) hervorrufen. Somit ist der Hilfsantrag 7 nicht eindeutig gewährbar.

7.5 Schließlich ist zu beachten, dass die Beschwerdegegnerin beantragt hat, dass, sollte der Hilfsantrag 7 zugelassen werden, die mündliche Verhandlung verlegt wird.

In diesem Zusammenhang stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7 in dieser Form in keinem der höherrangigen Anträge zu finden ist. Daher sollte der Beschwerdegegnerin genügend Zeit gegeben werden, um sich dementsprechend vorzubereiten, insbesondere bezüglich der Frage der erfinderischen Tätigkeit in Lichte des neu eingeführten Merkmals des Gewichtsverhältnisses der Komponenten A2:A1. Jedoch hätte dieses, nach Meinung der Kammer, zu einer Verlegung der mündlichen Verhandlung führen müssen, was mit den Erfordernissen des Artikel 13(3) VOBK nicht kompatibel ist.

7.6 Aus diesen Gründen hält die Kammer es im vorliegenden Fall für angebracht, ihr Ermessen gemäß Artikel 13(1) VOBK so auszuüben, dass der Hilfsantrag 7 nicht ins Verfahren zugelassen wird.

8. Da der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 6 der Beschwerdeführerin/Patentinhaberin nicht gewährbar sind und der Hilfsantrag 7 nicht zugelassen wird, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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