T 0602/15 () of 17.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T060215.20200917
Datum der Entscheidung: 17 September 2020
Aktenzeichen: T 0602/15
Anmeldenummer: 05016032.4
IPC-Klasse: G01V8/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Optischer Sensor
Name des Anmelders: Leuze electronic GmbH + Co KG
Name des Einsprechenden: SICK AG
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention Art 101(2) (2007)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. EP 1624322 zurückzuweisen.

II. Es wird auf die folgenden Dokumente verwiesen:

D1: DE 1297006 B

D2: WO 2004/015701 A1

D3: Vorbenutzung DME 5000 mit

D3a Rechnung über den Verkauf

D3b Auszüge aus der elektronischen Datenbank

D3c Betriebsanleitung

D3d Optikschema

D3e Linsenplan

D4: US 4170616 A

D5: DE 10106075 C2

D12: DE 4215272 C2

D13: Patent Abstracts of Japan, Bd. 010, Nr. 154 (P-463), 4. Juni 1986 (1986-06-04) & JP 61 009601 A (Hitachi Seisakusho KK), 17. Januar 1986 (1986-01-17)

D14: GB 626530 A

D15: EP 0384353 A2

D16: US 4948447 A

D17: US 4844594

Das Dokument D17 wurde von der Einsprechenden mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Die anderen Dokumente wurden bereits im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren herangezogen.

III. Die Einsprechende beantragte schriftlich, die Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung (Beschwerdeeinlegung).

Sie machte Einwände hinsichtlich mangelnder Neuheit gegenüber D1 und D2 (Beschwerdebegründung, Punkte I.a) und b)) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D1, D2, D3 und D5 geltend (Beschwerde­begründung, Punkte II.a), b) c) und d)).

Auch während des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens hatte die Einsprechende Einwände in Bezug auf Artikel 100 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geltend gemacht.

IV. Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin beantragte schriftlich, die Beschwerde zurückzuweisen und das Streitpatent im Umfang der erteilten Ansprüche aufrecht zu erhalten (Beschwerdeerwiderung, Seite 1). Hilfsweise wurde ebenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

V. Mit Mitteilung vom 11. Mai 2020 und in Vorbereitung einer für den 22. September 2020 angesetzten mündlichen Verhandlung nahm die Kammer vorläufig zu den Schriftsätzen der Parteien Stellung.

VI. Mit Schreiben vom 27. Juli 2020 teilte die Einsprechende mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

VII. Da den Anträgen der Patentinhaberin stattgegeben werden konnte, war die Durchführung der angesetzten mündlichen Verhandlung entbehrlich.

VIII. Der einzige unabhängige Anspruch wie erteilt hat den folgenden Wortlaut (die von der Kammer hinzugefügte Merkmalsgliederung 1), 2a), 2b)... entspricht der in der angefochtenen Entscheidung und von den Parteien verwendeten Merkmalsgliederung):

1) Optischer Sensor (1) zum Erkennen von Objekten in einem Überwachungsbereich

2a) mit einem Sendelichtstrahlen (2) emittierenden Sender (3),

2b) einem Empfangslichtstrahlen (4) empfangenden Empfänger (5)

3) und einer Auswerteeinheit zur Generierung eines Objektfeststellungssignals in Abhängigkeit der Empfangssignale am Ausgang des Empfängers (5),

4a) wobei der Sender (3) und der Empfänger (5) koaxial angeordnet

4b) und einer Sende- und Empfangsoptik (6) zugeordnet sind,

5a) wobei der zentrale Bereich der Sende- und Empfangsoptik (6) zur Kollimation der Sendelichtstrahlen (2)

5b) und der äußere Bereich zur Fokussierung der Empfangslichtstrahlen (4) auf den Empfänger (5) dient,

6) und die Sende- und Empfangsoptik (6) aus einem Glassubstrat (8) mit einer darauf aufgebrachten Schichtstruktur (9) aus Kunststoff besteht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Streitpatent betrifft einen nach dem Reflexionsprinzip arbeitenden optischen Sensor zur Erfassung von Objekten in einem Überwachungsbereich und zielt darauf ab, mit geringem konstruktiven Aufwand eine Detektion von Objekten in sehr geringem Abstand zum Sensor zu ermöglichen (siehe die Absätze [6] und [7] der Patentschrift).

3. Vorbemerkungen zu den Merkmalen des erteilten unabhängigen Anspruchs

3.1 Merkmal 4a)

Nach dem Wortlaut des Merkmals 4a) sind der Sender und der Empfänger koaxial angeordnet. Damit soll nach dem Streitpatent verhindert werden, dass ein Basisabstand zwischen Sender und Empfänger die Detektion von Objek­ten im Nahbereich verhindert (Patentschrift, Ab­sätze [6] und [16]).

Die Sende- und Empfangslichtstrahlen werden in Merkmal 4a) zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Der Fachmann würde allerdings aus dem Wortlaut des Merkmals schließen, dass sie zumindest teilweise ebenfalls koaxial zu Sender und Empfänger angeordnet sind, da Lichtstrahlen in optischen Geräten üblicherweise verwendet werden, um ausge­zeich­nete Achsen zu definieren. Diese Schlussfolgerung befindet sich in Übereinstimmung mit dem Ausführungs­beispiel (Figur 1), nach dem sich Sender und Empfänger hinter der Sende- und Empfangsoptik befinden (Patentschrift, Absatz [27]).

Jedoch hätte der Fachmann entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden (Beschwerdebegründung, Seite 1, vorvorletzter Absatz und Punkt I.b), zweiter Absatz) keinen Grund anzunehmen, dass nach Merkmal 4a) auch ausschließlich die Lichtstrahlen und nicht ebenfalls der Sender und der Empfänger koaxial angeordnet sein können.

Eine solche Interpretation widerspräche dem Wortlaut des Merkmals 4a); ein Anhaltspunkt, der sie stützen könnte, ist dem Streitpatent als Ganzem auch sonst nicht zu entnehmen.

Die Einsprechende hatte zusätzlich das Dokument D12, welches von der Patentinhaberin stammt, als Beleg dafür angeführt, dass diese Interpretation dem Sprachgebrauch der Patentinha­berin entsprechen würde (siehe Beschwerdebegründung, Punkt I.b)).

Die von der Einsprechenden genannte Stelle in den Zeilen 9 bis 11 der Spalte 3 dieses Dokuments fordert jedoch ausdrücklich eine Koaxiallage der Lichtbündel und nicht des Senders und des Empfängers, in Einklang mit dem Vorbringen der Patentinhaberin (Beschwerdeer­widerung, Seite 8, Absätze 1 bis 3). Die Kammer kann sich daher diesem Argument der Einsprechenden nicht anschließen.

Der Fachmann würde das Merkmal 4a) daher seinem Wortlaut entsprechend so lesen, dass es in jedem Fall eine koaxiale Anordnung des Senders und des Empfängers erfordert. Er würde aus dem Gesamtzusammenhang der Patentschrift darüber hinaus schließen, dass die entsprechenden Lichtstrahlen ebenfalls zumindest teilweise koaxial verlaufen.

3.2 Merkmale 5a) und 5b)

Wie von der Einsprechenden vorgebracht (Beschwerdebe­gründung, Seite 3, vorvorletzter Absatz), werden durch den Wortlaut des unabhängigen Anspruchs wie erteilt weitere optische Komponenten, zum Beispiel eine sepa­rate Kollimatorlinse, zusätzlich zu einer Sende- und Empfangsoptik mit den in den Merkmalen 5a) und 5b) de­finierten Eigenschaften, nicht grundsätzlich ausge­schlossen.

Jedoch dient der zentrale Bereich der Sende- und Empfangsoptik nach dem Wortlaut des Merkmals 5a) zur Kollimation der Sendelichtstrahlen.

Das Patent erwähnt keine anderen optischen Mittel, die eine Kollimation bewirken könnten. Der Fachmann würde daher den Wortlaut des Merkmals 5a) im Gesamtzusammen­hang des Patents so lesen, dass der zentrale Bereich der Sende- und Empfangsoptik eine Kollimation tatsächlich bewirkt und daher eine Krümmung aufweisen muss, im Gegensatz zum Vorbringen der Einsprechenden (Beschwerdebegrün­dung, Seite 3, die letzten zwei Absätze).

Entsprechend würde der Fachmann den Wortlaut des Merkmals 5b) im Gesamtzusammenhang des Patents ebenfalls so lesen, dass der äußere Bereich derselben Sende- und Empfangsoptik eine Fokussierung der Empfangslichtstrahlen auf den Empfänger bewirkt und daher eine Krümmung aufweisen muss.

Wie oben bereits dargelegt (siehe Punkt 3.1 oben), würde der Fachmann den Wortlaut des Anspruchs 1 im Gesamtzusammenhang des Patents darüber hinaus so lesen, dass der Sender, der Empfänger und zumindest Teile der Lichtstrahlen koaxial angeordnet sind. Daraus ergibt sich wiederum, dass eine Abschattung des Empfängers durch den näher am Objekt befindlichen Sender auftritt, wie von der Patent­inhaberin vorgebracht (Beschwerde­erwiderung, Seite 5, fünfter Absatz und Seite 8, vorletzter Absatz).

Aufgrund dieser Abschattung kann der zentrale Bereich der Sende- und Empfangsoptik 6 nicht der Fokussierung der Empfangslichtstrahlen auf den Empfänger dienen. Aus dem Gesamtzusammenhang des Streitpatents würde der Fachmann darüber hinaus schließen, dass der äußere Bereich der Sende- und Empfangsoptik 6 keine Kolli­mation der Sendestrahlen bewirkt (siehe insbesondere die Figuren 1 und 4 sowie Absatz [29]).

Der Fachmann würde die Merkmale 5a) und 5b) im Gesamtzusammenhang des Patents daher so interpretieren, dass sie zwei getrennte Bereiche derselben Sende- und Empfangsoptik definieren, die jeweils unterschiedliche optische Funktionen erfüllen, in Einklang mit dem Vorbringen der Patentinhaberin (siehe Beschwerdeer­widerung, Seite 5, fünfter Absatz).

3.3 Merkmal 6)

Nach Merkmal 6) besteht die Sende- und Empfangsoptik mit den in den Merkmalen 5a) und 5b) definierten optischen Eigenschaften aus einem Glassubstrat mit einer darauf angebrachten Schichtstruktur aus Kunststoff.

Daraus ergibt sich, dass Merkmal 6) das Vorhandensein eines optischen Elements aus einem Glassubstrat mit einer darauf aufgebrachten Schicht aus Kunststoff erfordert, dessen innere und äußere Bereiche unterschiedliche Funktionen erfüllen (zentraler Bereich: Kollimation der Sendelichtstrahlen; äußerer Randbereich: Fokussierung der Empfangslichtstrahlen auf den Empfänger).

Darüber hinaus würde der Fachmann die Formulierung "Glassubstrat mit einer darauf angebrachten Schichtstruktur" nicht so verstehen, dass sie zwei mit-einander verbundene Massivteile vergleichbarer Dicke umfasst, in Einklang mit dem Vorbringen der Patentinhaberin (Beschwerdeer­widerung, Seite 4, vorletzter Absatz). Der Fachmann würde vielmehr in Übereinstimmung mit Absatz [33] und Figur 2 der Patentschrift davon ausgehen, dass die Schichtstruktur 9 eine im Vergleich zum Glassubstrat 8 deutlich geringere Dicke aufweist.

4. Neuheit

4.1 D1

D1 betrifft eine Reflexlichtschranke und offenbart eine Anordnung von Lichtsender 7 und Lichtempfänger 9 in einer gemeinsamen Ebene nebeneinander (Spalte 1, Zeilen 57 bis 61), auch wenn die Sende- und Empfangslichtstrahlen zwischen dem Keilelement 1 und dem Rückstrahler 8 koaxial verlaufen.

Eine koaxiale Anordnung von Sender und Empfänger nach Merkmal 4a) ist daher nicht in D1 offenbart (siehe auch Punkt 3.1 oben).

Zusätzlich enthält in D1 die Kombination aus Abbildungsoptik 6 und Keilelement 1 nicht eindeutig und zweifelsfrei ein Glassubstrat. Darüber hinaus können die massiven Keilelemente 1 nicht als eine Schichtstruktur angesehen werden, wie von der Patentinhaberin vorgebracht (Beschwerdeerwiderung, Seite 4, vorletzter Absatz; siehe auch Punkt 3.3 oben).

Das Merkmal 6) ist daher ebenfalls nicht in D1 offenbart.

4.2 D2

D2 betrifft eine Anordnung zum Abtasten einer Infor­mationsschicht eines optischen Datenträgers (CDs, DVDs) durch die Reflexion von Lichtstrahlen (siehe Zusam­men­fassung und Seite 1, Zeilen 1 bis 11).

Dabei offenbart D2 einen Sender 11 und einen Empfänger 25, welche in einem rechten Winkel zueinander und nicht koaxial angeordnet sind, auch wenn die entsprechenden Lichtbündel teilweise koaxial verlaufen (Figur 2; siehe auch Punkt 3.1 oben).

Merkmal 4a) ist daher nicht in D2 offenbart.

Die Funktionen der Kollimation der Sendelichtstrahlen und der Fokussierung der Empfangslichtstrahlen werden in der Anordnung der D2 von der Linse 14 (collimator lens) wahrgenommen (siehe Figur 2). Diese entspricht daher der Sende- und Empfangsoptik 6 des Streitpatents.

Dabei kollimiert diese Linse die Sendelichtstrahlen in ihrer Gesamtheit und nicht nur mit ihrem zentralen Bereich (Seite 7, Zeilen 7 bis 11).

Entsprechend fokussiert sie auch die Empfangslicht­strahlen auf den Empfänger 25 (detection system, siehe Seite 7, Zeilen 17 bis 19) in ihrer Gesamtheit und nicht nur mit ihrem äußeren Bereich. Eine Unter­scheidung zwischen getrennten zentralen und äußeren Bereichen der Linse 14 mit jeweils unterschiedlichen Funktionen ist nach D2 also nicht vorgesehen.

Damit sind die Merkmale 5a) und 5b) so, wie sie der Fachmann im Gesamtzusammenhang des Streitpatents lesen würde (siehe Punkt 3.2 oben), nicht in D2 offenbart.

Zusätzlich besteht im System der D2 nur die Linse 18 (objective system) aus einem Glassubstrat mit einer darauf aufgebrachten Schichtstruktur aus Kunststoff. Der Aufbau der der Sende- und Empfangsoptik 6 des Streitpatents entsprechenden Linse 14 wird in D2 nicht angegeben.

Merkmal 6) ist daher ebenfalls nicht in D2 offenbart.

4.3 Aus dem obigen folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden sowohl gegenüber D1 als auch gegenüber D2 neu im Sinne des Artikels 54 (1) EPÜ 1973 ist.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1 Ausgehend von D1

Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs wie erteilt unterscheidet sich von D1 durch die Merkmale 4a) und 6), wie oben dargelegt.

Wie von der Patentinhaberin vorgebracht (Beschwerdeer­widerung, Seite 3, Absätze 3 bis 7 und Seite 6, Absätze 1 bis 5), wurde die Lichtschranke der D1 mit dem Ziel entworfen, eine koaxiale Anordnung von Sender und Empfänger vermeiden zu können (D1, Spalte 1, Zeilen 49 bis 61). Ausgehend von diesem Dokument würde der Fachmann daher keine koaxiale Anordnung von Sender und Empfänger nach Merkmal 4a) in Betracht ziehen.

Daher würde der Fachmann ausgehend von D1 nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973 zum Gegenstand des unabhängigen Anspruchs des Streitpatents gelangen.

5.2 Ausgehend von D2

Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs wie erteilt unterscheidet von D2 durch die Merkmale 4a), 5a), 5b) und 6), wie oben dargelegt.

Eine koaxiale Anordnung von Sender 11 (radiation source) und Empfänger 25 (detection system) entsprechend Merkmal 4a) in der Anordnung der D2 würde zusätzlich auch eine Neukonstruktion des aus den Linsen 14 und 18 bestehenden komplexen optischen Gesamtsystems (bei dem die Linse 18 sogar beweglich gelagert ist) erfordern. Eine Aufgabe der in D2 offenbarten rechtwinkligen Anordnung von Sender und Empfänger und stattdessen die Implementierung des Merkmals 4a) läge dem Fachmann daher fern, wie von der Patentinhaberin vorgebracht (Beschwerde­er­widerung, Seite 9, vorletzter Absatz).

Ausgehend von D2 würde der Fachmann daher unter Anwendung seines allgemeinen Fachwissens nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973 zum Gegenstand des unabhängigen Anspruch des Streitpatents gelangen.

Die Druckschrift D12 offenbart zwar eine koaxiale Anordnung von Sender 10' und Empfänger 12', bei der der Sendestrahl nur einen zentralen Bereich der Linse 13' durchläuft (siehe Figur 2), wie von der Einsprechenden vorgebracht (Beschwerdebegründung, Punkt II.b)). Jedoch ist der zentrale Bereich der Linse 13' nicht gekrümmt (siehe die Figur 2); diese Linse trägt daher nicht zur Kollimation des Sende­lichtstrahls bei, wie von der Patentinhaberin vorgebracht (Beschwerdeerwiderung, Seite 9, vorletzter Absatz). Der zentrale Bereich dieser Linse erfüllt also nicht die Funktion des zentralen Bereichs der Sende- und Empfangsoptik 6 des Streitpatents, wie sie in Merkmal 5a) definiert ist (siehe Punkt 3.2 oben).

Ausgehend von D2 würde der Fachmann daher selbst unter Berücksichtigung der Lehre der D12 nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973 zu einer Linse mit der in Merkmal 5a) des erteilten unabhängigen Anspruchs definierten Eigen­schaft gelangen, entgegen der Argumentation der Einsprechenden (Beschwerdebegründung, Punkt II.b)).

5.3 Ausgehend von D3

D3 betrifft eine Distanz-Mess-Einheit, die von der Einsprechenden unter dem Namen DME 5000 hergestellt und vertrieben wird und die nach dem Reflexionsprinzip arbeitet. Insbesondere offenbart D3 die Merkmale 1), 2a), 2b), 3), 4a) und 4b).

Der reflektierte Empfangsstrahl wird dabei aus­schließ­lich durch den äußeren Bereich der Linse 1 auf den Empfänger 8 fokussiert (siehe Schnittzeichnung der D3d). D3 offenbart daher auch das Merkmal 5b).

Wie von der Patentinhaberin vorgebracht (Beschwerdeer­widerung, Seite 10, vorvor­letzter Absatz; siehe auch Punkt 3.2 oben), bewirkt der zentrale Bereich der Linse 1 jedoch keine Kollimation des Sendestrahls im Sinne des Merkmals 5a). Stattdessen erfolgt die Kollimation des Sendestrahls ausschließlich durch eine zusätzliche Linse 4 (siehe D3d).

Im Gegensatz zum Vorbringen der Einsprechenden (Be­schwer­debe­gründung, Punkt II.c)) offenbart D3 daher weder das Merkmal 6) noch das Merkmal 5a).

Die Kammer akzeptiert, dass optische Linsen, welche in Replikatechnik durch Aufbringen einer Schichtstruktur aus Kunststoff auf ein Glassubstrat hergestellt werden, dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bereits allgemein bekannt waren, wie von der Einsprechenden unter Verweis auf die Dokumente D2, D4, D13, D14, D16 und D17 vorgebracht (Beschwerde­begründung, Seite 3, die ersten zwei Absätze und Seite 4, die ersten drei Absätze). Die Kammer akzeptiert ebenfalls, dass es für den Fachmann naheliegen würde, die Linse 1 durch ein solches Replikaverfahren herzustellen, um die Aufgabe zu lösen, ein alternatives Herstellungsverfahren für diese Linse zu finden, wie von der Einsprechenden vorgebracht (Beschwerdebegründung, Seite 4, erster und zweiter Absatz).

Allerdings hätte der Fachmann ausgehend von D3 keinerlei Anlass, beide Linsen 1 und 4 mit ihren unterschiedlichen Funktionen durch eine einzige im Replikaverfahren hergestellte Linse mit verschiedenen Bereichen jeweils unterschiedlicher Funktion zu ersetzen. Darüber hinaus ist die Linse 4 in die Halterung des Senders 5 integriert, welche in diesem Fall ebenfalls umgestaltet werden müsste. Dies würde einen zusätz­lichen konstruktiven Aufwand bedeuten und den Fachmann daher von einer solchen Maßnahme abhalten.

Ausgehend von D3 würde der Fachmann daher unter Anwendung seines allgemeinen Fachwissens nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des unabhängigen Anspruch des Streitpatents gelangen.

D2, D4, D13, D14 und D17 betreffen Linsen, die aus Schichtstrukturen aus Kunststoff auf Glassubstraten bestehen. D16 betrifft eine zusammengesetzte Linse, die durch Aufkleben einer Kunststofflinse auf einen Glaskörper hergestellt wird. Keines dieser von der Einsprechenden angeführten Dokumente offenbart jedoch eine Linse mit getrennten inneren und äußeren Bereichen unterschiedlicher Funktion.

Der Fachmann würde daher ausgehend von D3 auch durch die Kombination mit einem dieser Dokumente nicht zum Gegenstand des unabhängigen Anspruchs des Streitpatents gelangen.

Im Ergebnis kann daher offenbleiben, ob - wie von der Patentinhaberin in der Beschwerdeerwiderung, Seite 10, Ziffer IV, bestritten - die Vorbenutzung D3 offenkundig war.

5.4 Ausgehend von D5

D5 betrifft eine optische Anordnung zur Erkennung der Annäherung von Objekten nach dem Reflexionsprinzip ("Lichttaster").

Das in den Figuren 1 bis 3 der D5 gezeigte Ausführungs­beispiel weist eine Sende- und Empfangsoptik 10 (Bün­delungsvorrichtung) auf, deren zentraler Bereich 11 der Formung der Empfangslicht­strahlen (Keule 31, siehe Absatz [22]) dient, während ihr äußerer Bereich 12 eine Formung der Sendelichtstrahlen bewirkt (siehe auch Absatz [21]).

D5 offenbart dabei die Merkmale 1), 2a), 2b), 3), 4a) und 4b).

Darüber hinaus offenbart Absatz [14] dieses Dokuments, dass die Sender- und die Empfängerelemente vertauscht werden können.

Bei einer solchen Vertauschung würde ausschließlich der äußere Bereich 12 der Optik 10 eine Fokussierung der Empfangslicht­strahlen auf den Empfänger bewirken. D5 offenbart daher auch das Merkmal 5b).

Entsprechend würde bei einer solchen Vertauschung aus­schließlich der innere Bereich 11 die von der Quelle aus divergierenden Sendelicht­strahlen zu einer Keule formen. Allerdings besteht eine Keule nicht notwen­digerweise aus parallelen und damit kollimierten Lichtstrahlen. Wie von der Einspruchs­abteilung argumentiert (Punkt 2.2.3 der angefochtenen Entscheidung), ist der Aspekt des Merkmals 5a), dass die Sendelicht­strahlen kollimiert werden, daher nicht in D5 offenbart. Im Gegensatz zur Argumentation der Einsprechenden (Beschwerdebegründung, Seite 4, vorvorletzter und vorletzter Absatz) würde bei einer nicht parallelen Sendestrahlenanordnung in der Keule die Funktionsfähigkeit des Sensors auch nicht zerstört. Eine Aufweitung der Keule 31 wird im Gegenteil in Absatz [26] sogar ausdrücklich als unproblematisch angesehen. In Absatz [37] werden darüber hinaus zusätzlich verschieden konvergente Teile der der Innenzone zugeordneten Strahlkeule vorgeschlagen. Der Fachmann hätte ausgehend von D5 daher auch keine Veranlassung, im zentralen Bereich ausgerechnet kollimierte Lichtstrahlen vorzusehen.

Ausgehend von D5 würde der Fachmann daher ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit nicht zum oben genannten Aspekt des Merkmals 5a) gelangen.

Darüber hinaus ist zusätzlich das Merkmal 6) in D5 nicht offenbart, wie auch von der Einsprechenden aner­kannt wurde (Beschwerdebegrün­dung, Seite 4, letzter Absatz).

Die durch dieses unterscheidende Merkmal zu lösende objektive technische Aufgabe kann in Anlehnung an das Vorbringen der Einsprechenden zum Dokument D3 (Beschwerdebegründung, Seite 4, erster und zweiter Absatz) so formuliert werden, dass eine Alternative für die Bündelungsvorrichtung/das Fenster 10 gefunden werden soll.

Dabei sieht die Kammer zwar das Aufbringen von Schichtkon­struk­tionen aus Kunststoff auf Glassubstrate zur Herstellung von Linsen als zum Prioritätszeit­punkt des Streitpatents allgemein bekannt an (siehe Punkt 5.3 oben).

Der Fachmann würde jedoch die Figur 1 der D5 so interpretieren, dass das Fenster 10 eine spezielle Optik darstellt, die aus zwei Elementen vergleichbarer Dicke zusammengesetzt ist, um einen inneren und einen äußeren Bereich des Fensters mit jeweils unterschied­lichen Funktionen zu realisieren.

Keines der von der Einsprechenden angeführten Doku­mente D2, D4, D13, D14, D16 und D17 offenbart jedoch solch eine Optik mit getrennten inneren und äußeren Bereichen jeweils unterschied­licher Funktion. Der Fachmann würde daher keinem dieser Dokumente die Anregung entnehmen, eine solche spezielle Optik in Form einer Schichtstruk­tur aus Kunststoff auf einem Glassubstrat zu realisieren.

Die Kammer hat darüber hinaus auch keinen Anhaltspunkt dafür, anzunehmen, dass es dem Fachmann allgemein bekannt war, Optiken mit einem inneren und einem äußeren Bereich jeweils unterschied­licher Funktion wie das in Figur 1 der D5 gezeigte Fenster 10 durch eine Schichtstruktur aus Kunststoff auf einem Glassubstrat zu ersetzen.

Dabei kann die Kammer, in Einklang mit der Patentinha­berin (Beschwerdeerwiderung, Seite 11, die letzten drei Absätze) und im Gegensatz zum Vorbringen der Einsprechenden (Beschwerdebegrün­dung, erster Absatz des Punktes II.d) und letzter Absatz der Seite 4), dem Punkt 2.2.3 der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, dass die Einspruchsabteilung der Ansicht gewesen wäre, dass dieses Merkmal ausgehend von D5 durch Kombination mit der aus verschiedenen Dokumenten beziehungsweise allgemein bekannten Replikatechnik naheliegen würde.

Darüber hinaus schlägt D5 in Bezug auf die oben genannte objektive technische Aufgabe bereits ausdrücklich alternative Ausgestaltungen des Fensters 10 vor (siehe die Abbildungen 4 und 5). Diese enthalten jedoch zusätzlich zu dem Fenster 10 einen Hohlspiegel (14 beziehungsweise 15). Die in D5 vorgeschlagenen alternativen Ausgestaltungen des Fensters 10 würden den Fachmann zur Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe also dazu anregen, ein zusätz­liches optisches Element vorzusehen. D5 enthält jedoch keiner­lei Hinweis, die Bündelungs­vorrichtung der Figur 1 durch eine Optik aus einem Glassubstrat mit einer darauf aufgebrachten Schicht­struktur aus Kunststoff nach Merkmal 6) zu ersetzen.

Das in Zusammenhang mit D5 von der Einsprechenden ebenfalls erwähnte Dokument D15 (Beschwerdebegründung, Punkt II.d), erster Absatz) weist zwar eine spezielle Optik (special optical element) mit verschiedenen Bereichen unterschiedlicher Funktion auf (siehe Zusammenfassung). Die optischen Bauteile sind nach D15 jedoch nicht als Schichtstrukturen aus Kunststoff auf Glassubstraten, sondern als Spritzgussteile ausgeführt (Spalte 15, Zeile 50 bis Spalte 16, Zeile 21).

Der Fachmann würde also ausgehend von D5 weder durch die Anwendung seines allgemeinen Fachwissens noch durch die Umsetzung der Lehre der Dokumente D2, D4, D13, D14, D15, D16 oder D17 ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zu einem optischen Sensor gelangen, der das Merkmal 6) enthalten würde.

Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs des Streitpatents wie erteilt beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ 1973.

6. Aus dem obigen folgt, dass keiner der von der Einsprechenden angeführten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegensteht. Die Beschwerde kann daher keinen Erfolg haben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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