T 0462/15 () of 18.2.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T046215.20160218
Datum der Entscheidung: 18 Februar 2016
Aktenzeichen: T 0462/15
Anmeldenummer: 08168754.3
IPC-Klasse: B62D 33/02
B60P 7/15
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lattenhalterung für Nutzfahrzeugaufbauten
Name des Anmelders: F. HESTERBERG & SÖHNE GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Fahrzeugwerk Bernard Krone GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - einziger Antrag: JA
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischen­entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2184221 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 5. Januar 2015.

II. Die Einspruchsabteilung hat im Wesentlichen entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu und erfinderisch ist.

III. Die Einsprechende hat im Einspruchsverfahren u.a. die folgenden Dokumente genannt:

E1: DE 4321 516 C1;

E2: ES 1 035 193 U mit Übersetzung;

E3: Katalog ADAICO 1997 bis heute,

Katalogblätter 34/35;

E4: DE 20 2007 001 329 U1.

IV. Am 18. Februar 2016 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der folgenden Dokumente:

- Ansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag vom 12. Dezember 2014,

- Beschreibung:

Spalten 1 bis 2 vom 12. Dezember 2014;

Spalten 3 bis 4 eingereicht in der mündlichen

Verhandlung;

Spalten 5 bis 9 wie erteilt,

- Figuren 1 bis 15 wie erteilt.

V. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der Zwischen­entscheidung der Einspruchsabteilung (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 12. Dezember 2014) lautet wie folgt:

Lattenhalterung für Nutzfahrzeugaufbauten mit einer das Ende einer Latte (6) aufnehmenden, nach oben hin offenen Tragschale (5) bestehend zumindest aus einem Boden (10), nach fahrzeuginnen und fahrzeugaußen weisenden Seitenwänden (11,12) sowie einer der Stirnfläche (6a) der Latte (6) gegenüberliegenden, gegen eine vertikale Profilstütze (3) des Fahrzeugaufbaus vernietete oder verschraubte Befestigungswand (13), wobei die Tragschale (5) einschließlich der Befestigungswand (13) ein einstückiges Blechformteil ist, und sich die Schraube bzw. das Niet (9) gegen eine Stützfläche (17) innen an der Befestigungswand (13) abstützt,

gekennzeichnet durch

eine in Höhe der Schraube bzw. des Niets (9) oder höher zwischen den beiden Seitenwänden (11,12) angeordnete Führungsfläche (20), welche

- einstückiger Bestandteil der Befestigungswand (13) ist,

- an dem Blechformteil durch Umformung ausgebildet ist,

- der Stirnfläche (6a) der Latte (6) gegenüberliegt,

- im Vergleich zur Stützfläche (17) zu der Stirnfläche (6a) hin vorspringt.

VI. Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem einzigen Antrags sei nahegelegt. Das Dokument E4 offenbare die Merkmale 1.1 bis 1.6 des strittigen Anspruchs (vgl. Merkmalsgliederung der Patentinhaberin in der Anlage der Beschwerde­erwiderung). Ein derartiges einstückiges Blechformteil sei in der Figur 3 der E4 offenbart. Des Weiteren erkenne man in der Figur 3 eine mit mit dem Bezugszeichen 25 bezeichnete Führungsfläche, die verhindere, dass die Stirnseite der Planlatte mit den Befestigungsmitteln in Kontakt komme. Somit seien auch die Merkmale 1.8 und 1.8.1 bis 1.8.4 offenbart, so dass E4 lediglich das Merkmal 1.7 nicht offenbare, wonach eine Führungsfläche (20) in Höhe der Schraube bzw. des Niets (9) oder höher zwischen den Seitenwänden (11,12) angeordnet ist.

Mit dieser Führungsfläche werde die Aufgabe gelöst, die Verkantung der Planlatten bei der Montage oder Demontage zur verhindern. Eine derartige Führungsfläche aber sei in der E2 bzw. der E3 - die beide in den wesentlichen Punkten denselben Gegenstand zeigten - offenbart. Die Führungs­fläche sei dort durch die Kantenverstärkung des Profils gebildet, die insbesondere in der Darstellung der E3 gut zu erkennen sei. Auch wenn diese Kantenverstärkung des Profils ursprünglich nicht dazu gedacht gewesen sei, eine Führungsfläche für eine Planlatte zu bilden, so erkenne der Fachmann sofort, dass ein Profil gemäß E2 oder E3 die gestellte technische Aufgabe löse. Insbesondere in E3 sei gut zu erkennen, dass die Führungsflächen die Schrauben­köpfe der oberen Schrauben bei montierter Lattentasche derart überragen, dass die Führungsflächen und nicht der Schraubenkopf das am Weitesten zu der Stirnfläche hin vorspringende Bauteil sei.

Des Weiteren sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch nahegelegt, ausgehend von E2 bzw. E3, kombiniert mit dem Dokument E4.

Das Dokument E2 bzw. E3 offenbare alle Merkmale des strittigen Anspruchs 1 bis auf das Merkmal 1.7, nämlich, dass die Tragschale (5) einschließlich der Befestigungs­wand (13) ein einstückiges Blechformteil ist. Ein ein­stückiges Blechformteil sei aber aus E4 bekannt, siehe dort Figur 3 und Paragraph [0035].

Auch das Dokument E1 zeige eine einteilige Lattentasche aus Blech, so dass der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 auch nahegelegt ist durch die Kombination von E2 bzw. E3 mit E1.

Der Einwand wegen mangelnder Neuheit werde nicht weiter verfolgt.

VII. Die Beschwerdegegnerin erwiderte die Argumente wie folgt:

Der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Dokument E4 offenbare vor allem nicht die mit der Führungsfläche verbundenen Merkmale (1.7 und 1.8.4; vgl. Merkmals­gliederung der Patentinhaberin in der Anlage der Beschwerdeerwiderung), nämlich, dass eine Führungsfläche (20) in Höhe der Schraube bzw. des Niets (9) oder höher zwischen den Seitenwänden (11,12) angeordnet ist, und die Führungsfläche im Vergleich zur Stützfläche (17) zu der Stirnfläche (6a) hin vorspringt.

Das erfindungsgemäße Merkmal der Stützfläche sei aber auch nicht in den Dokumenten E2 bzw. E3 offenbart; beide Dokumente E2 und E3 offenbarten im Wesentlichen denselben Gegenstand.

Der in den Figuren gezeigte Vorsprung im Bereich der Ecken sei in der Beschreibung nicht erwähnt, so dass davon auszugehen sei, dass der Fachmann dies nicht als eine Führungsfläche ansehen würde. Es sei auch nirgends offen­bart, dass dieser Vorsprung die objektive Aufgabe löse, nämlich die Verkantung der Planlatte am Schraubenkopf zu verhindern. Die Figuren der E2 und der E3 seien schematischer Natur, so scheint die von der Beschwerdeführerin erkannte Führungsfläche eher eine bekannte Rand/Eckverstärkung eines Aluminium­profils darzustellen; es sei jedenfalls nirgends offenbart, dass die Randverstärkungen derart gestaltet seien, dass sie als Führungsfläche dienten. Daher seien die Merkmale 1.7 und 1.8.4 nicht in E2 bzw. E3 offenbart.

Aus den genannten Gründen könne auch der Angriff ausgehend von E2 bzw. E3 in Kombination mit E4 oder E1 die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht in Frage stellen. Wie ausgeführt offenbare E2 bzw. E3 keine einteilige Halterung, des weiteren sei dort keine Führungsfläche offenbart.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die in Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung definierte Erfindung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.

2.1 Der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 ist nicht nahegelegt, ausgehend von E4, kombiniert mit dem Dokument E2 bzw. E3.

Unstrittig offenbaren die Dokumente E2 und E3 in den wesentlichen Punkten denselben Gegenstand.

Die Lattenhalterung gemäß E4 unterscheidet sich vom Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 mindestens dadurch, dass eine Führungsfläche (20) in Höhe der Schraube bzw. des Niets (9) oder höher zwischen den Seitenwänden (11,12) angeordnet ist.

Diese Führungsfläche löst die objektive Aufgabe, ein Verkanten der Planlatte in den Lattentaschen durch hervorstehende Befestigungsschrauben (oder Nieten) zu erschweren, vgl. auch Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 33 bis 40 und Paragraphen [0005] und [0006].

Diese Punkte sind ebenfalls zwischen den Parteien unstrittig.

2.2 Das Dokument E2 bzw. E3 kann den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelegen, da auch dort keine anspruchsgemäße Führungsfläche gezeigt ist. Die von der Beschwerdeführerin als Führungsfläche angesehene Hervorhebung in der Befestigungswand sind ganz offensichtlich Rand/Eckverstärkungen eines Aluminium­profils, die in stranggepressten Aluminiumprofilen aus Stabilitätsgründen üblich sind.

Es gibt in E2 bzw. E3 keinerlei Hinweise dafür, dass diese Randverstärkungen auch eine erfindungsgemäße Führungs­fläche darstellen können: so sind die Rand-verstärkungen in E2 oder E3 nicht erkennbar derart ausgeführt, dass sie eine Führungs­funktion im Sinne der Erfindung ermöglichen, nämlich dass ,,beim Absenken der Planplatte deren erster Kontakt mit der Führungsfläche erfolgt, und nicht mit dem Niet- oder Schraubenkopf", vgl. Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 40 bis 43.

Dieser Effekt ist in E2 bzw. E3 nicht eindeutig und unmittelbar offenbart und würde nach Ansicht der Kammer nicht zwangsläufig bei einer beliebigen Ausgestaltung der Führungsfläche auftreten.

Folglich kann auch das Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugen, dass auch die Randverstärkungen zwangs­läufig eine Führungsfunktion im Bereich oberhalb der oberen Schraube ausüben. Eine Führungsfunktion können die Randverstärkungen nur dann übernehmen, wenn sie derart gestaltet sind, dass ,,beim Absenken der Planplatte deren erster Kontakt mit der Führungsfläche erfolgt, und nicht mit dem Niet- oder Schraubenkopf". Dies setzt aber - und das ist dem Fachmann unmittelbar ersichtlich - eine bestimmte Geometrie, insbesondere eine Mindestgröße der Führungsfläche voraus. Das ist aber weder der schematischen Zeichnung noch der Beschreibung zu entnehmen.

Folglich erhält der Fachmann aus E2 bzw. E3 keinen Hinweis auf eine Führungsfläche, die er in die Latten­halterung gemäß E4 integrieren könnte, um ein Verkanten der Planlatten im Sinne der objektiven Aufgabe zu verhindern.

2.3 Aus demselben Grund ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von E2 bzw. E3 nicht nahegelegt. Da E2 bzw. E3 - wie oben unter 2.2 ausgeführt - keine Führungsfläche im Sinne des Streitpatents offenbart, kann auch die Kombination mit den Dokumenten E1 oder E4 keinen Mangel an erfinderischer Tätigkeit nachweisen. Weder E4 noch E1 offenbaren eine Führungsfläche gemäß Merkmal 1.7, die in Höhe der Schraube bzw. des Niets (9) oder höher zwischen den Seitenwänden (11,12) angeordnet ist. Dies wurde von der Einsprechenden / Beschwerdeführerin auch nie behauptet.

3. Der Anspruch 1 mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 7 (Ansprüche gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrag), die während der mündlichen Verhandlung angepassten Beschreibung (die die Ausführungsformen der Figuren 10 bis 15 als nicht zur beanspruchten Erfindung gehörig bezeichnet) und die Figuren wie erteilt, können damit die Basis für die Aufrechterhaltung des Patents in eingeschränkter Form bilden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung

zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in

folgendem Umfang aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag vom 12. Dezember 2014,

- Beschreibung:

Spalten 1 bis 2 vom 12. Dezember 2014;

Spalten 3 bis 4 eingereicht in der mündlichen Verhandlung;

Spalten 5 bis 9 wie erteilt,

- Figuren 1 bis 15 wie erteilt.

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