European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T045215.20190523 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 Mai 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0452/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09005587.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C09J 5/00 B29C 49/04 C09J 7/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Kaschieren eines partikelarmen Folienschlauches | ||||||||
Name des Anmelders: | PolyCine GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Fresenius Medical Care Deutschland GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Patentansprüche - Klarheit Patentansprüche - Hauptantrag (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchs-abteilung, das europäische Patent Nr. 2 075 296 zu widerrufen.
II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) und Artikel 100 c) EPÜ beantragt.
III. Der Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen ein Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 4 zugrunde. Der einzige, auch für die vorliegende Entscheidung relevante Antrag ist der Hauptantrag, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"1. Verfahren zur Herstellung eines extrusionskaschierten Folienschlauches, umfassend die folgenden Verfahrensschritte:
(a) Herstellen eines Folienschlauches durch Schmelzextrusion eines Kunststoffes, enthaltend Polypropylen, Polyethylen-Copolymere, Styrol-Ethylen/Butylen-Styrol-Blockcopolymere, Styrol-Isopren- Styrol-Blockcopolymere und/oder thermoplastische Elastomere (TPE);
(b) gegebenenfalls Abkühlen des in Verfahrensschritt (a) hergestellten Folienschlauches und
(c) Beschichten des gegebenenfalls abgekühlten Folienschlauches mit einer Funktionsschicht,
wobei das Beschichten (c) durch
(c') Beschichten des gegebenenfalls abgekühlten Folienschlauches mit einer Haftkleberadhäsivschicht auf mindestens einer Seite des Folienschlauches;
(d') gegebenenfalls Trocknen des mit der Haftkleberadhäsivschicht versehenen Folienschlauches;
(e') Kaschieren der mindestens einen mit der Haftkleberadhäsivschicht beschichteten Seite des Folienschlauches mit einer Funktionsschicht;
(f') gegebenenfalls Trocknen bzw. Aushärten des kaschierten Folienschlauches erfolgt,
wobei,
wenn durch die Funktionsschicht ein gasdichter Folienschlauch erzeugt werden soll, als Funktionsschicht ein Ethylen- Vinylalkohol-Copolymerisat, ein Polyvinylalkohol, ein Polyvinylidenchlorid (PVDC), ein flüssigkristallines Polymer (LCP's), SiOx, AlOx oder eine auf Acrylat basierende Beschichtung verwendet werden,
und wobei,
wenn durch die Funktionsschicht ein wasserdichter Folienschlauch erzeugt werden soll, als Funktionsschicht ein Polyvinylidenchlorid (PVDC), ein flüssigkristallines Polymer (LCP's), SiOx oder AlOx verwendet werden.
IV. Die Einspruchsabteilung sah den Hauptantrag als nicht gewährbar an, da folgende, im Einspruchsverfahren in den Anspruch 1 eingefügten Änderungen zu einem Verstoß unter Artikel 123(3) EPÜ führten:
"wobei,
wenn durch die Funktionsschicht ein gasdichter Folienschlauch erzeugt werden soll, als Funktionsschicht ein ein Ethylen- Vinylalkohol-Copolymerisat ... verwendet werden,
und wobei,
wenn durch die Funktionsschicht ein wasserdichter Folienschlauch erzeugt werden soll, als Funktionsschicht ein Polyvinylidenchlorid (PVDC) ... verwendet werden."
V. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags bzw. eines der Hilfsanträge 1 bis 9, alle Anträge wie mit der Beschwerdebegründung eingereicht.
Der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 4 sind identisch mit den Anträgen, die der Einspruchsabteilung vorlagen.
VI. Mit ihrer Erwiderung auf die Beschwerde beantragte die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde und den vollumfänglichen Widerruf des Patents. Ferner beantragte sie, die Hilfsanträge 5 bis 9 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Unter anderem beanstandete sie die Begriffe "gasdicht" und "wasserdicht" im Anspruch 1 des Hauptantrags unter Artikel 84 EPÜ.
VII. Mit Schreiben vom 23. April 2019 reichte die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 10 bis 14 ein.
VIII. In der Mitteilung vom 6. Mai 2019 teilte die Kammer den Beteiligten mit, welche Punkte in der anberaumten mündlichen Verhandlung zu diskutieren sein werden.
IX. Mit Schreiben vom 17. Mai 2019 brachte die Beschwerdegegnerin weitere Argumente zur Klarheit vor. Weiterhin verwies sie auf die folgenden im Einspruchsverfahren eingereichten Dokumente D5 und D7:
D5:|H. Gärtner, "Entwicklung bei Sperrschicht-folien", Fachtagung Sperrschichtfolien am 30. Juni/1. Juli 2004 in Würzburg (34 Seiten)|
D7:|J. Nentwich, "Kunststoff-Folien: Herstellung, Eigenschaften, Anwendung"; Carl Hanser Verag münchen Wien, 1994 (12 Seiten).|
X. Während der am 23. Mai 2019 stattgefundenen mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin alle Hilfsanträge zurück. Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Klarheit
1. Anspruch 1 des einzigen Antrags (genauer Wortlaut siehe Punkt III) bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung eines extrusionskaschierten Folienschlauches umfassend, unter anderem, die Verfahrensschritte:
- Herstellen eines Folienschlauches,
- Beschichten des Folienschlauches mit einer Funktionsschicht.
2. Die beiden Alternativen für die Funktionsschicht, eingeleitet durch die Formulierungen "...wobei, wenn durch die Funktionsschicht ein gasdichter bzw. wasserdichter Folienschlauch erzeugt werden soll, ..." wurden während des Einspruchsverfahrens in den Anspruch 1 aufgenommen.
3. Daher ist zu prüfen, wie auch von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, ob durch diese Änderung ein Mangel an Klarheit im Anspruch 1 des Hauptantrags entsteht (G 3/14, Leitsatz), insbesondere im Hinblick auf die Begriffe "gasdicht" und "wasserdicht", die in keinem der erteilten Ansprüche vorhanden waren und aus der Beschreibung stammen.
4. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin seien die Begriffe "gasdicht" und "wasserdicht" für den Fachmann hinreichend verständlich, so dass ihm klar sei, zu welchen Materialien er greifen müsse, um diese Eigenschaften zu erzielen. Diese Begriffe dienen nur als Orientierungshilfe, um Materialien zur Herstellung eines Folienschlauches auszuwählen, der für Wasser oder Gas undurchlässig sei. Die entsprechenden Materialien seien im Anspruch 1 klar und eindeutig zugeordnet. Daher führe ihre Einführung im Anspruch 1 nicht zu einem Klarheitsmangel.
5. Die Kammer kann der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht folgen. Der Bezug auf die Begriffe "gasdicht" und "wasserdicht" dient nämlich nicht nur als "Orientierungshilfe", um die Materialien der Funktionsschicht auszuwählen, sondern auch als Angabe der physikalischen Eigenschaften, die der beanspruchte Folienschlauch aufweisen muss.Es stellt sich deshalb die Frage, welcher Grad an Gas- und Wasserdichtheit des Folienschlauches erreicht werden muss, um die Erfordernisse des Anspruchs 1 zu erfüllen.
6. Gas- und wasserdicht sind relative Begriffe. Absolut gas- und wasserdichte Kunststofffolien sind, wenn überhaupt, nur sehr schwer zu realisieren. Die Forderung nach Dichtheit bezieht sich daher immer auf vorgegebene Rahmenbedingungen. Wie in D7 auf den Seiten 140-142 und in D5 auf den Seiten A14-A17 ausgeführt, wird zum Beispiel die Gasdurchlässigkeit einer Sperrschicht durch Feuchtigkeit und Temperatur beeinflusst. Anspruch 1 gibt jedoch nicht an, welche Bedingungen und welche Methoden zu verwenden sind, um die Gasdichtheit des Folienschlauches zu messen. Außerdem kann die Gasdurchlässigkeit eines Barrierekunststoffs über einen sehr großen Bereich variieren. So zeigt z.B. die Tabelle 28 auf Seite 140 von D7 Werte für die Sauerstoffdurchlässigkeit von 0.5 bis 18000 cm**(3)/m**(2)datm. Aus dem Anspruch 1 ist jedoch nicht zu entnehmen, ab welchem Wert der beanspruchte Folienschlauch als "gasdicht" angesehen werden kann.
7. In diesem Zusammenhang ist auch Folgendes zu beachten:
7.1 In dem beanspruchten Verfahren wird zunächst ein Folienschlauch durch Schmelzextrusion eines Kunstoffes hergestellt, der dann auf mindestens einer Seite mit einer zusätzlichen Funktionsschicht (gas- oder wasserdicht) kaschiert wird. Aber bereits der unkaschierte Folienschlauch weist eine gewisse Barrierewirkung gegenüber Gas und Wasser auf. Es ist nicht klar, wie und in welchem Umfang das Material der Funktionsschicht als Barriere wirken muss, um eine nicht näher definierte Gas- und Wasserdichtheit zu erreichen.
7.2 Weiterhin hängen die Barriereeigenschaften gleicher Polymerschichten vom Herstellungsverfahren ab, wie D5, Seite A/14 zeigt. Anspruch 1 gibt zwar an, welche Polymere zur Vorbereitung der Funktionsschicht verwendet werden sollen. Es wird jedoch nicht angegeben, welches Verfahren und welche Bedingungen anzuwenden sind, um die Funktionsschicht herzustellen. Somit können den verwendeten Materialien auch keine bestimmten inhärenten Eigenschaften bezüglich der Gas- und Wasserdichtheit zugeordnet werden. Damit bleibt unklar, ob ein mit den aufgelisteten Polymeren hergestellter, extrusionskaschierter Folienschlauch immer unter den Anspruch fällt.
8. Aus diesen Gründen erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht das Erfordernis der Klarheit (Artikel 84 EPÜ). | | |
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.