T 0425/15 () of 10.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T042515.20180710
Datum der Entscheidung: 10 Juli 2018
Aktenzeichen: T 0425/15
Anmeldenummer: 08774149.2
IPC-Klasse: C08K 5/09
C08K 5/098
C08L 81/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FORMMASSEN ENTHALTEND POLYARYLETHER MIT VERBESSERTER OBERFLÄCHENQUALITÄT
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Solvay Specialty Polymers USA, LLC
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Gegenstand geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (nein)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag: nein; 1. Hilfsantrag: ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Einsprechenden (Beschwerdeführerin I) und der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin II) betreffen die am 18. Dezember 2014 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der Aufrechterhaltung in geändertem Umfang des Europäischen Patents Nr. 2 160 440 auf Basis des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1A und einer geänderten Beschreibung.

II. Die Ansprüche 1 bis 4 der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hatten folgenden Wortlaut:

"1. Thermoplastische Formmasse, enthaltend die Komponenten A, B und C, sowie gegebenenfalls die weiteren Komponenten D und E, deren Summe insgesamt 100 Gew.-% ergibt, wobei die Formmasse enthält:

A) 40 bis 97,9 Gew.-% mindestens eines Polyethersulfons,

B) 2 bis 59,9 Gew.-% mindestens eines Polysulfons,

C) 0,1 bis 2 Gew.-% an Stearinsäure und/oder Stearinsäurederivaten,

sowie gegebenenfalls

D) 0 bis 50 Gew.-% weiterer Zusatzstoffe,

E) 0 bis 30 Gew.-% weiterer Hilfsstoffe."

"2. Formmasse gemäß Anspruch 1 , dadurch gekennzeichnet, dass sie enthält:

A) 42,5 bis 89,85 Gew.-% mindestens eines Polyethersulfons,

B) 10 bis 57,35 Gew.-% mindestens eines Polysulfons,

C) 0,1 bis 1,75 Gew.-% an Stearinsäure und/oder Stearaten,

sowie gegebenenfalls

D) 0 bis 20 Gew.-% weiterer Zusatzstoffe,

E) 0 bis 15 Gew.-% weiterer Hilfsstoffe."

"3. Formmasse gemäß einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass sie als Komponente A gerade 40 bis 97,9 Gew.-% mindestens eines Poly- ethersulfons enthält, welches eine Glastemperatur von größer 200° C aufweist und aufgebaut ist aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK(I)

worin

t und q unabhängig voneinander für 0, 1, 2 oder 3 stehen,

Q, T, Z unabhängig voneinander jeweils eine chemische

Bindung oder eine Gruppe, ausgewählt aus -O-,

-S-, -SO2-, S=O, C=O, -N=N- bedeuten,

mit der Maßgabe, dass mindestens eine der

Gruppen T, Q und Z für -SO2 steht und, wenn t

und q für 0 stehen, Z für -SO2 steht,

Ar und Ar**(1) unabhängig voneinander jeweils für eine

C6-C12-Arylengruppe steht, wobei diese mit

C1-C12-Alkyl-, C6-C18-Aryl-,

C1-C12-Alkoxygruppen oder Halogenatomen

substituiert sein kann."

"4. Formmasse gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass sie als Komponente A gerade 42,5 bis 89,85 Gew.-% mindestens eines Poly- ethersulfons enthält, aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I), worin

t und q unabhängig voneinander für 0, 1 oder 2 stehen,

Q, T, Z unabhängig voneinander jeweils eine chemische

Bindung oder eine Gruppe, ausgewählt aus -O-

und -SO2- bedeuten,

mit der Maßgabe, dass mindestens eine der

Gruppen T, Q und Z für -SO2 steht und, wenn t

und q für 0 stehen, Z für -SO2 steht, und

Ar und Ar**(1) unabhängig voneinander jeweils für eine

C6-C12-Arylengruppe stehen."

III. Anspruch 1 des erteilten Patents (in seiner korrigierten Fassung "B9") hatte folgenden Wortlaut:

"1. Thermoplastische Formmasse, enthaltend die Komponenten A, B und C, sowie gegebenenfalls die weiteren Komponenten D und E, deren Summe insgesamt 100 Gew.-% ergibt, wobei die Formmasse enthält

A) 42,5 bis 89,85 Gew.-% mindestens eines Poly- ethersulfons aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK (I)

worin

t und q unabhängig voneinander für 0, 1 oder 2 stehen,

Q, T, Z unabhängig voneinander jeweils eine chemische

Bindung oder eine Gruppe, ausgewählt aus -O-

und -SO2- bedeuten, mit der Maßgabe, dass

mindestens eine der Gruppen T, Q und Z für

-SO2 steht und, wenn t und q für 0 stehen,

Z für -SO2 steht, und

Ar und Ar**(1) unabhängig voneinander jeweils für eine

C6-C12-Arylengruppe stehen,

B) 10 bis 57,35 Gew.-% mindestens eines Polysulfons aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (II)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin

R**(1) für H oder C1-C4-Alkyl steht,

Ar**(2) und Ar**(3) unabhängig voneinander jeweils für eine C6-C12-Arylengruppe stehen, und

Y -SO2- bedeutet.

C) 0,1 bis 2 Gew.-% an Stearinsäure und/oder Stearinsäurederivaten, sowie gegebenenfalls

D) 0 bis 50 Gew.-% weiterer Zusatzstoffe,

E) 0 bis 30 Gew.-% weiterer Hilfsstoffe."

Ansprüche 2 bis 10 waren abhängige Ansprüche vom Anspruch 1. Ansprüche 11 und 12 waren auf Verfahren zur Herstellung von thermoplastischen Formmassen gemäß einem der Ansprüche 1 bis 10 gerichtet. Ansprüche 13-15 betrafen Verwendungen von Formmassen nach einem der Ansprüche 1 bis 10. Ansprüche 16 und 17 waren auf Formkörper, Fasern und Folien aus einer Formmasse gemäß einem der Ansprüche 1 bis 10 gerichtet.

IV. Es wurde Einspruch unter Geltendmachung der Gründe gemäß Artikeln 100(a) EPÜ (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) sowie 100(c) EPÜ eingelegt.

V. Der Entscheidung lagen inter alia ein Hauptantrag (erteiltes Patent in seiner korrigierten Fassung Nr. 1 (W1 B1) "B9") sowie ein Hilfsantrag 1A (eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2014) zugrunde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1A unterschied sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass das Polyethersulfon der Komponente A) zusätzlich durch folgendes Merkmal definiert wurde:

", welches eine Glasübergangstemperatur von größer 200 °C aufweist"

Der Wortlaut der Ansprüche 2-17 des Hilfsantrags 1A war identisch mit dem Wortlaut der erteilten Ansprüche 2-17.

VI. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:| |

D1: US 2004 242 807

D2: JP-A-06 200 157 mit Maschinenübersetzung

(D2-T') und englischer Zusammenfassung (D2-T1)

D3: US 4 520 067

D5: US 5 631 333

D9: DE 198 39 331

VII. Gemäß der Entscheidung erfüllte der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 100(c) EPÜ nicht, weil die im Anspruch 1 definierte Komponente A) keine Angabe zu einer Glasübergangstemperatur von größer 200 °C gemäß Seite 3, Zeilen 23-25 der ursprünglichen Offenbarung enthalte. In diesem Zusammenhang könne der Fachmann aus dem Lesen der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 4 nicht entscheiden, ob die Formel (I) nur in Kombination mit einer spezifischen Glasstemperatur offenbart sei. Jedoch sei aus Seite 3, Zeilen 23-25 der ursprünglichen Offenbarung zu entnehmen, dass die Komponente A) eine Glasstemperatur von über 200 °C aufweisen muss und vorzugsweise aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I) aufgebaut sei.

Die Einspruchsabteilung war ferner der Meinung, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 1A die Erfordernisse des Artikel 123(2) EPÜ erfülle und, dass der Gegenstand des Hilfsantrags 1A gegenüber D1 neu sei. Schließlich wurde eine erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 als nächstliegenden Stand der Technik anerkannt. Was dieses betreffe, unterscheide sich der Anspruch 1 von den Beispielen 3, 5, 6 und 9-11 der D2 durch die Tatsache, dass ein Blend von Komponente A) mit der Komponente B) in definierten Mengen eingesetzt werde. Die Beispiele des Patents zeigten, dass dieses Unterschied zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften wie Reibetadehnung und Kerbschlagzähigkeit führe, was von der Einsprechenden nicht angezweifelt wurde. Obwohl D3 Mischungen von Polyethersulfonen und Polysulfonen, welche unter die Formeln (I) und (II) gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1A fallen, offenbare, erhalte der Fachmann keine klare Antwort aus D3, ob eine Mischung in den Mengenverhältnissen gemäß geltendem Anspruch 1 zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften führe. Die Einspruchsabteilung merkte ferner an, dass die Einsprechende keinerlei experimentelle Daten eingereicht hatte, um zu beweisen, dass der technische Effekt nicht über die gesamte Anspruchsbreite vorhanden ist.

VIII. Gegen diese Entscheidung wurde von beiden Parteien Beschwerde eingelegt.

IX. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Einsprechende (Beschwerdeführerin I) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdeführerin I beantragte ferner eine mündliche Verhandlung, wenn diesem Antrag nicht stattgegeben werde und reichte folgende Dokumente ein:

D2T: Überarbeitete Maschinenübersetzung von D2

EV1: Experimental data (2 Seite)

EV2: Affidavit von Ms. M. Momtaz, datiert vom

24. April 2015

X. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin II) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der erteilten Patentansprüche 1 bis 17, entsprechend dem Erteilungsbeschluss vom 23. Februar 2012 und der korrigierten B-Schrift EP 2 160 440 B9 (Hauptantrag), oder ggf. die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß einem der 1. bis 5. Hilfsanträge, welche mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden.

Der 1. Hilfsantrag war identisch mit dem Hilfsantrag 1A der Entscheidung der Einspruchsabteilung.

Der 2. Hilfsantrag unterschied sich vom dem Hauptantrag dadurch, dass die im Anspruch 1 definierte Komponente C) so geändert wurde (Änderungen bzw. Streichungen gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags werden fett bzw. [deleted: durchgestrichen] markiert):

"0.1 bis [deleted: 2] 1.75 Gew.% an Stearinsäure und/oder [deleted: Stearinsäurederivaten] Stearaten".

Die Beschwerdeführerin II beantragte ferner eine mündliche Verhandlung, falls ihren Hauptantrag nicht stattgegeben werde.

XI. Zusammen mit ihrer Antwort zur Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I reichte die Beschwerdeführerin II folgende Dokumente ein:

D10: Römpp Kompakt Basislexikon Chemie, 1999, Seite 2926, Begriff Wiederholungseinheit"

D11: Römpp Kompakt Basislexikon Chemie, 1998, Seiten 1272-1273, Begriffe "Konstitution" und "Konstitutionelle Repetiereinheit"

D12: Römpp Kompakt Basislexikon Chemie, 1999, Seiten 1431-1432, Begriff "Makromoleküle"

D13: Broschüre "Ultrason® E Polyethersulfon (PES) Ultrason® S Polysulfon (PSU)", BASF

D14: Erklärung von Herrn Weber (mit Anlagen A und B; diese Dokumente werden zusammen "D14" benannt).

XII. Am 5. Dezember 2017 erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung (für den 10. Juli 2018) zusammen mit einer Mitteilung, in welcher die Kammer ihre vorläufige Meinung darlegte.

XIII. Mit Schreiben vom 7. Juni reichte die Beschwerdeführerin II folgende Dokumente:

D2-T2: Menschliche Übersetzung der D2

D15: J. Appl. Pol. Sci, Vol.33, 1987, Seiten 1823-1828

D16: EP 0 409 482 A1

XIV. Mit Schreiben vom 18. Juni 2018 zog die Beschwerdeführerin I ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragte eine Entscheidung auf Basis der schriftlichen Argumente und Anträge.

XV. Während der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2018 zog die Beschwerdeführerin II den 1. Hilfsantrag zurück, wobei die dann geltenden 2. bis 5. Hilfsanträge als Hilfsanträge 1 bis 4 umnummeriert wurden.

XVI. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin I können wie folgt zusammengefasst werden:

Hauptantrag

Die Beschwerdeführerin I hat nicht zu dem vorliegenden Hauptantrag, sondern nur zu dem Hilfsantrag 1A gemäß der Entscheidung, explizit Stellung genommnen. Da jedoch diese Anträge sich lediglich durch die Spezifizierung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1A der Glasübergangstemperatur der Komponente A, welche bei der Beschwerdebegründung nicht explizit abgehandelt wurde, gelten die vorgebrachte Argumente mit Ausnahme des Vorbringens im Hinblick auf Artikel 100(c) EPÜ auch für den aktuellen Hauptantrag (erteilte Ansprüche).

Artikel 100(c) EPÜ

a) Es wurden keine Argumente in Zusammenhang mit Artikel 100(c) EPÜ vorgebracht.

Artikel 54 EPÜ

b) Der Begriff "aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I)" im geltenden Anspruch 1 sei so zu interpretieren, dass neben der angegebenen Struktur weitere strukturelle Wiederholungseinheiten im Polymer A) oder B) vorliegen können. Insbesondere sei es in D5 angegeben, dass die in den Beispielen des Streitpatents als Komponenten A) und B) verwendeten Produkte Ultrason**(®)E 2010 und Ultrason**(®)S 2010 nicht nur aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I) aufgebaut sind. Somit würde der Fachmann verstehen, dass "aufgebaut aus" "enthaltend" bedeutet.

D1 offenbare Zusammensetzungen enthaltend eine Mischung von zwei Polyarylenethersulfone A) und B) und ggf. unterschiedlichen Additive C), D), E) (Absätze 1-7, 36). Die Komponente A) könne die im Absatz 28 angegebene Struktur (I2) aufweisen, welche der Formel (II) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents entspricht. Das in den Beispielen der D1 als Komponente A) verwendete Produkt Ultrason®E 2010 enthalte solche wiederkehrende Einheiten.

Das in den Beispielen der D1 als Komponente B1 verwendete Produkt sei hauptsächlich aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I1) (Absatz 28 der D1), welche der Formel (I) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents entspricht, aufgebaut. Ferner seien Stearinsäure und Stearinsäurederivaten im Absatz 101 der D1 als mögliches Additiv E) offenbart.

Somit sei der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gegenüber D1 nicht neu.

Artikel 56 EPÜ

c) Als nächstliegenden Stand der Technik sei D2, insbesondere die mit Stearinsäurederivaten durchgeführten Beispiele 3, 5, 6, 9-12, 14 und 18 zu betrachten, wobei die Beispiele 1 und 10-12 eine Menge an Stearinsäurederivat gemäß geltendem Anspruch 1 aufweisen. Die Komponenten Ultrason® E und S 2010 seien ferner in den Beispielen 9-12, 14 und in den Vergleichsbeispielen 5-7 eingesetzt worden.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheide sich von D2 dadurch, dass er eine Mischung von zwei Komponenten gemäß Merkmalen A) und B) enthält, während die Zusammensetzung der D2 nur eine dieser Komponenten enthalte.

Den Beispielen des Streitpatents sei zu entnehmen, dass die tatsächlich gelöste Aufgabe darin bestehe, thermoplastische Formmassen enthaltend Polyarylensulfon, welche verbesserte mechanische Eigenschaften, wie Reibetadehnung und Kerbschlagschlähigkeit, und geringere Viskosität aufweisen, bereitzustellen.

Es sei festzustellen, dass die in den Beispielen des Streitpatents verwendeten Mengen der Komponenten A) und B) in einem im Vergleich zum geltenden Anspruch 1 engen Bereich seien. Es sei ferner in EV1 und EV2 gezeigt, dass der o.g. Effekt nicht auf der gesamten Breite des Anspruchs 1 vorhanden sei.

Darüber hinaus sei es aus der Tabelle 1 der D3 bekannt, dass Mischungen von Polyethersulfone gemäß Komponenten A) und B) des geltenden Anspruchs 1 verbesserte mechanische Eigenschaften (im Vergleich zu den einzelnen Komponenten A) oder B)), insbesondere Reibetadehnung und Kerbschlagzähigkeit, aufweisen. Angesichts dieser Ergebnisse sei es für den Fachmann naheliegend, Formmassen mit verbesserter Reibetadehnung und verbesserter Kerbschlagzähigkeit bereitzustellen, durch Zugabe eines Polysulfon B) in einer Polyethersulfonzusammensetzung gemäß der Lehre der D2. Somit würde der Fachmann zu Formmassen gemäß dem geltenden Anspruch 1 gelingen.

Aus diesen Gründen sei der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gegenüber D2, ggf. in Kombination mit D3 nicht erfinderisch. Das gleiche gelte für die Ansprüche 2-17.

1. Hilfsantrag

d) Im Vergleich zum Hauptantrag wurden in Zusammenhang mit dem 1. Hilfsantrag keine weiteren Argumente vorgebracht.

XVII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin II können wie folgt zusammengefasst werden:

Hauptantrag

Artikel 100(c) EPÜ

a) Der ursprüngliche Anspruch 4 verweise lediglich auf die Strukturformel (I), welche der Fachmann ergänzen müsse, aber weder auf eine Glasstemperatur noch zwingend auf eine Einbeziehung aller Merkmale gemäß ursprünglichem Anspruch 3. Den Seiten 3 und 4 der Beschreibung lasse sich ebenfalls entnehmen, dass Formel (I) nicht zwingendermassen mit der Glastemperatur von größer als 200 °C gesehen werden muss. Somit sei die Definition der Komponente A) des geltenden Anspruchs 1 direkt und unmittelbar aus der ursprünglichen Offenbarung zu entnehmen.

Artikel 54 EPÜ

b) Das Merkmal "aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten" gemäß Merkmale A) und B) des geltenden Anspruchs 1 sei so zu verstehen, dass neben der angegebenen Struktur keine weiteren strukturellen Einheiten in den Polymeren A) und B) vorliegen. Ferner sei aus D10 bis D12 zu entnehmen, dass der Fachmann das Merkmal "wiederkehrenden Einheit" als die kleinste konstitutionelle Einheit einer Polymerkette, deren vielfache Wiederholung die Kette des Polymers vollständig beschreibt, verstehen würde. Somit seien vernetzende Strukturen wie in D1 beschrieben aus der Definition der Komponenten A) und B) gemäß dem geltenden Anspruch 1 nicht enthalten.

Darüber hinaus sei mit D1, D9, D13 und D14 gezeigt worden, dass die Zusammensetzung von Ultrason**(®)E 2010 and Ultrason**(®)S 2010 zwischen dem Prioritätsdatum/Anmeldetag von D5 (1994/1995) und dem Prioritätsdatum/Anmeldetag des Streitpatents (2007/2008) geändert wurde: während die in D5 verwendeten Polyethersulfone Copolymere waren, waren die im Streitpatent verwendeten Produkte Homopolymere. Dieses könne von Herrn Weber im Rahmen einer Zeugenvernehmung bestätigt werden.

Aus diesen Gründen sei der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gegenüber D1 neu.

Artikel 56 EPÜ

c) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D2 dadurch, dass er eine Mischung von definierten Mengen der im Anspruch 1 definierten Komponenten A), B) und C) enthalte.

In den Beispielen des Streitpatents sei gezeigt, dass die tatsächlich gelöste Aufgabe darin bestehe, thermoplastische Formmassen enthaltend Polyarylensulfon, welche verbesserte optische Eigenschaften und verbesserte mechanische Eigenschaften, insbesondere eine verbesserte Reibetadehnung und eine verbesserte Kerbschlagschlähigkeit gemessen nach der speziellen Norm ISO 179 1eB (stumpfe Kerbe), aufweisen, bereitzustellen. In diesem Zusammenhang sei zu betrachten, dass die verbesserte Kerbschlagzähigkeit gemessen nach der speziellen Norm ISO 179 1eB erhalten werde, während die Kerbschlagzähigkeit gemessen nach der Norm ISO 179 1eA (spitze Kerbe) weitestgehend unverändert bleibe. Die verbesserten Schlagfestigkeitseigenschaften des Patents wirkten sich bei der Verarbeitung und dem Gebrauch der Formkörper in der Praxis aus.

Es gebe in D2 keinen Hinweis, dass diese verbesserten Eigenschaften durch die Verwendung von Komponenten A), B) und C) gemäß dem geltenden Anspruch 1 zu erzielen seien. Es sei ferner aus D3 keine allgemein gültige Lehre abzuleiten, dass durch die Zugabe von Polysulfon gemäß Komponente B) von Anspruch 1 zu einer Polyarylethersulfon-Formmasse enthaltend ein Polyethersulon gemäß Komponente A) von Anspruch 1 die mechanischen Eigenschaften verbessert werden können. D3 beschäftige sich nicht mit optischen Eigenschaften.

Somit sei der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gegenüber D2, selbst in Kombination mit D3, erfinderisch. Das gleiche gelte für die Ansprüche 2-17.

1. Hilfsantrag

d) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des 1. Hilfsantrags unterscheide sich von der Offenbarung der D2 zusätzlich dadurch, dass Stearinsäure oder Stearate und keine andere Stearinsäurederivate als Komponente C) eingesetzt werden. Weder D2 noch D3 lehrten die Verwendung solche Additive. Somit sei der Gegenstand des 1. Hilfsantrags erfinderisch.

XVIII. Die Beschwerdeführerin I beantragte im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 160 440.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entsprechend dem Erteilungsbeschluss vom 23. Februar 2012 und der korrigierten B-Schrift EP 2160440 B9 (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht als Hilfsanträge 2 bis 5 mit der Beschwerdebegründung.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Artikel 100(c) EPÜ

1.1 In der strittigen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Meinung, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht, weil die für Komponente A) angegebene Formel (I) in der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung nur in Kombination mit dem Merkmal "welches eine Glasübergangstemperatur von größer 200 °C aufweist" offenbart sei, was im geltenden Anspruch 1 nicht der Fall sei. Während diese Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdeführerin II bestritten wurde, hat die Beschwerdeführerin I dazu nicht Stellung genommen.

1.2 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass sowohl der ursprüngliche Anspruch 4 als auch die Passage auf Seite 4, Zeilen 5-15 der ursprünglichen Anmeldung, eine Formmasse gemäß der Erfindung, in welcher die Komponente A) genau wie im geltenden Anspruch 1 definiert wird, betreffen. Obwohl der ursprüngliche Anspruch 4 keine explizite Definition der Formel (I) enthält, ist aus der ursprünglichen Offenbarung zu entnehmen, dass der Fachmann sie durch die Einheit (I) gemäß Seite 3, Zeilen 26 ergänzen würde. Insbesondere enthält die im ursprünglichen Anspruch 4 und auf Seite 4, Zeilen 5-14 beschriebene Komponente A) mindestens ein Polyethersulfon aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I) ohne zwangsläufige Einbeziehung der entweder im Anspruch 3 oder auf Seite 3, Zeile 24 angegebenen Glasübergangstemperatur. Darüber hinaus sind, nach Meinung der Kammer, aufgrund der Verwendung von "ferner" (Seite 3, Zeile 21) oder "auch" (Seite 4, Zeile 5), die auf Seiten 3 und 4 der ursprünglichen Offenbarung aufgelisteten Ausführungsformen unabhängig voneinander zu verstehen. Somit bezieht sich das Merkmal "aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I)" (ursprünglicher Anspruch 4; Seite 4, Zeile 8 der ursprünglichen Offenbarung) lediglich auf die Formel (I).

1.3 Somit ist die Definition der Komponente A) des geltenden Anspruchs 1 direkt und unmittelbar aus dem ursprünglichen Anspruch 4 und der Passage auf Seite 4, Zeilen 5-14 der ursprünglichen Offenbarung zu entnehmen (wobei die Definition der Formel (I) auf Seite 3, Zeilen 26-27 angegeben ist). Aus diesem Grund stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin II zu, dass die Definition der Komponente (A) gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags direkt und unmittelbar aus der ursprünglichen Offenbarung herzuleiten ist.

1.4 Infolgedessen hat die Kammer keinen Grund anzunehmen, dass, angesichts der von der Beschwerdeführerin I vorgebrachten Argumente oder der Entscheidung der Einspruchsabteilung, der beanspruchte Gegenstand über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht (Artikel 100(c) EPÜ).

2. Artikel 100(a) EPÜ und Artikel 54 EPÜ

2.1 Der einzige Einwand der Beschwerdeführerin I bezüglich der Neuheit betrifft D1, wobei der Begriff "aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel ..." im geltenden Anspruch 1 so interpretiert wird, dass neben der angegebenen Struktur (gemäß Formel (I) oder Formel (II)) weitere strukturelle Wiederholungseinheiten im Polymer A) oder B) vorliegen können.

2.1.1 Jedoch hat die Einspruchsabteilung bereits die Auffassung vertreten, dass der Fachmann unter diesem Begriff verstehen würde, dass keine weiteren strukturellen Wiederholungseinheiten vorliegen dürfen (Entscheidung: Seite 7, Zeilen 1-4). Die Kammer ist auch der Meinung, dass der Fachmann diesen Begriff so lesen würde, wie wenn er den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 ihre gewöhnliche Bedeutung beimessen würde. In diesem Zusammenhang wurde nicht gezeigt, dass der Begriff "aufgebaut aus" "enthaltend" (comprising) und nicht "zusammengesetzt aus" (consisting of) bedeuten kann.

2.1.2 Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass in D5 angegeben wird, dass die in den Beispielen des Streitpatents als Komponenten A) und B) verwendeten Produkte Ultrason**(®)E 2010 and Ultrason**(®)S 2010 nicht nur aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I) aufgebaut sind. Somit würde der Fachmann verstehen, dass "aufgebaut aus" "enthaltend" bedeutet.

Jedoch hat die Beschwerdeführerin II mit D1 (Absatz 120), D9 (Seite 11, Zeilen 9-11), D13 (Seite 10, linke Spalte, unten) und D14 (Absätze 2-4; Anlagen A und B) glaubhaft gemacht, dass die Zusammensetzung von Ultrason**(®)E 2010 and Ultrason**(®)S 2010 zwischen dem Prioritätsdatum/Anmeldetag von D5 (1994/95) und dem Prioritätsdatum/Anmeldetag des Streitpatents (2007/2008) geändert wurde: während die in D5 verwendeten Polyethersulfone Copolymere waren, waren die im Streitpatent verwendeten Produkte Homopolymere.

Aus diesen Gründen wird der Einwand der Beschwerdeführerin I zurückgewiesen.

2.1.3 Da die Kammer in dieser Sache aufgrund der im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Beweismittel und Argumente der Argumentation der Beschwerdeführerin II zustimmt, ist es nicht nötig, Herrn Weber als Zeugen anzuhören, wie von der Beschwerdeführerin II in Bezug auf D14 angeboten (Beschwerdebegründung, Seite 16, 3. Absatz).

2.2 Es wird ferner angemerkt, dass, obwohl die Kammer in ihrem Bescheid (Absatz 6.2) die Frage aufgeworfen hatte, wo genau in D1 die spezifische Kombination der Merkmale des erteilten Anspruchs 1 (Menge der Komponenten A), B) und C); Stearinsäure und/oder Stearinsäurederivate als Komponente C)) zu finden ist, hat die Beschwerdeführerin I diesbezüglich nicht weiter Stellung genommen.

2.3 Somit gibt es für die Kammer keinen Grund, von der Entscheidung der Einspruchsabteilung bzgl. der Neuheit gegenüber D1 abzuweichen.

3. Artikel 100(a) EPÜ und Artikel 56 EPÜ

3.1 Nächstliegender Stand der Technik

3.1.1 Beide Beschwerdeführerinnen sind im Einklang mit der Einspruchsabteilung der Auffassung, dass D2 einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer hat auch keinen Grund, einen anderen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zugrundezulegen.

3.1.2 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die von der Beschwerdeführerin I eingereichten automatischen Übersetzungen der D2, nämlich D2-T' (Einspruchsverfahren) und D2-T (Beschwerdeverfahren), nicht identisch sind. Darüber hinaus ist nach Meinung der Kammer die Qualität dieser Übersetzungen zum Teil mangelhaft. Daher bezieht sich die folgende Analyse von D2 auf die von der Beschwerdeführerin II eingereichte menschliche Übersetzung D2-T2, gegen welche keine Einwände von der Beschwerdeführerin I erhoben worden sind.

3.1.3 D2 betrifft die Herstellung von Polysulfon-Formmassen enthaltend 0.02-5 Gew.-Teilen eines Fettsäureamids bzw. bisamids (D2: Anspruch 1). Das Polysulfon kann unterschiedliche wiederkehrende Einheiten enthalten, insbesondere welche gemäß Formel (I) und (II) des geltenden Anspruchs 1 (D2: Absatz 7). Als Fettsäureamid kann z.B. Stearinsäureamid, also ein Stearinsäurederivat gemäß Komponente C) des geltenden Anspruchs 1, eingesetzt werden (D2: Seite 7, Zeile 23).

Diese Zusammensetzungen weisen ein gutes optisches Erscheinungsbild und verbesserte Entformungseigenschaften auf (D2: Absätze 1, 4 und 8; Beispiele) und werden zur Herstellung von elektrischen und elektronischen Bauteilen verwendet (D2: Ende des Absatzes 25).

Die Beispiele 3, 5, 6, 14, 17 und 18 von D2 betreffen die Herstellung einer Formmasse aus Victrex PES 4100P (Beispiele 3, 5, 14, 17, 18) oder Victrex PES 4100G (Beispiel 6) und Stearinsäureamid (also ein Stearinsäurederivat) gemäß der Komponente C) des geltenden Anspruchs 1. Es ist ferner aus D15 und D16 ersichtlich, dass Victrex PES 4100P einer Komponente A) gemäß geltendem Anspruch 1 entspricht, während Victrex PES 4100G im Wesentlichen aus den Wiederholungseinheiten der Formel (I) besteht (D15: Seite 1823, Absatz "Experimental" und Seite 1824, Tabelle I; D16: Seite 4, Zeilen 13-16). Während die eingesetzte Menge des Stearinsäurederivats in den Beispielen 3 und 14 von D2 dem Merkmal C) des geltenden Anspruchs 1 entspricht, ist das nicht der Fall für die Beispiele 5, 6, 17 und 18 (D2: Tabellen 1 und 2). Die anderen Beispiele von D2 sind weniger relevant, da sie entweder mit dem Polysulfon Ultrason® PES 2010, welches nicht unter der Definition der Komponenten A) und B) des geltenden Anspruchs 1 fällt (siehe D5: Spalte 5, Zeilen 6 bis 12), oder mit einem Fettsäureamid bzw. bisamid, welches kein Stearinsäurederivat (sondern ein Derivat einer anderen Fettsäure) gemäß der Komponente C) von Anspruch 1 darstellt, durchgeführt wurden. Somit sind die Beispiele 3 und 14 der D2 besonders gut geeignete Ausgangspunkte für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

Aus diesen Gründen stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin II zu, dass, wie während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht, das Beispiel 3 der D2 den nächstliegenden Stand der Technik darstellen kann, was aus der Analyse der Beschwerdeführerin I ebenfalls zu entnehmen ist (siehe z.B. Beschwerdebegründung: Absätze 6.1.2 und 6.1.3).

3.2 Unterscheidungsmerkmal(e)

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich von der im Beispiel 3 der D2 hergestellten Formmasse dadurch, dass er eine Mischung von zwei polymerischen Komponenten gemäß Merkmalen A) und B), dagegen die Zusammensetzung des Beispiels 3 der D2 nur eine dieser polymerischen Komponenten, nämlich das Polyethersulfon gemäß der Komponente A), enthält.

4. Die zu lösende Aufgabe

4.1 Gemäß der Streitentscheidung belegen die Beispiele des Streitpatents, dass das o.g. Unterscheidungsmerkmal zu einer Verbesserung der Reibetadehnung und der Kerbschlagzähigkeit, führt (Absatz zwischen Seiten 8 und 9 der Entscheidung).

4.2 Die Beschwerdeführerin II hat die zu lösende Aufgabe als die Bereitstellung von thermoplastischen Formmassen mit verbesserten optischen Eigenschaften/verbesserter Oberflächenqualität und verbesserten mechanischen Eigenschaften, insbesondere eine verbesserte Reibetadehnung und eine verbesserte Kerbschlagzähigkeit, gemessen nach der speziellen Norm ISO 179 1eB, angesehen.

4.2.1 Eine Verbesserung der optischen Eigenschaften/verbesserter Oberflächenqualität ist jedoch aus den Beispielen des Streitpatents nicht ersichtlich. Auf der einen Seite wurden diese Beispiele entweder mit Stearinsäure oder Aluminiumstearat (oder Calzium- und Magnesiumstearat) als Komponente C) durchgeführt (siehe Absätze 87 und 88), was nicht der Lehre von D2, insbesondere deren Beispiel 3, wonach Stearinsäureamide eingesetzt wurde, entspricht. Auf der anderen Seite zeigt der Vergleich vom Vergleichsbeispiel V8 (99.8 Gew.% Polyethersulfon A) und 0.2 Gew.% Stearinsäure) mit dem anspruchsgemäbetaen Beispiel V7 (59.8 Gew.% Polyethersulfon A), 40 Gew.% Polysulfon B) und 0.2 Gew.% Stearinsäure), eine Verschlechterung der Oberflächenqualität durch Zugabe eines Polysulfons gemäß Komponente B) des geltenden Anspruchs 1. Ferner zeigt der Vergleich vom Vergleichsbeispiel V8 mit den anspruchsgemäbetaen Beispielen V3, V5 und V12 (welche mit 0.2 Gew.% Stearinsäure und Verhältnisse von Polyethersulfone A) zu Polysulfone B) von 79.8 zu 20, 69.8 zu 30 und 74.8 zu 25 durchgeführt wurden) keine durch das o.g. Unterscheidungsmerkmal erzielte Verbesserung der Oberflächenqualität (alle Beispiele wurden mit der gleichen Note "2" bewertet).

Somit kann die tatsächlich gelöste Aufgabe nicht als die Verbesserung von optischen Eigenschaften/verbesserter Oberflächenqualität formuliert werden, wie von der Beschwerdeführerin II vorgeschlagen.

4.2.2 Was die anderen von der Beschwerdeführerin II (und der Einspruchsabteilung) betrachteten Aufgaben betrifft, wurde von der Beschwerdeführerin I explizit zugestimmt, dass die Beispiele des Streitpatents zeigen, dass die tatsächlich gelöste Aufgabe u.a. darin bestehe, thermoplastische Formmassen enthaltend Polyarylensulfon, welche verbesserte Reibetadehnung und Kerbschlagschlähigkeit aufweisen (Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I: Seite 9, Absatz 6.1.4) bereitzustellen.

Jedoch argumentierte die Beschwerdeführerin I, dass es in EV1 (zusammen mit EV2) gezeigt wurde, dass diese Aufgabe nicht auf der gesamten Breite des geltenden Anspruchs 1 gelöst werde.

Was dieses betrifft, ist festzustellen, dass die genaue chemische Struktur der in EV1 verwendeten Polymeren nicht angegeben ist (auch nicht in EV2) und es wurde von der Beschwerdeführerin II angezweifelt, dass diese Polymere unter den Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 fallen (Brief vom 15. September 2015: Absatz 5.c). Darüber hinaus stellte die Beschwerdeführerin II fest, dass die Ergebnisse der Beispiele Ec1, E2 und E3 von EV1 nicht erwartungsgemäß sind (Brief vom 15. September 2015: Absatz 5.d). Es ist ferner aus EV1 nicht zu entnehmen, ob in EV1 die Bestimmung der Kerbschlagzähigkeit nach dem speziellen Standard ISO 179 1eB durchgeführt wurde, was, wie von der Beschwerdeführerin II argumentiert, von Bedeutung sei.

Obwohl alle diese Punkte in dem Bescheid der Kammer (Absätze 8.2.b), welcher mehr als sechs Monaten vor der geplanten mündlichen Verhandlung den Parteien zugeschickt wurde, als während der mündliche Verhandlung zu klären identifiziert wurden, hat die Beschwerdeführerin I dazu nicht Stellung genommen.

Unter solchen Umstände kann von der Kammer nicht akzeptiert werden, dass EV1 und EV2 zeigen, dass die von der Einspruchsabteilung berücksichtigte technische Aufgabe nicht auf der gesamten Breite des geltenden Anspruchs 1 gelöst wird. Somit wird das Argument der Beschwerdeführerin I zurückgewiesen.

4.2.3 Aus diesen Gründen besteht die objektive Aufgabe gegenüber dem Beispiel 3 von D2 darin, thermoplastische Formmassen mit verbesserter Reibetadehnung und verbesserter Kerbschlagzähigkeit gemessen nach der Norm ISO 179 1eB bereitzustellen.

5. Naheliegend der Lösung

5.1 Es bleibt nunmehr zu untersuchen, ob es naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, dass man zu einer Formmasse wie im Anspruch 1 definiert kam, um die unter Punkt 4.2.3 genannte Aufgabe zu lösen. | | | |

5.2 In diesem Zusammenhang ist in D2 selbst kein Hinweis zu finden, dass eine Mischung von zwei Komponenten gemäß Merkmalen A) und B) aus irgendwelchem Grund vorteilhaft ist, insbesondere nicht um die Reibetadehnung und die Kerbschlagzähigkeit (egal ob nach der Norm ISO 179 1eA oder 1eB ermittelt) zu verbessern. Somit ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 im Lichte der Lehre von D2 allein nicht naheliegend.

5.3 Ferner stützte sich die Argumentation der Beschwerdeführerin I auf die Kombination von D2 mit D3.

5.3.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, war die Beschwerdeführerin II der Meinung, dass es fraglich sei, dass der Fachmann D3 zu Rate ziehen würde, da sich dieses Dokument auf die Bereitstellung von Zusammensetzungen enthaltend eine Mischung aus einem Polyarylethersulfon und einem Polysulfon zur Herstellung von Leiterplatten und elektrischen Steckerverbindungen mit guter Wärmeformbeständigkeit, guter Empfindlichkeit gegenüber Ätzeflüssigkeiten und ausreichender Beschichtbarkeit beziehe.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass D2 und D3 im gleichen technischen Gebiet der Polyethersulfone liegen und beide Zusammensetzungen enthaltend eine Mischung von Polyethersulfone und Polysulfonen aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formeln (I) und (II) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 (D2: siehe Absatz 3.1.3 oben; D3: Anspruch 1; Spalte 2, Zeilen 33-43; Spalte 3, Zeilen 35-42; Vergleichsbeispiele "Control A" und "Control B" und Beispiele 1-3) offenbaren. Obwohl D3 insbesondere auf die Herstellung von Leiterplatten gerichtet ist (Ansprüche), ist es in der Beschreibung explizit angegeben, dass die Lehre der D3 nicht nur auf Leiterplatten eingeschränkt ist, sondern auch die Herstellung von elektrischen Steckerverbindungen betrifft (Spalte 1, Zeilen 11-16; Spalte 3, Zeilen 59-66). In diesem Zusammenhang ist in D2 (Ende des Absatzes 25) angegeben, dass die dort vorbereiteten Zusammensetzungen ebenfalls zur Herstellung von elektrischen Steckerverbindungen geeignet sind. Schließlich sind in der Tabelle I der D3 beide mechanischen Eigenschaften untersucht worden, die in der Formulierung der im obigen Absatz 4.2.3 identifizierten zu lösenden Aufgabe angegeben sind, nämlich Reibetadehnung und Kerbschlagzähigkeit (siehe Spalten 5 und 6 der Tabelle I von D3). Aus diesen Gründen wird das Argument der Beschwerdeführerin II, dass der Fachmann die D3 nicht zu Rate ziehen würde, zurückgewiesen, wie bereits von der Einspruchsabteilung entschieden (Entscheidung: Seite 9, letzter Absatz).

5.3.2 In der Tabelle I der D3 werden verschiedene Eigenschaften von Poly(ether)sulfone und Mischungen davon untersucht, wobei die Komponenten "PES" und "PS" ein Polyarylethylsulfon aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (I) und ein Polysulfon aufgebaut aus wiederkehrenden Einheiten der Formel (II) gemäß Komponenten A) und B) des geltenden Anspruchs 1 sind.

In der zweiten Zeile der Tabelle 1 der D3 wird eine Formmasse aus 100 Gew.% PES beschrieben (entsprechend Control B gemäß Spalte 4, Zeile 66 bis Spalte 5, Zeile 9 der D3), welche der Matrix der Formmasse des Beispiels 3 der D2 entspricht. Diese Zusammensetzung kann daher als Referenz betrachtet werden, wie von der Beschwerdeführerin II während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen.

In der dritten, vierten und fünften Zeile der Tabelle I von D3 werden 90:10, 70:30 und 50:50 (Gewichtsverhältnisse) PES:PS Mischungen (entsprechend den Beispielen 1 bis 3 der D3) untersucht, wobei es ersichtlich ist, dass die Zugabe einer Menge von 10 Gew.% Polysulfon gemäß der Komponente B) des geltenden Anspruchs 1 zu einer Polyethersulfon gemäß der Komponente A) des geltenden Anspruchs 1 zu einer Verbesserung der Kerbschlagzähigkeit und der Reibetadehnung führt (Beispiel 1 verglichen mit Control B der D3). Diese Verbesserungen ist jedoch bei erhöhten Mengen der Polysulfon nicht mehr gegeben (Beispiele 2 und 3 verglichen mit Control B der D3).

In diesem Zusammenhang ist ferner festzustellen, dass die im Beispiel 1 der D3 verwendeten Mengen an Polyethersulfon PES und Polysulfon PS sehr ähnlich zu Mengen der Komponenten A) und B) sind, die im geltenden Anspruch 1 enthaltend sind (Beispiel 1 der D3: 90 Gew.% PES gemäß Komponente A) und 10 Gew.% gemäß Komponente B); geltender Anspruch 1: bis zu 89.85 Gew.% von der Komponente A und mindestens 10 Gew.% von der Komponente B). Außerdem ist aus D3 davon auszugehen, dass die im Beispiel 1 der D3 gezeigte Verbesserung der Kerbschlagzähigkeit und der Reibetadehnung auch für andere Mischungen von Polyethersulfon PES und Polysulfone PS, in Mengen, die unter dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 fallen, erreicht werden sollen. Somit war es für den Fachmann naheliegend, die o.g. Aufgabe zu lösen durch Zugabe eines Polysulfons gemäß Merkmal B) des geltenden Anspruchs 1 in die Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 3 der D2, u.a. in Gewichtsverhältnisse von Polyethersulfon A) zu Polysulfon B), die in den im Anspruch 1 definierten Bereichen enthalten sind, wie von der Beschwerdeführerin I argumentiert (Beschwerdebegründung: Seite 12).

5.4 Die Beschwerdeführerin II brachte vor, dass es z.B. aus den Beispielen V1 bis V3 des Streitpatents zu sehen ist, dass nicht nur die Zugabe der Komponente B), sondern auch die Kombination der Komponente B) mit der im Anspruch 1 definierten Komponente C) zur erfinderischen Tätigkeit beitrage.

Jedoch stellt, wie im Absatz 3.2 oben gezeigt, die Komponente C) kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik (Beispiel 3 der D2) dar. Somit wird dieses Argument der Beschwerdeführerin II zurückgewiesen.

5.5 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin II argumentiert, dass in D3 die Kerbschlagzähigkeit nach ASTM D-256 ermittelt wird (D3: Spalte 6, Zeilen 4-5). Somit gebe D3 keine Information bezüglich einer Verbesserung der Kerbschlagzähigkeit, welche nach DIN EN ISO 179 1eB wie im Streitpatent (siehe: Absatz 81 und Tabelle 1) gemessen wird.

Nach Meinung der Kammer wurde jedoch von der Beschwerdeführerin II nur gezeigt, dass bei einer Messung der Kerbschlagzähigkeit nach ISO 179 1eB anstatt von ISO 179 1eA die Verbesserung der Schlagfestigkeit besser differenziert werden kann (was bei der Verarbeitung und dem Gebrauch der hergestellten Formkörper in der Praxis vorteilhaft ist; siehe Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin II: Seite 19). Es wurde jedoch weder behauptet noch gezeigt, dass eine entsprechende Differenzierung auch für die Messung der Kerbschlagzähigkeit nach ASTM D-256, d.h. gemäß D3, vorhanden ist. Ferner wurde es auch nicht gezeigt, dass dieser Effekt mit dem spezifischen Fettsäurenamid nach der Lehre gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik D2 auftritt. Somit kann, unter den Umständen des vorliegenden Falls, die Argumentation der Beschwerdeführerin II nicht überzeugen. Ferner wird aus diesen Gründen der Argumentation der Beschwerdeführerin I zugestimmt (siehe Beschwerdebegründung: Seite 12, unter der Tabelle), dass, aufgrund der Information der Tabelle I der D3, der Fachmann die Motivation hatte, Mischungen von Polyethersulfone A) und Polysulfone B) in Mengenverhältnisse gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags zu untersuchen, um die in obigen Absatz 4.2.3 angegebene Aufgabe zu lösen.

5.6 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im Lichte von der Lehre von D2 und D3 nicht erfinderisch.

1. Hilfsantrag

6. Der 1. Hilfsantrag unterscheidet sich vom dem Hauptantrag dadurch, dass die im Anspruch 1 definierte Komponente C) eingeschränkt wurde und nun "Stearinsäure und/oder Stearaten" in einer Menge von 0.1 bis 1.75 Gew.% vorhanden sein muss.

6.1 Die Beschwerdeführerin I hat nur Einwände gegenüber dem Hilfsantrag 1A gemäß der Entscheidung erhoben, d.h. in Bezug auf den jetzt geltenden 1. Hilfsantrag wurden keine weiteren Einwände erhoben.

6.2 Was die erfinderische Tätigkeit betrifft, ist ferner festzustellen, dass die in D2 offenbarten Stearinsäurederivate keine "Stearinsäure oder Stearaten" gemäß der Komponente C) des Anspruchs 1 des 1. Hilfsantrags sind. D3 offenbart auch keine "Stearinsäure oder Stearaten". Somit kann weder die Lehre der D2 noch die Kombination der Lehren von D2 und D3 zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 führen. Aus diesem Grund hätte der Fachmann ferner keine Motivation in D2 und/oder D3 gefunden, die Zusammensetzung von D2 gemäß dem Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags zu verändern, um die im Absatz 4.2.3 definierte Aufgabe zu lösen.

6.3 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 erfinderisch. Das gleiche gilt für die Ansprüche 2 bis 16 des 1. Hilfsantrags, welche entweder von Anspruch 1 abhängig sind oder sich darauf beziehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht als Hilfsantrag 2 mit der Beschwerdebegründung, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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