European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T036715.20190204 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Februar 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0367/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05736412.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B41F 33/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Ermittlung von Farb- und/oder Dichtewerten und für das Verfahren ausgebildete Druckeinrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Heidelberger Druckmaschinen AG X-Rite Switzerland GmbH |
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Name des Einsprechenden: | manroland AG Koenig & Bauer AG Bogenoffsetmaschinen Schutzrechte/ Lizenzen |
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Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einspruchsgründe - Ermessen der Einspruchsabteilung Einspruchsgründe - Entscheidung bestätigt Spät eingereichte Druckschriften - eindeutig für das Verfahren relevant (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden 2 richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der die Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 1 744 884 zurückgewiesen wurden.
II. Beide Einsprüche stützten sich auf den in Artikel 100 (a) EPÜ 1973 genannten Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973). Der Einspruch der Einsprechenden 2 stützte sich zusätzlich auf den in Artikel 100 (a) EPÜ 1973 genannten Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973).
III. Am 4. Februar 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 744 884. Weiterhin beantragte sie die Zulassung in das Verfahren der Druckschriften D10 bis D12. Sie erklärte im laufe der mündliche Verhandlung, dass sie die Zulassung in das Verfahren der Druckschrift D14 nicht mehr beantrage.
V. Die Beschwerdegegnerinnen (Patentinhaberinnen) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.
VI. Die Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 1) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 744 884.
VII. Auf folgende Druckschriften wird Bezug genommen:
D10: DE 195 38 811 A1;
D11: JP 9 - 11446 A;
D11b: beglaubigte Übersetzung der Druckschrift D11;
D12: DE 102 57 981 A1.
VIII. Die Ansprüche 1 und 27 des Streitpatents in der erteilten Fassung (einziger Antrag) lautet wie folgt:
1. "Verfahren zur Ermittlung von Farb- und/oder Dichtewerten für die Überwachung und/oder Regelung des Druckprozesses in einer Druckeinrichtung, speziell einer Bogenoffsetdruckmaschine, wobei Messfelder eines Druckbogens während des Druckprozesses unmittelbar in oder an der laufenden Druckeinrichtung fotoelektrisch ausgemessen und aus den dabei gewonnenen Messwerten die Farb- und/oder Dichtewerte für die betreffenden Messfelder gebildet werden, dadurch gekennzeichnet, dass durch die Messung unmittelbar im Druckprozess bedingte Messwertabweichungen gegenüber einer Messung auf Druckbogen ausserhalb des Druckprozesses rechnerisch korrigiert werden."
27. "Druckeinrichtung, insbesondere Bogenoffsetdruckmaschine, dadurch gekennzeichnet, dass sie eine inline Messanordnung (20) zur fotoelektrischen Ausmessung von Messstellen eines Druckbogens unmittelbar während des Druckprozesses aufweist, wobei Mittel (40) vorhanden sind, um aus den bei der Ausmessung gewonnenen Messwerten die Farb- und/oder Dichtewerte für die betreffenden Messstellen zu bilden, und dass sie einen Korrekturrechner (40) aufweist, der durch die Messung unmittelbar im Druckprozess bedingte Messwertabweichungen gegenüber einer Messung auf Druckbogen ausserhalb des Druckprozesses rechnerisch korrigiert."
IX. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zulassung der Druckschrift D10
Die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung habe im Einspruchsverfahren die Einschätzung der Beschwerdeführerin bezüglich der fehlenden Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 bezüglich der Druckschrift D4 bestätigt, so dass es keine Veranlassung gab die Druckschrift D10 früher einzureichen.
Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen nicht richtig ausgeübt, weil sie nur einen Vergleich mit den anderen Druckschriften D1 bis D9 (Punkt 2.3 der angefochtenen Entscheidung) und nicht eine prima facie Beurteilung der Relevanz der Druckschrift D10 an sich durchgeführt habe. Nachdem die Einspruchsabteilung entgegen ihrer vorläufigen Meinung zur Ansicht überging, dass die Druckschrift D4 nicht das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 (und dementsprechend auch nicht das entsprechende letzte Merkmal des Vorrichtungsanspruchs 27) offenbare, hätte die Einspruchsabteilung ihre Bewertung der Relevanz der Druckschrift D10 revidieren müssen.
Die Druckschrift D10 sei nach wie vor prima facie relevant, weil sie das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 (und dementsprechend auch das entsprechende letzte Merkmal des Vorrichtungsanspruchs 27) offenbare: "Der Computer 32 arbeitet als ein Verarbeitungsschaltkreis, wie dies in Fig. 6 dargestellt ist, um das erfaßte Bildsignalfeld für jeden Farbkanal zu manipulieren, um in Bezug auf eine photometrische Null System-Nichtlinearitäten, gestreutes Licht und ein ungleichmäßiges Weiß Ansprechen zu korrigieren" (Seite 7, Zeile 34 bis 39, Unterstreichung durch die Beschwerdeführerin).
Die Druckschrift D10 sei daher zum Verfahren zuzulassen.
Auslegung des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1
Die Variante "oder an [der laufenden Druckeinrichtung]" des Anspruchs 1 sei so zu verstehen, dass ein Druckbogen aus dem laufenden Druckprozess entnommen und in unmittelbarer Nähe zur Druckeinrichtung gemessen werden könne. Eine derartige Messung neben der Druckeinrichtung falle somit unter den Anspruchsgegenstand. Es sei für den Fachmann selbstverständlich, dass nach dem letzten Druckwerk gemessen werden könne - erst dort sei der Druckprozess abgeschlossen.
Zulassung der Druckschriften D11 und D12
Die Patentschrift D11 lag zum Einspruchszeitpunkt nur in japanischer Sprache vor und eine beglaubigte Übersetzung wäre mit weiteren Kosten verbunden gewesen. Da zum Einspruchszeitpunkt bereits ein Neuheitsangriff gegen das Streitpatent formuliert worden sei, habe zum Zeitpunkt der Einspruchsfrist keine Notwendigkeit zur Einreichung weiterer Beweismittel vorgelegen.
Die Einspruchsabteilung habe während der mündlichen Verhandlung ihre Meinung zur fehlenden Neuheit geändert. Im Rahmen dieser Verhandlung sei die Einspruchsabteilung zu einer Interpretation des kennzeichnenden Merkmals gelangt, wonach der Vergleich zwischen nassen und trockenen Bogen erfolgen solle. Somit sei eine weitere Recherche notwendig geworden. Die Beschwerdeführerin habe die weiteren ermittelten relevanten Druckschriften D11 und D12 frühestmöglich mit der Beschwerdebegründung genannt und begründet. Insbesondere wurde die fehlende Neuheit einer der beanspruchten Alternativen des Anspruchs 1 des Streitpatents gegenüber der Druckschrift D11 dargelegt. Die Druckschrift D11 habe daher eine derart hohe Relevanz, dass diese auch in einem solchen späten Stand des Verfahrens nicht vom Verfahren ausgeschlossen werden könne.
Die Druckschriften D11 und D12 seien zum Verfahren zuzulassen.
X. Die Verfahrensbeteiligte hat sich im schriftlichen Verfahren nicht geäußert und schloss sich in der mündlichen Verhandlung dem Vortrag der Beschwerdeführerin an.
XI. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zulassung der Druckschrift D10
Es gebe keine Rechtfertigung für das späte Einreichen einer Patentschrift, wie der Druckschrift D10. Die Einführung überflüssiger Druckschriften widerspreche dem Prinzip der Verfahrensökonomie.
Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen richtig ausgeübt und aufgrund einer prima facie Beurteilung der verspätet eingereichten Druckschrift D10 gemäß dem Punkt 2.3 der angefochtenen Entscheidung nicht zum Verfahren zugelassen.
Die Druckschrift D10 sei prima facie nicht relevant, weil sie das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 nicht offenbare: Die im Abschnitt Seite 7, Zeilen 34 bis 39 aufgezeigte rechnerische Korrektur beziehe sich ausschließlich auf im Druckprozess in der Druckmaschine ermittelte Messwerte, so dass gestreutes Licht und ungleichmäßiges Weiß entsprechend korrigiert werden könnten. Es sei nicht zu erkennen, dass eine Umrechnung von in der Druckmaschine erfassten Messwerten in außerhalb der Druckmaschine erfasste Messwerte stattfinde.
Die Druckschrift D10 sei weiterhin nicht zum Verfahren zuzulassen.
Auslegung des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1
Es gehe eindeutig aus dem Anspruch 1 hervor, dass es sich um in-line Messungen unmittelbar im Druckprozess handele. Die Variante "oder an [der laufenden Druckeinrichtung]" solle lediglich die Messung unmittelbar nach dem letzten Druckwerk abdecken, bei der es sich argumentieren ließe, dass an dieser Stelle der Druckprozess an sich bereits abgeschlossen sei.
Eine Messung an einem Bogen, der aus der laufenden Druckeinrichtung entnommen wurde, falle somit nicht unter den Anspruchsgegenstand.
Zulassung der Druckschriften D11 und D12
Es sei für den Fachmann nicht überraschend, dass bei einer Messung unmittelbar im Druckprozess der Druckbogen noch feucht sein könne, bzw. dass ein Druckbogen, der erst später außerhalb des Druckprozess gemessen werde, bereits trocken sein könne. Die Druckschriften D11 und D12 hätten daher bereits mit der Einspruchsbegründung vorgelegt werden sollen.
Die Druckschriften D11 und D12 seien zudem für den Ausgang des Verfahrens nicht relevant, weil sie das kennzeichnende Merkmal der Ansprüche nicht offenbarten.
Die Druckschriften D11 und D12 seien nicht zum Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. Im Einspruchsverfahren nicht zugelassene Druckschrift D10
1.1 Die Zulassung von verspätet eingereichten Unterlagen liegt im Ermessen der Einspruchsabteilung (Art. 114 (2) EPÜ). Dazu kann sie nach ständiger Rechtsprechung die Relevanz prüfen. Verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel und diesbezügliche Argumente sollten von der Einspruchsabteilung nur in Ausnahmefällen zum Verfahren zugelassen werden, wenn prima facie der Verdacht naheliegt, dass solche verspätet eingereichten Unterlagen der Aufrechterhaltung des strittigen europäischen Patents entgegenstehen.
Das durch Artikel 114 EPÜ eingeräumte Ermessen impliziert notwendigerweise, dass das erstinstanzliche Organ des EPA bei der Ermessensausübung einen gewissen Freiraum hat. Eine Beschwerdekammer sollte sich nur dann über die Art und Weise, in der die erste Instanz bei einer Entscheidung in einer bestimmten Sache ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die erste Instanz ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat und damit ihr eingeräumtes Ermessen überschritten hat (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Ausgabe 2016, IV.C.1.2.2a).
1.2 Die Einspruchsabteilung hat die Druckschrift D10 im Einspruch zumindest prima facie geprüft und befunden, dass "[i]n Dokument D10 [] eine rechnerische Korrektur beschrieben [wird], die keinen zusätzlichen relevanten Inhalt im Vergleich zu den bereits zitierten Dokumenten D1 bis D9 bringt. Das Dokument D10 wurde deshalb nicht zugelassen" (Punkt 2.3 der angefochtenen Entscheidung).
1.3 Diese Formulierung in der Einspruchsentscheidung erweckt zunächst den Anschein, dass die Druckschrift D10 nur mit den bereits zitierten Druckschriften D1 bis D9 verglichen wurde. Dennoch muss zur Beurteilung, ob ein zusätzlichen Inhalt relevant ist, zwangsläufig auch der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche herangezogen werden. Es geht nicht um einen beliebigen zusätzlichen Inhalt, sondern um einen, der in Bezug auf den Gegenstand der unabhängigen Ansprüche relevant ist. Die Einspruchsabteilung musste daher indirekt - d.h. über den Umweg eines zusätzlichen Vergleichs mit den Druckschriften D1 bis D9 - auch die prima facie Relevanz der Druckschrift D10 an sich gegenüber dem Gegenstand der unabhängigen Ansprüche prüfen. Die Einspruchsabteilung hat somit ihr Ermessen unter Einbeziehung der richtigen Kriterien ausgeübt.
1.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Sinneswandel der Einspruchsabteilung bezüglich der Offenbarung des Merkmals des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 (bzw. des entsprechende Merkmal des Vorrichtungsanspruchs 27) in der Druckschrift D4, eine neue Einschätzung der Druckschrift D10 erfordert hätte, setzt voraus, dass die Druckschrift D10 dieses Merkmal prima facie offenbart und somit gegenüber den anderen Schriften D1 bis D9 doch einen zusätzlichen relevanten Inhalt offenbart.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie auch von der Beschwerdeführerin angeführt, werden gemäß der Druckschrift D10 Messwerte durch den Computer 32 rechnerisch korrigiert (Seite 7, Zeilen 34 bis 39). Insbesondere handelt es sich dabei um Korrekturen bezüglich:
- einer photometrischen Null (was einer Kalibrierung der Kamera bezüglich einer Schwarz-Referenzabbildung entspricht - Seite 7, Zeilen 40 bis 53),
- Nichtlinearitäten (z.B. Verzerrungen der Abbildungselektroniken und der A/D-Wandlung bezüglich eines bekannten Grauwertes - Seite 7, Zeilen 54 bis 63),
- gestreuten Lichts (z.B. durch Anwendung eines Filters basierend auf einem mathematischen Modell und einer Messung an einer halb weißen, halb schwarzen Abbildung - Seite 7, Zeile 67 bis Seite 11, Zeile 46, Figur 8), und
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
- eines unregelmäßigen Weiß-Ansprechens (z.B. in Bezug auf eine gleichförmige, weiße Referenzplatte, oder einen nicht bedruckten Bereich des Gewebes - Seite 14, Zeilen 28 bis 38).
Daraus geht hervor, dass sich diese Korrekturen nur auf jeweilige Referenzwerte beziehen. Keine der in der Druckschrift D10 offenbarten Korrekturen beziehen sich auf eine Messung auf einem Druckbogen außerhalb des Druckprozesses. Die Druckschrift D10 offenbart somit nicht das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 und dementsprechend auch nicht das entsprechende letzte Merkmal des Vorrichtungsanspruchs 27. Sie ist daher prima facie nicht relevant.
1.5 Somit ergibt sich, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen unter Artikel 114(2) EPÜ 1973 nicht unter Berücksichtigung falscher Kriterien, oder unter Missachtung der richtigen Kriterien, oder in unangemessener Weise ausgeübt hat (siehe G 7/93, Abl. 1994, 775). Hieraus folgt, dass die Nichtzulassung der Druckschrift D10 im Einspruchsverfahren nicht zu beanstanden ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Ausgabe 2016, IV.E.3.6).
Die Kammer sieht daher auch keinen Grund, die Druckschrift D10 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Die Druckschrift D10 ist daher nicht im Verfahren.
2. Auslegung des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1
2.1 Die Parteien waren sich uneinig darüber, wie das Merkmal des Oberbegriffs "wobei Messfelder eines Druckbogens während des Druckprozesses unmittelbar in oder an der laufenden Druckeinrichtung fotoelektrisch ausgemessen [werden]" in Bezug auf die Alternative "oder an [der laufenden Druckeinrichtung]" zu verstehen sei.
2.1.1 Für sich alleine genommen, umfasst die Formulierung "oder an [der laufenden Druckeinrichtung]" die Möglichkeit, dass ein Druckbogen aus dem laufenden Druckprozess entnommen und z.B. in unmittelbarer Nähe zur Druckeinrichtung gemessen wird - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen.
2.1.2 Allerdings wird der Fachmann den Anspruch als Ganzes deuten (Artikel 84 EPÜ 1973, erster Satz) und daher auch den kennzeichnenden Teil mit in Betracht ziehen, um den Anspruchsgegenstand abschließend zu bestimmen.
2.1.3 Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 gibt an, dass "durch die Messung unmittelbar im Druckprozess bedingte Messwertabweichungen gegenüber einer Messung auf Druckbogen außerhalb des Druckprozesses rechnerisch korrigiert werden". Die Kammer versteht dies so,
a) dass die Messung unmittelbar im Druckprozess stattfindet;
b) dass die Tatsache, dass die Messung unmittelbar im Druckprozess stattfindet, als Konsequenz Messwertabweichungen gegenüber einer Messung auf Druckbogen außerhalb des Druckprozesses nach sich zieht, welche im Anspruch als dadurch "bedingte Messwertabweichungen ..." bezeichnet werden; und
c) dass derartige Messwertabweichungen gegenüber einer Messung auf Druckbogen außerhalb des Druckprozesses rechnerisch korrigiert werden.
2.1.4 Da dies gemäß Punkt a) zwingend eine Messung unmittelbar im Druckprozess voraussetzt, wird die im Oberbegriff enthaltene Möglichkeit (siehe Punkt 2.1.1 oben) weiter eingeschränkt, so dass die Variante "oder an" so zu deuten ist, dass die Messung unmittelbar nach dem letzten Druckwerk stattfindet.
2.1.5 Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Interpretation des kennzeichnenden Merkmals, wonach der Vergleich zwischen nassen und trockenen Bogen erfolgen solle, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht angesprochen. Der Wortlaut des Anspruchs 1 macht keine expliziten Aussagen zum trockenen oder nassen Zustand der gemessenen Druckbögen. Der Fachmann würde dennoch davon ausgehen, dass eine Messung unmittelbar im Druckprozess auf einem noch feuchten Druckbogen erfolgen kann.
2.1.6 Der Fachmann, der den Anspruch als Ganzes liest, kommt somit zum Schluss, dass eine Messung an einem Bogen, der aus der laufenden Druckeinrichtung entnommen wurde, nicht unter den Anspruchsgegenstand fällt, weil sich der Druckbogen dann nicht mehr unmittelbar im Druckprozess befindet.
3. Zulassung der Patentschriften D11 und D12
3.1 Nach Artikel 12(4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) hat die Kammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
3.2 Die Patentschriften D11 und D12 wurden von der Beschwerdeführerin erstmals im Beschwerdeverfahren mit der Beschwerdebegründung genannt. Die Einreichung erfolgte erst im Anschluss an die für die Beschwerdeführerin negative Entscheidung der Einspruchsabteilung und zu Beginn des Beschwerdeverfahrens. Es ist aber nicht erkennbar, warum die Druckschriften D11 und D12 nicht bereits mit dem Einspruch vorgelegt wurden.
3.3 Die späte Zulassung der Schriften D11 und D12 hätte schwerwiegende Folgen für das Verfahren. Obwohl sich die Beschwerdeführerin auf die gleichen Einspruchsgründe - mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit - beruft wie in der ersten Instanz, so hat Sie durch Vorlage neuer Beweismittel im Beschwerdeverfahren einen völlig neuen Fall geschaffen. Sollten die neuen Beweismittel zugelassen werden, müsste sich die Beschwerdegegnerin gewissermaßen mit einem zweiten Einspruch gegen das Patent auseinandersetzen. Der Zweck des Beschwerdeverfahrens besteht aber darin, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen, und nicht darin einer Einsprechenden die Möglichkeit zu geben, neue zusätzliche Angriffe auf das Streitpatent zu starten.
3.4 Das Nichtzulassen einer höchst relevanten Druckschrift, welche die Gültigkeit des Streitpatents beeinträchtigen könnte, könnte allerdings zu der unbefriedigenden Situation führen, in der ein Patent aufrechterhalten wird, das bei Berücksichtigung der Druckschrift widerrufen worden wäre. Die Kammer muss daher zwei Forderungen des öffentlichen Interesses ausgleichen, nämlich die prozessuale Gerechtigkeit und die Verhinderung ungerechtfertigter Monopole. Aus diesem Grund hält die ständige Rechtsprechung der Kammern in Bezug auf verspätet eingereichte Beweismittel fest, dass eine Kammer über ein Ermessen verfügt welches die besonderen Umstände des jeweiligen Falls berücksichtigt (vgl. Artikel 12(4) VOBK). Bei der Ausübung dieses Ermessens muss die Kammer im vorliegenden Fall unter anderem die Frage berücksichtigen, ob die Patentschriften D11 und D12 für den Ausgang des Falles so entscheidend sind, dass sie nicht ausgeschlossen werden können, auch wenn sie zu einem späten Zeitpunkt des Verfahrens vorgelegt wurden.
3.5 Die Patentschrift D11 offenbart, dass die Farbdichte im Allgemeinen umso mehr sinkt, je weiter die Druckfarbe trocknet. Somit ist daraus bekannt, dass ein gerade eben bedrucktes Druckerzeugnis, dessen Druckfarbe noch nicht trocken ist, und dasselbe Druckerzeugnis nach einer bestimmten Zeitdauer wenn die Druckfarbe trocken ist, andere Farbdichten haben (Beglaubigte Übersetzung D11b, Absatz [0005]). Angesichts dieses Problems liegt der Erfindung der Druckschrift D11 die Aufgabe zugrunde, ein Druckqualitäts-Kontrollsystem bereitzustellen, bei dem das auch bei der Auswahl eines trockenen Druckbogens als Referenz der Fertigungszustand jedes Druckbogens vor dem Trocknen objektiv ausgewertet werden kann (Beglaubigte Übersetzung D11b, Absatz [0007]). Es handelt sich dabei um ein off-line System, bei dem ein Probebogen während des Betriebs der Druckmaschine herausgenommen wird (Absatz [0077], Figur 1).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Da bei der Erfindung der Patentschrift D11 die Messung außerhalb der Druckmaschine und nicht unmittelbar im Druckprozess stattfindet (siehe Punkt 2. oben), kann sie den Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 auch nicht nahelegen.
Die Patentschrift D11 ist daher für den Ausgang des Falles nicht entscheidend.
3.6 Die Patentschrift D12 offenbart, dass die polarisierte spektrale Remission vom Trocknungszustand des Druckträgers unabhängig ist (Absatz [0005]). In der Patentschrift D12 geht es um die Farbsteuerung einer Druckmaschine ohne die spektrale Remission durch einen Polarisationsfilter zu messen (Absätze [0007] und [0012]). Das Verfahrens ermöglicht die Ermittlung von polarisierten farbmetrischen Werten oder polarisierten Dichtewerten, indem gemessene unpolarisierte spektralen Remissionswerte beta(lambda) in polarisierte spektrale Remissionswerte beta'(lambda) umgerechnet werden, welche dann die Basis für die Bestimmung der farbmetrischen Werte oder Dichtewerte bilden. Dabei werden auch die Besonderheiten des Erfassungsgeräts berücksichtigt (Absätze [0009], [0011] bis [0013] und [0024]).
Daraus geht hervor, dass sich keine der in der Patentschrift D12 offenbarten Korrekturen auf eine Messung auf Druckbogen außerhalb des Druckprozesses beziehen. Die Patentschrift D12 offenbart somit das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 (bzw. das entsprechende Merkmal des Vorrichtungsanspruchs 27) nicht.
Die Patentschrift D12 ist daher für den Ausgang des Falles nicht entscheidend.
3.7 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass keine der Patentschriften D11 und D12 für den Ausgang des Falles entscheidend ist. Dementsprechend übt die Kammer ihr Ermessen unter Artikel 12(4) VOBK dahingehend aus, diese Schriften nicht zum Verfahren zuzulassen.
4. Da sämtliche von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände auf Druckschriften beruhen, die nicht in das Verfahren zugelassen werden, kann der Beschwerde nicht stattgegeben werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.