T 0322/15 () of 20.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T032215.20180720
Datum der Entscheidung: 20 Juli 2018
Aktenzeichen: T 0322/15
Anmeldenummer: 08152668.3
IPC-Klasse: A23L 1/22
C07C 49/825
C07C 49/835
C07C 49/84
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von 4-Hydroxychalkonderivaten zur Maskierung eines unangenehmen Geschmacks
Name des Anmelders: Symrise AG
Name des Einsprechenden: Givaudan Schweiz AG
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
Erfinderische Tätigkeit - nächstliegender Stand der Technik
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent EP 1 972 203 zurückzuweisen. Das erteilte Patent enthielt neun Ansprüche, wobei Anspruch 1, wie folgt lautet:

"1. Verwendung

- eines 4-Hydroxychalkonderivats der Formel (I)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

wobei

A eine Einfach- oder Doppelbindung darstellt,

R**(1), R**(2) und R**(3), unabhängig voneinander, jeweils H, OH oder (vorzugsweise C1-C4-) Alkoxy bedeuten können, mit der Mabetagabe, dass mindestens einer der Reste R**(1) bis R**(3) OH bedeutet,

und R**(4) H, OH oder (vorzugsweise C1-C4-) Alkoxy bedeutet,

und/oder

- eines Salzes eines solchen 4-Hydroxychalkonderivats der Formel (I),

- einer Mischung umfassend oder bestehend aus zwei oder mehr unterschiedlichen 4-Hydroxychalkonderivaten der Formel (I), wobei R**(1), R**(2), R**(3) und R**(4) jeweils die oben angegebene Bedeutung haben,

- einer Mischung umfassend oder bestehend aus Salzen von zwei oder mehr unterschiedlichen 4-Hydroxychalkonderivaten der Formel (I), wobei R**(1), R**(2), R**(3) und R**(4) jeweils die oben angegebene Bedeutung haben,

oder

- einer Mischung umfassend oder bestehend aus

einem 4-Hydroxychalkonderivat der Formel (I) oder zwei oder mehr unterschiedlichen 4-Hydroxychalkonderivaten der Formel (I), wobei R**(1), R**(2), R**(3) und R**(4) jeweils die oben angegebene Bedeutung haben, und einem Salz eines 4-Hydroxychalkonderivats der Formel (I) oder zwei oder mehr Salzen von unterschiedlichen 4-Hydroxychalkonderivaten der Formel (I), wobei R**(1), R**(2), R**(3) und R**(4) jeweils die oben angegebene Bedeutung haben,

zum Maskieren oder Vermindern des unangenehmen Geschmackseindrucks eines unangenehm schmeckenden Stoffes".

Der unabhängige Anspruch 4 richtet sich auf eine Zubereitung umfassend eine Verbindung der Formel (I), deren Salz und/oder eine diese Verbindung enthaltende Mischung und einen oder mehrere unangenehm schmeckende Stoffe. Der unabhängige Anspruch 13 richtet sich auf ein Verfahren zum Maskieren oder Vermindern des unangenehmen Geschmackseindrucks eines unangenehm schmeckenden Stoffes umfassend den Schritt des Vermischens eines unangenehm schmeckenden Stoffes mit einer Verbindung der Formel (I), deren Salz und/oder einer diese Verbindung enthaltende Mischung.

II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ beantragt. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens zog sie den Einspruchsgrund mangelnder Neuheit zurück.

Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem vorgelegt:

D1: |R.M. Horowitz et al., Food Science and Technology, 1991, vol. 48, pp 97-115 |

D2: |WO 93/ 10677 A1 |

D3: |WO 2007/107596 |

D4: |WO 2007/014879 A1 |

D5: |JP 2004018376 |

D6: |JP 2004043354 |

D7: |"Alternative Sweeteners", Ed. Lyn O'Brien Nabors, Marcel Dekker Inc 2001, Chapter 6, pages 87-104|

D8: |Lindley et al., J. Food Sci., 1993, vol. 58, pp 592-594+666 |

D9: |Lindley et al., Advances in Sweeteners, Chapman & Hall, 1996, pp 240-252 |

D10: |Englische Ubersetzung von JP 10276712 |

D11: |Versuchsergebnisse des Einsprechenden bzgl. der Süßkraft von Phloretin |

| |

III. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:

Die dem Streitpatent zugrunde liegende Erfindung sei ausreichend offenbart. Ferner beruhe der Gegenstand der Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dabei sei das Dokument D2 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen, da es sich wie das Streitpatent mit der Bereitstellung von Stoffen zur Maskierung oder Verminderung des unangenehmen Geschmackseindrucks eines unangenehm schmeckenden Stoffes befasse. In diesem Dokument seien unter anderen zwei Chalkonderivate genannt, nämlich Hesperidin-Methylchalkon und Hesperidin-Dihydrochalkon, die sich aber von den im Streitpatent beanspruchten Verbindungen durch einen Glycosylrest und einen 4-hydroxy-Substituenten unterscheiden. Ausgehend von D2 sei die Aufgabe der Erfindung, weitere Stoffe für den gleichen Zweck bereitzustellen. Weder D2 selbst noch die anderen vorliegenden Dokumente, die sich auf die Verminderung von unangenehmen Geschmackseindrucken beziehen (z.B. D1, D7-D10), geben Hinweise auf Chalkonderivate ohne Glycosylrest.

Außerdem hätte der Fachmann auf der Suche nach Stoffen, die unangenehme Geschmackseindrücke maskieren, die Lehre von D4 nicht in Betracht gezogen. Dieses Dokument befasse sich mit der Verwendung von Hesperetin zur Verstärkung süßer Geschmackseindrücke. Zusätzlich können noch weitere Verbindungen vorhanden sein, die einen unangenehmen Geschmack maskieren oder den Eindruck von Süße verstärken. 4-Hydroxychalkone werden als die Süßkraft verstärkende Verbindungen beschrieben. Drei Hydroxydeoxybenzoinderivate werden für die Maskierung von bitterem Geschmack genannt. Es gebe jedoch keinen Anlass, diese drei strukturell ähnlichen Verbindungen so zu modifizieren, um zu den beanspruchten Hydroxychalkonen zu gelangen.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (nachfolgend: Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. In der Beschwerdebegründung beantragte sie die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

V. Die Patentinhaberin (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent gemäß einem der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 aufrecht zu erhalten.

VI. In der Mitteilung vom 8. Mai 2018 teilte die Beschwerdekammer den Beteiligten mit, dass in der für den 20. Juli 2018 anberaumten mündlichen Verhandlung zu diskutieren sei, ob D2 oder, wie von der Beschwerdeführerin angeführt, D4 den nächstliegenden Stand der Technik darstelle.

VII. Mit Brief vom 30. Mai 2018 reichte die Beschwerdeführerin weitere Argumente zur Stützung ihres Vorbringens ein und das folgende Dokument:

D12: |JP 10-243776|

Außerdem teilte sie mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und zog ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

VIII. Am 20. Juli 2018 fand die mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt. Während der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdegegnerin, D12 nicht zuzulassen.

Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.| |

IX. Die für diese Entscheidung relevanten Anspruchssätze sind die erteilten Ansprüche (Hauptantrag, siehe Punkt I).

X. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:

D4 sei als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten. Obwohl sich D4 primär mit der Süßkraftverstärkung durch Hesperetin befasse, können zusätzlich noch weitere Verbindungen vorhanden sein. So werden die beanspruchten 4-Hydroxychalkone als zusätzliche Süßkraftverstärker auf Seite 58 der D4 genannt. Darüberhinaus werden auf Seite 59 drei Hydroxydeoxybenzoinderivate zur Maskierung eines bitteren Geschmacks erwähnt. Die anspruchsgemäßen 4-Hydroxychalkone unterschieden sich von diesen Verbindungen lediglich durch eine zusätzliche Methylengruppe in der mittigen Karbonkette. Ausgehend von D4 sei das objektive technische Problem die Bereitstellung eines neuen Verfahrens zur Maskierung eines bitteren Geschmackseindrucks. Angesichts der strukturellen Ähnlichkeiten der 4-Hydroxychalkone und der Hydroxydeoxybenzoinderivate sei zu erwarten gewesen, dass sie die gleichen Eigenschaften aufwiesen. Auf der Suche nach weiteren Stoffen, die einen bitteren Geschmackseindruck maskieren, würde der Fachmann daher die 4-Hydroxychalkone in naheliegender Weise und mit klarer Erfolgsaussicht testen, insbesondere da die 4-Hydroxychalkone und die Hydroxydeoxybenzoinderivate in D4 auch nebeneinander erwähnt seien. Außerdem würde er berücksichtigen, dass süße Stoffe, darunter Sucralose sowie auch Hydroxychalkonederivate, zur Maskierung bitterer Geschmäcke bereits bekannt sind (D1-D2, D7-D10, D12).

Des Weiteren machte die Beschwerdeführerin geltend, dass, der Aufgabe-Lösung-Ansatz zwar als ein nützliches Instrument für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehen werden könne, dieser Ansatz aber nicht unfehlbar sei. Obgleich Dokument D4 sich nicht hauptsächlich mit der Maskierung unangenehmer Geschmackseindrücke befasse, stelle dieses Dokument das erfolgversprechendste Sprungbrett zur Erfindung dar und sei somit als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Die Wahl der Einspruchsabteilung von D2 als nächstliegendem Stand der Technik habe zu einer falschen Entscheidung geführt.

XI. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:

Das Dokument D4 könne kein nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand der erteilten Ansprüche sein, da die Lehre von D4 auf einen anderen Zweck (als das Patent) gerichtet ist. Während das Patent die Maskierung oder Verminderung unangenehmer Geschmackseindrücke eines unangenehm schmeckenden Stoffes betreffe, befasse sich D4 mit der Thematik der Süßkraftverstärkung.

Aber selbst wenn man von D4 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehen würde, liefere dieses Dokument weder allein, noch in Kombination mit einem der anderen zitierten Dokumente einen Hinweis darauf, dass die beanspruchten 4-Hydroxychalkonderivate zur Maskierung unangenehmer Geschmackseindrücke geeignet seien. Insbesondere würde der Fachmann keinen Zusammenhang zwischen den auf Seite 59 genannten "bitter-masking" Hydroxydeoxybenzoinderivaten und den auf Seite 58 als zusätzliche Süßkraftverstärker genannten 4-Hydroxychalkonen herstellen.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang.

XIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patentes gemäß einem der mit Schreiben vom 14. April 2015 eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2. Ferner beantragte sie, D12 nicht ins Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Die einzige Angelegenheit dieser Beschwerde betrifft erfinderische Tätigkeit. 2. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass das Dokument D2 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei, da dieses Dokument wie das angefochtene Patent die Verwendung von Stoffen zur Maskierung oder Verminderung des unangenehmen Geschmackseindrucks eines unangenehm schmeckenden Stoffes betreffe, insbesondere eines bitteren Stoffes. Ausgehend von D2 hat sie entschieden, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche gegenüber dem zitierten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. 2.1 Die Beschwerdeführerin hat keine Argumente vorgebracht, warum die auf dem Dokument D2 basierende Entscheidung der Einspruchsabteilung falsch ist. 2.2 Als einzigen Einwand macht sie vielmehr mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes der erteilten Ansprüche gegenüber der Lehre von Dokument D4 allein oder in Kombination mit anderen Dokumenten des Standes der Technik geltend. 2.3 Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Erfindung betrifft die Verwendung von 4-Hydroxychalkonderivaten der Formel (I) zur Maskierung oder Verminderung unangenehmer Geschmackseindrucke, insbesondere bitter, adstringierender und/oder metallischer Geschmackseindrücke (Paragraph [0001]). 2.4 Der Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass D4 auf einen anderen Zweck bzw. eine andere Wirkung als die Erfindung gerichtet ist, nämlich auf Süßkraftverstärkung. Sie gibt auch zu, dass aus diesem Grund, bei einer strikten Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes, der im EPA üblicherweise angewendet wird, D4 nicht als der nächstliegende Stand der Technik betrachtet würde. 2.5 Sie vertritt aber die Meinung, dass der Fachmann, der sich mit der Aufgabe der Geschmacksmaskierung befasse, sich nicht nur auf Dokumente, die spezifisch dieses Thema behandeln würden, fokussiere, sondern alle Dokumente, die eine Geschmacksänderung behandeln, in Betracht ziehen würde. Daher würde D4 von dem Fachmann nicht unbeachtet bleiben. Letztendlich würde dieses Dokument das erfolgversprechendste Sprungbrett für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellen. 3. Das Dokument D2 bezieht sich, wie das angefochtene Patent, auf die Verwendung von Stoffen zur Maskierung oder Verminderung des unangenehmen Geschmackseindrucks eines unangenehm schmeckenden Stoffes, insbesondere eines bitteren Stoffes (siehe Seite 1, Absätze 1 bis 3; Seite 3, Absatz 3; Seite 8, Absatz 2; Seite 13 letzter Absatz). Auf den Seiten 39 (siehe Formel I-2) und 105 (siehe Beispiel 21) und in den Ansprüchen 40 und 42 werden zwei spezifischen Chalkonderivate, nämlich Hesperidin-Methylchalkon und Hesperidin-Dihydrochalkon - die sich von den im Streitpatent beanspruchten Verbindungen durch einen Glycosylrest und den 4-hydroxy-Substituenten unterscheiden - zur Maskierung eines unangenehmen Geschmackseindrucks. Beispiel 21 belegt, dass Hesperidin-Methylchalkon die Bitterkeit von Kaliumchlorid vermindert. 3.1 Dokument D2 ist auf den gleichen Zweck bzw. dieselbe Wirkung gerichtet wie die beanspruchte Erfindung und sieht die Verwendung von strukturell ähnlichen chemischen Verbindungen vor. Die Kammer sieht daher keinen Grund, von der in der Entscheidung der Einspruchsabteilung dargelegten Auffassung abzuweichen, dass diese Druckschrift als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten ist. 3.2 Da die Einspruchsabteilung die erfinderische Tätigkeit korrekt beurteilt hat, wäre allein schon aus diesem Grund die Beschwerde zurückzuweisen. 4. Aber selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin von D4 als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht, gelangt man zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. 4.1 D4 betrifft die Verwendung von Hesperetinderivaten zur Verstärkung der Süßkraft eines anderen Süßstoffe. Durch den Einsatz dieser Verbindungen kann der Zuckerinhalt in Lebensmitteln reduziert werden (Seite 1, 7 und 8). Die Hesperetinderivate unterscheiden sich strukturell stark von den Hydroxychalkonderivaten des angefochtenen Patents. Die Experimente in den Beispielen 1, 2 und 8 belegen, dass Hesperitin den süßen Eindruck von Sucrose verstärkt. 4.2 Ferner lehrt Dokument D4 auf Seite 57, dass Hesperetin mit weiteren Stoffen, die einen angenehmen Geschmack verstärken oder einen unangenehmen Geschmackseindruck vermindern, kombiniert werden kann. In diesem Zusammenhang wird auf Seite 58 die Verwendung der anspruchsgemäßen 4-Hydroxychalkonderivate zur Verstärkung eines süßen Geschmacks ("sweet-enhancing") erwähnt. Auf Seite 59 werden drei spezifische Hydroxydeoxybenzoinderivate zur Maskierung eines bitteren Geschmacks ("bitter-masking") offenbart. Diese Verbindungen unterscheiden sich von den anspruchsgemäßen 4-Hydroxychalkonderivaten durch eine zusätzliche Methylengruppe in der mittigen Karbonkette. 4.3 D4 selbst ist kein Hinweis zu entnehmen, dass 4-Hydroyxchalkone als solche zum Maskieren oder Vermindern eines unangenehmen Geschmackseindrucks geeignet sind. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese Verbindungen einen süßen Geschmack aufweisen (was nicht in D4 offenbart ist), wären ihre Eigenschaften zur Geschmacksmaskierung nicht voraussehbar. Ein genereller Zusammenhang zwischen der Fähigkeit einer Substanz, einen süßen Geschmackseindruck zu vermitteln und einer möglichen Geeignetheit, Geschmack zu maskieren, wurde nicht bewiesen. Im Gegenteil, wie von der Beschwerdegegnerin erwähnt, können Süßstoffe selbst zu einer gewissen Bitterkeit beitragen. 4.4 Darüber hinaus werden in D4 auf Seite 59 mehrere Stoffe ausgelistet, welche unangenehme Geschmackseindrücke vermindern sollen. Hier wird auf eine amerikanische vorläufige Anmeldung verwiesen, die angeblich die Verwendung von drei spezifischen Hydroxydeoxybenzoinderivaten, die sich von der Verbindungen der Formel (I) in der Länge der mittigen Karbonkette unterscheiden, zur Maskierung eines bitteren Geschmacks offenbart. 4.5 Die Beschwerdeführerin behauptet, dass der Fachmann angesichts der strukturellen Ähnlichkeit zwischen den auf Seite 58 erwähnten (anspruchsgemäßen) 4-Hydroyxchalkonen ("sweet-enhancing") und den auf Seite 59 erwähnten Hydroxydeoxybenzoinen ("bitter-masking") die Schlussfolgerung gezogen hätte, dass auch die 4-Hydroyxchalkone zur Maskierung eines bitteren Geschmacks geeignet wären. 4.6 Dieser Schlussfolgerung kann sich die Beschwerdekammer nicht anschließen. Erstens ist der D4 keinerlei Information hinsichtlich einer Struktur-Aktivität-Beziehung zu entnehmen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Verlängerung der mittigen Karbonkette den Abstand zwischen den Phenylringen erhöht und zusätzliche stereochemische Anordnungen ermöglicht. Die Effekte einer solchen Modifizierung sind nur schwer von einem Fachmann vorauszusehen. Geringfügige strukturelle Änderungen können die organoleptischen Eigenschaften von Verbindungen grundsätzlich ändern (siehe z.B. Dokument D2, Seiten 20-21). 4.7 Folglich hätte der Fachmann keinen Anlass gehabt, die Hydroxydeoxybenzoine so zu modifizieren, dass er zu einer erfindungemäßen Verbindung der Formel (I) gelangen würde. Es ist auch nicht erkennbar, warum ein Fachmann die auf Seite 59 erwähnte Eigenschaft der Geschmacksmaskierung ("bitter-masking") von Hydroxydeoxybenzoinderivaten auch auf die auf Seite 58 erwähnten 4-Hydroyxchalkone übertragen würde, zumal denen dort eine ganz andere Wirkung zugesprochen wird ("sweet-enhancing"). Dieser Ansatz der Beschwerdeführerin scheint auf einer reinen rückschauenden Betrachtung in Kenntnis des Streitpatents zu basieren. 4.8 Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand der erteilten Ansprüche auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn man von D4 als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht. Dokument D12 5. Das Dokument D12 wurde von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Mai 2018, d.h. nach der Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereicht.Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin keine Gründe für das späte Einreichen dieses Dokuments angegeben hat, sieht die Kammer nicht, wie D12 mit D4 oder D2 kombiniert werden könnte.D12 betrifft die Verwendung von Sukralose zur Maskierung eines sauren Geschmacks. Die in diesem Dokument offenbarte Lehre betrifft jedoch ausschließlich Sukralose und kann nicht auf andere Verbindungen verallgemeinert werden und insbesondere nicht auf die im Streitpatent beanspruchten Verbindungen der Formel (I).Aus diesen Gründen ist D12 für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant und gemäß Artikel 13 Absatz 1 RPBA nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. |

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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