T 0255/15 () of 16.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T025515.20190116
Datum der Entscheidung: 16 Januar 2019
Aktenzeichen: T 0255/15
Anmeldenummer: 05729513.1
IPC-Klasse: G01L 19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: DRUCKAUFNEHMER MIT AUSTAUSCHBAREM PROZESSANSCHLUSS
Name des Anmelders: Endress+Hauser SE+Co. KG
Name des Einsprechenden: IFM ELECTRONIC GMBH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1743155 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten. Die Einspruchsabteilung hatte ihre Entscheidung insbesondere damit begründet, dass der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte mit der Beschwerde und mit der Beschwerdebegründung den vollständigen Widerruf des Patents.

Mit Schreiben vom 31. Januar 2017 beantragte die Beschwerdeführerin die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufgrund eines Verfahrensmangels.

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 26. Oktober 2015.

IV. Beide Beteiligten beantragten die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

V. Folgende Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

E1: DE 196 28 551 A1

E3: "Hygienic pipe couplings", Doc 16, European Hygienic Equipment Design Group (September 1997)

E4: EHEDG Guidelines, Doc.8, "Gestaltungskriterien für hygienegerechte Maschinen, Apparate und Komponenten", 2. Auflage (April 2004)

E6: DE 100 23 692 A1

WIKA: Broschüre "Messgeräte mit Anschluss nach DIN 11864" der WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG (2018).

VI. In einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, dass prima facie im erstinstanzlichen Verfahren das rechtliche Gehör gewahrt worden zu sein und kein wesentlicher Verfahrensfehler vorzuliegen scheine und dass sie daher keinen Grund sehe, die Angelegenheit wegen wesentlicher Mängel des Verfahrens vor der ersten Instanz an diese gemäß Artikel 11 VOBK ohne Sachprüfung zurückzuverweisen und eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ anzuordnen.

Die Kammer vertrat weiter die vorläufige Meinung, dass ein von der Beschwerdeführerin angebotenes Beweismittel in Form eines Geräts, das der Darstellung der Figur 1 in Dokument E1 entspreche, in Anbetracht der Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht als Stand der Technik angesehen werden könne.

Die Kammer war auch der vorläufigen Meinung, dass der Fachmann die beanspruchte Erfindung zusammen mit den Angaben aus der Patentschrift realisieren könne.

Eine erfinderische Tätigkeit sah sie jedoch im Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 nicht.

VII. In ihrem Schreiben vom 10. Dezember 2018 brachte die Beschwerdeführerin Argumente vor, warum der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 2 - 5 naheliegend sei. Ihre Anträge auf Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung und Rückzahlung der Beschwerdegebühr sowie auf Zulassung eines Beweismittels in Form eines Messgeräts hielt die Beschwerdeführerin nur noch hilfsweise aufrecht.

VIII. Eine mündliche Verhandlung fand am 16. Januar 2019 statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Zulassung

- eines Gerätes, das der Darstellung in Figur 1 von Dokument E1 entspreche, als Beweismittel;

- des Dokuments WIKA.

Die Kammer wies beide Anträge zurück.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) nahm Hilfsanträge 1 und 5 zurück. Die verbleibenden Hilfsanträge 2 bis 4 wurden zu Hilfsanträgen 1 bis 3 umnummeriert.

Die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 wurde insbesondere ausgehend von Dokument E1 in Verbindung mit den in Dokument E6 offenbarten Ausführungsbeispielen sowie der allgemeinen Offenbarung in Absatz [0007] der Beschreibung von E6 erörtert.

Am Ende der Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin (Einsprechende) den Hilfsantrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung und Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurück.

Die Schlussanträge der Beteiligten lauten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Grundlage der Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 als Hilfsanträge 2 bis 4.

Nach Beratung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

IX. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag eingereicht am 10. Oktober 2014, mit dem die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten hat, lautet wie folgt:

"Druckaufnehmer umfassend:

einen Drucksensor;

ein Druckaufnehmergehäuse, wobei das Druckaufnehmergehäuse (1) ferner eine Gehäusestirnfläche (4) mit einer Gehäuseöffnung aufweist, durch welche ein Drucksensor mit einem Druck beaufschlagbar ist; und

einen Prozessanschluss (2), welcher in einer Anschlussstirnfläche eine Prozessanschlussöffnung (5) aufweist, wobei der Prozessanschluss derart mit dem Druckaufnehmergehäuse verbindbar ist [sic] dass die Prozessanschlussöffnung mit der Gehäuseöffnung fluchtet, und dass die Anschlussstirnfläche (3) die Gehäusestirnfläche (4) umgreift,

wobei das Druckaufnehmergehäuse in einem an die Gehäusestirnfläche angrenzenden Montageabschnitt (10) einen im Wesentlichen axialsymmetrischen oder zumindest abschnittsweise zylindersymmetrischen Aufbau hat,

dadurch gekennzeichnet, dass

zwischen dem Druckaufnehmergehäuse und dem Prozessanschluss ein Dichtring (6) angeordnet ist, welcher einen elastomerischen Werkstoff aufweist, und welcher einen Spalt zwischen der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche abdichtet, und

ein erster Mantelflächenabschnitt des Montageabschnitts des Druckaufnehmergehäuses, welcher an die Gehäusestirnfläche angrenzt, einen schalenförmigen ersten Dichtungssitz (7) aufweist, der den Dichtring axial und radial abstützt,

wobei die an den Spalt angrenzenden Bereiche der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche zueinander koplanar sind,

wobei das Druckaufnehmergehäuse in seinem Inneren eine Sensorkammer definiert, in welcher der Sensor angeordnet ist,

wobei der Prozessanschluss und das Druckaufnehmergehäuse zueinander komplementäre Gewindeabschnitte aufweisen, so dass das Druckaufnehmergehäuse in den Prozessanschluss einschraubbar ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:

"Druckaufnehmer umfassend:

Drucksensor;

Druckaufnehmergehäuse, wobei das Druckaufnehmergehäuse (1) ferner eine Gehäusestirnfläche (4) mit einer Gehäuseöffnung aufweist, durch welche ein Drucksensor mit einem Druck beaufschlagbar ist; und

einen Prozessanschluss (2), welcher in einer Anschlussstirnfläche eine Prozessanschlussöffnung (5) aufweist, wobei der Prozessanschluss derart mit dem Druckaufnehmergehäuse verbindbar ist [sic] dass die Prozessanschlussöffnung mit der Gehäuseöffnung fluchtet, und dass die Anschlussstirnfläche (3) die Gehäusestirnfläche (4) umgreift,

wobei das Druckaufnehmergehäuse in einem an die Gehäusestirnfläche angrenzenden Montageabschnitt (10) einen im Wesentlichen axialsymmetrischen oder zumindest abschnittsweise zylindersymmetrischen Aufbau hat;

wobei das Druckaufnehmergehäuse in seinem Inneren eine Sensorkammer definiert, in welcher der Sensor angeordnet ist,

wobei der Prozessanschluss und das Druckaufnehmergehäuse zueinander komplementäre Gewindeabschnitte aufweisen, so dass Druckaufnehmergehäuse [sic] in den Prozessanschluss einschraubbar ist,

wobei zwischen dem Druckaufnehmergehäuse und dem Prozessanschluss ein Dichtungsring (6) angeordnet ist, welcher einen elastomerischen Werkstoff aufweist, und welcher einen Spalt zwischen der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche abdichtet,

dadurch gekennzeichnet, dass

ein erster Mantelflächenabschnitt des Montageabschnitts des Druckaufnehmergehäuses, welcher an die Gehäusestirnfläche angrenzt, einen schalenförmigen ersten Dichtungssitz (7) aufweist, der den Dichtungsring axial und radial abstützt,

wobei die an den Spalt angrenzenden Bereiche der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche zueinander koplanar sind,

wobei der erste Dichtungssitz einen ersten gratfreien Übergang zu der Gehäusestirnfläche aufweist,

wobei der erste Dichtungssitz einen zweiten Übergang zu dem auf der von der Stirnfläche abgewandten Seite des Dichtungssitzes angrenzenden zweiten Mantelflächenabschnitt des Montageabschnitts aufweist,

wobei der maximale Radius des zweiten Mantelflächenabschnitts größer ist, als der maximale Radius des ersten Übergangs,

wobei die Anschlussstirnfläche an ihrem der Prozessanschlussöffnung zugewandten Innenrand einen dritten konvexen Übergang zu einem zweiten schalenförmigen Dichtungssitz aufweist, welcher in eine zylindrische Innenwand der Prozessanschlussöffnung übergeht,

wobei der minimale Radius der Prozessanschlussöffnung, welcher im Bereich des dritten Übergangs verläuft, kleiner als der maximale Radius des zweiten Übergangs und größer als der maximale Radius des ersten Übergangs ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hat im kennzeichnenden Teil im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nach dem vierten Absatz das folgende zusätzliche Merkmal:

"wobei in Ebenen entlang der Zylinderachse der erste Dichtungssitz konkav verläuft und der erste und der zweite Übergang konvex verlaufen, ",

und am Ende des Anspruchs die folgenden weiteren Merkmale:

"wobei die Differenz zwischen dem minimalen Radius der Prozessanschlussöffnung und dem maximalen Radius des ersten Übergangs nicht mehr als die halbe Materialstärke des Dichtungsrings beträgt,

wobei die Differenz zwischen dem minimalen Radius der Prozessanschlussöffnung und dem maximalen Radius des ersten Übergangs nicht weniger als ein Sechstel der Materialstärke des Dichtungsrings beträgt.".

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 hat im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 am Ende des Anspruchs die folgenden weiteren Merkmale:

"wobei der minimale Krümmungsradius im ersten bzw. dritten konvexen Übergang nicht mehr als ein Sechstel der Materialstärke des Dichtungsrings beträgt,

wobei der minimale Krümmungsradius im ersten bzw. dritten konvexen Übergang nicht weniger als ein Zwölftel der Materialstärke des Dichtungsrings beträgt."

Entscheidungsgründe

1. Zulassung verspätet vorgebrachter Beweismittel (Artikel 13 (1) VOBK)

1.1 In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass ihr ein Gerät vorliege, das der Darstellung in Figur 1 des Dokuments E1 entspreche. Sie hat angeboten, dass dieses Gerät bei einer mündlichen Verhandlung als Beweismittel von allen Parteien in Augenschein genommen werden könne (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 3, 2. und 3. Absatz).

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat sie ihren Antrag auf Zulassung dieses Beweismittels erneut vorgebracht. Dieses Gerät sei kein neues Beweismittel, sondern es solle lediglich als Beleg dafür dienen, dass die Figur 1 des Dokuments E1 zeige, dass die angrenzenden Bereiche der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche zueinander koplanar seien. Es offenbare nicht mehr als die Figur 1, aber es werde durch dieses Gerät deutlicher, was die Figur 1 zeige.

1.2 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer reichte die Beschwerdeführerin erstmals das Dokument "WIKA" ein, das der Auslegung des Dokuments E3 dienen solle. In Dokument E3 seien O-Ring-Dichtungen gezeigt, die Rohre spaltfrei verbinden können. Aus dem Dokument WIKA werde deutlich, dass die entsprechenden Normen, die auch dem Dokument E3 zugrunde lägen, auch für eine spaltfreie Verbindung von Messgeräten an Behältern zutreffend seien. Das Dokument diene daher lediglich der Auslegung der Hygienenormen und damit der Auslegung des Dokuments E3.

1.3 Die Beschwerdegegnerin beantragte, das angebotene Gerät als Beweismittel nicht zuzulassen, da es verspätet vorgebracht sei, es völlig offen sei, inwieweit ein Gerät der Zeichnung in Dokument E1 entsprechen könne, und es nicht bekannt sei, wann und unter welchen Umständen es der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht worden sei (vgl. Punkt 3.3 des Schreibens vom 26. Oktober 2015). In der mündlichen Verhandlung bekräftigte die Beschwerdegegnerin ihren Antrag, das Gerät als verspätet nicht zuzulassen.

1.4 Bezüglich des Dokuments WIKA verwies die Beschwerdegegnerin darauf, dass es ein Veröffentlichungsdatum aus dem Jahr 2018 trage und daher nicht als Stand der Technik gelten könne. Es sei nicht ohne Weiteres erkennbar, was dieses Dokument zur Interpretation des Dokuments E3 beitragen könne. Die Normhistorie der entsprechenden DIN-Norm sei der Beschwerdegegnerin nicht bekannt und auf die Schnelle auch nicht zugänglich. Normen würden sich üblicherweise über die Zeit verändern. Sie beantragte, dieses Dokument nicht zuzulassen, da es nicht relevant und verspätet eingereicht sei.

1.5 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin und erachtet das angebotene Beweismittel in Form eines Geräts, unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beschwerdeführerin, nicht als Stand der Technik. Darüber hinaus ist der Kammer nicht ersichtlich, was dieses Beweismittel zeigen könnte, das nicht schon aus Dokument E1 bekannt ist. Nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin zeigt das Gerät nichts Anderes als das, was die Figur 1 des Dokuments bereits zeigt. Wenn die Beschwerdeführerin jedoch der Auffassung war, dass das angebotene Beweismittel für die Interpretation der Figur 1 des Dokuments E1 in irgendeiner Form hilfreich sein könnte, so hätte sie es so früh wie möglich einreichen müssen, das heißt mit der Einspruchsschrift. Denn die Beschwerdeführerin musste damit rechnen, dass die Einspruchsabteilung die Auffassung der Beschwerdeführerin bezüglich der Offenbarung des Dokuments E1 nicht teilen würde, so wie dies auch geschah (vgl. Entscheidungsgründe, 4.3, letzter Absatz). Die Beschwerdeführerin hat das Beweismittel erstmals mit der Beschwerdebegründung, und somit nach Ablauf der Einspruchsfrist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ, angeboten. Die Kammer lässt dieses verspätet angebotene Beweismittel daher in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht zu, weil es entweder - wie die Beschwerdeführerin behauptet - nichts Anderes zeigt als die Figur 1 des Dokuments E1 oder aber andernfalls neuen Stand der Technik darstellen würde.

1.6 Das Dokument WIKA wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht und ist nicht vorveröffentlicht und somit kein Stand der Technik. Es zeigt das strittige Merkmal, wonach die Anschlussstirnfläche an ihrem der Prozessanschlussöffnung zugewandten Innenrand einen dritten konvexen Übergang zu einem zweiten schalenförmigen Dichtungssitz übergeht, nicht. Die Kammer teilt die Bedenken der Beschwerdegegnerin, dass sich die Norm über die Jahre verändert haben könnte und damit nicht mehr die gleiche sein könnte wie diejenige, welche dem Dokument E3 zugrunde gelegen haben mag. Es ist daher nicht auf den ersten Blick erkennbar, wie dieses Dokument WIKA zur Auslegung des Dokuments E3 beitragen könnte. Die Kammer lässt dementsprechend das Dokument WIKA in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) VOBK nicht in das Verfahren zu.

2. Hauptantrag - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

2.1 Die Beteiligten waren sich in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer darin einig, dass der zur Beurteilung des Naheliegens relevante Fachmann ein Ingenieur auf dem Gebiet der Drucksensoren ist, der insbesondere Kenntnisse im Bereich der hygienischen Abdichtungen besitzt.

2.2 Als nächstliegender Stand der Technik wird von den Beteiligten das Dokument E1 angesehen.

Dokument E1, insbesondere Figur 1 und die entsprechenden Teile der Beschreibung, offenbart:

einen Druckaufnehmer umfassend

einen Drucksensor 3;

ein Druckaufnehmergehäuse 2, wobei das Druckaufnehmergehäuse ferner eine Gehäusestirnfläche 2a mit einer Gehäuseöffnung (beginnend an der Dichtfederstegnase 2c) aufweist, durch welche ein Drucksensor 3 an der Fläche 3e mit einem Druck beaufschlagbar ist; und

einen Prozessanschluss 7, welcher in einer Anschlussstirnfläche eine Prozessanschlussöffnung aufweist, wobei der Prozessanschluss derart mit dem Druckaufnehmergehäuse verbindbar ist, dass die Prozessanschlussöffnung mit der Gehäuseöffnung fluchtet (die Figur 1 zeigt nur einen Teil des Prozessanschlusses und des Druckaufnehmergehäuses, sodass nicht explizit zu entnehmen ist, dass die Prozessanschlussöffnung mit der Gehäuseöffnung fluchtet. Für den Fachmann ist jedoch implizit offenbart, dass die Prozessanschlussöffnung und die Gehäuseöffnung eine gemeinsame Symmetrieachse haben) und dass die Anschlussstirnfläche 7g die Gehäusestirnfläche 2a umgreift (vgl. Figuren 1 und 6),

wobei das Druckaufnehmergehäuse in einem an die Gehäusestirnfläche angrenzenden Montageabschnitt einen im Wesentlichen axialsymmetrischen oder zumindest abschnittsweise zylindersymmetrischen Aufbau hat (vgl. Spalte 6, Zeilen 25 - 28; Spalte 7, Zeilen 29 - 31; das Druckaufnehmergehäuse ist rotationssymetrisch und wird in den Prozessanschluss eingeschraubt),

wobei zwischen dem Druckaufnehmergehäuse und dem Prozessanschluss ein Dichtring 6 angeordnet ist, welcher einen elastomerischen Werkstoff aufweist, und welcher einen Spalt zwischen der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche abdichtet (vgl. Spalte 7, Zeilen 31 - 33 und 44 - 45), und

wobei die an den Spalt angrenzenden Bereiche der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche zueinander koplanar sind (vgl. Figur 1; dies hat die Einspruchsabteilung nicht so gesehen, für sie seien die Zeichnungen nur schematisch, so dass aus der Figur 1 dieses Merkmal nicht entnehmbar sei, vgl. Nr. 4.3 der Entscheidungsgründe; die Kammer folgt dieser Auffassung nicht; die Flächen sind gemäß Figur 1 zumindest annähernd koplanar, Dokument E1 gibt keine Stufe oder keinen Winkel zwischen den Flächen an und bezeichnet die Anordnung "frontbündig positioniert", vgl. Spalte 5, Zeilen 58-62),

wobei das Druckaufnehmergehäuse in seinem Inneren eine Sensorkammer (vgl. Zusammenfassung, Druckmesszelle 3) definiert, in welcher der Sensor angeordnet ist,

wobei der Prozessanschluss und das Druckaufnehmergehäuse zueinander komplementäre Gewindeabschnitte aufweisen, so dass das Druckaufnehmergehäuse in den Prozessanschluss einschraubbar ist (vgl. Spalte 7, Zeilen 29 - 31).

2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von der Offenbarung des Dokuments E1 dadurch, dass

ein erster Mantelflächenabschnitt des Montageabschnitts des Druckaufnehmergehäuses, welcher an die Gehäusestirnfläche angrenzt, einen schalenförmigen ersten Dichtungssitz (7) aufweist, der den Dichtring axial und radial abstützt.

2.4 Dieses Merkmal bewirkt, wie der Anspruch selbst angibt, dass der Dichtring axial und radial abgestützt wird (vgl. auch Absatz 0007 der Patentschrift).

2.5 Das Dokument E1 gibt nicht genau an, wie der Sitz des Dichtrings 6 ausgestaltet ist. Aus der Figur 1 ist ersichtlich, dass der Sitz des Dichtrings 6 schalenförmig im Prozessanschluss realisiert ist. Die Wand des Druckaufnehmergehäuses verläuft geradlinig-schräg und weist keinen Dichtungssitz auf. Das Druckaufnehmergehäuse und der Prozessanschluss sind dabei so gestaltet, dass der Totraum im Bereich der Dichtung minimal ist (vgl. Spalte 7, Zeilen 44 - 45).

2.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 löst daher die technische Aufgabe, eine alternative Abstützung für den Dichtring bereitzustellen.

2.7 Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang unter Anderem auf das Dokument E6 verwiesen.

Dokument E6 befasst sich mit der totraumfreien Dichtung von zwei Behälterbauteilen (vgl. Absatz 0006). Es offenbart, dass eine Nut für den Dichtring in jedem der beiden Bauteile vorgesehen sein kann (vgl. Absatz 0007) und neben der Dichtfuge auch noch Ausdehnungsräume für den Dichtring vorgesehen sind (vgl. Absatz 0008). Die Kanten zu der Dichtfuge und zu dem Ausdehnungsraum sind gerundet (vgl. Absätze 0013 und 0016). In den Figuren 3 und 4 ist die Einpassung und Abdichtung eines Rahmens (Bundstutzen 42) eines Schauglases 43 in eine Behälteröffnung 47 gezeigt. Eine O-Ringdichtung 45 befindet sich in einer Nut im Rahmen des Schauglases und wird beim Einschrauben des Rahmens in die Behälteröffnung (Aufnahmefenster 47) des Behälters 48 gegen den Rand der Öffnung gedrückt. Der Fachmann lernt aus Dokument E6, dass der Dichtring auch durch eine schalenförmige Nut in dem einzuschraubenden Teil abgestützt werden kann, ohne dass Toträume entstehen.

2.8 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin unterscheidet sich die beanspruchte Erfindung vom Stand der Technik dadurch, dass

ein erster Mantelflächenabschnitt des Montageabschnitts des Druckaufnehmergehäuses, welcher an die Gehäusestirnfläche angrenze, einen schalenförmigen ersten Dichtungssitz (7) aufweise, der den Dichtring axial und radial abstütze,

wobei die an den Spalt angrenzenden Bereiche der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche zueinander koplanar seien. Das Dokument E1 zeige in der Figur 1 keine koplanare Anordnung der Anschlussflächen. Bei der Figur 1 handele es sich um eine schematische Skizze, bei der die Dimensionen beliebig unklar seien. In Dokument E1 werde die Dichtung 6 auf eine Schräge gedrückt, und die Anordnung der Flächen an dem Spalt sei frontbündig (vgl. Spalte 4, Zeilen 42 - 45). Frontbündig sei etwas anderes als koplanar. Es könne deshalb dem Dokument E1 nicht entnommen werden, dass die Stirnflächen zueinander koplanar seien. Durch die koplanare Anordnung der Stirnflächen am Spalt werde jedoch erfindungsgemäß die Möglichkeit der Reinigung verbessert.

Das Dokument E6 offenbare auch keine koplanare Anordnung der Flächen am Spalt. Der schalenförmige Dichtungssitz für den O-Ring befinde sich zwar gemäß Figur 4 des Dokuments E6 am Bundstutzen 42, der Bundstutzen werde jedoch nicht durch eine Rotation in die Behälteröffnung 47 eingeschraubt, sondern mittels Befestigungsschrauben. Deshalb trete hier beim Einschrauben auch kein Gleiten durch die Rotation am Dichtring auf, wie bei der beanspruchten Erfindung. Ein Dichtring am Drucksensorgehäuse, das durch axiale Rotation in den Prozessanschluss eingeschraubt werde, werde deshalb durch dieses Dokument nicht nahegelegt.

2.9 Diesen Argumenten kann sich die Kammer nicht anschließen. Das Dokument E1 zeigt in der Figur 1 eine Anschlussstirnfläche und eine Gehäusestirnfläche, die zumindest im an den Spalt angrenzenden Bereich koplanar zueinander sind. Einen Winkel oder eine Stufe kann die Kammer zwischen den beiden Flächen nicht erkennen. Auch wenn die Größenordnungen der schematischen Skizze nicht maßstabsgetreu sind, ist jedoch der Skizze zu entnehmen, dass es keinen Winkel oder keine Stufe zwischen den Flächen gibt.

In Dokument E1 wird das Druckaufnehmergehäuse bereits mittels komplementärer Gewindeabschnitte in den Prozessanschluss eingeschraubt, wobei es zu einer Gleitbewegung an dem Dichtring 6 kommt. Der Fachmann würde daher das Einschrauben des Druckaufnehmergehäuses beibehalten, auch wenn er den Dichtring in einem schalenförmigen Dichtsitz an dem Druckaufnehmergehäuse, wie in Dokument E6 gezeigt, anordnet. Dazu sind keine zusätzlichen Maßnahmen erforderlich.

2.10 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Fachmann, ausgehend von Dokument E1, ohne erfinderisch tätig zu werden, die schalenförmige Nut alternativ in dem Gehäuse vorsehen und so zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

3.1 Anspruch 1 verfügt gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zusätzlich über die Merkmale der erteilten Ansprüche 4, 5, 7, 8 und 9.

3.2 Das zusätzliche Merkmal, wonach der erste Dichtungssitz einen ersten gratfreien Übergang zu der Gehäusestirnfläche aufweist (erteilter Anspruch 4) ist aus Dokument E6 bekannt (vgl. Absatz 0016).

Die Merkmale der erteilten Ansprüche 5 und 7, wonach der erste Dichtungssitz einen zweiten Übergang zu dem auf der von der Stirnfläche abgewandten Seite des Dichtungssitzes angrenzenden zweiten Mantelflächenabschnitt des Montageabschnitts aufweist, und wobei der maximale Radius des zweiten Mantelflächenabschnitts größer ist als der maximale Radius des ersten Übergangs, sind auch aus Dokument E6 bekannt (Übergang am Ausdehnungsraum 52 auf die Außenseite des Bundstutzens 42, vgl. Absatz 0035; der Radius von der Symmetrieachse zur Außenseite des Bundstutzens 42 ist größer als der Radius zum Übergang an der Dichtfuge, vgl. Figur 3). Die Relation, dass der minimale Radius der Prozessanschlussöffnung (R3), welcher im Bereich des dritten Übergangs verläuft, kleiner als der maximale Radius des zweiten Übergangs (R2) und größer als der maximale Radius des ersten Übergangs (R1) (erteilter Anspruch 9) ist, ist auch der Figur 3 des Dokuments E6 zu entnehmen. Der Fachmann würde diese Merkmale bei der Kombination der Dokumente E1 und E6 in naheliegender Weise ebenfalls berücksichtigen.

3.3 Das weitere Merkmal, wonach die Anschlussstirnfläche (3) an ihrem der Prozessanschlussöffnung zugewandten Innenrand einen dritten konvexen Übergang zu einem zweiten schalenförmigen Dichtungssitz (8) aufweist, welcher in eine zylindrische Innenwand der Prozessanschlussöffnung übergeht (erteilter Anspruch 8), ist nicht den Figuren 3 und 4 des Dokuments E6 oder der Figur 1 des Dokuments E1 zu entnehmen.

Das Dokument E6 betrifft jedoch allgemein eine Verbindung für medienführende Teile, die in keimfreien Prozessen eingesetzt werden soll (vgl. Absätze 0001 und 0002). Dokument E6 führt weiter aus, dass die Verbindung sich generell dadurch auszeichnet, dass der Dichtungskanal von der unverformten Querschnittsform des Dichtringes abweichende Ausdehnungsräume aufweist. Der Dichtungskanal umschließt den Dichtring weitgehend und setzt sich aus Dichtflächen beider medienführender Teile zusammen. Der Dichtungskanal kann dabei als eine Art Nut in jedem der Teile ausgebildet sein. Insbesondere ist an jedem der beiden medienführenden Teile eine solche Nut ausgebildet, die beim Zusammenfügen der beiden Teile den Dichtungskanal bildet (vgl. Absatz 0007). Es folgen im Weiteren zwei Ausführungsbeispiele gemäß der Figuren 1, 2 und 5 sowie der Figuren 3 und 4. Bei dem Ausführungsbeispiel der Figuren 1, 2 und 5 ist eine schalenförmige Nut in beiden zu verbindenden Teilen gezeigt, wohingegen in dem Ausführungsbeispiel der Figuren 3 und 4 nur eine schalenförmige Nut an dem einzuschraubenden Bundstutzen gezeigt ist. An dem Behälter 48 befindet sich lediglich eine Schräge.

3.4 Der Fachmann entnimmt dem Dokument E6 jedoch nicht nur die Ausführungsbeispiele, sondern auch die allgemeine Lehre des Dokuments. Zwar ist in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 3 und 4 die schalenförmige Nut 50 nur in dem Bundstutzen 42 gezeigt, aber der Fachmann entnimmt dem Dokument E6 auch, dass die Nut in jedem der beiden Teile ausgebildet sein kann. Daher legt das Dokument E6 als Alternative auch eine zweite Nut an dem Behälter 48 nahe. Diese Alternative mit einem zweiten schalenförmigen Dichtungssitz am Behälter übernimmt der Fachmann bei einer Suche nach einer Lösung der oben genannten Aufgabe in naheliegender Weise, indem er neben der schalenförmigen Nut am Gehäuse 2 an dem Prozessanschluss (Flansch 7) aus Dokument E1 eine zweite schalenförmige Nut für den Dichtungsring vorsieht.

3.5 Die Beschwerdegegnerin war in der mündlichen Verhandlung der Meinung, dass ein zweiter schalenförmiger Sitz nicht dem Dokument E6 zu entnehmen oder durch dieses Dokument nahegelegt sei. Dieser zweite schalenförmige Sitz ermögliche eine präzise spaltfreie Dichtung. In dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 in Dokument E6 gebe es zwar zwei schalenförmige Dichtungssitze, aber diese ließen sich nicht auf das Ausführungsbeispiel der Figuren 3 und 4 übertragen. In dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 würden zwei Rohre in axialer Richtung mit einer Überwurfmutter verbunden, und der Dichtring befinde sich zwischen den zwei Rohren. In den Rohren gäbe es keine koplanare Flächen, da die Rohre gekrümmt und die Radien der Übergänge bezüglich der Symmetrieachse der Rohre gleich seien. Das Dokument E3 zeige in den Figuren 12 und 14 nichts anderes.

In Dokument E6, bei dem Ausführungsbeispiel der Figuren 3 und 4, hingegen werde der Bundstutzen 42 in die Behälteröffnung 47 eingeschoben. Dabei sei eine Schräge einfach herzustellen und erlaube ein Positionierung des Dichtrings an dem Spalt. Auch in Dokument E1 sei eine Schräge offenbart, gegen die der Dichtring gedrückt werde. Der Fachmann würde die zwei schalenförmigen Dichtungssitze aus dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 des Dokuments E6 nicht auf die völlig andere Situation des Ausführungsbeispiels der Figuren 3 und 4 übertragen.

Die allgemeine Lehre in Absatz 0007 des Dokuments E6 enthalte die Einschränkung "kann". Daher sei für den Fachmann klar, dass eine zweite schalenförmige Nut nur dort eingesetzt werden könne, wo es sinnvoll sei. Nach der Lehre des Dokuments E6 seien zwei schalenförmige Nute nur bei dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 praktikabel, nicht jedoch bei dem Ausführungsbeispiel der Figuren 3 und 4.

Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von Dokument E1 unter Berücksichtigung der Lehre des Dokuments E6 nicht nahegelegt.

3.6 Die Kammer hält die Argumente der Beschwerdegegnerin nicht für überzeugend. Absatz 0007 des Dokuments E6 befasst sich ganz allgemein mit den Merkmalen der offenbarten Verbindung, ohne Bezug auf ein Ausführungsbeispiel. Es wird allgemein beschrieben, wie der Dichtungskanal ausgeführt wird (der Dichtungskanal umschließt den Dichtring weitgehend und setzt sich aus Dichtflächen beider medienführender Teile zusammen), und dass der Dichtungskanal als je eine Art Nut in jedem der Teile ausgebildet sein kann. Der Fachmann, der dies liest, erkennt beim Betrachten des Ausführungsbeispiels der Figuren 3 und 4 sofort, dass statt der Schräge am Behälter 48 auch eine schalenförmige Nut realisiert werden kann, die den Dichtring 45 teilweise aufnimmt, wenn die beiden Teile zusammengefügt werden. Nichts in Dokument E6 hindert ihn daran, dies in Erwägung zu ziehen und eine entsprechend geformte Nut zu realisieren.

3.7 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4. Hilfsantrag 2 - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

4.1 Anspruch 1 hat gegenüber dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die zusätzlichen Merkmale:

a) "wobei in Ebenen entlang der Zylinderachse der erste Dichtungssitz konkav verläuft und der erste und der zweite Übergang konvex verlaufen",

b) "wobei die Differenz zwischen dem minimalen Radius der Prozessanschlussöffnung und dem maximalen Radius des ersten Übergangs nicht mehr als die halbe Materialstärke des Dichtungsrings beträgt,

wobei die Differenz zwischen dem minimalen Radius der Prozessanschlussöffnung und dem maximalen Radius des ersten Übergangs nicht weniger als ein Sechstel der Materialstärke des Dichtungsrings beträgt".

Das erste Merkmal a) definiert lediglich, das der erste schalenförmige Dichtungssitz von zwei konvexen Übergängen umgeben ist. Dieses Merkmal ist auch in der Figur 4 des Dokuments E6 gezeigt (im Schnitt der Figur 4 ist der Dichtungskanal 50 konkav geformt, und die Übergänge am Spalt und zum Ausdehnungsraum 52 sind konvex geformt), und der Fachmann wird dieses Merkmal zwangsläufig realisieren, wenn er den schalenförmigen Dichtungssitz an dem Druckaufnehmergehäuse des Dokuments E1 realisiert.

Das Merkmal b) definiert die minimale und maximale Breite des Spalts zwischen der Anschlussstirnfläche und der Gehäusestirnfläche in Relation zu der Materialstärke des Dichtungsrings.

4.2 Die Beschwerdegegnerin macht in der mündlichen Verhandlung lediglich Ausführungen bezüglich des Merkmals b). Sie führt aus, dass eine Spaltbreite von der Hälfte bis ein Sechstel der Materialstärke des Dichtungsrings für hygienische Anwendungen ein optimales Dichtergebnis liefere. Eine derartige Spaltbreite sei für die erfindungsgemäße Anordnung, bei der ein Druckaufnehmergehäuse in eine Prozessanschlussöffnung eingeschraubt werde, nicht nahegelegt. Keine Norm und kein Dokument offenbarten bei einer derartigen Anordnung zwei schalenförmige Dichtungssitze. Somit sei auch eine Spaltbreite für diese Anordnung nicht nahegelegt. Dies sei ein weiteres Merkmal, das mehr erfordere als das übliche Können des Fachmanns. Weitere Kriterien seien dabei zu berücksichtigen, wie zum Beispiel die Kraft, mit der das Druckaufnehmergehäuse in die Prozessöffnung eingeschraubt werde. Die Kraft dürfe nicht zu groß sein, um ein zu weites Herausquellen des Dichtungsrings bei der gewählten Spaltbreite zu verhindern.

4.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte in der mündlichen Verhandlung, dass die Spaltbreite bei Hygieneanwendungen so gewählt werden müsse, dass der Dichtring den Spalt ausfülle, aber nicht in den Behälterraum hineinrage, da der Dichtungsring sonst beschädigt werden könne und unerwünschte Toträume entstehen könnten. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die Figur 5 des Dokuments E3, wo gezeigt sei, wie Toträume durch einen beschädigten O-Ring entstehen könnten, und auf Dokument E6 (vgl. Absatz 10), wo der Dichtring im Wesentlichen mit den medienführenden Wandungen der Teile fluchte. Eine darüberhinausgehende, unerwartete Wirkung sei für den beanspruchten Bereich nicht offenbart. Die Einschraubtiefe des Druckaufnehmergehäuses sei in der Regel vorgegeben, wie dies beispielsweise in Dokument E1 offenbart sei (vgl. E1, Spalte 8, Zeilen 47 - 53). Somit sei der beanspruchte Bereich der Spaltbreite eine fachübliche Maßnahme, die im übrigen aus der Figur 4 des Dokuments E6 entnehmbar sein müsse, wenn die Dichtung des Dokuments E6 spaltfrei sei und den Hygieneanforderungen genüge (vgl. Schreiben der Beschwerdeführerin vom 10. Dezember 2018, Punkt 5).

4.4 Die Kammer schließt sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin an. Die Verbindungen gemäß Dokument E6, die für hygienische Anwendungen geeignet sind (vgl. Absatz 0006), weisen einen Dichtungskanal auf, der so dimensioniert ist, dass die Oberfläche des sich in Dichtfuge verformenden Teils des Dichtrings im Wesentlichen mit den medienführenden Wandungen der beiden Teile fluchtet (vgl. Absatz 0010). Dies ist beispielsweise auch aus Figur 4 des Dokuments E6 ersichtlich (vgl. Absatz 0035). Die Breite des Spalts muss dafür entsprechend ausgelegt sein. Eine darüberhinausgehende, unerwartete Wirkung ist für den beanspruchten breiten Bereich nicht offenbart. Für den Fachmann ergibt sich aus den in Dokument E6 angegebenen Kriterien die beanspruchte Spaltbreite daher in naheliegender Weise.

4.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Hilfsantrag 3 - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

5.1 Anspruch 1 hat gegenüber dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 das zusätzliche Merkmal, dass "der minimale [sic] Krümmungsradius im ersten bzw. dritten konvexen Übergang nicht mehr als ein Sechstel der Materialstärke des Dichtungsrings beträgt", und dass "der minimale Krümmungsradius im ersten bzw. dritten konvexen Übergang nicht weniger als ein Zwölftel der Materialstärke des Dichtungsrings beträgt".

5.2 Die Beteiligten waren sich in der mündlichen Verhandlung einig, dass durch das zusätzliche Merkmal ein Krümmungsradius im ersten und dritten konvexen Übergang zwischen einem Sechstel und einem Zwölftel der Materialstärke des Dichtungsrings definiert wird.

5.3 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass diese Radien einen optimalen Kompromiss zwischen Keimfreiheit aufgrund geringer Spalttiefe und der Möglichkeit, dass der Dichtungsring an den scharfen Kanten beschädigt wird, darstellen. Die in Absatz 0016 des Dokuments E6 genannten Radien von 1/20 - 1/3 der Querschnittsabmessung des Dichtrings seien einerseits zu klein, und der Dichtungsring könne beschädigt werden, anderseits ergebe der Wert von 1/3 einen zu tiefen Spalt, der nur schwer ausgefüllt werden könne. Die beanspruchten Werte stellten dagegen die optimalen Werte für den Fall dar, dass das Druckaufnehmergehäuse in den Prozessanschluss eingeschraubt werde.

5.4 Die Beschwerdeführerin hält die Auswahl der beanspruchten Werte für fachübliche Maßnahmen, wenn es darum gehe, dass weder der Dichtungsring durch zu spitze Übergänge verletzt werde noch sich bei einem zu großen Krümmungsradius Spalten bildeten. Irgendwo zwischen diesen Werten liege der optimale Bereich. Das Dokument E6 offenbare in Absatz 0016 bereits Radien von 1/20 - 1/3, vorzugsweise 1/10 - 1/5 des Querschnitts des Dichtungsrings. Die beanspruchte Auswahl liege nahe an diesem Bereich und müsse als fachübliches Handeln betrachtet werden, das nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

5.5 Die Kammer schließt sich der Meinung der Beschwerdeführerin an. Bereits das Dokument E6 schlägt Radien für die Übergänge vor, die sowohl eine Verletzung des Dichtrings als auch Toträume und Spalten vermeiden (vgl. Absatz 0016 in Verbindung mit Absatz 0010). Für die beanspruchten Bereiche von Radien ist keine darüber hinausgehende Wirkung beschrieben, und die Auswahl dieser Radien ist als übliches Handeln des Fachmanns zu sehen, das nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich somit ausgehend von Dokument E1 in Kombination mit Dokument E6 in naheliegender Weise.

5.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Da der Gegenstand des Anspruchs 1 aller vorliegenden Anträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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