T 0246/15 (Vardenafil enthaltende Arzneimittel / BAYER) of 13.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T024615.20181113
Datum der Entscheidung: 13 November 2018
Aktenzeichen: T 0246/15
Anmeldenummer: 03763695.8
IPC-Klasse: A61K 9/28
A61K 31/53
A61P 15/10
A61K 9/20
C07D 487/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VARDENAFIL HYDROCHLORID TRIHYDRAT ENTHALTENDE ARZNEIMITTEL UND DEREN HERSTELLUNGSVERFAHREN
Name des Anmelders: Bayer Intellectual Property GmbH
Name des Einsprechenden: Zentiva k.s.
Accord Healthcare Ltd
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Hauptantrag und erster Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit (nein)
Zweiter Hilfsantrag - eingereicht in der mündlichen Verhandlung - zugelassen (ja)
Zweiter Hilfsantrag - Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Zweiter Hilfsantrag - Ausreichende Offenbarung (ja)
Zweiter Hilfsantrag - Neuheit (ja)
Zweiter Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1775/19

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 523 303 wurde mit 7 Ansprüchen erteilt, die auf ein Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln enthaltend Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% in fester Form gerichtet sind sowie auf die mittels dieses Verfahrens erhältlichen Arzneimittel in Form von überzogenen Tabletten.

II. Gegen die Erteilung des Patents wurde von zwei Einsprechenden Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit unter Artikel 100 a) EPÜ, unzureichende Offenbarung unter Artikel 100 b) EPÜ sowie unzulässige Erweiterung des Inhalts unter Artikel 100 c) EPÜ angeführt.

Im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurden u.a. die folgenden Beweismittel genannt:

D1: US 6 362 178 B1

D2: Die Tablette. Handbuch der Entwicklung, Herstellung und Qualitätssicherung , W.A. Ritschel, A. Bauer-Brandl, Editio Cantor Verlag, 2. Auflage, Seiten 463, 530, 532

D3: GB 790 762 A

D5: Pharmaceutical Solids: A strategic Approach to Regulatory Considerations, Byrn S. et al. Pharmaceutical Research, Vol. 12, No. 7, 1995, Seiten 945-954

D7e: Remington: The Science and Practice of Pharmacy, Philadelphia College of Pharmacy and Science, 19th edition, 1995, Seiten 1650-1659

D17: WO 2004/006894 A1 (ursprünglich eingereichter Anmeldetext des Streitpatents)

D22: Europäisches Arzneibuch, 7. Auflage, 2013, Seiten 736 bis 738

D25: Raman-mikrospektroskopische Analyse von Vardenafil HCl 20 mg und 5 mg Tabletten (Levitra®)

III. Die Beschwerden der Einsprechenden 01 (nachfolgend Beschwerdeführerin 01) und der Einsprechenden 02 (nachfolgend Beschwerdeführerin 02) richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2014 eingereichten Hauptantrags aufrechtzuerhalten.

IV. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 dieses Hauptantrags lauteten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln enthaltend Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% in fester Form als überzogene Tablette, dadurch gekennzeichnet, dass

a) bei der Herstellung des Arzneimittels Vardenafil Hydrochlorid mit beliebigem Wassergehalt eingesetzt wird,

b) auf einer Verarbeitungszwischenstufe oder im Endprodukt das Vardenafil Hydrochlorid in die Trihydratform überführt wird indem die Verarbeitungszwischenstufe oder das Endprodukt so lange mit befeuchtetem Gas in Kontakt gebracht werden, bis sich zu mindestens 90 Mol-% das Trihydrat gebildet hat."

"6. Überzogene Tabletten, erhältlich nach dem Verfahren gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 5."

V. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, dass der

Hauptantrag den Erfordernissen der Ausführbarkeit sowie der Artikel 123 (2), 54 und 56 EPÜ genüge. Des Weiteren ließ sie Dokument D25 in das Verfahren zu.

Insbesondere führte die Einspruchsabteilung folgendes in ihrer Entscheidung aus:

a) Das Merkmal des Trihydrat-Gehalts von mindestens 90

Mol-% in Verbindung mit der

Verarbeitungszwischenstufe gemäß Schritt b) von

Anspruch 1 stelle keinen Verstoß gegen Artikel

123 (2) EPÜ dar. Auch das zusätzliche Merkmal des

Anspruchs 2 finde Basis auf Seite 3, Zeilen 9 bis

20 der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung.

b) Der beanspruchte Gegenstand erfülle die

Erfordernisse der Ausführbarkeit. Insbesondere

sei eine Messmethode zur quantitativen Bestimmung

des Trihydrat-Gehalts des Vardenafil Hydrochlorids

in den beanspruchten Tabletten hinreichend im

Streitpatent offenbart.

c) Der beanspruchte Gegenstand erfülle die

Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ. Insbesondere

offenbare D1 keine Tabletten gemäß Anspruch 6,

geschweige denn Verfahrensschritt b) von Anspruch

1.

d) Ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der

Technik bestünde die objektive technische Aufgabe

in der Bereitstellung eines Verfahrens für die

Herstellung von Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat

enthaltenden überzogenen Tabletten, welche

reproduzierbar seien, eine schnellere Zerfallszeit,

eine homogene Freisetzungskinetik sowie eine

geringe Streuung der Bioverfügbarkeit aufweisen.

Die gemäß dem Hauptantrag vorgeschlagene Lösung sei

durch den von den Einsprechenden herangezogenen

Stand der Technik nicht nahegelegt.

VI. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legten beide Beschwerdeführerinnen Beschwerde ein. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin 01, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Des Weiteren reichte sie folgende Beweismittel ein:

D1a: EP 1 049 695 B1

D26: Jay M. Young "Vardenafil", Expert Opin. Investig. Drugs (2002) 11 (10): Seiten 1487 bis 1496

D27: WO 02/50076 A2

Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin 02 ebenfalls, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Des Weiteren reichte sie u.a. folgende Beweismittel ein:

D28: WO 2014/040577

D29: Versuchsbericht "ICIQ S122-2015 # 02" von

Crysforma

D30: Europäisches Arzneibuch 5.0, Seiten 79 bis 80,

veröffentlicht 1/2005

D32: Versuchsbericht über die Details der Herstellung

und Lagerung von Vergleichstabletten enthaltend

Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat und Tests

über die Zerfallszeit

D36: Helmut Haning et al. "Imidazo[5,1-f][1,2,4]triazin-4(3H)-ones, a new class of potent PDE 5 inhibitors", Bioorganic and Medicinal Chemistry Letters 12 (2002), Seiten 865 bis 868

VII. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom 28. August 2015 beantragte die Patentinhaberin (nachfolgend Beschwerdegegnerin), die Beschwerden zurückzuweisen und das Patent im Umfang des Hauptantrags vom 21. August 2014, hilfsweise im Umfang der Hilfsanträge 1 bis 10, ebenfalls eingereicht mit Eingabe vom 21. August 2014, aufrechtzuerhalten.

VIII. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 (Beschwerdeführerin 01) und 15. Oktober 2018 (Beschwerdeführerin 02) nahmen die Beschwerdeführerinnen Stellung zu den in der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin aufgeführten Argumenten betreffend Neuheit und erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands.

IX. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 17. Oktober 2018 erläuterte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung.

X. Mit Schriftsatz vom 2. November 2018 stellte die Beschwerdegegnerin klar, dass sie das einspruchsbefangene Patent im vor der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Umfang weiterverfolgte. Des Weiteren reichte sie einen neuen Hilfsantrag ein, gekennzeichnet als erster Hilfsantrag, der nach dem Hauptantrag und vor den bereits eingereichten Hilfsanträgen anzuordnen sei. Zusätzlich nahm die Beschwerdegegnerin Stellung zu der vorläufigen Meinung der Kammer sowie zu der Eingabe der Beschwerdeführerin 02 vom 15. Oktober 2018.

XI. Die mündliche Verhandlung fand am 13. November 2018 in Anwesenheit aller Parteien statt. In dieser Verhandlung nahm die Beschwerdegegnerin die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge zurück, und reichte einen neuen zweiten Hilfsantrag ein.

XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerinnen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag und erster Hilfsantrag

Anspruch 6 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D1 einzig und allein in der Darreichungsform des Vardenafil Hydrochlorid Trihydrats (i.e. überzogene Tabletten). Der beanspruchte Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-%, indes, sei nicht Bestandteil des Unterscheidungsmerkmals gegenüber D1, da gemäß D7e (siehe hierzu insbesondere den die Seiten 1650 und 1651 übergreifenden Absatz) die zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents üblichen Verfahren zum Überziehen von Tabletten auch die Kompressionsbeschichtung mit einschließen. Letztere umfasse im Gegensatz zu dem im Streitpatent offenbarten Lackierungsverfahren keinen Trocknungsschritt, so dass unter Verwendung diese Verfahrens keine Abnahme des Trihydrat-Gehalts unterhalb der Mindestgrenze von 90 Mol-% zu verzeichnen sei.

Da mit dem Unterscheidungsmerkmal keine besondere technische Wirkung einhergehe, bestehe die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung einer geeigneten Darreichungsform für das Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat. Die vorgeschlagene Lösung, i.e. die Auswahl von überzogenen Tabletten als Darreichungsform für das Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat, sei naheliegend im Lichte des allgemeinen Fachwissens, belegt u.a. durch D7e. Des Weiteren sei die Darreichungsform der überzogenen Tabletten explizit in Spalte 32, Zeile 9 der D1 genannt.

Im Übrigen sei Anspruch 6 auch dann nicht erfinderisch, selbst wenn der beanspruchte Trihydrat-Gehalt Bestandteil des Unterscheidungsmerkmals gegenüber D1 wäre. Der Grund hierfür sei, dass die gemäß den in D1 genannten üblichen Verfahren hergestellten überzogenen Tabletten zwangsläufig nach einer gewissen Zeit den beanspruchten Trihydrat-Gehalt aufwiesen, indem sie lediglich den üblichen Umgebungsbedingungen ausgesetzt würden, bzw. den in der pharmazeutischen Herstellung vorgeschriebenen Stabilitätstests unterworfen würden.

b) Zweiter Hilfsantrag

i) Zulässigkeit

Dieser Antrag sei nicht zulässig, da er verspätet sei. Insbesondere hätten die Beschwerdeführerinnen Anspruch 6 bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens unter Artikel 54 und 56 EPÜ beanstandet.

ii) Artikel 123 (2) EPÜ

Das Merkmal des Anspruchs 1 "bis sich zu mindestens 90 Mol-% das Trihydrat gebildet hat" in Verbindung mit der Verarbeitungszwischenstufe stelle einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar, insbesondere im Kontext eines Verfahrens zur Herstellung von überzogenen Tabletten.

Des Weiteren stelle das Weglassen des Merkmals der geeigneten Anlagen in Anspruch 2 einen weiteren Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar.

iii) Ausführbarkeit

Das Streitpatent sei unzureichend offenbart mangels Beleg für die Herstellung der beanspruchten Tabletten über die gesamte Breite des Anspruchs 1. Auch sei eine

aussagekräftige quantitative Bestimmung des

Mindesttrihydrat-Gehalts von 90 Mol-% mittels der im Streitpatent verwendeten Methode der FT Raman Spektroskopie in der Realität nicht möglich. Schließlich sei das beanspruchte Verfahren nur für Tabletten mit bestimmten Hilfsstoffen nacharbeitbar, wie insbesondere D28 belege.

iv) Artikel 54 EPÜ

D1 allein bzw. in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, belegt durch D2, nehme die Neuheit des Anspruchs 1 vorweg. Insbesondere werde Verfahrensschritt b) implizit in D1 offenbart, da der Fachmann diesen zwangsläufig während der Herstellung, Kontrolle und Lagerung der überzogenen Tabletten ausführen würde.

v) Artikel 56 EPÜ

Verfahrensschritt b) von Anspruch 1 bilde den einzigen Unterschied zum nächstliegenden Stand der Technik D1. Die objektive technische Aufgabe sei die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung von Arzneimitteln enthaltend Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% in fester Form als überzogene Tablette. Die vorgeschlagene Lösung gemäß Anspruch 1 sei naheliegend aufgrund der Tatsache, dass der Fachmann zwangsläufig während und unmittelbar nach der Herstellung der überzogenen Tabletten bestimmte Tests durchführen werde, die in der pharmazeutischen Herstellung vorgeschrieben seien, und deren Versuchsbedingungen sich komplett mit den im Streitpatent genannten bevorzugten Bedingungen überschnitten. Folglich würde der Fachmann unweigerlich die beanspruchte Rehydratisierung durchführen, so dass Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit aufweise.

Des Weiteren sei Anspruch 1 naheliegend ausgehend von D36 als nächstliegendem Stand der Technik.

XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag und erster Hilfsantrag

Anspruch 6 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D1 dadurch, dass eine überzogene Tablette für das Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat vorgesehen sei, und dass der Trihydrat-Gehalt mindestens 90 Mol-% betrage. Die mit diesem Unterschied einhergehenden technischen Wirkungen

seien eine reproduzierbare Zusammensetzung, physikalische Stabilität, eine geringe Zerfallszeit, eine schnelle Wirkstofffreisetzung und eine geringe Streuung der Bioverfügbarkeit. Die objektive Aufgabe sei somit darin zu sehen, überzogene Vardenafil Hydrochlorid Tabletten mit diesen Eigenschaften bereitzustellen. Die vorgeschlagene Lösung, i.e. die Tabletten gemäß Anspruch 6, sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

b) Zweiter Hilfsantrag

i) Zulässigkeit

Dieser Antrag stelle keinen neuen Sachverhalt dar. Hingegen sei die Diskussion über die im Stand der Technik üblichen Verfahren zum Überziehen von Tabletten erst in der mündlichen Verhandlung geführt worden, so dass der zweite Hilfsantrag als legitime Reaktion hierauf zuzulassen sei.

ii) Artikel 123 (2) EPÜ

Die Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung offenbare das Merkmal "bis sich zu mindestens 90 Mol-% das Trihydrat gebildet hat" in direktem Zusammenhang mit der Verarbeitungszwischenstufe, inklusive im Kontext der Herstellung von Arzneimitteln in Form von überzogenen Tabletten. Des Weiteren stelle das Weglassen des Merkmals der geeigneten Anlagen in Anspruch 2 keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar, da dieses in der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unspezifisch definiert werde.

iii) Ausführbarkeit

Die Beweislast dafür, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über dessen gesamte Breite ausführbar sei, liege bei den Beschwerdeführerinnen. Jedoch hätten diese keinen entsprechenden Beleg geliefert. Des Weiteren sei die im Streitpatent verwendete Methode der FT Raman Spektroskopie zur quantitativen Bestimmung des

Mindesttrihydrat-Gehalts von 90 Mol-% geeignet, wie insbesondere das Streitpatent selbst, die zusätzlichen, am 2. Oktober 2014 eingereichten Versuchsdaten und die Daten der D29 zeigten. Schließlich ginge der sich auf D28 stützende Einwand in die Leere, da D28 ausschließlich Stress-Test Bedingungen erwähne, welche bei der Herstellung und Lagerung von pharmazeutischen Tabletten nicht angewendet würden.

iv) Artikel 54 EPÜ

D1 offenbare keine überzogenen Vardenafil Hydrochlorid Tabletten mit dem beanspruchten Trihydrat-Gehalt, so dass D1 bereits aus diesem Grunde den beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich vorwegnehme.

v) Artikel 56 EPÜ

Ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik bestünde die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von überzogenen Tabletten enthaltend Vardenafil Hydrochlorid, welche reproduzierbar und physikalisch stabil seien, sowie eine geringe Zerfallszeit, eine schnelle Wirkstofffreisetzung und eine geringe Streuung der Bioverfügbarkeit aufwiesen. Die vorgeschlagene Lösung gemäß Anspruch 1 sei erfinderisch, da es keinerlei Hinweis im Stand der Technik gebe, zwecks Lösung der objektiven Aufgabe eine Rehydratisierung gemäß Verfahrensschritt b) von Anspruch 1 durchzuführen.

Im Übrigen sei der beanspruchte Gegenstand auch dann erfinderisch, selbst wenn die objektive technische Aufgabe lediglich die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung von Arzneimitteln enthaltend Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% in fester Form als überzogene Tablette sei. Insbesondere hätte der Fachmann in Kenntnis der Tatsache, dass der Trihydrat-Gehalt des Vardenafil Hydrochlorids in den Tabletten nach dem Verfahrensschritt des Überziehens weniger als 90 Mol-% betrage, keinen Anreiz gehabt, dennoch mit bestimmten, vorgeschriebenen Stabilitätstests fortzufahren, sondern hätte stattdessen eine andere Darreichungsform gewählt, um die objektive Aufgabe zu lösen.

XIV. Anträge:

Die Beschwerdeführerinnen 01 und 02 beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung (Hauptantrag), sowie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 2. November 2018, oder des Hilfsantrags 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ - Produktanspruch 6

1.1 Einleitende Bemerkungen zu dem beanspruchten Gegenstand

Der Gegenstand des Anspruchs 6 ist auf überzogene Tabletten gerichtet, welche mittels der Verfahrensmerkmale der Ansprüche 1 bis 5 definiert sind, d.h. es handelt sich bei dem beanspruchten Gegenstand um ein mittels seines Herstellungsverfahrens definiertes Erzeugnis (i.e. ein sogenannter "Product-by-Process" Anspruch).

Solch ein Anspruch ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern nur dann patentierbar, wenn das Erzeugnis als solches die Erfordernisse der Patentierbarkeit des EPÜ einschließlich der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit erfüllt. Dies bedeutet, dass im Falle des vorliegenden Anspruchs 6 eine erfinderische Tätigkeit nur auf Merkmale des beanspruchten Erzeugnisses als solches begründet werden kann, welche das Erzeugnis als solches vom nächstliegenden Stand der Technik unterscheiden. Merkmale hingegen, die das Verfahren zur Herstellung des Erzeugnisses betreffen, können nicht als unterscheidende Merkmale berücksichtigt werden,

ausgenommen sie selbst führen zu einem am Erzeugnis feststellbaren Unterschied.

1.2 Nächstliegender Stand der Technik

1.2.1 Sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Parteien

haben D1 als nächstliegenden Stand der Technik

betrachtet. Die Kammer ist der gleichen Auffassung.

1.2.2 D1 offenbart u.a. den Wirkstoff Vardenafil Hydrochlorid

Trihydrat als solchen (siehe Spalte 26 und Spalte 261,

Beispiel 336).

1.3 Unterschied(e) des beanspruchten Erzeugnisses gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik

1.3.1 Da Anspruch 6 ein Product-by-Process Anspruch ist (siehe Punkt 1.1 oben), gilt es zunächst einmal zu ermitteln, welche technischen Merkmale das beanspruchte Erzeugnis besitzt.

Nach Auffassung der Kammer weisen die beanspruchten Tabletten folgende technischen Merkmale auf:

a) sie umfassen einen Überzug;

b) sie enthalten Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% (nachfolgend Merkmal "Trihydrat-Gehalt").

Dieser Punkt wurde von keiner der Beteiligten bestritten.

1.3.2 Des Weiteren ist unbestritten, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 6 von dem nächstliegenden Stand der Technik mindestens dadurch unterscheidet, dass eine überzogene Tablette für den konkreten Wirkstoff Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat vorgesehen ist.

1.3.3 Der Beschwerdegegnerin zufolge ist das oben unter Punkt 1.3.2 genannte Merkmal untrennbar mit dem Merkmal "Trihydrat-Gehalt" verbunden, so dass die Kombination beider Merkmale den Unterschied gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik bildeten. Der Grund hierfür läge insbesondere darin, dass alle dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents allgemein bekannten Verfahren zur Herstellung überzogener Tabletten einen Trocknungsschritt umfassten zwecks Entfernung des in dem Überzugmaterial enthaltenen Lösemittels. Dieser Trocknungsschritt bewirkte im Falle der Herstellung von Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat-haltigen Tabletten zwangsläufig eine Abnahme des ursprünglichen Trihydrat-Gehalts unterhalb der beanspruchten Untergrenze von 90 Mol-%, so dass der Fachmann, ausgehend von der Lehre der D1, immer und ohne Ausnahme zu überzogenen Tabletten mit einem Trihydrat-Gehalt von weniger als 90 Mol-% gelangen würde. Zur Stützung ihrer Aussage verwies die Beschwerdegegnerin u.a. auf die Beispiele 3 und 6 des Streitpatents.

1.3.4 Folglich ist zu erörtern, ob es im Stand der Technik ein bekanntes Verfahren gibt, mittels dessen ausgehend von dem in D1 offenbarten Wirkstoff Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat per se überzogene Tabletten mit einem Vardenafil Hydrochlorid Gehalt von mindestens 90 Mol-% hergestellt werden können.

Für das im Streitpatent konkret beschriebene Lackierungsverfahren trifft dies nicht zu, wie insbesondere das Vergleichsbeispiel 1 des Streitpatents glaubhaft zeigt.

Jedoch ist dies nicht das einzige übliche Verfahren zum Überziehen von wirkstoffhaltigen festen pharmazeutischen Darreichungsformen, wie insbesondere D7e lehrt. Dieses Dokument ist ein Auszug aus einem pharmazeutischen Lehrbuch und spiegelt somit das allgemeine Fachwissen des Fachmanns auf dem Gebiet der Pharmazie wider. Konkret offenbart es vier allgemein bekannte Verfahren zum Überziehen von Tabletten einschließlich der Kompressionsbeschichtung (siehe den die Seiten 1650 und 1651 übergreifenden Absatz der D7e). Letztere ermöglicht die Kompaktierung eines trockenen Überzugs um den Tablettenkern herum. Ein maßgeblicher Vorteil dieses Verfahrens ist der Verzicht auf jegliches Lösungsmittel, ob wässrig oder organisch (siehe den vierten vollständigen Absatz der ersten Spalte der Seite 1651 der D7e). Folglich findet bei der Herstellung überzogener Tabletten nach diesem Verfahren keine Trocknung statt, so dass der Fachmann ausgehend von dem Wirkstoff per se, i.e. Vardenafil Hydrochlorid mit einem hundertprozentigen Trihydrat-Gehalt gemäß Beispiel 336 der D1, unter Verwendung des Verfahrens der Kompressionsbeschichtung Vardenafil Hydrochlorid-haltige Tabletten erhalten würde, welche sich durch einen im wesentlichen unveränderten, und damit oberhalb der Untergrenze von mindestens 90 Mol-% liegenden Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat-Gehalt kennzeichnen. Entsprechend ist das Merkmal Trihydrat-Gehalt nicht untrennbar mit dem oben unter Punkt 1.3.2 genannten Merkmal verbunden, sondern als separates Merkmal anzusehen, das bereits in Beispiel 336 der D1 offenbart ist. Somit bildet lediglich das oben unter Punkt 1.3.2 genannte Merkmal einen Unterschied gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik.

1.3.5 Unter Bezugnahme auf D22 und Absatz [0019] des Streitpatents bestritt die Beschwerdegegnerin, dass nach dem Verfahren der Kompressionsbeschichtung hergestellte Tabletten überzogene Tabletten im Sinne der Pharmakopöe seien.

1.3.6 Jedoch kann die Kammer den Standpunkt der Beschwerdegegnerin nicht teilen. Die in der Pharmakopöe gegebene Definition des Begriffs "überzogene Tabletten" zielt zwar prinzipiell auf Tabletten ab, die mittels eines einen Trocknungsschritt beinhaltenden Verfahrens hergestellt werden, jedoch schließt sie durch Kompressionsbeschichtung hergestellte Tabletten nicht aus (siehe hierzu insbesondere die Begriffe "normalerweise" und "z.B." auf Seite 3, Zeilen 13 und 15). Bestätigt wird dies indes auch durch die Lehre des pharmazeutischen Lehrbuches D7e, welches die Kompressionsbeschichtung explizit als eines der Verfahren zum Überziehen von festen pharmazeutischen Darreichungsformen beschreibt (siehe den die Seiten 1650 und 1651 übergreifenden Absatz).

1.3.7 Die Beschwerdegegnerin argumentierte weiterhin, dass selbst wenn die Kompressionsbeschichtung zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bereits ein allgemein bekanntes Verfahren zum Überziehen von Tabletten war, dies im vorliegenden Fall gleichwohl ohne Bedeutung sei in Ermangelung eines Nachweises der Beschwerdeführerinnen dafür, dass mittels dieses Verfahrens auch konkret solche Tabletten mit einem Überzug versehen werden können, die als Wirkstoff Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat enthalten und nach Aufbringen des Überzugs einen Mindesttrihydrat-Gehalt des Vardenafil Hydrochlorids von 90 Mol-% aufweisen. In diesem Zusammenhang räumte die Beschwerdegegnerin ein, dass ihr als Patentinhaberin im Falle eines Product-by-Process Anspruchs zwar grundsätzlich die Beweispflicht dafür obliege, dass solch ein Anspruch den Erfordernissen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit genüge, jedoch sei sie dieser Pflicht hinreichend nachgekommen. So habe sie bereits in den Beispielen 3 und 6 des Streitpatents entsprechende Belege hinsichtlich des allgemein bekannten Lackierungsverfahrens geliefert, während die Beschwerdeführerinnen umgekehrt keinen einzigen Nachweis dafür geliefert hätten, dass andere Verfahren zum Überziehen von Tabletten nicht mit einem Abfall des Trihydrat-Gehalts unter 90 Mol-% einhergingen. Die Beweispflicht einer Patentinhaberin im Falle eines Product-by-Process Anspruches dahingehend auszulegen, dass diese den Nachweis dafür liefern müsse, dass sämtliche Verfahren aus dem Stand der Technik nicht zu dem beanspruchten Erzeugnis führen, sei unverhältnismäßig und damit nicht gerechtfertigt, da es einer Patentinhaberin so gut wie nie möglich sei, solch einen Nachweis zu erbringen, so dass ein Product-by-Process Anspruch praktisch nie den Erfordernissen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit genügen würde.

1.3.8 Jedoch vermag auch dieses Argument die Kammer im vorliegenden Falle nicht überzeugen. Dem Fachmann waren allgemein zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents nur insgesamt vier Verfahren zum Überziehen von festen pharmazeutischen Darreichungsformen bekannt (siehe den die Seiten 1650 und 1651 übergreifenden Absatz der D7e), von denen lediglich die Kompressionsbeschichtung auf Lösungsmittel verzichtet und somit keinen Trocknungsschritt zwecks Entfernung dieser Mittel benötigt. Folglich ist die Kompressionsbeschichtung das einzige allgemein bekannte Verfahren, welches sich überhaupt für die Herstellung der beanspruchten Tabletten eignet, so dass die Beschwerdegegnerin lediglich in Bezug auf dieses Verfahren den Nachweis dafür hätte liefern müssen, dass unter Verwendung dieses Verfahrens die beanspruchten Tabletten nicht hergestellt werden können. Die Kammer ist sich bewusst, dass das Erbringen dieses Nachweises mit einem zusätzlichen Aufwand für die Beschwerdegegnerin verbunden ist, jedoch hält die Kammer diesen für nicht unzumutbar, da die Kompressionsbeschichtung zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatent ein bereits allgemein bekanntes Verfahren war (siehe D7e).

In Ermangelung dieses Nachweises erachtet die Kammer die von der Beschwerdegegnerin erbrachten Belege im Streitpatent bezüglich des Lackierungsverfahrens für nicht ausreichend, um einen Übergang der Beweislast auf die Beschwerdeführerin begründen zu können.

Zusammenfassend ist die Kammer somit der Überzeugung, dass unter Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argumente das Merkmal Trihydrat-Gehalt dennoch keinen Unterschied zu dem nächstliegenden Stand der Technik zu bilden vermag, so dass das oben unter Punkt 1.3.2 genannte Merkmal den einzigen Unterschied gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

1.4 Objektive technische Aufgabe

1.4.1 Als Grundlage für die Definition der objektiven

technischen Aufgabe ist im Rahmen des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes zunächst festzustellen, welche technische Wirkung durch das Unterscheidungsmerkmal über die gesamte Breite des Anspruchs 6 erzielt wird.

1.4.2 Die Beschwerdegegnerin berief sich in diesem

Zusammenhang auf folgende technische Effekte:

a) reproduzierbare Zusammensetzung

b) physikalische Stabilität

c) geringe Zerfallszeit

d) schnelle Wirkstofffreisetzung

e) geringe Streuung der Bioverfügbarkeit.

Als Beleg für diese technischen Wirkungen verwies die Beschwerdegegnerin u.a. auf die Beispiele 2 bis 5 des Streitpatents, und argumentierte, dass diese auf das Merkmal des Verfahrensschritts b) von Anspruch 1, bzw.

auf den daraus resultierenden Trihydrat-Gehalt von

mindestens 90 Mol-% in der Tablette zurückzuführen seien (siehe Punkt 11.4 ff. und 11.5 ff. der Beschwerdeerwiderung).

1.4.3 Jedoch ist das Merkmal des Trihydrat-Gehalts aus den vorstehend genannten Gründen kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik, so dass die von der Beschwerdegegnerin angeführten technischen Wirkungen nicht für die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe berücksichtigt werden können.

In Bezug auf das unter Punkt 1.3.2 genannte Unterscheidungsmerkmal hingegen hat die Beschwerdegegnerin keine besondere technische Wirkung geltend gemacht. Auch die Kammer kann dem Streitpatent gegenwärtig keine besondere technische Wirkung hinsichtlich dieses Merkmals entnehmen, so dass die objektive technische Aufgabe ausgehend von D1 in der Bereitstellung einer geeigneten Darreichungsform für das Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat besteht.

1.5 Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung

1.5.1 Die gemäß Anspruch 6 vorgeschlagene Lösung dieser Aufgabe besteht darin, überzogene Tabletten als Darreichungsform für das Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat auszuwählen. Dabei handelt es sich um eine allgemein bekannte, übliche Arzneiform (siehe D7e, Seite 1650). Des Weiteren offenbart D1 explizit in Spalte 32, Zeilen 6 bis 12, dass die darin beschriebenen Verbindungen zu unterschiedlichen Darreichungsformen, darunter überzogene Tabletten, verarbeitet werden können. Folglich wäre es aufgrund dieser Lehren für den mit der objektiven Aufgabe befassten Fachmann naheliegend, überzogene Tabletten als Darreichungsform für den Wirkstoff Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat auszuwählen, so dass Anspruch 6 nicht den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ genügt.

1.5.2 Demzufolge erfüllt der Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

Erster Hilfsantrag

2. Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ - Produktanspruch 6

2.1 Anspruch 6 dieses Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 6 des Hauptantrags lediglich dadurch, dass er explizit Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% als Bestandteil der beanspruchten Tabletten nennt. Folglich finden die zu Anspruch 6 des Hauptantrags angestellten Erwägungen zu Artikel 56 EPÜ entsprechend auf Anspruch 6 des ersten Hilfsantrags Anwendung, da der Gegenstand dieser beiden Ansprüche identisch ist.

2.2 Dementsprechend erfüllt der erste Hilfsantrag ebenfalls nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

Zweiter Hilfsantrag

3. Zulassung des zweiten Hilfsantrags

Dieser Antrag ist von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung eingereicht worden, so dass dessen Zulässigkeit ins Verfahren im Ermessen der Kammer liegt (Artikel 13 VOBK). Die Ansprüche dieses Hilfsantrags sind mit denen des Hauptantrags identisch, mit der Ausnahme, dass Anspruch 6 des Hauptantrags gestrichen worden ist.

Nach Auffassung der Kammer stellt diese Änderung einen legitimen Versuch seitens der Beschwerdegegnerin dar, den erhobenen Einwand unter Artikel 56 EPÜ zu beheben ohne die Komplexität des Falles zu erhöhen. Folglich lässt die Kammer den zweiten Hilfsantrag in Ausübung ihres Ermessens gemäß dem Artikel 13 VOBK in das Verfahren zu.

4. Änderungen - Artikel 123(2) EPÜ

4.1 Anspruch 1

4.1.1 Anspruch 1 ist auf ein Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln enthaltend Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% in fester Form gerichtet, welches unter anderem in Verfahrensschritt b) die Alternative umfasst, dass das Vardenafil Hydrochlorid auf einer Verarbeitungszwischenstufe in die Trihydratform überführt wird, indem die Verarbeitungszwischenstufe so lange mit befeuchtetem Gas in Kontakt gebracht wird, bis sich zu mindestens 90 Mol-% das Trihydrat gebildet hat (nachfolgend "Alternative 1").

4.1.2 Die dem Streitpatent zugrundeliegende Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung (D17) offenbart allgemein ein Verfahren zur Herstellung von

Arzneimitteln enthaltend Vardenafil Hydrochlorid im

wesentlichen als Trihydrat in fester Form, in

welchem das Vardenafil Hydrochlorid auf einer

Verarbeitungszwischenstufe in die Trihydratform

überführt wird, indem die Verarbeitungszwischenstufe so

lange mit befeuchtetem Gas in Kontakt gebracht wird,

bis sich im Wesentlichen das Trihydrat von Vardenafil

Hydrochlorid gebildet hat (siehe Seite 1, Zeilen 3 bis

4; Seite 3, Zeilen 4 bis 7 und Anspruch 1 von D17). Das

Vardenafil Hydrochlorid in den fertigen Arzneimitteln

besteht dabei vorzugsweise zu mindestens 90 Mol-% aus

der Trihydratform (siehe Seite 8, Zeilen 14 bis 16 von

D17).

4.1.3 Die Beschwerdeführerinnen machten geltend, dass das Ersetzen des Merkmals "bis sich im Wesentlichen das Trihydrat von Vardenafil Hydrochlorid gebildet hat" durch "bis sich zu mindestens 90 Mol-% das Trihydrat gebildet hat" in Verbindung mit der Verarbeitungszwischenstufe einen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ darstelle, insbesondere im Kontext eines Verfahrens zur Herstellung von überzogenen Tabletten.

4.1.4 Die Kammer indes befindet, dass Alternative 1 unmittelbar und eindeutig der D17 als Ganzes zu entnehmen ist. Insbesondere baut D17 einen direkten, kausalen Zusammenhang zwischen dem Verfahrensschritt des In-Kontakt-Bringens der Verarbeitungszwischenstufe mit befeuchtetem Gas und dem Gehalt des Trihydrats im fertigen Arzneimittel auf (siehe beispielsweise Seite 2, Zeilen 10 bis 17 sowie die Beispiele von D17), so dass der Fachmann dem Begriff "im wesentlichen" im Kontext dieses Verfahrenschrittes die gleiche Bedeutung beimessen würde wie im Kontext des fertigen Arzneimittels. Das Ersetzen von "im wesentlichen" durch "zu mindestens 90 Mol-%" in Verbindung mit der Verarbeitungszwischenstufe stellt somit grundsätzlich keinen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ dar. Dies gilt auch für den spezifischen Fall, dass es sich bei den mittels des beanspruchten Verfahrens herzustellenden Arzneimitteln um überzogene Tabletten handelt (siehe hierzu insbesondere Seite 5, Zeilen 13 bis 19 in Verbindung mit Seite 6, Zeilen 1 bis 4 und Seite

7, Zeile 1 von D17).

4.2 Ansprüche 2 bis 5

Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 2 wird auf Seite 3, Zeilen 14 bis 18 der D17 beschrieben. Diese Textstelle ist Bestandteil eines Absatzes, der zusätzlich Anlagen offenbart, welche für das beanspruchte Verfahren geeignet sind (siehe Seite 3, Zeilen 10 bis 14). Im Gegensatz hierzu enthält der Gegenstand des Anspruchs 2 keinerlei Einschränkung bezüglich der zu verwendenden Anlagen, und kommt somit einer Isolierung des zusätzlichen Merkmals des Anspruchs 2 aus dem auf Seite 3, Zeilen 10 bis 18 offenbarten Kontext gleich.

Dennoch stellt diese Isolierung im vorliegenden Falle keinen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ dar, da das auf Seite 3, Zeilen 10 bis 14 der D17 beschriebene Merkmal der Anlagen so allgemein und unspezifisch definiert ist, dass der Fachmann es als unabhängig, nicht mit dem zusätzlichen Merkmal des Anspruchs 2 zusammenhängend sehen würde. Folglich genügt Anspruch 2 den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ. Gleiches gilt für die abhängigen Ansprüche 3 bis 5.

5. Ausführbarkeit

5.1 In ihren Beschwerdebegründungen machten die

Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen folgende Argumente geltend:

5.1.1 Das Streitpatent sei unzureichend offenbart, da es

einen Beleg für die Herstellung der beanspruchten

Tabletten lediglich unter Auswahl ganz bestimmter

Bereiche der Verfahrensparameter Temperatur, Dauer des

Befeuchtens, Art des Gases und dessen relative Feuchte

liefere, während Anspruch 1 viel breiter gefasst sei (nachfolgend Einwand 1).

5.1.2 Eine aussagekräftige quantitative Bestimmung des

Mindesttrihydrat-Gehalts von 90 Mol-% mittels der im

Streitpatent verwendeten Methode der FT Raman

Spektroskopie sei in der Realität nicht möglich (nachfolgend Einwand 2).

5.1.3 Angesichts der Offenbarung auf Seite 8, dritter Absatz

der D28 sei das beanspruchte Verfahren nur für

Tabletten mit bestimmten Hilfsstoffen

nacharbeitbar (nachfolgend Einwand 3).

5.2 Diese Argumente vermögen die Kammer jedoch nicht zu überzeugen. Insbesondere stellt die Kammer folgendes in Bezug auf die Einwände 1 bis 3 fest:

5.2.1 Einwand 1:

Das Streitpatent offenbart eine Reihe von Beispielen, in welchen überzogene Tabletten unterschiedlicher Zusammensetzung und Darreichungsform verschiedenen Rehydratisierungsbedingungen ausgesetzt werden, und anschließend den beanspruchten Trihydrat-Gehalt aufweisen. Zwar ist das verwendete Gas ausschließlich Luft, jedoch haben die Beschwerdeführerinnen keinerlei Beleg dafür vorgelegt, dass das Verfahren unter Verwendung anderer Gase nicht ausführbar wäre. In Ermangelung eines solchen - von den Beschwerdeführerinnen vorzulegenden - Nachweises erachtet die Kammer den beanspruchten Gegenstand für ausführbar.

5.2.2 Einwand 2:

Beispiel 12 des Streitpatents sowie die von der Beschwerdegegnerin am 2. Oktober 2014 zusätzlich eingereichten Versuchsdaten zeigen glaubhaft, dass die FT Raman Spektroskopie eine geeignete Methode ist, um den gewünschten Trihydrat-Gehalt in der fertigen Tablette zu bestimmen.

Die in Zusammenhang mit diesen zusätzlichen Versuchsdaten von der Beschwerdeführerin 02 vorgetragenen Beanstandungen vermögen die Kammer nicht zu überzeugen. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin 02 keinerlei Nachweis geliefert, dass die Peaks bei 1696 cm-1 in den Abbildungen 6, 7, 9, 10 von D25 einer wasserärmeren Form des Vardenafil Hydrochlorids zuzuschreiben sind.

Auch die auf der Lehre der D28 gestützten Argumente der Beschwerdeführerin 02 in Bezug auf die Bildung der Vardenafil-Base können nicht überzeugen. Der auf Seite 8, Zeile 14 bis Seite 9, Zeile 9 der D28 offenbarte Gegenstand betrifft ausschließlich Stress-Tests, welche unter Verfahrensbedingungen durchgeführt worden sind, die der Fachmann bei der Herstellung bzw. bei der Lagerung von überzogenen Tabletten nicht in Erwägung ziehen würde, so dass dieser Einwand allein schon aus diesem Grunde scheitert. Des Weiteren scheint die Beschwerdeführerin 02 selbst die Methode der FT Raman Spektroskopie in den von ihr in D29 und D32 beschriebenen Versuchen verwendet zu haben (siehe Seite 19 der D29).

Schließlich stellt die Kammer fest, dass die Methode der FT Raman Spektroskopie nicht die einzige Methode ist, mittels derer der Trihydrat-Gehalt des Vardenafil Hydrochlorids zuverlässig bestimmt werden kann, sondern dass das Streitpatent in diesem Zusammenhang noch weitere für diesen Zweck geeignete Methoden offenbart (siehe insbesondere Absatz 0035 und Abbildungen 4 bis 8 des Streitpatents).

Die Tatsache, dass das Streitpatent nicht die genauen

Verfahrensbedingungen bei der FT Raman-Spektroskopie

nennt, stellt ebenfalls keinen Mangel hinsichtlich der Ausführbarkeit dar. Gemäß Seite 80, Spalte 1 der D30

beeinflussen verschiedene Faktoren die absoluten und relativen Raman-Bandenintensitäten. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren liegt die Toleranzgrenze der zugrunde zu legenden Raman-Spektroskopie-Messung bei +/- 10%. Angewendet auf den vorliegenden Fall, i.e. die quantitative Bestimmung des Vardenafil Hydrochlorid Trihydrats, bedeutet dies, dass die Mindestgrenze bei der ausschließlichen Detektion des Vardenafil Hydrochlorid Trihydrats bei 100 - 10 Mol-%, i.e. 90 Mol-%, liegt. Mit anderen Worten, der beanspruchte Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% wurde unter Berücksichtigung der mit der Raman-Spektroskopie-Messung einhergehenden Schwankungen ausgewählt, so dass die Kammer keinen Mangel hinsichtlich der Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands zu erkennen vermag.

5.2.3 Einwand 3:

Zur Stützung dieses Einwands verwies die Beschwerdeführerin 02 auf die Lehre der Seite 8, Zeile 14 bis Seite 9, Zeile 9 der D28. Wie bereits oben unter Punkt 5.2.2 dargelegt, findet diese Lehre auf den beanspruchten Gegenstand keine Anwendung, so dass dieser Einwand ebenfalls scheitern muss.

5.2.4 Zusammenfassend stellt die Kammer somit fest, dass der beanspruchte Gegenstand den Erfordernissen der Ausführbarkeit genügt.

6. Artikel 54 EPÜ

6.1 Die Beschwerdeführerinnen beanstandeten, dass D1 allein bzw. in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen,

belegt durch D2, die Neuheit des beanspruchten

Gegenstandes vorwegnähme.

6.2 Die Kammer ist indes der Auffassung, dass das beanspruchte Verfahren allein schon dadurch neu gegenüber dem herangezogenen Stand der Technik ist, dass dieser nicht das mittels dieses Verfahrens hergestellte Endprodukt offenbart. Insbesondere stellt die Kammer in diesem Zusammenhang folgendes fest:

D1 betrifft allgemein Wirkstoffe aus der Klasse der 2-Phenyl-substituierten Imidazotriazinone, Verfahren zu

deren Herstellung und deren pharmazeutische

Verwendungen. Konkrete Beispiele von Arzneimittelformen

dieser Wirkstoffe werden allgemein in Spalte 32, Zeile

6 bis 12 in Form einer Liste von 9 gleichwertigen

Alternativen, darunter u.a. überzogene Tabletten

genannt. Ein direkter Bezug zu Vardenafil Hydrochlorid

Trihydrat wird indes nicht aufgestellt. Zwar wird

dieses in Tabelle A der Spalten 22 bis 26 als besonders

bevorzugt beschrieben, jedoch umfasst diese Tabelle

insgesamt 12 verschiedene Wirkstoffe unterschiedlicher

Strukturen, so dass eine zweite Auswahl getätigt werden

müsste, um zu den beanspruchten Tabletten gelangen.

Folglich offenbart D1 keine überzogenen Tabletten enthaltend Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-%, so dass der beanspruchte Gegenstand neu gegenüber D1 allein bzw. gegenüber D1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, belegt durch D2, ist.

6.3 Somit erfüllt der zweite Hilfsantrag die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

7. Artikel 56 EPÜ

7.1 Nächstliegender Stand der Technik

7.1.1 Alle Parteien haben D1 als nächstliegenden Stand der Technik identifiziert.

D1 offenbart insbesondere in Beispiel 336 ein festes Arzneimittel, i.e. Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat per se, sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung.

7.1.2 Die Beschwerdeführerin 02 hat zusätzlich D36 als nächstliegenden Stand der Technik angeführt. Insbesondere machte sie geltend, dass in der Zusammenfassung von D36 zwar explizit nur das Vardenafil Hydrochlorid an sich, d.h. das wasserfreie Vardenafil Hydrochlorid offenbart sei, jedoch sei dies stark hygroskopisch, so dass es sich zwangsläufig in das Trihydrat mit einem Gehalt von mindestens 90 Mol-% umwandle, und auch in dieser Form erhalten bleibe, da das Trihydrat die stabilste Form des Vardenafil Hydrochlorids sei. Somit sei in D36 implizit Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% offenbart.

Die Kammer ist indes der Auffassung, dass ungeachtet dessen, ob D36 implizit Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% offenbart oder nicht, dieses Dokument einen weniger erfolgsversprechenden Ausgangspunkt für den beanspruchten Gegenstand darstellt als D1, da es im Gegensatz zu D1 keinerlei Verfahren zur Herstellung eines Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat-haltigen Arzneimittels in fester Form offenbart.

7.2 Unterschied(e) des beanspruchten Gegenstands gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D1

Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich von dem nächstliegenden Stand der Technik dadurch, dass auf einer Verarbeitungszwischenstufe oder im Endprodukt (welches eine überzogene Tablette ist) das Vardenafil Hydrochlorid in die Trihydratform überführt wird, indem die Verarbeitungszwischenstufe oder das Endprodukt so lange mit befeuchtetem Gas in Kontakt gebracht werden, bis sich zu mindestens 90 Mol-% das Trihydrat gebildet hat (i.e. Verfahrensschritt b) von Anspruch 1).

7.3 Objektive technische Aufgabe

7.3.1 Die Kammer stimmt mit den Beschwerdeführerinnen überein, dass das Unterscheidungsmerkmal mit keiner besonderen technischen Wirkung verbunden ist. Folglich besteht die objektive technische Aufgabe ausgehend von D1 in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung von Arzneimitteln enthaltend Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von mindestens 90 Mol-% in fester Form als überzogene Tablette.

7.4 Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung

7.4.1 Die vorgeschlagene Lösung, i.e. ein Verfahren gemäß Anspruch 1, ergibt sich nicht auf naheliegende Weise aus dem Stand der Technik, da dieser keinerlei Hinweis enthält, zwecks Lösung der objektiven Aufgabe eine Rehydratisierung gemäß Verfahrensschritt b) (nachfolgend Rehydratisierung) von Anspruch 1 durchzuführen. Insbesondere war der Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents in Unkenntnis darüber, dass das Trihydrat die thermodynamisch stabilste Form des Vardenafil Hydrochlorids ist, so dass er keinerlei Anlass gehabt hätte, die beanspruchte Rehydratisierung auszuführen, um die objektive Aufgabe zu lösen.

7.4.2 Die Beschwerdeführerinnen, indessen, argumentierten, dass unabhängig davon, ob der Fachmann Kenntnis darüber hatte, dass das Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat die thermodynamisch stabilste Form des Vardenafil Hydrochlorids ist oder nicht, er in jedem Falle und damit zwangsläufig während und unmittelbar nach der Herstellung der überzogenen Tabletten bestimmte Tests durchführen würde, da diese in der pharmazeutischen Herstellung vorgeschrieben seien. Insbesondere seien diese Tests in D2 (siehe Seite 463, Spalte 2, Absätze 4 und 5; Seite 532, Tabelle 6/16), D5 (siehe Seite 945, Spalte 1, Absatz 1 und Seite 946, Figur 1) und D7e (siehe Seite 1659) offenbart, und umfassten u.a. die Überprüfung auf polymorphe Formen des Wirkstoffs (D5) und Stabilitätstests bei 25°C +/- 2°C für 12 Monate bei 60% 1/- 5% relativer Luftfeuchte (siehe D2, Tabelle 6/16). Diese Versuchsbedingungen überschnitten sich komplett mit den im Streitpatent genannten bevorzugten Bedingungen (siehe Anspruch 4 des zweiten Hilfsantrags). Folglich würde der Fachmann unweigerlich die beanspruchte Rehydratisierung durchführen, so dass Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit aufweise.

7.4.3 Diese Argumentation vermag die Kammer jedoch nicht zu überzeugen. Anspruch 1 ist auf ein Verfahren gerichtet, bei dem in Schritt b) eine (Re)hydratisierung stattfindet. Dies bedeutet, dass vor diesem Schritt der Trihydrat-Gehalt des Vardenafil Hydrochlorids weniger als 90 Mol-% beträgt. Unbestritten in diesem Zusammenhang ist, dass dieser geringere Trihydrat-Gehalt durch einen Trocknungsschritt nach Auftragen des Überzugsmaterials auf die Tabletten verursacht wird (siehe auch Beispiele 3 und 6 des Streitpatents). Übereinstimmung unter den Parteien besteht auch darüber, dass der Fachmann nach Herstellung der überzogenen Tabletten deren Wirkstoffgehalt überprüfen würde und dabei feststellen würde, dass die Tabletten eine Mischung verschiedener Formen des Vardenafil Hydrochlorid enthalten, darunter Vardenafil Hydrochlorid mit einem Trihydrat-Gehalt von weniger als 90 Mol-%.

Folglich stellt sich die Frage, ob der Fachmann mit diesem Wissen dennoch mit den vorgeschriebenen Stabilitätstests fortfahren würde und damit zwangsläufig Schritt b) von Anspruch 1 vollziehen würde.

Nach Auffassung der Kammer würde der Fachmann diese Tests durchführen, wenn der Trihydrat-Gehalt des Vardenafil Hydrochlorids nach der durch den Trocknungsschritt verursachten Dehydratisierung nicht allzu sehr unter der Mindestgrenze der 90 Mol-% läge. Jedoch fällt dieser Gehalt tatsächlich bedeutend geringer als 90 Mol-% aus (siehe Beispiel 6, insbesondere Abbildung 1a des Streitpatents), so dass der Fachmann mit einer Tablette konfrontiert wäre, in welcher das Vardenafil Hydrochlorid in einer Mischung aus Trihydrat und wasserärmeren Formen des Vardenafil Hydrochlorids, darunter auch polymorphe Formen, vorläge. Zwar ist die pharmakologische Aktivität dieser unterschiedlichen Formen vergleichbar, gleichwohl würde der Fachmann davon ausgehen, dass solch eine Tablette mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Marktzulassung erhalten würde aufgrund anderer Faktoren (siehe Absatz 0004 des Streitpatents). Stattdessen wäre er vielmehr geneigt, eine andere Darreichungsform für Vardenafil Hydrochlorid auszuwählen.

7.4.4 Die Beschwerdeführerinnen argumentierten weiterhin, dass der Fachmann aufgrund seines Wissens aus den Druckschriften D1a (siehe Anspruch 4), D26 (siehe Figur 1 und Absatz 3.1 auf Seite 1488) und D27 (siehe Beispiel 1c) auf Seite 28), dass Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat die bevorzugte klinische relevante Form des Vardenafil Hydrochlorids ist, auf jeden Fall Vardenafil Hydrochlorid Tabletten mit dem beanspruchten Trihydrat herstellen würde, indem er die beanspruchte Rehydratisierung durchführen würde, um den Trihydrat-Gehalt zu erhöhen.

7.4.5 Jedoch kann auch dieses Argument die Kammer nicht überzeugen. Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat wird zwar in Anspruch 4 der D1a genannt, jedoch ist es weder das einzige individualisierte Sulfonamid-substituierte Imidazotriazinon in D1a (siehe Beispiele und Ansprüche 1 bis 3), noch wird es darin als bevorzugt offenbart. Bezüglich D27 merkt die Kammer an, dass dieses Dokument die chemische Herstellung von Sulfonamid-substituierten Imidazotriazinonen beschreibt inklusive derjenigen des Vardenafil Hydrochlorid Trihydrats (siehe Seiten 26 bis 28), jedoch kann die Kammer diesem Dokument keine Präferenz für Vardenafil Hydrochlorid Trihydrat als klinisch relevante Form des Vardenafil Hydrochlorids entnehmen. D26, wiederum, ist nach dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlicht worden, und somit kein Stand der Technik.

7.4.6 Schließlich trug die Beschwerdeführerin 01 vor, dass Anspruch 1 auch im Lichte der D1 in Zusammenschau mit der Lehre der D3 auf Seite 2, Spalte 2, Zeilen 62 bis 89 naheliegend wäre.

7.4.7 Die Kammer stellt hierzu fest, dass D3 ausschließlich den Wirkstoff Lignocain betrifft, welcher sich sowohl von seinem Indikationsgebiet als auch von der chemischen Struktur deutlich von Vardenafil Hydrochlorid unterscheidet. Des Weiteren betrifft D3 die Hydratisierung des reinen Wirkstoffs, d.h. dieser ist nicht von weiteren Stoffen umgeben. Schließlich lehrt D3 auf Seite 2, Spalte 2, Zeilen 77 bis 82, dass zwecks Hydratisierung es eventuell notwendig sei, klebriges und klumpiges Material zu zerteilen. Folglich hätte der mit der objektiven Aufgabe befasste Fachmann keinen Anreiz gehabt, die Lehre der D3 mit der des nächstliegenden Standes der Technik zu kombinieren, und wäre somit nicht auf naheliegende Weise zu dem beanspruchten Gegenstand gelangt.

7.4.8 Demzufolge kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der zweite Hilfsantrag den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ genügt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den Ansprüchen des Hilfsantrags 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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