European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T023215.20180312 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 März 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0232/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08803452.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | C11D 3/36 C11D 3/37 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | REINIGUNGSMITTEL | ||||||||
Name des Anmelders: | Henkel AG & Co. KGaA | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Reckitt Benckiser N.V. | ||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 185 677 in geändertem Umfang auf der Basis der Ansprüche gemäß dem damals anhängigen Hilfsantrag 1.
II. Die unabhängigen Ansprüche 1, 11 und 14 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung lauten wie folgt:
"1. Flüssiges, niederalkalisches und Bleichmittel-freies maschinelles Geschirrspülmittel mit einem pH-Wert (20°C) zwischen 8 und 12, enthaltend:
a) 10 bis 60 Gew.-% Gerüststoff
b) > 1,5 Gew.-% Phosphonat
c) 0,1 bis 20 Gew.-% anionisches Copolymer, umfassend
i) ungesättigte Carbonsäure(n)
ii) Sulfonsäuregruppen-haltige(s) Monomer(e)."
"11. Verfahren zur Reinigung von Geschirr in einer Geschirrspülmaschine unter Einsatz eines Mittels nach einem der Ansprüche 1 bis 10."
"14. Verwendung eines maschinellen Geschirrspülmittels nach einem der Ansprüche 1 bis 10 zur Reinigung bleichbarer Anschmutzungen beim maschinellen Geschirrspülen."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 definieren spezielle Ausführungsformen des Mittels nach Anspruch 1 and Ansprüche 12 und 13 spezielle Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 11.
III. Im Einspruchsverfahren hatte die Einsprechende mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht, wobei sie unter anderem folgende Beweismittel heranzog:
D1: US 2004/0167048 A1;
D2: GB 2 227 021 A und
D5: WO 2007/052064 A1.
Die Einspruchsabteilung kam zu den folgenden Schlüssen:
- Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei zwar neu gegenüber D1, jedoch nicht erfinderisch, ausgehend von D2 (Beispiel 12) als nächstliegendem Stand der Technik, in Kombination mit D1.
- Der Gegenstand des einzigen unabhängigen (Verwendungs-)Anspruchs 1 gemäß dem damals anhängigen Hilfsantrag 1 beruhe hingegen auf einer erfinderischen Tätigkeit.
IV. Die Patentinhaberin widersprach in ihrer Beschwerdebegründung der Begründung der Einspruchsabteilung betreffend die erfinderische Tätigkeit. Sie untermauerte ihre Argumentation durch den neu eingereichten Versuchsbericht D6. Ihrer Meinung nach beruhe der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, ausgehend von D2 (Beispiel 12) als nächstliegendem Stand der Technik, sehr wohl auf einer erfinderischen Tätigkeit. Vorsorglich reichte sie jedoch auch einen neuen Anspruchssatz als Hilfsantrag 1 ein.
V. In ihrer Beschwerdebegründung hielt die Einsprechende weiterhin daran fest, dass das Patent vollständig zu widerrufen sei. Der beanspruchte Gegenstand beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Diesbezüglich bezog sie sich inter alia auf das folgende, neu eingereichte Dokument D7 als Nachweis des allgemeinen Fachwissens:
D7: Abstract zum Artikel: Kaoru Yamada, Tetsuya Abe, Yoshiaki Tanizawa, "Black tea stain formed on the surface of teacups and pots. Part 2 - Study of the structure change caused by aging and calcium addition", Food Chemistry, Volume 103(1), 04.10.2006, Seiten 8-14
VI. Mit ihrem Schreiben vom 28. August 2015 reichte die Einsprechende zur Untermauerung ihrer Kritik an der Beweiskraft des Versuchsberichts D6 die folgenden, neuen Beweismittel ein:
D8: Acusol Dispersant Polymers, Product Selection Guide, Rohm and Haas Company, 2003; und
D9: "Methods for ascertaining the Cleaning Performance of Dishwasher Detergents", SÖFW-Journal, 132, 8-2006, Seiten 35-49.
VII. In ihrem Schreiben vom 4. September 2015 widersprach die Patentinhaberin den in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumenten der Einsprechenden. Außerdem reichte sie als Dokument D7a den vollständigen Artikel ein, dessen Abstract (D7) von der Einsprechenden zitiert wurde.
Zusätzlich reichte sie als Hilfsantrag 2 denjenigen Anspruchssatz ein, der von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehen worden war.
VIII. In ihrem Schreiben vom 30. Oktober 2015 hielt die Einsprechende alle ihre Einwände bezüglich der mangelnden erfinderischen Tätigkeit aufrecht. Ferner vertrat sie die Auffassung, dass Beispiel 9 von D2 einen geeigneteren nächstliegenden Stand der Technik darstelle als Beispiel 12, und dass kein Vorurteil bestanden habe, D2 (Beispiel 9) mit D1 oder D5 zu kombinieren. In Ergänzung ihrer Kritik an D6 reichte sie noch die folgenden, neuen Beweismittel ein:
D10: Ausdruck von der Webseite "https://www.dow.com/en-us/search" von Dow Chemical mit Datum vom 29. Oktober 10.2015 zum Begriff "acusol 590"; und
D10a: Acusol**(TM) 590 Polymer, Safety Data Sheet, Rohm and Haas Europe Trading APS UK Branch, 30.12.2014.
Zusätzlich berief sie sich auf das im folgenden, neu eingereichten Dokument dargestellte allgemeine Fachwissen:
D11: Auszug aus: "Liquid Detergents", CRC Press, Taylor & Francis Group, 2006; Seiten 1 bis 9 und 326-337.
IX. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung geladen. In einer in Vorbereitung dazu erlassenen Mitteilung äußerte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu gewissen Punkten, insbesondere betreffend das mögliche Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit.
X. Zur Klarstellung der Natur des laut D6 verwendeten Polymers "Acusol 590" reichte die Patentinhaberin mit Schreiben vom 6. März 2018 folgendes Beweismittel ein:
D12: Trade Name Index, CSPA Consumer Product Ingredients Dictionary, Consumer Speciality Products Association (CSPA), 2013.
XI. Am 12. März 2018 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Erörtert wurden insbesondere Fragen zur erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D2 als nächstliegendem Stand der Technik.
XII. Finale Anträge
Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise im Umfang von Hilfsantrag 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, weiter hilfsweise im Umfang von Hilfsantrag 2 (Patent in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung), eingereicht mit mit Schreiben vom
2. September 2015.
Die Einsprechende (Beschwerdeführerin II) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
XIII. Die Argumente der Patentinhaberin, die von Relevanz für die vorliegende Entscheidung sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
- Die in D2/Beispiel 12 offenbarte Zusammensetzung stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar.
- Der Versuchsbericht D6 zeige, dass eine derartige Zusammensetzung einen pH-Wert von >= 14 bei 20°C aufweise.
- Die im Beispiel 9 von D2 offenbarte Zusammensetzung enthalte 14 Gew.-% NaOH. Diese Konzentration ergebe zwangsläufig auch einen pH-Wert von mehr als 12.
- Die allgemeine Offenbarung auf Seite 2 von D2 beschreibe Zusammensetzungen, die 10 bis 35% Alkali enthalten. Solche Konzentrationen entsprächen ebenso zwangsläufig pH-Werten von deutlich mehr als 12.
- Das Geschirrspülmittel gemäß dem erteilten
Anspruch 1 unterscheide sich somit von den Zusammensetzungen gemäß D2 dadurch, dass es
i) einen pH-Wert zwischen 8 und 12 aufweist und
ii) die Komponente (c) (siehe II, supra) umfasst.
- Ein pH-Wert im Bereich gemäß Anspruch 1 führe zu einer vergleichsweise geringen Schädigung der Silikatstruktur von Gläsern und verminderter Reizung bei Hautkontakt.
- Komponente (c) führe - wie in D6 gezeigt - zu einer verbesserten Reinigungsleistung, insbesondere bezüglich Teeflecken.
- Der Fachmann hätte D2 nicht mit D1 kombiniert, insbesondere weil D1 keinen Hinweis enthalte, dass Komponente (c) zur Verbesserung der Reinigungsleistung bezüglich Teeflecken geeignet sei.
- Außerdem würde der Fachmann nicht ohne weiteres den pH-Wert der Zusammensetzungen von D2 reduzieren, da er wisse, dass eine Absenkung des pH-Werts zu einer Verschlechterung der Reinigungsleistung führe.
- In Anspruch 37 von D1 sei zwar ein pH-Wert von 8,5 bis 9,5 offenbart, dies sei jedoch der pH-Wert des
(auf 1% in Wasser) verdünnten Spülmittels. Ein zwingender Rückschluss auf den pH-Wert des unverdünnten Mittels sei allein auf Basis dieser Angabe nicht möglich.
- Ferner seien Bleichmittel enthaltende Zusammensetzungen laut D1 bevorzugt, ganz im Gegensatz zur Lehre des Streitpatents (Bleichmittel-freie Mittel).
- Die gleiche Argumentation gelte auch bezüglich einer Kombination von D1 mit D5, da auch in den Zusammensetzungen gemäß D5 Bleichmittel zum Einsatz kommen. Außerdem werde die Komponente (c) laut D5 zu einem anderen Zweck eingesetzt als laut Streitpatent.
XIV. Die Einsprechende trug im Wesentlichen folgende Gegenargumente vor:
- Der pH-Werte-Bereich stelle kein Unterscheidungs-merkmal gegenüber D2 dar, insbesondere im Lichte der Offenbarung auf Seiten 2 und 3 von D2. Dort offenbarte Zusammensetzungen enthalten die Komponente (a) und (b) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents, und haben einen pH-Wert von mehr als 10.
- Der in D2 (Seite 2) offenbarte pH-Bereich überlappe somit mit dem in Anspruch 1 erwähnten Bereich, insbesondere falle der pH-Wert von 10 in diesen Bereich.
- Das einzige Unterscheidungsmerkmal gegenüber D2 sei somit das Vorhandensein der Komponente (c) gemäß Anspruch 1.
- Dieser Komponente könne keine Wirkung zugeordnet werden. Das Streitpatent zeige nämlich lediglich eine Wirkung der Komponente (b).
- Selbst wenn (arguendo) der Komponente (c) eine Verbesserung der Reinigungsleistung, zum Beispiel gegenüber Teeflecken zuordenbar wäre, sei der Einsatz dieser Komponente als Kalzium- Dispergiermittel in D1 und D5 beschrieben und daher für den Fachmann naheliegend.
- Sowohl gemäß D1 als auch gemäß D5 sei der Einsatz von Bleichmittel lediglich optional. Außerdem könne die Komponente (b) gemäß Anspruch 1 auch den Zusammensetzungen von D1 bzw. D5 zugesetzt werden. Der Fachmann würde somit ohne weiteres D2 mit D1 bzw. D5 kombinieren.
- Sollte der pH-Wert als weiteres Unterscheidungs-merkmal angesehen werden, sei ein innerhalb des in Anspruch 1 erwähnten Bereichs fallender pH-Wert aus D1 bekannt (siehe Anspruch 37).
- Dass die Alkalinität von Geschirrspülmitteln begrenzt werden müsse, sei Teil des allgemeinen Fachwissens, siehe etwa die Würdigung des Stands der Technik im Streitpatent, Absatz [0005].
- Zudem sei der von Anspruch 1 noch mitumfasste pH-Wert von 12 zu hoch, als dass von einer signifikanten Reduzierung der Glasschädigung oder der Hautreizung die Rede sein könnte.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag (Patent wie erteilt) - Erfinderische Tätigkeit
1. Erfindung
1.1 Die Erfindung betrifft ein flüssiges, niederalkalisches und Bleichmittel-freies maschinelles Geschirrspülmittel und dessen Verwendung (siehe Ansprüche 1, 11 und 14; Absatz [0001]).
1.2 In der Beschreibung des Streitpatents finden sich hierzu folgende Angaben:
Es "werden in maschinellen Geschirrspülmitteln Bleichmittel eingesetzt ... um fleckenloses Geschirr zu erhalten" (Absatz [0003].
"Dem Einsatz dieser Bleichmittel sind [allerdings] aufgrund von Unverträglichkeiten mit anderen [...] Inhaltsstoffen [...] oder aufgrund von Stabilitätsproblemen bei der Lagerung Bleichmittelhaltiger Wasch und Reinigungsmittel Grenzen gesetzt" (Absatz [0004]).
"Eine technische Möglichkeit, die Reinigungsleistung von maschinellen Geschirrspülmitteln, insbesondere Bleichmittel-freien, maschinellen Geschirrspülmitteln zu verbessern, besteht in der Erhöhung der Alkalität dieser Mittel". Jedoch "verursachen stark alkalische Reiniger andererseits auch Schäden in der Silikatstruktur von Gläsern und können bei Hautkontakt starke Reizungen auslösen" (Absatz [0005]).
Das Geschirrspülmittel gemäß Streitpatent soll sich "trotz Bleichmittelfreiheit durch eine verbesserte Reinigungsleistung gegenüber bleichbaren Anschmutzungen auszeichnen ohne jedoch gleichzeitig eine erhöhte Schädigung von Glas-oder Keramikoberflächen zu bewirken" (Absatz [0007]).
2. Nächstliegender Stand der Technik
2.1 Beide Parteien sahen Dokument D2 als nächstliegenden Stand der Technik an.
Angesichts der Ähnlichkeiten zwischen den im Streitpatent bzw. in den Beispielen von D2 offenbarten Zusammensetzungen, und den jeweils angesprochenen technischen Fragen, hat die Kammer keine Veranlassung, diesbezüglich einen anderen Standpunkt einzunehmen.
2.2 In der Tat werden in den Beispielen 9 und 12 von D2 (vgl. Tabelle 2 auf Seite 7), flüssige Bleichmittel-freie maschinelle Geschirrspülmittel beschrieben, die jeweils 12 Gew.-% NTA (Nitrilotriessigsäure), eine Gerüstsubstanz laut Streitpatent (Seite 3, Zeilen 4
bis 8), sowie 2 bzw. 5 Gew.-% HEDP (1-Hydroxyethan- 1,1-diphosphonat: Komponente vom Typ (b) laut Streitpatent). Somit weisen die Geschirrspülmittel gemäß den Beispielen 9 und 12 von D2 die Merkmale (a) und (b) von Anspruch 1 des Streitpatents auf.
2.3 Bezüglich des pH-Werts der in D2 beschriebenen Zusammensetzungen waren die Parteien uneins.
2.3.1 Die Patentinhaberin war der Auffassung, dass alle in D2 offenbarten Zusammensetzungen einen pH-Wert von deutlich mehr als 12 aufweisen. So zeige der Versuchsbericht D6, dass eine Zusammensetzung gemäß Beispiel 12 von D2 einen gemessenen pH-Wert von >= 14 bei 20°C aufweist.
2.3.2 Die Einsprechende argumentierte insbesondere wie folgt:
i) Die Zusammensetzungen gemäß D2 seien nicht nacharbeitbar, insbesondere weil die als Gerüststoff verwendete NTA krebserregend sei. Experimente mit dieser Substanz durchzuführen sei zu gefährlich (Schreiben vom 28. August 2015).
ii) Beispiel 9 von D2 offenbare eine Zusammensetzung, die zwangsläufig einen niedrigeren pH-Wert habe als die Zusammensetzung gemäß Beispiel 12. Diese Zusammensetzung weise nämlich eine Alkali-Konzentration von lediglich 14 Gew.-% (im Vergleich zu 30 Gew.-%) und eine Polyacrylsäure- Konzentration von 30 Gew.-% (statt lediglich 20 Gew.-%) auf. Demzufolge könne man davon ausgehen, dass der pH-Wert einer Zusammensetzung gemäß Beispiel 9 innerhalb des in Anspruch 1 erwähnten Bereichs liege.
iii) Zudem offenbare D2 auf Seiten 2 und 3 Zusammensetzungen mit den Merkmalen (a) und (b) des erteilten Anspruchs 1, die einen pH-Wert von mehr als 10 ("pH ... preferably over 10") aufweisen. Dieser in D2 offenbarte pH-Bereich überlappe mit dem pH-Bereich laut Anspruch 1, insbesondere falle der pH-Wert von 10 in diesen Bereich.
Der pH-Wert-Bereich laut Anspruch 1 stelle daher kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Offenbarung der D2 dar.
2.3.3 Diese Argumente überzeugen die Kammer aus folgenden Gründen nicht:
i) NTA ist ein kommerziell erhältliches Produkt und kann unter den gebotenen Vorsichtsmassnahmen, wie sie in chemischen Labors üblich sind, durchaus verwendet werden.
ii) Die in Beispiel 9 beschriebene Zusammensetzung enthält immerhin 14 Gew.% NaOH. Angesichts dieser sehr hohen NaOH-Konzentration erscheint es der Kammer keineswegs plausibel, dass die Zusammensetzung einen pH-Wert aufweist, der sich von dem für Beispiel 12 gemessenen Wert von 14 stark unterscheidet. Diesbezüglich wurden von der Einsprechenden auch keinerlei Messungen durchgeführt.
iii) Die Offenbarung auf Seite 2 von D2 ist in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. So sind auf dieser Seite Geschirrspülmittelzusammensetzungen beschrieben, die mindestens 10 Gew.-% Alkali enthalten. Nach dem Dafürhalten der Kammer ist es ebenfalls plausibel, dass bei solch hohen Alkali-Konzentrationen die entsprechenden pH-Werte nicht nur "mehr als 10" betragen würden, wie in D2 ausdrücklich angegeben, sondern de facto ähnlich hoch liegen würden wie im Fall von Beispiel 12, jedenfalls aber höher als 12 (obere Grenze laut Anspruch 1 des Streitpatents).
2.3.4 Die Beweislast bezüglich des angeblichen Neuheitsmangels liegt bei der Einsprechenden. Diese hat zwar wiederholt behauptet, dass D2 Geschirrspülmittel mit einem pH-Wert gemäß dem erteilten Anspruch 1 offenbare, aber keine entsprechenden Beweismittel (wie etwa experimentelle Messwerte oder Berechnungen) vorgelegt.
2.3.5 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass D2 nicht unmittelbar und eindeutig Geschirrspülmittel-Zusammensetzungen mit einem pH-Wert im Bereich von 8 bis 12 offenbart.
3. Die technische Aufgabe
3.1 Die Parteien waren uneins, wie die im Lichte des nächstliegenden Standes der Technik tatsächlich gelöste technische Aufgabe zu formulieren sei.
3.1.1 Nach Auffassung der Patentinhaberin bestand die Aufgabe in der Bereitstellung eines flüssigen, Bleichmittel-freien, maschinellen Geschirrspülmittels, das Schäden in der Silikatstruktur der Gläser sowie Reizungen bei Hautkontakt minimiert und eine verbesserte Reinigungsleistung, insbesondere bezüglich Tee- und Spaghetti-Flecken, aufweist.
3.1.2 Jedwegliche Vorteilhaftigkeit des beanspruchten Geschirrspülmittels wurde von der Einsprechenden angezweifelt. Ihrer Auffassung nach bestand die Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines alternativen, flüssigen, Bleichmittel-freien maschinellen Geschirrspülmittels.
3.2 Laut Absatz [0005] des Streitpatents verursacht eine hohe Alkalinität des Geschirrspülmittels Schäden in der Silikatstruktur der Gläser und kann starke Reizungen bei Hautkontakt auslösen.
3.2.1 Auch für die Kammer ist es zweifelsfrei plausibel, dass ein Geschirrspülmittel mit einem pH-Wert zwischen 8 und 12 im Vergleich zu den in D2 offenbarten Zusammensetzungen in der Anwendung weniger Glas-schädigend und hautreizend ist.
3.2.2 Selbst wenn (arguendo) dem Vorliegen von Komponente (c) in Geschirrspülmitteln gemäß Anspruch 1 nicht über die gesamte Breite des Anspruchs eine bestimmte Wirkung zuordenbar sein sollte, ist bei der Formulierung der technischen Aufgabe nach dem Dafürhalten der Kammer jedenfalls zumindest die Wirkung des niedrigeren pH-Werts des Geschirrspülmittels zu berücksichtigen.
In der folgenden Beurteilung geht die Kammer demnach davon aus, dass im Licht von D2 die technische Aufgabe (zumindest) in der Bereitstellung eines flüssigen, Bleichmittel-freien, maschinellen Geschirrspülmittels zu sehen ist, das weniger hautreizend und glasschädigend ist und dennoch wirksam bleichbare Anschmutzungen reinigt.
4. Lösung
Als Lösung dieser technischen Aufgabe wird im Streitpatent ein "flüssiges, niederalkalisches und Bleichmittel-freies maschinelles Geschirrspülmittel" gemäß Anspruch 1 (gesamter Wortlaut unter II, supra) vorgeschlagen, das insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass es
- einen "pH-Wert (20°C) zwischen 8 und 12" aufweist
und dass es
- "0,1 bis 20 Gew.-% anionisches Copolymer, umfassend
i) ungesättigte Carbonsäure(n)
ii) Sulfonsäuregruppen-haltige(s) Monomer(e)"
enthält.
5. Erfolg der Lösung
5.1 Es ist unstreitig, dass Geschirrspülmittel gemäß Anspruch 1 wirksam bleichbare Anschmutzungen, insbesondere Teeflecken, reinigen. Diese Wirkung wird in den Beispielen des Streitpatents (siehe Absätze [0149] und [0150]) dokumentiert.
5.2 Wie bereits unter 3.2.1, supra ausgeführt, ist es auch plausibel, dass ein pH-Wert zwischen 8 und 12 gemäß Anspruch 1 eine zumindest graduell geringere glas-schädigende bzw. hautreizende Wirkung hat, als die in D2 offenbarten Zusammensetzungen mit höheren pH-Werten.
5.3 Die Kammer ist somit überzeugt, dass die technische Aufgabe (3.2.2, supra) durch Geschirrspülmittel gemäß Anspruch 1 tatsächlich gelöst wird.
6. Nicht-Naheliegen der Lösung
6.1 Es bleibt zu entscheiden, ob es für den mit der Lösung der technischen Aufgabe (3.2.2, supra) befassten Fachmann im Hinblick auf den Stand der Technik und/oder allgemeines Fachwissen nahegelegen hat, das in D2 beschriebene Geschirrspülmittel derart abzuändern, dass er zu einem unter Anspruch 1 des Streitpatents fallenden Mittel gelangt wäre.
6.2 Kombination von D2 mit D1
6.2.1 Dokument D1
Dokument D1 offenbart (vgl. Absätze [0016] bis [0022] und Anspruch 1) ein flüssiges, maschinelles Geschirrspülmittel, enthaltend 20 bis 50 Gew.-% Gerüststoff ("builder") und 0,1 bis 70 Gew.-% Copolymere von ungesättigten Carbonsäuren, Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren und, optional, ionischen oder nicht ionogenen Monomeren.
Die Geschirrspülmittel gemäß D1 enthalten somit unstreitig die Komponenten (a) und (c) gemäß dem erteilten Anspruch 1.
6.2.2 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bezog sich die Einsprechende insbesondere auf Anspruch 37 von D1, wonach der pH-Wert einer 1 Gew.-% Lösung der offenbarten Geschirrspülmittel in destilliertem Wasser zwischen 8.5 und 9.5 liegen soll. Ein solcher Wert entspreche einem pH-Wert des unverdünnten Mittels im Bereich von 10.5 und 11.5. D1 offenbare somit Geschirrspülmittel mit einem pH-Wert im Bereich gemäß Anspruch 1 des Streitpatents.
Ferner gehöre es zum allgemeinen Fachwissen, dass die Alkalinität von maschinellen Geschirrspülmitteln begrenzt sein müsse. Dies sei insbesondere aus dem dem Stand der Technik gewidmeten Abschnitt des Streitpatents (Absatz [0005]) ableitbar.
Demnach wäre der mit der Lösung der technischen Aufgabe befasste Fachmann bei einer Zusammenschau von D2 und D1 ohne Weiteres zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gelangt. Das Vorliegen der Komponente (b) in der Zusammensetzung von D2 stelle diesbezüglich kein Hindernis dar, weil eine solche Komponente (b) auch im Geschirrspülmittel von D1 einsetzbar sei, wie aus den Absätzen [0128] ff. insbesondere [0132] sowie [0161] von D1 ersichtlich sei. Bleichmittel seien zwar auch in D1 genannt, allerdings nur als optionale Komponente. Der Fachmann würde sie demzufolge im Rahmen einer Kombination von D2 mit D1 nicht unbedingt einsetzen.
6.2.3 Die Kammer folgt dieser Argumentation aus folgenden Gründen nicht.
Dass die Alkalinität eines Geschirrspülmittels begrenzt sein muss, ist in keinem der von der Einsprechenden herangezogenen Dokumenten zum Stand der Technik in dieser Allgemeinheit offenbart. In Absatz [0005] des Streitpatents wird vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine bekannte technische Möglichkeit zur Erhöhung der Reinigungsleistung eines
- insbesondere Bleichmittel-freien - Geschirrspülmittels in der Erhöhung seiner Alkalinität bestand.
Dies bedeutet für die Kammer, dass selbst falls es bekannt gewesen sein sollte (arguendo), dass eine Absenkung des pH-Wertes eines Geschirrspülmittels stets zu weniger Glasschädigung und geringerer Hautreizung führt, dies nicht bedeutet, dass der Fachmann in Betracht gezogen hätte, den hohen pH-Wert der in D2 offenbarten Zusammensetzung zu reduzieren, ohne kompensierende Maßnahmen zu ergreifen, die die Reinigungsleistung auf einem vergleichbaren Stand halten würden.
In D1 wird zwar der pH-Wert (im Bereich 8.5 bis 9.5) einer verdünnten Lösung des beschriebenen Geschirrspülmittels offenbart, die Auswirkungen des pH-Wertes auf die Silikatstruktur der Gläser oder die Hautreizung werden in D1 jedoch nicht thematisiert. Selbst unter der Annahme (arguendo), dass D1 tatsächlich ein Geschirrspülmittel offenbart, das im unverdünnten Zustand einen pH-Wert zwischen 10.5 und 11.5 aufweist, so lehrt es doch auch,
- dass Bleichmittel besonders bevorzugte Komponenten des beschriebenen Geschirrspülmittels sind (D1: Absätze [0123] und [0162] bis [0168]), und
- dass speziell zur Reinigung bleichbarer Anschmutzungen wie Teeflecken insbesondere Bleichmittel mit aktivem Sauerstoff, wie Natrium-Perborate oder -Carbonat eingesetzt werden können (D1: Absatz [0178]).
6.2.4 Demzufolge ist die Kammer der Überzeugung, dass selbst falls der mit der Lösung der technischen Aufgabe befasste Fachmann im Hinblick auf D1, Anspruch 37, eine Absenkung des pH-Wertes der in D2 offenbarten Zusammensetzungen erwogen hätte, er es gleichzeitig für notwendig erachtet hätte, ein Bleichmittel hinzuzufügen, um die Wirksamkeit gegen bleichbare Anschmutzungen auf einem vergleichbaren Stand zu halten.
6.2.5 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass der von D2 ausgehende und mit der Lösung der technischen Aufgabe befasste Fachmann durch D1 nicht angeregt wird, den pH-Wert des Mittels - unter Beibehaltung der Bleichmittel-Freiheit - auf einen Wert <= 12 abzusenken.
6.3 Kombination von D2 mit D5
6.3.1 Die Einsprechende zog D5 schriftlich für den Fall heran, dass der pH-Wert des beanspruchten Geschirrspülmittels nicht als Unterscheidungsmerkmal gesehen werde. D5 belege insbesondere, dass für den Fachmann der Einsatz einer Komponente (c) gemäß dem erteilten Anspruch 1 in einer Zusammensetzung gemäß D2 eine naheliegende Möglichkeit gewesen wäre. Die Einsprechende argumentierte auch (Schreiben vom 30. Oktober 2015, Seite 3), dass nichts den Fachmann davon abhalten würde, D2 mit D5 zu kombinieren, insbesondere weil Bleichmittel laut D5 rein optionale Komponenten der offenbarten Geschirrspülmittel seien.
6.3.2 Auch der Angriff auf Basis einer Zusammenschau von D2 mit D5 überzeugt die Kammer aus folgenden Gründen nicht.
i) Zum einen betrifft D5 nicht primär flüssige Geschirrspülmittel, sondern Geschirrspülmittel, die einen "starken" Gerüststoff ("strong builder", siehe D5, Anspruch 1) enthalten. Die konkret offenbarten Geschirrspülmittel sind pulverförmig (Seite 18, letzte Zeile). Auch andere Passagen lassen feste Geschirrspülmittel als bevorzugt erscheinen (siehe Seite 3, Zeile 35, bis Seite 4, Zeile 13, Seite 14, dritter Absatz). Die in D5 angesprochenen pH-Werte sind Werte, die sich nach Auflösung des Geschirrspülmittels in Wasser (Verhältnis 1:100) einstellen (siehe Seite 3, Zeilen 9 bis 22, Seite 14, dritter Absatz.
ii) Zum anderen enthalten alle in den Beispielen von D5 konkret beschriebenen Geschirrspülmittel ein Bleichmittel (vgl. Tabelle auf Seite 19), obwohl Bleichmittel in der Beschreibung von D5 lediglich als optionale Komponenten beschrieben sind (Seite 8, vorletzter Absatz).
Demzufolge treffen die unter 6.2.3 bis 6.2.5, supra ausgeführten Überlegungen der Kammer in analoger Weise auch auf eine Kombination von D2 mit D5 zu.
6.3.3 Eine Zusammenschau von D2 mit D5 würde den mit der Lösung der technischen Aufgabe (3.2.2, supra) befassten Fachmann nach dem Dafürhalten der Kammer nur als Ergebnis einer rückschauenden Betrachtungsweise zu einem "Bleichmittel-freien Geschirrspülmittel" führen.
6.4 Andere Beweismittel
6.4.1 Die Einsprechende zog schriftlich das Dokument D7 heran, welches ihrer Auffassung nach beweise, dass bleichbare Anschmutzungen (wie Teeflecken) nicht unbedingt durch den Einsatz von Bleichmitteln, sondern auch durch Kalzium-Dispergiermittel entfernt werden können.
6.4.2 Die Kammer merkt jedoch zuerst an, dass das gemäß D7 eingesetzte Mittel auch 0.015% Natrium-Percarbonat, ein bekanntes Bleichmittel, enthält (vgl. D7a, Seite 9, Punkt 2.6). Ferner vermag der Hinweis auf D7a nichts an der Gültigkeit der unter 6.2.3-6.2.5, supra, angestellten Überlegungen bezüglich der nicht-naheliegenden Absenkung des pH-Wertes unter 12 zu ändern.
6.4.3 Die Einsprechende hat weiters schriftlich auf die Dokumente D8, D9, D10 und D10a verwiesen, um die nicht- Nacharbeitbarkeit einiger in D6 beschriebener Experimente zu beweisen.
6.4.4 Allerdings waren die betroffenen Experimente als Nachweis der Wirkung von Komponente (c) laut Anspruch 1 gedacht. Da aber eine solche, eventuelle Wirkung im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (siehe 3.2.2, supra) nicht von Belang ist, erübrigt sich ein weitergehendes Eingehen auf diese Beweismittel.
7. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, das die Gegenstände des unabhängigen Anspruchs 1 betreffend Geschirrspülmittel, der unabhängigen Ansprüche 11 und 14 betreffend den Einsatz bzw. die Verwendung dieser Geschirrspülmittel, und folglich auch die Gegenstände aller abhängigen Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in seiner erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.