European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T021015.20170223 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 Februar 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0210/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04101058.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 13/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kraftfahrzeug-Innenverkleidungsteil mit Metallstruktur | ||||||||
Name des Anmelders: | NOVEM Car Interior Design Metalltechnologie GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 1. Dr.Ing. H.C. F. Porsche Aktiengesellschaft 2. Faurecia Angell-Demmel GmbH 3. Haver & Boecker oHG |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsantrag 1, Hilfsantrag 2 Erfinderische Tätigkeit - (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 3 Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden 2 richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1577165 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 22. Dezember 2014.
II. Die Einspruchsabteilung hat das Patent in geändertem Umfang aufrecht erhalten, und zwar in der Fassung des Hilfsantrags 26.
III. Die folgenden Dokumente werden unter anderem in dieser Entscheidung genannt:
D1: DE 93 21 214 U1
D7: DE 203 06 670 U1
D14: DE 127 1972 B
D15: AT 228 994 B
D16: EP 1 219 401 A2
D17: DE 199 48 664
D23: US 2001 /0040393 A1
IV. Am 23. Februar 2017 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2, im folgenden Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), oder hilfsweise das Patent in geänderter Form auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 31. Juli 2015, aufrechtzuerhalten.
V. Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des ersten und zweiten Hilfsantrags (letzterer allerdings abweichend in zweiteiliger Form formuliert) lautet:
Verfahren zum Herstellen eines Kfz-Innenverkleidungsteils, bei welchem Verfahren eine flächige Metallstruktur (9, 12, 15), die senkrecht zu ihrer Flächigkeit für Fluide durchlässig ist, mit einer Sperrschicht (8, 13, 17) verbunden wird und mit einer weiteren Schicht (7a, 14, 16, 19) verbunden wird, wobei die Sperrschicht (8, 13, 17) das Durchdringen der weiteren Schicht (7a, 14, 16, 19) durch die Metallstruktur (9, 12, 15) begrenzt, bei dem die Metallstruktur (9, 12, 15) eine Streckmetallschicht (9) ist.
VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet:
Verfahren zum Herstellen eines Kfz-Innenverkleidungsteils, bei welchem Verfahren eine flächige Metallstruktur (9, 12, 15), die senkrecht zu ihrer Flächigkeit für Fluide durchlässig ist, mit einer Sperrschicht (8, 13, 17) verbunden wird und mit einer weiteren Schicht (7a, 14, 16, 19) verbunden wird, wobei die Sperrschicht (8, 13, 17) das Durchdringen der weiteren Schicht (7a, 14, 16, 19) durch die Metallstruktur (9, 12, 15) begrenzt, dadurch gekennzeichnet, dass nach der Herstellung des Innenverkleidungsteils die Metallstruktur (9, 12, 15) zumindest teilweise durchsichtig und eine unter der Metallstruktur (9, 12, 15) angeordnete Schicht (7, 14, 16, 17) durch die Metallstruktur (9, 12, 15) hindurch sichtbar ist.
VII. Mit Eingaben vom 9. April 2015 und 6. August 2015 haben Dritte Einwände gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vorgebracht. Diese Einwendungen haben anonym stattgefunden.
VIII. Die Beschwerdeführerin/Einsprechende brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Selbst wenn man der Sichtweise der Patentinhaberin in Bezug auf die zu lösende Aufgabe folgen wollte und darin die ästhetische Gestaltung durch sichtbare Metallstrukturen sähe, liege die Lösung dieser Aufgabe dem Fachmann mit der Auswahl einer Streckmetallschicht nahe. D1 selbst offenbare ein Metallgeflecht. Es sei nicht erkennbar, welche technischen Vorteile das Streckmetall in Bezug auf die ästhetische Gestaltung habe. Eine lediglich andere Gestaltung könne keine erfinderische Tätigkeit begründen. Auch sei es durch die Definition des Verfahrens gemäß Anspruch 1 nicht sichergestellt, dass die Streckmetallschicht überhaupt zu sehen oder zu erkennen sei.
Auch eine ökonomische Optimierung eines bekannten Verfahrens zur Herstellung von Innenverkleidungsteilen mittels einer Streckmetallschicht könne keine erfinderische Tätigkeit begründen, da dies dem Fachmann bekannt sei, dass sich Streckmetallteile in großen Stückzahlen preiswert herstellen ließen. Weitere - gar überraschende - Effekte seien aber mit der Streckmetallschicht, wie bereits ausgeführt, nicht zu erwarten.
Die Hilfsanträge 1 bis 4, insbesondere Hilfsantrag 3, dürften nicht in das Verfahren zugelassen werden. Diese verstießen gegen die von der Großen Beschwerdekammer in G 9/92 formulierten Grundsätze, wonach die Patentinhaberin als nicht-beschwerdeführende Partei gehalten sei, lediglich die von der Einspruchsabteilung in der Zwischenentscheidung als gewährbar erachtete Fassung zu verteidigen. Des Weiteren verstießen die Hilfsanträge auch gegen den Artikel 12 (4) VOBK. Letztlich seien die Hilfsanträge auch materiell unzulässig.
So sei das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 nicht neu in Bezug auf die Dokumente D1, D15, D16, D17 und D23.
So offenbare D1 bereits ein Verfahren für eine Struktur, bei der prinzipiell die Schicht unter der Faserstruktur zu erkennen sei.
Zunächst sei festzustellen, dass ein Gewebe aufgrund der in verschiedenen Ebenen sich schneidenden Kett- und Schussfäden (bei seitlichem Blickwinkel) immer durchsichtig sei. Außerdem sei das in den Zeichnungen in D1 gezeigte Drahtgewebe aufgrund seiner Drahtstärke und Maschenweite blickdurchlässig. Sogenannte blickdichte Gewebe seien sehr aufwendig herzustellen und überhaupt nur zu erreichen, wenn sie mehrlagig gearbeitet seien. Dafür aber gäbe es in D1 keinen Hinweis.
Des Weiteren sei in D1 anstelle des Metallgeflechts auch ein Geflecht aus Glasfaser offenbart, welches per se durchsichtig sei und damit die darunter liegende Schicht zu erkennen erlaube.
Auch D16 treffe das Verfahren des Anspruchs 1 neuheitsschädlich. Der Begriff Streckmetall sei derart weit gefasst, dass auch das "Metal Sheet" oder "Metal Net" gemäß D16 darauf lesen ließe. Aus den für D1 genannten Gründen seien auch diese Gewebe mit Sicherheit durchsichtig.
Dasselbe treffe für D17 zu; auch hier sei von einer metallischen Fasermatte die Rede, die grobmaschig ausgeführt werden könne. Von daher müsse diese Struktur auch durchsichtig sein.
D15 (ebenso D14) offenbare nun explizit eine durchsichtige Streckmetallschicht und entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung auch eine Sperrschicht.
Auch das Dokument D23 offenbare einen Gegenstand, der mit dem strittigen Verfahren hergestellt sei. Der Schriftzug, der in einer Metallkulisse dargestellt sei, werde von hinten beleuchtet. Die Metallstruktur sei somit auch durchsichtig.
Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Merkmale des Oberbegriffs seien aus Dokument D1 bekannt, und es solle eine blickdurchlässige Metallstruktur geschaffen werden. Dieser Effekt ergebe sich zwangsläufig durch das Verweben von starren Drahtstrukturen. Wenn es nun gemäß der definierten Aufgabe um einen erweiterten ästhetischen Gestaltungsspielraum gehe, der mit der gleichzeitigen Sichtbarkeit von Metallschicht und der darunterliegenden Schicht erreicht werde, seien die technischen Merkmale zur Lösung der Aufgabe nahegelegt.
D1 offenbare auch die Verwendung von Drahtgeweben. Wie bereits ausgeführt seien Metallgewebe prinzipiell und immer durchsichtig. Des Weiteren offenbare D1 auch eine Glasfasermatte als Alternative zu einem Metallgeflecht. Damit erhalte der Fachmann bereits einen Hinweis darauf, diese Schicht durchsichtig zu gestalten, so dass die darunterliegende Schicht erkannt werden könne.
Insbesondere die Kombination der Druckschrift D1 mit der D7 führe den Fachmann dazu, auch blickdurchlässige Drahtgewebe zu verwenden. Anregungen, wie eine derartige Struktur aussehen könne, erhalte der Fachmann auch aus D14, D15 und D17. Diese Dokumente offenbarten durchsichtige Metallstrukturen, die in durchsichtige Kunststoffe eingebettet seien.
Dies sei explizit auch in D16 offenbart. Die Metallgitterstruktur sei gemäß der Darstellung der Maschenweite in den Figuren durchsichtig, so dass davon ausgegangen werden könne, dass bei D16 auch die unter der Metallschicht liegende Schicht zu erkennen sei.
Außerdem läge es im Ermessen des Fachmanns, bei einer gewünschten Durchsichtigkeit die Maschenweite entsprechend anzupassen.
Aus diesem Grunde sei das Verfahren des Anspruchs 1 auch ausgehend von D16 oder D17, kombiniert mit D1, nahegelegt.
Es werde keine Veranlassung gesehen, die Einwendungen Dritter - soweit sie nicht zum Bestandteil der eigenen Argumentation geworden sind - weiter zu verfolgen.
IX. Die Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin antwortete im Wesentlichen auf die Argumente der Beschwerdeführerin:
Die Einwendungen Dritter und das damit verbundene Vorbringen der Einsprechenden seien verspätet und dürften daher nicht in das Verfahren zugelassen werden. Dies betreffe insbesondere die Zulassung von D23 in das Verfahren.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Merkmale des Oberbegriffs seien aus D1 bekannt. Die kennzeichnenden Merkmale begründeten die erfinderische Tätigkeit. Die erfinderische Idee, nämlich eine Streckmetallschicht als Metallschicht zu verwenden, um die ästhetische Anmutung zu verbessern, sei im Stand der Technik nicht bekannt. Dabei sei es nicht nötig, dass die Streckmetallschicht selbst sichtbar sei, es reiche, wenn sich deren Oberflächenstruktur sichtbar abzeichne.
Hilfsweise werde vorgebracht, dass eine Realisierung eines Verkleidungsteils mit eine Streckmetallschicht effizienter herzustellen sei und daher auch Kosten spare. Auch dies sei nirgends im Stand der Technik offenbart.
Der Hilfsantrag 3 müsse im Beschwerdeverfahren behandelt werden. Er beruhe letztlich auf dem Hilfsantrag 30 des Einspruchsverfahrens und sei damit bereits im Verfahren. Auch greife der Einwand mit Bezug auf das Verschlechterungsverbot der (einzigen) Beschwerdeführerin nicht, da der nunmehr einzige unabhängige Anspruch (1) im Hilfsantrag 3 der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtete unabhängige Anspruch 2 gewesen sei. Somit habe sich damit weder der Sachverhalt geändert, noch käme die Patentinhaberin mit dem Hilfsantrag 3 in eine unzulässig vorteilhafte Position.
Der Gegenstand dieses Anspruchs 1 sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die mit den Merkmalen des kennzeichnenden Teils zu lösende Aufgabe bestehe darin, einen erweiterten ästhetischen Gestaltungsspielraum zu realisieren.
Keine Kombination der im Verfahren befindlichen Dokumente führe zu der Merkmalskombination des strittigen Anspruchs bzw. des kennzeichnenden Teils.
So sei es weder eindeutig und unmittelbar erwiesen noch nahegelegt, dass durch die Metallgeflechte der Dokumente D1 und D16 hindurchgesehen werden könne. Ob durch ein Metallgeflecht hindurch gesehen werden könne, hänge von dessen Struktur ab. Darüber sei aber nichts in D1 oder in der eher schematischen Skizze aus D16 offenbart. Diese Annahme sei aber auch nicht nahegelegt, dadurch dass D1 bereits eine Glasfaser offenbare, die durchsichtig sein solle. Diese sei nämlich eine Alternative zum Metallgeflecht, so dass in der Ausführungsform mit Glasfaser dann eben das Metallgeflecht fehle.
Die D7 sei auf Filter und Siebe gerichtet und habe mit Kfz-Innenverkleidungen nichts zu tun.
Da in D14, D15 keine weitere Schicht unter dem Metallgeflecht angeordnet sei, könne diese weitere Schicht auch nicht gesehen werden. Es sei eine rein hypothetische Annahme, die auf dem Wissen der vorliegenden Erfindung beruhe. Für die in D17 gezeigte Fasermatte spiele die Durchsichtigkeit keine Rolle. In einem Ausführungsbeispiel in D17 mag zwar das auf der Oberseite aufgebrachte Kunststoffmaterial durchsichtig sein, es fehle aber an der Sichtbarkeit auf eine weitere unter der Metallschicht angeordnete Schicht.
Im Stand der Technik gehe es letztlich allenfalls um die Sichtbarkeit einer Metalllage, jedoch nicht um die Sicht auf eine unter der Metallstruktur angeordnete Schicht.
Es reiche auch nicht, dass nur eine Metallstruktur (z.B. in D7) derart angepasst werde, dass sie durchblickbar sei, sondern die Merkmale des Anspruchs 1 forderten ja, dass das gesamte Innenverkleidungsteil bis zur untersten Schicht durchblickbar sei.
Aus denselben Gründen führten auch die Angriffe, die von D16 oder D17 ausgingen, nicht zu der Merkmalskombination gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3.
Auch D23 sei nicht in der Lage, die Patentfähigkeit der Erfindung gemäß Anspruchs 1 in Frage zu stellen. Dort sei gar kein Verfahren offenbart, sondern lediglich ein Gegenstand. Dieser weise zwar Merkmale auf, die dem Produkt entsprächen, welches gemäß dem Verfahren gefertigt sei, aber es sei eben nicht offenbart, dass dort eine Sperrschicht wirksam werde.
Entscheidungsgründe
1. Die Parteien erklärten, dass sie keine Veranlassung sehen, die Ausführungen der einwendenden Dritten über das Maß hinaus zu berücksichtigen, in dem sich die Einsprechende die Argumente der einwendenden Dritten zu eigen gemacht und eigens vorgetragen hat.
Diese Einwendungen Dritter sind anonym geschehen und die Parteien haben keine besonderen Gründe für eine Berücksichtigung von Amts wegen vorgetragen.
Daher werden die Einwendungen Dritter in der Entscheidung nicht berücksichtigt, vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, III.N.2.4.
2. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da es durch den Stand der Technik nahegelegt ist, Artikel 56 EPÜ.
2.1 Die Merkmale des Oberbegriffs sind unstrittig aus dem Dokument D1 bekannt.
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von dem der strittigen Erfindung dadurch, dass die Metallstruktur eine Streckmetallschicht ist.
2.2 Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin gibt an, dass mit dem unterscheidenden Merkmal die Aufgabe gelöst werde, eine besondere ästhetische Wirkung zu erzielen, da komplizierte Metallstrukturen einen erheblichen ästhetischen Reiz böten.
Die Definition dieser Aufgabe steht im Einklang mit der ursprünglich in der Anmeldung genannten Aufgabe (vgl. veröffentlichte Anmeldung, Paragraphen [0007] und [0008]), so geht die Kammer zugunsten der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin davon aus, dass die genannte Aufgabe dem unterscheidenden Merkmal zugrunde liegt.
2.3 Das Dokument D1 offenbart eine Lösung genau dieser Aufgabe mit einer Metallgewebestruktur, z. B. eines Drahtgewebes. Metallgewebestrukturen (Drahtgewebe) sind ebenfalls im Streitpatent in den Ausführungsbeispielen als Möglichkeit einer ästhetischen Darstellung genannt. Die Kammer betrachtet die erfindungsgemäße Verwendung einer Streckmetallschicht als eine naheliegende Alternative zu dem in D1 offenbarten Metallgewebe.
2.4 Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin wendet ein, dass durch die nicht naheliegende Verwendung von Streckmetall sich gestalterische Alternativen realisieren ließen, die mit Metallgeflecht nicht zu erzielen wären. Auch wenn die Streckmetallschicht selbst nicht sichtbar sei, zeichne sich deren Oberflächenstruktur ab.
2.5 Diese Darstellung teilt die Kammer nicht. Zum einen schreibt die Definition des Verfahrens nach Anspruch 1 nicht vor, dass die Streckmetallschicht in irgendeiner Form zu sehen ist, auch nicht deren Struktur oder sonstige Merkmale. Zum anderen ist mit der Streckmetallschicht kein besonderer technischer Effekt in Bezug auf die gestellte Aufgabe verbunden.
2.6 Auch das Streitpatent nennt keinen besonderen Vorteil einer Streckmetallschicht gegenüber einem Metallgeflecht bzw. Drahtgewebe. So sind in Paragraph [0007] "Drahtgewebe, Streckmetallstrukturen oder auch andere, beispielsweise durch Stanzen oder andere Techniken perforierte Metallstrukturen" nebeneinander ohne besondere Vorhebung der erfindungsgemäßen Streckmetallschicht aufgeführt.
2.7 Auch die von der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Verteidigungslinie, nämlich dass die Aufgabe mit dem unterscheidenden Merkmal (Streckmetall) darin bestehe, Innenverkleidungsteile ökonomischer fertigen zu können, kann die Kammer nicht überzeugen. Die Vor- und Nachteile von Metallgeflecht und Streckmetallstrukturen sind dem Fachmann hinreichend bekannt und eine ökonomische Optimierung durch den Austausch des Metallgeflechts durch eine Streckmetallschicht führt zu keinen unerwarteten Effekten. Somit kann dieser Schritt keine erfinderische Tätigkeit begründen.
2.8 Die Hilfsanträge 1 und 2 enthalten ebenfalls denselben Anspruch 1, den die Kammer im Rahmen des Hauptantrags als nicht gewährbar erachtet. Somit sind auch diese Anträge nicht gewährbar.
2.9 Da die Hilfsanträge 1 und 2 nicht zu einem patentfähigen Verfahren führen können, kann es dahingestellt bleiben, ob die Hilfsanträge 1 und 2 in das Verfahren zuzulassen sind.
4. Die Einsprechende/Beschwerdeführerin beantragt, den Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Einsprechende/Beschwerdeführerin begründet ihren Antrag zum einen damit, dass die Hilfsanträge gegen Artikel 12 (4) VOBK verstoßen.
4.1 Das Gegenteil ist der Fall.
Hilfsantrag 3, wie mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegt, entspricht dem Hilfsantrag 30 aus dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung. Somit hat der Hilfsantrag 3 bereits der ersten Instanz vorgelegen. Dieser ist dort nicht beschieden worden, da die Einspruchsabteilung den höherrangigen Hilfsantrag 26 für gewährbar erachtete. Die Beschwerdegegnerin hat nunmehr den Hilfsantrag 30 aus dem Einspruchsverfahren als Hilfsantrag 3 mit der Beschwerdeerwiderung im Beschwerdeverfahren erneut vorgelegt. Dieser ist damit gemäß Artikel 12 (1) VOBK Teil des Beschwerdeverfahrens.
4.2 Weiter kann auch dem Vortrag der Einsprechenden/Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, dass eine nicht-beschwerdeführende Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren lediglich darauf beschränkt sei, die von der Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegte Fassung zu verteidigen. Da der Hilfsantrag 3 lediglich den unabhängigen Anspruch 2 der von der Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegten Fassung als einzigen unabhängigen Anspruch bei im Wesentlichen unveränderten abhängigen Ansprüchen beinhaltet, kann die Kammer keinen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot erkennen (G 9/92, reformatio in peius).
5. Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 ist neu, Artikel 54 (1) EPÜ.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist inhaltlich identisch zu dem Anspruch 2 des Hauptantrags.
5.1 Keines der Dokumente, die die Einsprechende angeführt hat, zeigt alle Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1.
5.2 So offenbaren die Dokumente D1 und D16 nicht, dass eine unter der Metallschicht angeordnete Schicht durch die Metallschicht hindurch sichtbar ist.
5.2.1 Die Einsprechende/Beschwerdeführerin trägt vor, dass über den Grad der Sichtbarkeit im strittigen Anspruch 1 nichts ausgesagt sei und dass jedwedes Gewebe aufgrund der in verschiedenen Ebenen sich schneidenden Kett- und Schussfäden prinzipiell (bei seitlichem Blickwinkel) durchsichtig sei. D1 zeige eine solche gewebte Drahtstruktur, die zudem aufgrund der in den Zeichnungen gezeigten Drahtstärke und Maschenweite blickdurchlässig sei. Blickdichte Metallstrukturen seien nur mit einem mehrlagigen Aufbau und sehr aufwändig zu erreichen.
Die Kammer stimmt der Einsprechenden/Beschwerdeführerin insofern zu, als dass die Möglichkeit durch ein Metallgewebe durchzusehen sehr wesentlich von der technischen Ausfertigung, z.B. der Maschenweite oder der Anzahl der Gewebelagen abhängt. Da sich D1 bzw. D16 nicht mit diesem Aspekt auseinandersetzt und die technische Ausfertigung der offenbarten Gewebe nicht beschreibt, ist das Merkmal der Blickdurchlässigkeit weder in D1 noch in D16 als eindeutig und unmittelbar offenbart anzusehen. Dies gilt gleichermaßen für D17.
5.3 Die Dokumente D14 bzw. D15 offenbaren keine weitere unter der Metallstruktur angeordnete Schicht bzw. keine Sperrschicht und können schon von daher nicht die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 in Frage stellen.
Dem Argument der Einsprechenden/Beschwerdeführerin, dass durch die Innenverkleidungsteile gemäß der Dokumente D15 bzw. D14 und D17 eine darunterliegende Schicht erkannt werden könne, auch wenn diese dort nicht offenbart sei, ist nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend, um die Neuheit in Frage zu stellen, da diese Schicht gemäß dem Anspruchswortlaut zum Innenverkleidungsteil gehört.
5.4 Weiterhin trägt die Einsprechende/Beschwerdeführerin vor, dass auch das Dokument D23 das Verfahren des Anspruchs 1 neuheitsschädlich offenbare. Der dort beschriebene Gegenstand könne nur gemäß dem Verfahren, wie es in der strittigen Erfindung beansprucht werde, hergestellt werden.
5.4.1 Das Dokument D23 offenbart ein Innenverkleidungsteil, welches einen Schriftzug aufweist, der rückseitig hinterleuchtet wird, so dass dieser sichtbar ist. Dazu ist eine Metallstruktur in verschiedene - blickdurchlässige - Schichten eingebettet. Allerdings offenbart D23 keine Verfahrensschritte, etwa das Aufbringen einer Sperrschicht, die das Durchdringen der weiteren Schicht begrenzt. Die Tatsache, dass letztlich in D23 eine bestimmte Schichtung zu erkennen ist, lässt keinen Rückschluss darüber zu, wie diese Schichtung entstanden ist, und insbesondere, ob eine Begrenzung einer Durchdringung einer weiteren Schicht im Sinne des anspruchsgemäßen Verfahrensmerkmals stattgefunden hat.
5.5 Da D23 die Patentfähigkeit des Hilfsantrags 3 nicht in Frage stellen kann, kann es dahingestellt bleiben, ob D23 in das Verfahren zuzulassen ist.
6. Das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da es sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, Artikel 56 EPÜ.
6.1 In diesem Punkt teilt die Kammer vollumfänglich die Auffassung der Einspruchsabteilung wie in ihrer Entscheidung dargelegt.
6.2 Der nächste Stand der Technik ist das Dokument D1. Dieses Dokument offenbart alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1.
6.3 Die mit den Merkmalen des kennzeichnenden Teils zu lösende Aufgabe besteht darin, ein Herstellungsverfahren für ein KFZ-Innenverkleidungsteil anzugeben, mit einem erweiterten ästhetischen Gestaltungsspielraum.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Integration dieses Merkmals in das Verfahren gemäß D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
6.4 Ausgehend von D1, sieht die Einsprechende/Beschwerdeführerin die Aufgabe in der Schaffung einer blickdurchlässigen Drahtstruktur.
Blickdurchlässige Drahtstrukturen seien indes dem Fachmann bekannt und könnten keine Aufgabe definieren, deren Lösung eine erfinderische Tätigkeit begründe.
Dies ergebe sich auch dadurch, dass D1 - als Gestaltungsalternative - weiterhin ein Glasgewebe offenbare, welches per se durchsichtig sei. Somit habe der Fachmann bereits einen Hinweis auf die Sichtbarkeit der unter dem Gewebe liegenden Schicht erhalten. Des Weiteren zeigten auch die Dokumente D14, D15, D16 und D17 Drahtstrukturen, die mit Kunststoff beschichtet seien und damit die Merkmale des kennzeichnenden Teils offenbarten.
6.5 Dazu stellt die Kammer zunächst fest, dass die von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe bereits Hinweise auf die Lösung enthält und damit nicht zulässig ist. Weiterhin ist festzustellen, dass keines der im Verfahren befindlichen Dokumente die Merkmalskombination des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 offenbart, nämlich technische Merkmale, die nicht nur die Metallstruktur sondern auch die darunter liegende Schicht zu erkennen erlauben. Daher kann auch keine Kombination mehrerer Dokumente miteinander alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbaren.
6.5.1 Die D7 ist auf Filter und Siebe gerichtet und bietet nach Auffassung der Kammer keine Lehre, die der Fachmann in naheliegender Weise mit einem Kfz-Innenverkleidungsteil gemäß D1 kombinieren würde.
6.5.2 So offenbaren die Dokumente D14, D15 allenfalls eine mit einer Metallstruktur verbundene transparente Folie, allerdings keine weitere unter der Metallschicht liegende Schicht (also keine Sperrschicht, siehe auch oben zur Neuheit). Damit können ausgehend von D1 diese Dokumente per se keinen Hinweis auf die Lösung der gestellten Aufgabe geben, nämlich die gleichzeitige Sichtbarkeit der Metallstruktur und der darunterliegenden Schicht.
6.5.3 In D17 wird zwar von einer grobmaschigen Fasermatte gesprochen, die das Eindringen von Kunststoffmaterial beim Spritzgießvorgang gestattet. Die Durchsichtigkeit der Fasermatte wird dabei nicht angesprochen und ist auch nicht implizit vorauszusetzen, so dass auch dem Dokument D17 kein Hinweis auf die erfindungsgemäße Lösung zu entnehmen ist.
6.5.4 Das Dokument D16 offenbart zwar eine unter der Metallschicht liegende Schicht; dort bleibt es allerdings offen, ob die Metallschicht teilweise durchsichtig ist. Die Figuren können dabei nur als Prinzipdarstellung betrachtet werden und erlauben keinen Rückschluss auf die tatsächlich gewählte Maschenweite der gezeigten Ausführungsbeispiele.
6.5.5 Hinsichtlich des Arguments der Einsprechenden/Beschwerdeführerin, dass es für den Fachmann naheliegend sei, die Maschenweite des Drahtgitters derart anzupassen (vgl. D7, Figur 1), dass teilweise hindurchgeblickt werden könne, ist festzustellen, dass das Merkmal des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 eben nicht nur fordert, dass die Metallschicht durchblickt werden kann, sondern dass das gesamte Innenverkleidungsteil bis unter die Metallschicht auf eine darunter angeordnete Schicht durchsichtig ist.
6.5.6 Aus diesem Grund kann auch die Argumentation der Einsprechenden/Beschwerdeführerin nicht überzeugen, dass in D1 mit dem Glasgewebe schon die Sichtbarkeit der darunterliegenden Schicht sichergestellt sei. Auch in diesem Fall ist nicht die gleichzeitige Sichtbarkeit von Metallgewebe und untenliegender Schicht gegeben.
6.6 Ebenfalls kann aus den genannten Gründen auch die nur schriftlich vorgetragene Argumentationslinie ausgehend von D16 in Kombination mit D1 die erfinderische Tätigkeit nicht in Zweifel ziehen.
Weder in D1 noch in D16 ist eine blickdurchlässige Metallstruktur offenbart.
6.7 Auch der von der Einsprechenden/Beschwerdeführerin vorgebrachte Angriff ausgehend von D17 läuft ins Leere, da - wie dargelegt - auch hier keine unter der Metallstruktur sichtbare Schicht vorhanden ist, oder es einen Hinweis darauf gibt, eine solche Dekorschicht dort anzuordnen. Diese Argumentationslinie beruht auf dem Wissen der strittigen Erfindung und damit auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung:
Spalten 1 bis 2 eingereicht während der mündlichen
Verhandlung (Anlage 1) sowie Spalten 3 bis 8 des
Patents wie erteilt.
- Ansprüche:
Ansprüche 1 bis 16 des Hilfsantrags 3 eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 31. Juli 2015.
- Figuren: 1 bis 10 des Patents wie erteilt.