T 0014/15 () of 18.12.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T001415.20181218
Datum der Entscheidung: 18 Dezember 2018
Aktenzeichen: T 0014/15
Anmeldenummer: 08786783.4
IPC-Klasse: A61F 17/00
A61F 13/00
A61L 15/60
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WUNDPFLEGEARTIKEL MIT ABSORBIERENDER HÜLLE
Name des Anmelders: BSN medical GmbH
Name des Einsprechenden: Schmitt-Nilson, Gerhard, / Waibel, Stefan
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag 7 (nein)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus
Änderungen - Hilfsantrag 4 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführer, d.h. sowohl die Patentinhaberin also auch die gemeinsamen Einsprechenden, haben Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, in der festgestellt wurde, dass das europäische Patent Nr. 2 178 573 in geänderter Form entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten dritten Hilfsantrag den Erfordernissen des EPÜ genügt.

Im folgenden wird auf die Beschwerdeführer nur in ihrer Eigenschaft als Patentinhaberin, bzw. Einsprechende Bezug genommen.

II. Mit ihrer Beschwerdebegründung verfolgte die Patentinhaberin die Zurückweisung des Einspruchs und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, bzw. die Aufrechterhaltung in geänderter Form entsprechend einem der Hilfsanträge 1 bis 5, wobei Hilfsantrag 3 der von der Einspruchsabteilung für gewährbar befundenen Fassung entsprach.

III. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der Verhandlung wurden die Parteien über die vorläufige Meinung der Kammer zu den bis dahin wesentlich erscheinenden Fragen informiert.

IV. Die Patentinhaberin änderte mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 ihre Anträge, in dem sie ihren vorherigen Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 und 2 zurücknahm, den bisherigen Hilfsantrag 3 zu ihrem Hauptantrag erhob und zudem geänderte Hilfsanträge 4 bis 7 einreichte.

V. Die mündliche Verhandlung fand am 18. Dezember 2018 statt, in deren Verlauf die Patentinhaberin die zuvor eingereichten Hilfsanträge 5 bis 7 zurücknahm und geänderte Hilfsanträge 6 und 7 einreichte.

VI. Am Schluss der mündlichen Verhandlung beantragte die Patentinhaberin, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen (Hauptantrag; entspricht Hilfsantrag 3 eingereicht mit Schreiben vom 2. März 2015), hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 eingereichten Hilfsantrags 4 oder auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2018 eingereichten neuen Hilfsantrags 7 aufrecht zu erhalten.

VII. Die Einsprechenden beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.

VIII. Folgende Dokumente aus dem Einspruchsverfahren sind relevant für die vorliegende Entscheidung:

D3: WO-A-2007/051599,

D13: US-A-2006/0025740.

IX. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Wundpflegeartikel (100; 200; 300; 400; 500), bestehend aus wenigstens einem Wundflüssigkeiten absorbierenden Körper (1; 11; 21) und wenigstens einer den Körper (1; 11; 21) wenigstens teilweise umgebenden Hülle (2; 12; 22), dadurch gekennzeichnet, dass

die Hülle (2; 12; 22) selbst flüssigkeitsabsorbierend ist und superabsorbierende Polymere in Faserform aufweist."

X. Im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags lautet der kennzeichnende Teil im Anspruch 1 von "Hilfsantrag 4" wie folgt:

"die Hülle (2; 12; 22) selbst flüssigkeitsabsorbierend ist und

die Hülle mit wenigstens einer superabsorbierenden Substanz in Pulver-, Granulat- oder Faserform versehen ist, wobei

die Hülle ein geringeres Aufnahmevermögen aufweist als der im Inneren der Hülle angeordnete absorbierende Körper."

XI. Der kennzeichnende Teil im Anspruch 1 von "Hilfsantrag 7" lautet dagegen:

"die Hülle (2; 12; 22) selbst flüssigkeitsabsorbierend ist und

die Hülle superabsorbierende Polymere in Faserform aufweist, und

die Hülle aus einem Material in Sandwichanordnung besteht."

XII. Zur Stützung ihres Antrags auf Widerruf des Patents haben die Einsprechenden unter anderem vorgetragen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. D3 offenbare einen Wundpflegeartikel, der den nächstliegenden Stand der Technik bilde und in Kombination mit D13 den Gegenstand von Anspruch 1 nahelege.

Die Einsprechenden widersprachen der Zulassung in das Verfahren der Hilfsanträge 4 und 7. In der Substanz argumentierten die Einsprechenden außerdem, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 4 unter anderem das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllte. Im wesentlichen argumentierten sie dabei, dass die ursprünglich unter dem Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ erhobenen Einwände gegen den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auch für den geänderten Anspruch nach Hilfsantrag 4 gelten würden, der die entsprechenden Merkmale weiterhin aufwies. In Bezug auf Hilfsantrag 7 bestritten die Einsprechenden unter anderem, dass der Gegenstand von Anspruch 1 das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ im Hinblick auf die naheliegende Kombination von D3 und D13 erfülle.

XIII. Die Patentinhaberin verteidigte ihre Anträge mit Argumenten, die im Einzelnen unten in den Entscheidungsgründen dargelegt und behandelt werden.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Artikel 56 EPÜ

1. Es ist unbestritten, dass D3 einen Wundpflegeartikel mit den Merkmalen aus dem Oberbegriff von Anspruch 1 offenbart.

2. Entgegen der Meinung der Patentinhaberin kann die Hülle des aus D3 bekannten Wundpflegeartikels auch selbst flüssigkeitsabsorbierend sein. Dies ergibt sich eindeutig und unmittelbar aus den ersten beiden Absätzen auf Seite 36. Im ersten Absatz wird dargelegt, dass zu osmotisch wirksamen Substanzen sogenannte Superabsorber zählen. Superabsorber haben die bekannte Eigenschaft, austretendes Wasser in großen Mengen zu binden (vgl. D3, z.B. Seite 4, dritter vollständiger Absatz, oder im Streitpatent, z.B. Absatz 7). Im zweiten Absatz auf Seite 36 der D3 wird dann offenbart, dass die "vorgenannten osmotisch wirksamen Substanzen [] auch Bestandteil der Umhüllung sein" können. Sind Superabsorber also Bestandteil der Umhüllung eines Wundpflegeartikels gemäß D3, ist diese Hülle zwangsläufig selbst flüssigkeitsabsorbierend. Die auf Seite 35 stehende Passage, wonach osmotisch wirksame Substanzen auch in der Umhüllung vorliegen können, steht nicht im Widerspruch zu diesem Verständnis. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Umhüllung als Depot für Medikamente oder Lösungen dienen könnte, wie die Patentinhaberin mit Verweis auf Seite 37 der D3 argumentierte. In dieser Passage ist nämlich nicht offenbart, dass diese Ausführungsform speziell durch die als Bestandteil der Hülle vorhandenen Superabsorber realisiert werden soll, geschweige denn dass dies der einzige Zweck der Verwendung von Superabsorbern in der Umhüllung sein soll. Andere Stellen, die die Behauptung der Patentinhaberin belegen könnten, wurden nicht genannt. Medikamente oder Lösungen könnten auch in anderer Form als mittels vorgeladener Superabsorber in der Hülle bereitgestellt werden. Die Funktion der Superabsorber wird darüber hinaus in D3 durchgehend im Zusammenhang mit der Fähigkeit, Wundexsudat aufnehmen zu können, beschrieben.

3. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass ein Wundpflegeartikel nach D3, der Superabsorber als Bestandteil der somit zwangsläufig selbst flüssigkeitsabsorbierenden Umhüllung aufweist, als nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand von Anspruch 1 anzusehen ist. Von diesem unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 nur dadurch, dass er superabsorbierende Polymere in Faserform aufweist.

D3 offenbart hingegen als Form für die im absorbierenden Körper oder als Bestandteil der Hülle des Wundpflegeartikels zu verwendenden Superabsorber, zu denen gemäß D3 superabsorbierende Polymere zählen, entweder Granulat oder Pulver (z.B. Seite 35, vierter Absatz).

4. Ein technischer Effekt, der mit superabsorbierenden Polymeren in Faserform im allgemeinen, d.h. unabhängig von ihrer Konzentration in der Hülle, ihrer genauen Anordnung in der Hülle oder den Fasereigenschaften, erzielt wird, wird im Streitpatent nicht genannt. Die Faserform wird im Streitpatent an mehreren Stellen nur als eine mögliche Form neben Granulaten oder Pulvern genannt, siehe z.B. Absatz 42, wie auch die Einsprechenden unter anderem in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragen haben.

Zwar werden in Absätzen 46 bis 49 des Streitpatents durchaus Vorteile der Faserform beschrieben, mit denen die Patentinhaberin die von ihr formulierte zu lösende Aufgabe begründete.

Die Kammer kann aber aufgrund der Breite des Anspruchs - wie zuvor angedeutet, enthält der Anspruch keine Beschränkung hinsichtlich der Menge der vorliegenden Fasern, ihrer Eigenschaften, Dimensionen oder hinsichtlich ihrer Anordnung im Innern der Hülle oder an einer ihrer Oberflächen, nach innen oder außen ragend - nicht erkennen, dass die Faserform gegenüber der aus D3 bekannten Granulat- oder Pulverform zwangsläufig zu einer Verbesserung des Wundpflegeartikels führt.

Die Kammer ist vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass das unterscheidende Merkmal lediglich eine alternative Form eines Superabsorbers darstellt, was ebenfalls von den Einsprechenden vorgetragen wurde.

5. Ausgehend von dem nächstliegenden Stand der Technik kann eine objektive Aufgabe daher in der Bereitstellung einer alternativen Form eines Superabsorbers für die Hülle des Wundpflegeartikels gesehen werden.

6. Die Lösung dieser Aufgabe mit der beanspruchten Merkmalskombination nach Anspruch 1 ist für den Fachmann naheliegend. Faserförmige superabsorbierende Polymere sind dem Fachmann als Alternative zu den in D3 bereits erwähnten granulat- bzw. pulverförmigen Ausführungsformen bekannt, was neben den diversen von den Einsprechenden in ihrer Beschwerdebegründung in diesem Zusammenhang zitierten Druckschriften zum Beispiel auch aus der D13 hervorgeht, siehe z.B. Absätze 33 und 41. Die Patentinhaberin hat auch nicht bestritten, dass superabsorbierende Polymere in Faserform dem Fachmann als Alternative zu den in D3 erwähnten Formen bekannt waren. Der Fachmann würde daher zur Lösung der genannten Aufgabe die Verwendung von superabsorbierenden Polymeren in Faserform anstelle der in D3 genannten Ausführungsformen der Superabsorber berücksichtigen und somit zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen, ohne selbst erfinderisch tätig zu werden.

7. Selbst wenn man von der allgemeiner formulierten Aufgabe ausgehen würde, die die Patentinhaberin als objektive Aufgabe angesehen hat, d.h. einen verbesserten Wundpflegeartikel bereitzustellen, würde die Kammer zu keinem anderen Ergebnis gelangen. Der Fachmann erhält insbesondere aus Absatz 41 der D13 den Hinweis, dass faserförmige superabsorbierende Polymere bei ihrer Verwendung in einer einen absorbierenden Körper umhüllenden Schicht, die dem unmittelbar angrenzenden Gewebe der zu pflegenden Körperkavität zugewendet ist, besondere Vorteile gegenüber Granulaten oder Pulver aufweisen. Diese Vorteile würden auch bei dem aus D3 bekannten Wundpflegeartikel zu entsprechenden Vorteilen und somit einer Verbesserung gegenüber superabsorbierenden Polymeren in Pulver- oder Granulatform als Bestandteil seiner Hülle und somit in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 führen. Die besonderen Vorzüge, die in Absätzen 46 bis 49 des Patents erwähnt werden, sind wie erwähnt unerheblich, da sie keinen Niederschlag im Anspruch finden. Dass D13 in erster Linie Tampons betrifft, wie die Patentinhaberin als Gegenargument zu einer naheliegenden Kombination von D3 und D13 vortrug, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Auch D13 offenbart explizit die Verwendung der Tampons zur Wundheilung in Körperkavitäten, siehe Absatz 20, genauso wie D3 die Verwendung des Wundpflegeartikels in Körperöffnungen vorsieht, siehe Seite 40, dritter Absatz.

8. Anspruch 1 erfüllt somit nicht das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ, so dass der Hauptantrag der Patentinhaberin nicht gewährbar ist.

Hilfsantrag 4 - Artikel 123 (2) EPÜ

Entgegen dem Antrag der Einsprechenden hat die Beschwerdekammer diesen Hilfsantrag in das Verfahren zugelassen. Auf eine Begründung kann hier verzichtet werden, da der Hilfsantrag in der Sache keinen Erfolg hat.

9. Nach Ansicht der Einsprechenden verstößt Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 aus den gleichen Gründen gegen das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ, die im Rahmen des erhobenen Einspruchsgrunds unter Artikel 100 c) EPÜ gegen den erteilten Anspruch 1 vorgetragen wurden. Demnach argumentierten sie, dass das Merkmal "die Hülle mit wenigstens einer superabsorbierenden Substanz in Pulver-, Granulat- oder Faserform versehen ist", welches im Erteilungsverfahren dem ursprünglichen Anspruch 1 hinzugefügt worden ist, und welches auch im geänderten Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 enthalten ist, zu einem Gegenstand führt, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

Die Kammer kommt aus nachfolgend dargelegten Gründen zu dem Ergebnis, dass dieser Einwand begründet ist und einer Aufrechterhaltung des Patents mit diesem Anspruch entgegensteht.

10. Als Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung wird die dem Streitpatent zugrundeliegende veröffentlichte internationale Anmeldung WO-A-2009/019224 herangezogen.

11. Das im Erteilungsverfahren hinzugefügte Merkmal beruht auf dem zweiten Absatz der Seite 14 der Beschreibung der Anmeldung, mit dem Unterschied, dass dort der Ausdruck "Hüllenmaterial" anstelle von "Hülle" verwendet wird.

Die Einsprechende bemängelt zurecht, dass der in diesem Absatz der Beschreibung vorhandene spezifische Bezug auf das Hüllenmaterial, welches entsprechend den vorhergehenden Seiten zudem selbst als hochabsorbierendes Material offenbart ist (vgl. Übergang der Seiten 8 und 9), bei der Änderung des Anspruchsgegenstands im Prüfungsverfahren verloren gegangen ist. Damit werden nun Ausführungsformen beansprucht, in denen das Hüllenmaterial weder selbst absorbierend ist, noch mit einer superabsorbierenden Substanz versehen sein muss. Zum Beispiel trifft dies auf Ausführungsformen zu, bei denen die Hülle aus zwei an ihren Rändern mit einander verbundenen flüssigkeitsdurchlässigen Folien oder Filmen besteht, die in ihrem beutelartigem Zwischenraum eine superabsorbierende Substanz als Granulat enthalten. Das Material der Hülle, welches aus dem Material der Folien besteht und nicht selbst absorbierend sein muss, wäre dann nicht mit der Substanz versehen, entgegen dem Inhalt der genannten Passagen der Beschreibung. Das Granulat der superabsorbierenden Substanz kann auch nicht als Material der Hülle angesehen werden. Eine solche beutelartige Hülle (als Einheit gesehen) wäre aber trotzdem anspruchsgemäß selbst flüssigkeitsabsorbierend und mit der Substanz versehen.

Andere Stellen der Beschreibung, die eindeutig und unmittelbar offenbaren könnten, dass das Hüllenmaterial selbst nicht mit der superabsorbierenden Substanz versehen sein muss, sondern dieses nur in irgendeiner anderen Art und Weise an oder in der Hülle gehalten werden könnte (z.B. in Form des beispielhaft genannten Beutels) wurden von der Patentinhaberin nicht genannt und konnten von der Kammer auch nicht gefunden werden.

Mangels einer eindeutigen und zweifelsfreien Offenbarung für den beanspruchten Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 4 in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt ist.

12. Die Gegenargumente der Patentinhaberin haben die Kammer nicht überzeugt.

12.1 Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin findet die Kammer im Anspruchswortlaut keine Grundlage für eine engere Auslegung des Anspruchs, die die obige Ausführungsform ausschließt. Das Wort "selbst" im Anspruch ist nicht so zu verstehen, dass damit das Material gemeint ist, was selbst schon flüssigkeitsabsorbierend sein soll. Vielmehr ergibt sich aus dem einleitenden Teil der Anmeldung, dass die Erfindung ursprünglich darin gesehen wurde, das Aufnahmevermögen bekannter Wundpflegeartikel, die konventionell aus einem absorbierenden Körper und einer im wesentlichen flüssigkeitstransportierenden Hülle bestehen, dadurch zu erhöhen, dass die Hülle zusätzlich zum absorbierenden Körper, also "selbst" flüssigkeitsabsorbierend ausgestaltet werden sollte, siehe Seite 4, Zeile 10 bis Seite 5, Zeile 8. Das Wort "selbst" im Anspruch versteht der Fachmann entsprechend der ursprünglichen Offenbarung also vielmehr als die Ergänzung zum absorbierenden Körper beschreibend. Der Sinn, den die Patentinhaberin dem Wort zuschreiben will, wäre also erst nachträglich zum Inhalt der Anmeldung gelangt. Entsprechend gibt es auch keinen Grund, das Wort "zusätzlich" in dem bemängelten Merkmal mitzulesen (im Sinne von "und die Hülle [zusätzlich] mit wenigstens... versehen ist").

12.2 Dem Argument, wonach die Hülle durch ihr Material und ihre räumliche Form oder Gestalt vollständig beschrieben sei und somit klar sei, dass der aufgenommene Wortlaut "die Hülle mit ... Substanz ... versehen ist" sinnvollerweise nur als auf das Material bezogen zu lesen sei, kann angesichts obiger in Punkt 11 beispielhaft angegebener Ausführungsform nicht gefolgt werden.

12.3 Auch der Abschnitt der Beschreibung auf Seite 12, Zeilen 8 bis 15, auf den die Patentinhaberin hingewiesen hat, zur Stützung ihres weiteren Arguments, wonach die Anmeldung Ausführungsformen offenbare, bei denen das Trägermaterial nicht flüssigkeitsabsorbierend sein müsse, ändert an der Schlussfolgerung der Kammer nichts. Einerseits ist unklar, ob sich dieser Abschnitt auf die Hülle oder auf den im unmittelbar vorstehenden Absatz betrachteten absorbierenden Körper bezieht, was einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung entgegensteht. Darüber hinaus werden weder die Eigenschaft der dort genannten Trägermaterialien (Vlies oder Airlaidmatte) der Granulate oder Pulver hinsichtlich ihres Flüssgkeitsaufnahmevermögens erwähnt, noch wird dargelegt, dass solche Trägermaterialien ganz entfallen könnten und die Granulate, Pulver oder Schüttungen z.B. in beutelartig ausgeführten zweilagigen Hüllen vorgehalten werden könnten.

12.4 Die ursprünglichen abhängigen Ansprüche 18 und 19 können ebenfalls nicht als Offenbarung für den beanspruchten Gegenstand angesehen werden. Neben der Tatsache, dass der Wortlaut der beiden abhängigen Ansprüche von dem beanspruchten, bzw. der Beschreibung entnommenen Wortlaut abweicht (die beiden Ansprüche beziehen sich speziell auf Polymere), umfassen sie verschiedene Kombinationen, wobei die beanspruchte Merkmalskombination dort nicht unmittelbar und eindeutig offenbart ist.

12.5 Da Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt, kann das Patent in dieser Form nicht aufrechterhalten werden.

Hilfsantrag 7 - Artikel 56 EPÜ

Auch den erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag 7 hat die Kammer entgegen dem Antrag der Einsprechenden in das Verfahren zugelassen, wobei auf eine Begründung dieser Entscheidung mangels Erfolg in der Sache verzichtet werden kann.

13. Im Vergleich zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags wurde im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 7 das Merkmal des erteilten Anspruchs 8 aufgenommen.

Das hinzugefügte Merkmal, wonach die Hülle aus einem Material in Sandwichanordnung besteht, stellt einen zusätzlichen Unterschied zum nächstliegenden Stand der Technik dar, der weiterhin in dem aus D3 bekannten Wundpflegeartikel gesehen werden kann (siehe Punkt 3 oben). D3 erwähnt zwar auf Seite 5 im zweiten Absatz, dass die Hülle aus mehr als einer Folie oder Abdeckung bestehen kann, eine Sandwichanordnung ist dort oder an anderer Stelle nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

14. Es wurde nicht behauptet und die Kammer kann auch nicht erkennen, dass das zusätzliche Merkmal zu einem einzigen technischen Effekt mit dem anderen unterscheidenden Merkmal ("Hülle weist superabsorbierende Polymere in Faserform auf") beiträgt. Folglich lösen die beiden unterscheidenden Merkmale separate Teilaufgaben.

15. Die Kammer hat oben begründet, warum das erste Merkmal ("...Polymere in Faserform") für den Fachmann naheliegend ist. Auch bezüglich des hinzugefügten Merkmals kommt die Kammer zu diesem Ergebnis.

15.1 Ein technischer Effekt für Hüllenmaterialien in Sandwichanordnung ist im Patent nicht angegeben.

Die Kammer findet, dass die von der Patentinhaberin formulierte Aufgabe, die mit diesem Merkmal gelöst werden sollte, nämlich einen Wundpflegeartikel mit größerer Flexibilität bereitzustellen, nicht objektiv ist. Wie bereits angedeutet ist Flexibilität als Vorteil einer Sandwichanordnung in der Beschreibung nirgends erwähnt. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Flexibilität, den Wundpflegeartikel mittels eines Sandwichmaterials für bestimmte Wundsituationen anpassbar zu machen, durch eine Einschränkung der zur Auswahl stehenden Materialgruppen größer sein sollte als für den Fall, dass der Fachmann aus allen Materialklassen, einschließlich einschichtiger Materialien, auswählen kann.

Eine objektive Aufgabe kann vielmehr darin gesehen werden, lediglich einen alternativen Materialaufbau für die Hülle anzugeben.

16. Entgegen der Meinung der Patentinhaberin sind Hüllenmaterialien in Sandwichanordnung ebenfalls aus D13 bekannt. Ungeachtet der Tatsache, dass die in Figur 1 illustrierte Anordnung der Merkmale 24, 26 und 28 zusammengenommen bereits als eine Hülle um den inneren Absorptionskörper 22 verstanden werden kann, die aus den Materialschichten 24, 26, 28 in Sandwichanordnung besteht, offenbaren Absätze 28 und 29, dass die beiden Hüllen ("wraps") 28 und 24, die den inneren Absorptionskörper 22 und die superabsorbierenden Polymerfasern 26 enthaltende Zwischenlage einschließen, jeweils entweder aus einzelnen Schichten oder aus zwei oder mehr Schichten, diese wiederum gegebenenfalls aus unterschiedlichen Materialien, bestehen können.

Der Fachmann versteht, dass bei einer aus zwei oder mehr Schichten bestehenden Materialanordnung für eine Hülle, z. B. für die äußere Hülle 28 in D13, die einzelnen Schichten im wesentlichen flächig aneinander angrenzen müssen, was sich bereits aus dem Begriff "Schicht(en)" ("layer(s)") ergibt. Eine solche Materialanordnung versteht der Fachmann als Sandwichanordnung. Einer expliziten Offenbarung in D13 des Begriffs "Sandwich" bedarf es nicht. Der Anspruch oder die Beschreibung enthalten darüber hinaus keine von diesem Verständnis abweichende Definition einer Sandwichanordnung.

17. Wenn der Fachmann ausgehend von dem bekannten Wundpflegeartikel der D3, dessen Hülle in naheliegender Weise superabsorbierende Polymere in Faserform aufweisen kann, mit der Aufgabe befasst ist, für die Hülle einen alternative Materialaufbau bereitzustellen, würde er, wenn nicht schon allein auf Grundlage seines allgemeinen Fachwissens, so doch zumindest veranlasst durch die im vorhergehenden Absatz diskutierten Hinweise in D13 auch die Verwendung von mehrschichtigen Materialien in Betracht ziehen und damit in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.

18. Folglich erfüllt Anspruch 1 von Hilfsantrag 7 das Erfordernis von Artikel 56 EPÜ nicht.

19. In Ermangelung eines Antrags, der die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, ist das Patent nach Artikel 101 (3) EPÜ zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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