T 2317/14 (Verfahren zur NOX und N2O-Verringerung/ThyssenKrupp) of 22.5.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T231714.20170522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 2017
Aktenzeichen: T 2317/14
Anmeldenummer: 03735591.4
IPC-Klasse: B01D 53/86
B01J 8/04
B01J 8/02
B01J 19/30
B01J 29/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR VERRINGERUNG DES GEHALTS AN NOX UND N2O IN GASEN
Name des Anmelders: ThyssenKrupp Industrial Solutions AG
Name des Einsprechenden: Borealis Chimie
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent EP-B1-1 515 791 zurückzuweisen.

II. Folgende Dokumente wurden unter anderem in der Entscheidung zitiert.

E1: WO-A-01/51181

E4: B. Coq et al; The simultaneous catalytic reduction of NO and N2O by NH3 using an Fe-zeolite-beta catalyst, Applied Catalysis B: Environmental 27 (2000) 193-198.

E5: WO-A-00/48715

III. Mit der Beschwerdebegründung beanstandete die Beschwerdeführerin inter alia einen Mangel an erfinderischer Tätigkeit und reichte als neues Beweismittel einen Versuchsbericht ein (E17).

IV. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) inter alia neun Hilfsanträge ein.

V. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass die Erfindung ausführbar sei, Neuheit gegeben sei und es fraglich sei, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents wie erteilt, sowie gemäß den damaligen Hilfsanträgen I bis IV, VII und VIII auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dagegen wurden die damaligen Hilfsanträge V, VI und IX als die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ möglicherweise erfüllend angesehen.

VI. Darauf reagierten die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe vom 20. April 2017 und die Beschwerdegegnerin mit ihrer Eingabe vom 4. Mai 2017.

VII. Während der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2017, reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Antrag als Hilfsantrag 0 ein, den sie zum einzigen Antrag machte. Nach Zulassung des Antrags durch die Kammer, hielt die Beschwerdeführerin nur noch den Einwand unter Artikel 56 EPÜ aufrecht.

Anspruch 1 in der Fassung dieses Antrags lautet wie folgt:

" 1. Verfahren zur Minderung des Gehalts von NOx und N2O in Gasen, insbesondere in Prozessgasen und Abgasen, umfassend die Maßnahmen:

a) Leiten des N2O und NOx enthaltenden Gases über eine Folge zweier Katalysatorbetten enthaltend einen oder mehrere mit Eisen beladene Zeolithe,

b) Zugabe eines Reduktionsmittels für NOx zwischen den Katalysatorbetten,

c) Einstellen einer Temperatur von weniger als 500°C im ersten Katalysatorbett und zweiten Katalysatorbett,

d) Einstellen eines Gasdruckes von mindestens 2 bar in den beiden Katalysatorbetten,

e) Auswahl einer solchen Raumgeschwindigkeit im ersten und zweiten Katalysatorbett, so dass im ersten Katalysatorbett ein Abbau des N2O-Gehalts des Gases um höchstens 90%, bezogen auf den N2O Gehalt am Eingang des ersten Katalysatorbettes, erfolgt und sich ein N2O Gehalt von größer als 200 ppm einstellt und dass im zweiten Katalysatorbett ein weiterer Abbau des N2O-Gehalts des Gases um mindestens 30%, bezogen auf den N2O Gehalt am Eingang des zweiten Katalysatorbettes, erfolgt,

f) wobei als Reduktionsmittel für NOx Ammoniak verwendet wird, das in einer Menge von 1,0 bis 1,2 molaren Anteilen, bezogen auf einen molaren Anteil an abzubauendem NOx, eingesetzt wird."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung.

VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruchssatz sei nicht in das Verfahren zuzulassen, da kein neuer Einwand erhoben worden sei und das Verfahren keinen überraschenden Verlauf genommen habe. Demzufolge hätte er bereits viel früher eingereicht werden können. Zudem sei der Antrag nicht eindeutig gewährbar.

E1 sei nächstliegender Stand der Technik, der ebenfalls eine Methode zur Entfernung von NOx und N2O in Prozessgasen und Abgasen beschreibe. Da die durchgeführten Versuche (E17) zeigten, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht besser als jenes gemäß E1 sei und Schritt e) des Anspruchs keinen Mindestumsatz an N2O erfordere, könne die zu lösende Aufgabe nur in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens gesehen werden. Die vorgeschlagene Lösung sei naheliegend, da E1 nicht ausschließe, dass ein gewisser Teil des N2O in der zweiten Stufe abgebaut werde. Die Anpassung der Verfahrensbedingungen stellten für einen Verfahrensingenieur Fachwissen dar.

E1 könne entnommen werden, dass ein Lachgasgehalt von 200 ppm nach der ersten Reaktionszone dem weiteren Lachgasabbau in der zweiten Reaktionszone trotz reduzierten NOx-Gehalts nicht entgegenstehe.

E4 weise darauf hin, dass Stickstoffmonoxid und Lachgas durch Ammoniak in Gegenwart von Fe-Zeolith Systemen simultan abgebaut werden. Dies sei auch in E5 der Fall. Zudem sei aus E4 (Figur 5) ersichtlich, dass ein Verhältnis von NH3 zu NOx zwischen 1 und 1.2 zu dem höchsten Umsatz von NOx führe. Figur 2 aus E4 zeige, dass der Abbau von N2O erst nach der fast vollständigen Umsetzung von NO beginne.

Die vorliegenden Ergebnisse erlaubten es nicht, eine Verbesserung des NH3-Verbrauchs gegenüber E5 zu schlussfolgern.

Auch E1 lehre ein Verhältnis von NH3 zu NOx zwischen 1 und 1.2, da ein solches in der Tabelle gezeigt und NH3 nur für die Reduktion von NOx entscheidend sei.

Dem Fachmann sei zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatentes somit bekannt gewesen, dass ein N2O-Abbau durchaus in Gegenwart von NOx und NH3 (und zwar simultan bzw. parallel zum NOx-Abbau) erfolge.

Entsprechend hätte der Fachmann keine Probleme darin gesehen, ausgehend von der E1 die Lachgasabbaurate in der ersten Reaktionszone zu reduzieren, da er wusste, dass auch in der zweiten Reaktionszone in Gegenwart von Ammoniak Lachgas abgebaut werde.

IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruchssatz sei zuzulassen, da das eingefügte Merkmal bereits in anderen Anträgen vorhanden gewesen sei, aus einem abhängigen Anspruch komme und, angesichts der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer, wahrscheinlich gewährbar sei.

E1 sei nächstliegender Stand der Technik. Die zu lösende Aufgabe sei es, die Betriebs- und Investitionskosten bei der Durchführung des beanspruchten Verfahrens zu reduzieren. Die vorgeschlagene Lösung sei nicht nahegelegt, da die Lehre der Druckschrift E1 nicht nur eine strikte Trennung zwischen Lachgasabbau, der in der ersten Reaktionszone stattfinden solle, und der Stickoxid-Reduktion, die in der zweiten Reaktionszone stattfinden solle, verfolge, sondern der Fachmann entnehme der Lehre der Druckschrift E1 auch den Hinweis, dass es besser sei, besonders viel Lachgas in der ersten Reaktionszone abzubauen. E1 lehre nicht, dass in der zweiten Reaktionszone überhaupt noch Lachgas abgebaut werden solle. Der Fachmann habe keinen Grund, in eklatanter Weise von der Lehre der Druckschrift E1 abzuweichen und den Abbau von N2O von der ersten in die zweite Reaktionsstufe zu verlegen.

Je geringer das zu erreichende quantitative Ausmaß des Abbaus des N2O-Gehalts im ersten Katalysatorbett sei, desto kleiner könne das erste Katalysatorbett dimensioniert werden. Dies verringere einerseits Investitionskosten, andererseits Betriebskosten. Eine Erhöhung des prozentualen Ausmaßes des N2O-Abbaus benötige überproportional große Mengen an Katalysatormaterial.

Das Merkmal f) des Anspruchs 1 impliziere, dass in Schritt e) N2O im zweiten Bett nicht alleine mittels Reduktion durch NH3 abgebaut werde.

Die Lehre der Druckschrift E5 betreffe nicht den Lachgasabbau durch Zersetzung in Stickstoff und Sauerstoff, wie in der ersten Reaktionszone der Druckschrift E1, sondern vielmehr die Lachgasreduktion durch Ammoniak.

E4 offenbare auch eine simultane Reduktion von Stickoxiden und Lachgas mittels Ammoniak.

Die Verringerung des N2O-Gehalts entsprechend E4 und E5 führe zu einem dramatischen Anstieg beim Verbrauch des Reduktionsmittels NH3.

X. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent gemäß dem Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag 0 während der mündlichen Verhandlung, aufrecht zu erhalten.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssatzes

1.1 Gemäß Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung bzw. Beschwerdeerwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.

Gemäß Artikel 13 (3) VOBK werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.

Anträge, die im bereits weit vorgerückten Verfahrensstand nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung oder gar erst während dieser selbst eingereicht wurden, können demnach nur bei geringer Komplexität und wenn die gebotene Verfahrensökonomie dem nicht entgegensteht, zugelassen werden.

1.2 Hierzu hat die Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, IV.E.4.2.5) die Leitlinie entwickelt, dass ein nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vorgelegter Antrag angenommen werden kann, wenn

i) es gute Gründe gibt, diesen Antrag so spät zu stellen (z.B. die Entwicklung der Diskussion und des Verfahrens), wenn

ii) der Antrag nicht über den Umfang der Diskussionen, ausgehend von der Beschwerdebegründung und der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin, hinausgeht, oder etwas vereinfacht, wenn der Antrag keine wesentlichen neuen Probleme aufwirft und wenn

iii) der Antrag eindeutig oder offensichtlich gewährbar ist.

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf die Frage der Zulassung des vorliegenden Antrags ist folgendes festzustellen:

zu i) Der Einwand unter Artikel 56 EPÜ wurde bereits zu Beginn des Einspruchsverfahrens erhoben. Die Einspruchsabteilung fand den Einwand unbegründet. In ihrer Beschwerdebegründung wiederholte die Beschwerdeführerin ihren Einwand. Die Kammer folgte der Meinung der Beschwerdeführerin in ihrer vorläufigen Meinung. Während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer wurde von der Beschwerdeführerin die Argumentation hinsichtlich der Auslegung des Schrittes e) des erteilten Anspruchs 1 vertieft, was die Beschwerdegegnerin veranlasste, den vorliegenden Antrag einzureichen. Obwohl ein Großteil der Argumentation bereits vor dem Termin der mündlichen Verhandlung vorlag, hat die Beschwerdegegnerin ihre Argumentation nochmals wesentlich weiterentwickelt, sodass das Einreichen des jetzigen Antrags als angebrachte Reaktion auf die Argumente der Beschwerdeführerin angesehen werden kann.

Das Stellen des Antrags zu dem sehr späten Zeitpunkt ergibt sich somit aus der Entwicklung der Diskussion während der mündlichen Verhandlung.

zu ii) Das in Anspruch 1 aufgenommene Merkmal f) stammt aus dem erteilten abhängigen Anspruch 7 und war bereits im Anspruch 1 des Hilfsantrags V, der mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht wurde, vorhanden. Anspruch 1 entspricht somit einer einfachen Kombination von Merkmalen aus zwei erteilten Ansprüchen und wirft keine wesentlichen neuen Probleme auf. Zudem führte die Aufnahme dieses Merkmals in den Hilfsantrag, der als erster nach dem Hauptantrag diskutiert wurde, zu einer Verkürzung und Vereinfachung der Diskussion, da andere Hilfsanträge nicht erörtert werden mussten, die dieses Merkmal, das sich als entscheidend für die erfinderische Tätigkeit herausstellte, nicht enthielten.

zu iii) In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK war die Beschwerdekammer der vorläufigen Meinung, dass für Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags V möglicherweise eine erfinderische Tätigkeit aufgrund des jetzt im Anspruch 1 vorhandenen Merkmals f) gegeben sei. Demzufolge musste die Beschwerdegegnerin beim Einreichen des Antrags annehmen, dass dieser gewährbar sei. Wie die anschließende Diskussion zeigte, war diese Einschätzung korrekt (siehe unten).

Da die drei Bedingungen i) bis iii) erfüllt sind, sieht die Kammer keinen Grund, den Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Erfindung

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Minderung von Stickoxiden (NOx) und Lachgas (N2O) in Gasen.

2.2 Nächstliegender Stand der Technik

Im Einklang mit den Parteien ist E1 nächstliegender Stand der Technik. E1 offenbart ein Verfahren zur Verringerung des Gehalts von NOx und N2O in Prozessgasen und Abgasen. Das Abgas wird durch eine Vorrichtung umfassend mindestens ein Katalysatorbett enthaltend einen Katalysator, welcher im Wesentlichen einen oder mehrere mit Eisen beladene Zeolithe enthält, und zwei Reaktionszonen geleitet. In der ersten Zone (Reaktionszone 1) wird N2O abgebaut und in der zweiten Zone wird NOx reduziert. Zwischen der ersten und zweiten Zone wird Ammoniak (NH3) zugeführt (Anspruch 1).

Das Ausführungsbeispiel aus E1 wurde mit einem Fe-ZSM-5-Katalysator in zwei hintereinander geschalteten Rohrreaktoren durchgeführt, welcher jeweils in einer solchen Menge vorhanden war, dass bezogen auf den eintretenden Gasstrom jeweils eine Raumgeschwindigkeit von 10.000 h**(-1) resultierte. Zwischen den beiden Reaktionszonen erfolgte die Zugabe von NH3-Gas. Die Eingangsvolumenkonzentrationen betrugen 1.000 ppm N2O, 1.000 ppm NOx und 2.500 ppm H2O. NH3 wurde in einer Volumenkonzentration von 1200 ppm zugegeben. Die Betriebstemperatur war 400°C. Der Gesamtumsatz über beide Reaktoren betrug 96,1% N2O und 92,2% NOx (Austrittskonzentration 78 ppm) bei vollständigem Verbrauch von NH3 (Seite 9, Zeile 10 bis Seite 10, Zeile 9). Informationen betreffend den Teil des Abbaus in der ersten Reaktionszone sind in E1 nicht vorhanden. Auch können solche Informationen nicht aus E17 abgeleitet werden, da diese Vergleichsversuche nicht im Einklang mit E1 (z.B. Temperatur) sind und basierend auf diesen Resultaten nur angenommen wird, dass die N2O-Abbaurate in E1 so sei, dass der N2O-Gehalt nach der ersten Reaktionszone in einem Größenbereich von 200 ppm und darüber liegt (Beschwerdebegründung, Seite 6, Absatz 7). Das Verhältnis zwischen NH3 und abzubauendem NOX in dem Ausführungsbeispiel aus E1 ist 1.3 (1200/(1000-78)).

Das abzubauende NOx entspricht dabei nicht der Eingangskonzentration, sondern dem Teil des NOx, der wirklich abgebaut wird. Dies ist im Einklang mit Absatz [0043] der Beschreibung des Streitpatents, woraus hervorgeht, dass das abzubauende NOx dem gewünschten Grad des Abbaus entspricht. Es wird angenommen, dass der gewünschte Grad des Abbaus identisch mit dem effektiv abgebauten NOx ist, was dazu führt, dass das abzubauende NOx sich aus dem Unterschied zwischen Eingangs- und Austrittskonzentration ergibt. Diese Interpretation ist auch im Einklang mit der Tabelle in Absatz [0079] des Streitpatents, da bei dieser Auslegung das Verhältnis NH3/abzubauendes NOx 1.11 (310/(360-80)) ist. Falls das abzubauende NOx mit der Eingangskonzentration von NOx gleichgesetzt würde, wäre das Verhältnis NH3/NOx 0,86 (310/360) und somit außerhalb des Anspruchs 1, was wenig sinnvoll ist. Die hier gewählte Auslegung ist zudem im Einklang mit der Argumentation der Beschwerdegegnerin, betreffend Fig. 5 aus E4, dass zur Bestimmung des Verhältnisses NH3/NOx für NO nicht 1500 ppm (Eingangskonzentration) zu wählen seien, sondern die Konzentration des effektiv abgebauten NO, die teilweise deutlich unter 100% läge.

2.3 Aufgabe

Die zu lösende Aufgabe des Streitpatents besteht darin, ein im Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik einfaches, aber wirtschaftliches Verfahren zur Verfügung zu stellen, das gute Umsätze sowohl für den Monostickstoffoxid-, als auch für den Lachgasabbau in Gasen liefert und sich durch minimale Betriebs- und Investitionskosten auszeichnet (Absatz [0016]).

2.4 Lösung

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Patent ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vor, dadurch gekennzeichnet, dass die Raumgeschwindigkeit im ersten und zweiten Katalysatorbett so ausgewählt ist, dass im ersten Katalysatorbett N2O um höchstens 90% abgebaut wird und sich ein N2O-Gehalt von größer als 200 ppm einstellt und dass im zweiten Katalysatorbett ein weiterer Abbau des N2O-Gehalts um mindestens 30%, bezogen auf den N2O-Gehalt am Eingang des zweiten Katalysatorbettes, erfolgt, wobei NH3 in einer Menge von 1,0 bis 1,2 molaren Anteilen, bezogen auf einen molaren Anteil an abzubauendem NOx, eingesetzt wird.

2.5 Erfolg der Lösung

Das Ausführungsbeispiel des Patents zeigt, dass N2O im ersten Reaktor nur bis 540 ppm abgebaut wird und im zweiten Reaktor weiter abgebaut werden kann. Aus der Stöchiometrie und den Austrittskonzentrationen ergibt sich, dass dieser Abbau im zweiten Reaktor zum größten Teil nicht durch Reduktion mit NH3 erfolgen kann. Der Gesamtabbau des N2O betrug 87%. Das Ausführungsbeispiel zeigt somit, dass es möglich ist, einen Teil des N2O-Abbaus aus dem ersten in den zweiten Reaktor zu verlegen, sodass es aufgrund dieses Beispiels plausibel ist, dass die gestellte Aufgabe gelöst wurde. Es gibt auch keinen triftigen Grund, daran zu zweifeln, dass diese Aufgabe über den gesamten Bereich des Anspruchs gelöst wird, denn die Angaben in Schritt f) und die oben gegebene Interpretation von "abzubauendem" führen dazu, dass fast der gesamte Anteil an zugegebenem Ammoniak mit NOx reagieren wird. Somit muss unter realistischen Bedingungen ein Teil des N2O, das in den zweiten Reaktor gelangt durch eine andere Reaktion als der Reduktion mit NH3 umgesetzt werden.

Der Erfolg der Lösung wurde jedoch von der Beschwerdeführerin in Frage gestellt, da der in der Tabelle in Absatz [0079] gezeigte Umsatz geringer sei als in E1. Dies sei durch E17 bestätigt. Demzufolge habe die Veränderung des Verfahrens eine Verschlechterung des Umsatzes zur Folge.

Das Beispiel aus E1 kann nicht wirklich mit dem Ausführungsbeispiel des Patents verglichen werden, da sich die Bedingungen in mehreren Punkten unterscheiden. In E1 wurde der zylindrische Katalysatorkörper zu einem Granulat gebrochen, was zu einer größeren Oberfläche führt. Zudem unterscheiden sich die Raumgeschwindigkeit, die Eingangskonzentrationen, die Betriebstemperatur und möglicherweise der Betriebsdruck, sodass nicht eindeutig geschlussfolgert werden kann, dass der schlechtere Gesamtumsatz von N2O und NOx im Beispiel des Streitpatents darauf zurückzuführen ist, dass in E1 mehr N2O im ersten Reaktor abgebaut wurde.

Der Versuchsbericht E17 zeigt die Versuche 1 und 2, wobei im Versuch 1 die Bedingungen so gewählt waren, dass die N2O-Konzentration nach dem ersten Reaktor kleiner als 200 ppm war (wie in E1) und im zweiten Reaktor, die Bedingungen dagegen so gewählt waren, dass die N2O-Konzentration nach dem ersten Reaktor größer als 200 ppm war (wie im Streitpatent). Die in der Tabelle zusammengefassten Ergebnisse zeigen, dass der Umsatz über beide Zonen im Versuch 1 etwas größer war. Es kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die Verschlechterung des Umsatzes alleine dadurch zustande kam, dass die Raumgeschwindigkeit im ersten und zweiten Katalysatorbett so gewählt war, dass sich im ersten Katalysatorbett ein N2O-Gehalt von größer als 200 ppm einstellte und dass im zweiten Katalysatorbett ein weiterer Abbau des N2O-Gehalts des Gases um mehr als 30%, bezogen auf den N2O-Gehalt am Eingang des zweiten Katalysatorbettes, erfolgte (Unterscheidungsmerkmal zwischen E1 und Anspruch 1). Andere Verfahrensparameter wie z.B. die Betriebstemperatur und der Gasdruck wurden auch zwischen Versuch 1 und 2 variiert (vermindert), sodass es nicht eindeutig ist, worauf die Verschlechterung der Umsätze zurückzuführen ist.

Deshalb gibt es keinen hinreichenden Grund daran zu zweifeln, dass die gestellte Aufgabe erfolgreich gelöst wurde.

2.6 Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung

Es muss bestimmt werden, ob die beanspruchte Lösung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik hervorgeht.

E1 lehrt, dass aus Gründen der Einfachheit und Wirtschaftlichkeit ein einstufiges Verfahren, d.h. die Verwendung eines einzigen Katalysators zur Reduktion sowohl von NOx als auch von N2O besonders erstrebenswert sei (Seite 2, letzter Absatz). E1 erwähnt E5 als einstufiges Verfahren (Seite 3, Zeile 30 bis Seite 4, Zeile 5), hat jedoch Bedenken wegen des hohen Verbrauchs an Reduktionsmittel (Seite 4, Zeilen 3 bis 5 und 10 bis 12). Deshalb wird in E1 angeregt, möglichst viel N2O in der ersten Stufe abzubauen (Seite 5, Zeilen 21 bis 23). Dabei soll von der Gegenwart von NOx als aktivierendem Agens im N2O-Abbau profitiert werden (Seite 4, Zeilen 25 bis 27).

Ausgehend von E1 hatte der Fachmann, der die oben gestellte Aufgabe lösen wollte, somit keinen Grund an einem zweistufigen Verfahren festzuhalten und den Abbau von N2O von der ersten in die zweite Reaktionsstufe zu verlegen.

E4 betrifft die gleichzeitige Reduktion von NO und N2O durch NH3 in Gegenwart eines Fe-Zeolith-beta Katalysators, die durch vier verschiedene, gleichzeitig ablaufende Reaktionen beschrieben werden kann (Seite 197, rechte Spalte, Punkte 1. bis 4.). Es handelt sich um ein einstufiges Verfahren. Aus Fig. 2 ist ersichtlich, dass bei einem Verhältnis von NH3 zur Anfangskonzentration von NO + N2O von 1 (2500/1500+1000) NO und N2O bei ihrer gleichzeitigen Umsetzung eine Synergie aufweisen. Fig. 5 zeigt, dass die beste Umsetzung von N2O und NO bei einem Verhältnis von NH3/abzubauendes NO von etwa 1,6 (2300/(0.95*1500)) stattfindet. Bei der Zugabe von 1000 ppm NH3 werden etwa 50% des NO umgesetzt, was ein Verhältnis von NH3/abzubauendes NO von 1,3 (1000/(1500*0.5)) bedeutet. Ausgehend von E1 lernt der Fachmann aus E4, dass ein einstufiges Verfahren zum Abbau von NO und N2O möglich ist, jedoch in Gegenwart von Mengen an NH3, die deutlich über dem beanspruchten Bereich liegen. Dies entspricht im Grunde dem, was bereits in E1 erwähnt ist (Seite 3, Zeile 30 bis Seite 4, Zeile 5). Selbst wenn der Fachmann ausgehend von E1 die Verschiebung des N2O-Abbaus vom ersten in den zweiten Reaktor in Betracht ziehen würde, wofür es jedoch keinen überzeugenden Grund gibt, würde er aus E4 erfahren, dass der gemeinsame Abbau von NO und N2O am besten bei einem höheren Verhältnis von NH3/abzubauendes NO als dem beanspruchten abläuft. E4 lehrt die beanspruchte Lösung somit nicht.

E5, das bereits in E1 erwähnt wird, betrifft auch ein einstufiges Verfahren zur gleichzeitigen Reduktion von N2O und NOx durch NH3 in Gegenwart eines Fe-Zeolith-beta-Katalysators (Seite 2, Zeilen 3 bis 14). Aus Beispiel 4bis geht hervor, dass die optimale Menge an NH3 bei einem Verhältnis NH3/(N2O + NO) von 0.8 ist. Dies entspricht im Fall des Beispiels einem Verhältnis von NH3/abzubauendes NO von größer 4 (2000/500). Da NO bei geringeren NH3-Konzentrationen zuerst mit NO reagiert, würde N2O nur noch soweit abgebaut, wie Ammoniak übrig bleibt (Seite 7, Zeilen 5 bis 3 von unten). Daraus ergibt sich eindeutig, dass der Abbau von N2O nur der Reaktion mit NH3 zugeschrieben wird, was bedeutet, dass der Fachmann, der NO und N2O abbauen will, die Menge an NH3 auf Grund der Mengen beider Gasen bestimmen wird. Wie bereits oben angegeben würde der Fachmann ausgehend von E1 die Verschiebung des N2O Abbaus vom ersten in den zweiten Reaktor nicht in Betracht ziehen. Täte er dies doch, gäbe E5 ihm keinen Hinweis auf das beanspruchte NH3/abzubauendes NO Verhältnis. E5 legt die Lösung auch nicht nahe.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Gleiche gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 13, die bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung betreffen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anweisung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des nunmehrigen Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag 0 in der mündlichen Verhandlung, und einer anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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