T 2299/14 () of 18.4.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T229914.20180418
Datum der Entscheidung: 18 April 2018
Aktenzeichen: T 2299/14
Anmeldenummer: 10003174.9
IPC-Klasse: A61F 5/44
A61F 5/445
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Absorptionskörper zum Anschluss an Haut- und Schleimhautoberflächen
Name des Anmelders: BSN medical GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag, Hilfsantrag 1, 2, 4, 5 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 3 (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 3. Juli 2014 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung No. 10003174.9 zurückgewiesen.

II. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) form- und fristgerecht Beschwerde eingereicht.

III. Am 18. April 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Am Ende der Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erteilung des Patents auf der Grundlage der mit Schreiben vom 15. März 2018 in Antwort auf den Ladungsbescheid der Kammer eingereichten Anspruchssätze des Hauptantrags oder, alternativ, eines der Hilfsanträge 1-5.

IV. Folgende Entgegenhaltungen waren für die vorliegende Entscheidung relevant:

D1: WO-A-94/20054;

D2: US-A-4,423,101;

D3: WO-A-94/10953;

D14: EP-A-0 358 412.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Absorptionskörper (100) zum Aufsaugen von flüssigen Ausscheidungen aus erkrankungsbedingten menschlichen Körperöffnungen und -höhlen, enthaltend eine Menge an Absorptionsmaterial (1), das mit wenigstens einer flüssigkeitsdurchlässigen Abdeckung (4, 5) hinterlegt ist, dadurch gekennzeichnet, dass

• das genannte Absorptionsmaterial (1) von einer äußeren Hülle (2) umgeben ist, die aus einem uni- oder bidirektional flüssigkeitsdurchlässigen, schleimhautverträglichen bzw. hautverträglichen Kunststoff, besteht, an dem die Ausscheidungen nicht oder kaum haften und das die Flüssigkeiten durch sich durchtreten lässt und eine Barriere für feste grobe Ausscheidungen bildet und die Aufnahme von austretenden Substanzen durch das innerhalb der Hülle (2) angeordnete Absorptionsmaterial (1) ermöglicht,

• so dass der direkte Kontakt der Ausscheidungen mit der Haut bzw. Schleimhaut im angeschlossenen Zustand des Absorptionskörpers (100) an die Körperöffnung oder-höhle eingeschränkt ist, und die ausfließenden Ausscheidungen durch die Hülle (2) hindurchtreten, in das Absorptionsmaterial (1) gelangen und innerhalb der Hülle (2) räumlich fixiert verbleiben, wobei

• (Merkmal A) das Material der Hülle (2) eine perforierte Polyolefin-Folie aufweist, die derart strukturiert ist, dass seine die Perforationen (46) begrenzenden Fäden- bzw. Faserabschnitte (47) - im Schnitt durch die Hülle gesehen - jeweils etwa bogenförmig sind und mit ihren Bogenscheiteln nach außen gerichtet sind, und wobei

(Merkmal B) das Absorptionsmaterial (1) mit einem Superabsorber-Granulat oder -Pulver durchsetzt ist."

Die Merkmalsbezeichnung "Merkmal A" und "Merkmal B" wurde von der Kammer hinzugefügt.

VI. Hilfsantrag 1:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch die Hinzufügung des Merkmals wonach

"die flüssigkeitsdurchlässige Abdeckung eine Saugfähigkeit hat, die kleiner als die des Absorptionsmaterials (1) ist".

VII. Hilfsantrag 2:

Das im ersten Hilfsantrag hinzugefügte Merkmal wird in Hilfsantrag 2 wie folgt weiter präzisiert, wonach:

"die flüssigkeitsdurchlässige Abdeckung (4) eine zusätzliche zwischen dem Absorptionsmaterial (1) und der äußeren Hülle (2) vorgesehene, innere Umhüllung (4) ist, wobei die innere Umhüllung (4) aus einem Material ist, dessen Saugfähigkeit kleiner als die des eigentlichen Absorptionsmaterials (1) ist, wodurch der direkte Kontakt zwischen den Schleimhautzellen an der Wunde oder Körperhöhle und dem Absorptionsmaterial erschwert ist;"

VIII. Die Hilfsanträge 3-5 entsprechen dem Hauptantrag, bzw. den Hilfsanträgen 1 und 2, wobei Merkmal A wie folgt durch das Merkmal A' ersetzt ist:

(Merkmal A'): das Material der Hülle (2) eine perforierte Polyolefin-Folie aufweist, die derart strukturiert ist, dass sie Perforationen aufweist, die dem im Inneren der Hülle (2) enthaltenen Absorptionsmaterial zugewandt sind und jeweils in einer quasi Mulde (52) einer sich in beiden X,Y-Richtungen erstreckenden, etwa wellenförmigen Struktur liegen,..."

IX. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und 2 - Klarheit

Das Merkmal, wonach das Material der Hülle eine perforierte Polyolefin-Folie aufweist, stehe nicht in Widerspruch zu dem Merkmal, wonach das Material derart strukturiert ist, dass seine die Perforationen begrenzenden Fäden- bzw. Faserabschnitte - im Schnitt durch die Hülle gesehen - jeweils etwa bogenförmig und mit ihren Bogenscheiteln nach außen gerichtet seien. Dem Fachmann seien verschiedene Polyolefin-Folien bekannt, darunter auch faserhaltige Polyolefin-Folien, oder solche mit einer geschäumten Struktur, siehe D2, Spalte 1, Zeilen 58ff. Der Anspruch definiere daher nichts anderes als einen faserhaltigen Film aus Polyolefin, i.e. eine faserhaltige, flächige Schicht, welche eine bestimmte dreidimensionale Struktur aufweise. In diesem Zusammenhang sei die Definition der die Perforationen begrenzenden Fäden bzw. Faserabschnitte als bogenförmig und mit den Bogenscheiteln nach außen gerichtet für den Fachmann klar.

Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheide sich von der als nächstliegender Stand der Technik angesehenen Offenbarung der D2, Abbildung 7 in vier Merkmalen:

a) Die Polyolefin-Folie der D2 weise nicht die beanspruchte dreidimensionale Struktur auf, mit dem im Inneren der Hülle enthaltenen Absorptionsmaterial zugewandten Perforationen, die jeweils in einer quasi Mulde einer sich in beiden X,Y-Richtungen erstreckenden, etwa wellenförmigen Struktur liegen;

b) das Absorptionsmaterial sei nicht mit einem Superabsorber-Granulat oder -Pulver durchsetzt;

c) die durch die Hülle hindurchgetretenen und in das Absorptionsmaterial gelangten Ausscheidung verblieben nicht innerhalb der Hülle räumlich fixiert;

d) die Hülle (1) der D2 bestehe zumindest funktionell nicht aus einem flüssigkeitsdurchlässigen Material, da die in D2, Abbildung 7 gezeigte Plastikfolie (10) ein Durchtreten von Flüssigkeit verhindere.

Diese Unterschiede wirkten synergistisch zusammen, um einen Absorptionskörper mit verbesserter Saugfähigkeit und verbesserten Wundheilungseigenschaften zu schaffen.

Dabei sei der Superabsorber einerseits für die verbesserte Saugfähigkeit erforderlich, habe aber eine derart hohe Saugfähigkeit, dass zum Schutz des sich bildenden Epithels eine Hinterlegung mit einer flüssigkeitsdurchlässigen Abdeckung im Sinne einer dochtartigen Schicht erforderlich sei, die den direkten Kontakt zwischen Superabsorber und Wunde verhindere. Dabei dürfe jedoch die Saugfähigkeit insgesamt nicht zu sehr beeinträchtigt werden, wofür wiederum das Zusammenspiel mit der dreidimensional strukturierten Hülle entscheidend sei. Superabsorber - obwohl per se bekannt - seien aus diesem Grund bisher im Wundbereich nicht verwendet worden. Die Anwendung des Super­absorbers im Wundbereich, der im synergistischen Zusammenspiel aus Absorptionskörper, flüssigkeits­durchlässiger Abdeckung und dreidimensional strukturierter Hülle überhaupt erst möglich werde, sei als der eigentliche erfinderische Beitrag anzusehen. Eine Formulierung von Teilaufgaben sei für diesen kombinierten Effekt nicht zulässig.

Auch würde der Fachmann ausgehend von D2 die Lehre der D1 nicht berücksichtigen. Zum einen weise die Hülle (1) der D2 bereits Perforationen mit einseitig leichten Vertiefungen auf, wobei durch die Ausrichtung der Folie die gewünschte Durchtrittsgeschwindigkeit der Ausscheidung ausgewählt werden könne. Es bestehe kein Grund, diese bereits die Aufgabe lösende Struktur zu modifizieren. Zum anderen sei es in der Wundbehandlung mittlerweile etabliert, die Wunde gerade nicht trocken zu halten - wie es die D1 lehre, siehe Seite 4, Zeilen 35-38 - sondern ein feuchtes Klima zu schaffen, welches die Epithelialisierung begünstigt. Der Fachmann habe daher keine Veranlassung gehabt, in D2 die Struktur der Hülle entsprechend der D1 zu verändern.

Weiterhin sei davon auszugehen, dass eine derart aufwendige Oberflächenstruktur wie in D1 nur im notwendigen Kontaktbereich zur Wunde und nicht auf der Rückseite vorgesehen würde. Selbst bei einer Kombination der Lehren von D2 und D1 entstünde damit keine Hülle, die aus einem flüssigkeitsdurchlässigen Material bestehe.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsanträge 4, 5 - Klarheit

Der Begriff "Saugfähigkeit" in Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 5 sei für den Fachmann klar. Er bezeichne die Fähigkeit eines Materials durch osmotische oder Kapillarkräfte eine Flüssigkeit "aufzusaugen". Messverfahren für die Saugfähigkeit seien dem Fachmann bekannt. Die stärkere Saugfähigkeit des Absorptionsmaterials im Vergleich zur flüssigkeitsdurchlässigen Abdeckung sorge dafür, dass die Ausscheidungen durch die Abdeckung wie bei einem Docht - einer "wicking layer" - von der Hülle in das Absorptionsmaterial geleitet würden.

Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ seien somit erfüllt.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und 2 - Klarheit

1.1 Klarheit von Merkmal A

Merkmal A definiert, dass das Material der Hülle (2) eine perforierte Polyolefin-Folie aufweist, die derart strukturiert ist, dass seine die Perforationen (46) begrenzenden Fäden- bzw. Faserabschnitte (47) - im Schnitt durch die Hülle gesehen - jeweils etwa bogenförmig sind und mit ihren Bogenscheiteln nach außen gerichtet sind.

Polyolefin-Folien im Allgemeinen weisen keine Fäden bzw. Faserabschnitte auf. Ein Rückbezug auf "die Perforationen begrenzende Fäden bzw. Faserabschnitte" ist daher für Polyolefin-Folien im Allgemeinen nicht klar. Zwar gibt es Polyolefin-Folien mit Fäden bzw. Faserabschnitten, der Anspruch ist aber nicht auf derartige Polyolefin-Folien eingeschränkt.

Hinzu kommt, dass in eine Fäden- oder Faserabschnitte aufweisende Polyolefin-Folie eingebrachte Perforationen zunächst in willkürlicher Beziehung zu den Fäden- bzw. Faserabschnitten stünden, so dass die Perforation die Fäden oder Fasern durchtrennen kann. Auch in diesem Fall ist der Begriff der "die Perforationen begrenzenden Fäden- bzw. Faserabschnitte" nicht klar.

Besteht dagegen eine regelhafte Beziehung zwischen Fäden- bzw. Faserabschnitten und Löchern so verwendet die Anmeldung den Begriff der "Masche", bzw. der "maschenartigen Polyolefin-Folie". Der im Anspruch gebrauchte Begriff der Perforation bzw. der perforierten Polyolefin-Folie ist dagegen breiter und eine Definition der dreidimensionalen Struktur über die Perforation begrenzende Fäden- bzw. Faserabschnitte in diesem Zusammenhang nicht klar.

1.2 Merkmal A findet sich in Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2, die somit sämtlich nicht gewährbar sind.

2. Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit

2.1 Nächstliegender Stand der Technik:

Dokument D2 stellt nach Ansicht der Kammer den nächstliegenden Stand der Technik dar. Dem wurde seitens der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen.

2.2 Dokument D2 offenbart einen

Absorptionskörper (D2, Abbildung 7) zum Aufsaugen von flüssigen Ausscheidungen aus erkrankungsbedingten menschlichen Körperöffnungen und -höhlen (D2 offenbart die Verwendung als Pflaster, Bandagen, chirurgische Wundauflagen, Damenbinden, Babywindeln und Inkontinenzprodukte, s. Spalte 1, erster Absatz), enthaltend eine Menge an Absorptionsmaterial (Abbildung 7, 2 "pad of absorbent material"), das mit wenigstens einer flüssigkeitsdurchlässigen Abdeckung (9, "layer of tissue") hinterlegt ist, dadurch gekennzeichnet, dass

• das genannte Absorptionsmaterial (2) von einer äußeren Hülle (1) umgeben ist, die aus einem uni- oder bidirektional flüssigkeitsdurchlässigen ("perforations", Spalte 2, erster Absatz), schleimhautverträglichen bzw. hautverträglichen Kunststoff, besteht ("foamed high density polyethylene film", Spalte 1, letzter Absatz), an dem die Ausscheidungen nicht oder kaum haften (inhärente Eigenschaft des auch in der Anmeldung zur Anwendung kommenden Polyolefin-Materials) und das die Flüssigkeiten durch sich durchtreten lässt (Spalte 2, Zeilen 15, 16: "...gives good drainage of fluids into the absorbent material,...") und eine Barriere für feste grobe Ausscheidungen bildet (Porengröße zwischen 100 und 800 Mikrometer, Spalte 2, Zeilen 4-8) und die Aufnahme von austretenden Substanzen durch das innerhalb der Hülle angeordnete Absorptionsmaterial ermöglicht,

• so dass der direkte Kontakt der Ausscheidungen mit der Haut bzw. Schleimhaut im angeschlossenen Zustand des Absorptionskörpers an die Körperöffnung oder -höhle eingeschränkt ist, und die ausfließenden Ausscheidungen durch die Hülle hindurchtreten, in das Absorptionsmaterial gelangen und innerhalb der Hülle räumlich fixiert ("providing good encapsulation of the absorbent material", Spalte 2, Zeilen 16-17) verbleiben, wobei

• das Material der Hülle (1) eine perforierte (Spalte 2, erster Absatz) Polyolefin-Folie (Spalte 1, Zeile 33) aufweist, die derart strukturiert ist, dass sie Perforationen aufweist.

2.3 D2 offenbart nicht, dass

a) die Polyolefin-Folie derart strukturiert ist, dass Perforationen dem im Inneren der Hülle (1) enthaltenen Absorptionsmaterial zugewandt sind und jeweils in einer quasi Mulde einer sich in beiden X,Y-Richtungen erstreckenden, etwa wellenförmigen Struktur liegen und

b) dass das Absorptionsmaterial (2) mit einem Superabsorber-Granulat oder -Pulver durchsetzt ist."

Dagegen ist das von der Beschwerdeführerin identifizierte Unterscheidungsmerkmal c), i.e die räumliche Fixierung der Ausscheidung innerhalb der Hülle in D2 offenbart. Es kann aus der Formulierung der Ansprüche der Stammanmeldung abgeleitet werden, dass der Begriff einer räumlichen Fixierung (wie in Anspruch 1 der Stammanmeldung wie eingereicht beansprucht) so zu interpretieren ist, dass die räumliche Fixierung durch ein im Wesentlichen aus Zellstofffasern gebildetes Absorptionsmaterial (Anspruch 6 der Stammanmeldung wie eingereicht), eine flüssigkeitsdurchlässige, das Absorptionsmaterial hinterlegende Abdeckung und eine aus einem flüssigkeitsdurchlässigen, schleimhaut­verträglichen Kunststoff bestehende Hülle erreicht werden kann (Anspruch 1 der Stammanmeldung), also durch einen Absorptionskörper gemäß D2 (s.o.). Der Begriff der räumlichen Fixierung der Ausscheidungen im Sinne der Anmeldung erfordert somit nicht, dass der Absorptionskörper mit einem Superabsorber versetzt ist (abhängiger Anspruch 8 der Stammanmeldung und daher ein fakultatives Merkmal) oder dass die Hülle die beanspruchte dreidimensionale Struktur (a) aufweist (abhängiger Anspruch 2 der Stammanmeldung und daher ebenfalls fakultativ).

Auch ändert das Vorhandensein eines zusätzlichen flüssigkeitsundurchlässigen Materials auf der Rückseite des Absorptionskörpers (D2, Abbildung 7, 10) nichts daran, dass die Hülle (1) aus einem flüssigkeits­durchlässigen Material besteht. Das vierte von der Beschwerdeführerin identifizierte Unterscheidungs­merkmal (d) ist daher ebenfalls in D2 offenbart.

2.4 Aufgabenstellung

Laut Paragraph [0003] der Patentanmeldung besteht die subjektive Aufgabe der Erfindung darin, einen technisch vereinfachten und kostengünstigen Absorptionskörper zu konzipieren, der sich durch verbesserte Saugfähigkeit auszeichnet. Weiter genannt wird die Aufgabe, die Einsatzbereiche des Absorptionskörpers zu erweitern, insbesondere auf chirurgisch angelegte Organausleitung und auf natürliche und nichtnatürliche menschliche Körperöffnungen und -höhlen, wie künstliche Darm- und/oder fistelartige Ausgänge.

Laut Paragraph [0004] ist diese Aufgabe jedoch durch einen Absorptionskörper mit bestimmten Eigenschaften (siehe Anmeldung, Paragraph [0004]) gelöst, die sämtlich bereits in D2 offenbart sind (siehe Punkt 2.2).

Die objektive technische Aufgabe ist somit spezifischer, ausgehend von den Unterscheidungsmerkmalen a) und b) zu formulieren.

Bezüglich a) (dreidimensionale Struktur der Folie) nennt die Beschreibung in Paragraph [0005] folgende technische Wirkungen: Schnelleres Durchdringen der Ausscheidungen durch die Perforation, Verkleinerung der aktiven Kontaktfläche der Hülle mit der Wunde und damit einfachere Entfernung der Hülle von der Wunde, erschwerter Rücklauf der Ausscheidungen, welche die räumliche Fixierung der Ausscheidungen innerhalb der Hülle unterstützt.

Eine Aufgabe der Erfindung kann somit darin gesehen werden, die Hülle derart auszugestalten, dass der Transport der Ausscheidungen durch die Hülle effizienter und/oder die Entfernung des Absorptionskörpers von der Wunde erleichtert wird.

Bezüglich Unterscheidungsmerkmal b), i.e. der Durchsetzung des Absorptionsmaterials mit einem Superabsorber-Granulat oder Pulver, erwähnt die Beschreibung keinen technischen Effekt. Paragraph [0010] der Anmeldung sagt lediglich aus, dass es auch vorgesehen sein kann, das Absorptionsmaterial mit einem an sich bekannten, sogenannten Superabsorber zu durchsetzen. Dem Fachmann ist in diesem Zusammenhang bekannt, dass Superabsorber in der Lage sind, ein Vielfaches ihres Gewichts an Flüssigkeit aufzunehmen. Eine weitere Aufgabe der Erfindung kann somit darin gesehen werden, das Gesamtabsorptionsvermögen des Absorptionsmaterials zu erhöhen.

2.5 Ein synergistischer Effekt der Unterscheidungsmerkmale ist in der Anmeldung weder beschrieben noch belegt. Somit muss davon ausgegangen werden, dass der Effekt beider Unterscheidungsmerkmale nicht über die Summe der Einzelwirkungen hinausgeht. Folglich ist zu beurteilen, ob die beanspruchten Lösungen der zwei Teilaufgaben jeweils auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

2.6 Zur Lösung der Aufgabe eines effizienteren Transports der Ausscheidungen durch die Hülle bzw. einer verbesserten Ablösbarkeit würde der Fachmann Dokument D1 zurate ziehen, welches ebenfalls einen Absorptionskörper zur Wundbehandlung mit einer zwischen Absorptionsmaterial und Haut gelegenen Polyolefin-Folie offenbart (Seite 1, erster Absatz und Seite 4, Zeilen 12-18). Die in D1 offenbarte Polyolefin-Folie ermöglicht einen raschen Flüssigkeitstransport und erschwert den Rücklauf der absorbierten Flüssigkeit (Seite 1, Zeilen 17-21). Die Folie reduziert außerdem die Tendenz des Materials an der Wunde zu kleben (Seite 5, zweiter Absatz). D1 offenbart somit eine Folie welche die erste gestellte Teilaufgabe löst. Der Fachmann wäre daher veranlasst, die Polyolefin-Folie des aus D2, Abbildung 7 bekannten Absorptionskörpers mit einer Polyolefin Folie gemäß D1, Abbildung 1 zu ersetzen. Das Material einer so geänderten Hülle ist eine perforierte Polyolefin Folie die derart strukturiert ist, dass sie Perforationen aufweist, die dem im Inneren der Hülle enthalten Absorptionsmaterial zugewandt sind (D1, Abbildung 2) und jeweils in einer quasi Mulde einer sich in beiden X, Y-Richtungen erstreckenden, etwa wellenförmigen Struktur liegen (D1, Abbildungen 1 und 2).

Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass der Fachmann D1 nicht berücksichtigen würde, da die Hülle der D2 bereits Perforationen mit - je nach Orientierung - unterschiedlichen Durchtrittsgeschwindigkeiten aufweise. Dies würde jedoch den Fachmann nicht davon abhalten, nach Folien mit einer hinsichtlich des Flüssigkeitstransports effizienteren oder alternativen Struktur zu suchen und diese auch zu implementieren.

Ebenfalls nicht überzeugend ist das Argument, wonach in der Wundbehandlung mittlerweile ein feuchtes Wundklima angestrebt werde, so dass der Fachmann die D1 - welche eine trockene Wunde anstrebe - nicht berücksichtigen würde. Zum einen bewirkt die in der Anmeldung beschriebene Polyolefin-Folie ja ebenfalls einen schnelleren Transport der aufzusaugenden Ausscheidungen durch die Perforationen. Zum anderen gibt es Wunden mit aggressiven Ausscheidungen - man denke nur an Darm- oder Gallen-Fisteln - bei denen angestrebt wird, die Ausscheidung möglichst rasch von der Haut zu entfernen.

Bei der Anwendung der Lehre der D1 auf den Absorptionskörper nach D2 hat - anders als von der Beschwerdeführerin vorgetragen - der Fachmann keinen Anlass, die Perforierung nur in einem Teilbereich der Folie vorzusehen. Zum einen ist die Perforierung auf der gesamten Folie der D2, Abbildung 7 vorhanden, so dass die Übertragung der Perforationsgeometrie der D1 auf die Folie der D2 bereits zu einer durchgehend perforierten Folie führt. Zum anderen besteht für den Fachmann auch kein wirtschaftlicher Anlass nur Teilbereiche der Folie zu perforieren, da die großtechnische Herstellung einer einheitlich perforierten Folie einfacher zu realisieren ist, als die Ausbildung perforierter und nicht perforierter Teilbereiche.

Folglich begründet das Vorsehen des Merkmals a) keine erfinderische Tätigkeit.

2.7 Bezüglich der zweiten Teilaufgabe, nämlich der Erhöhung des Gesamtabsorptionsvermögens des Absorptions­materials, wird bereits in der Anmeldung, Paragraph [0010] darauf hingewiesen, dass Superabsorber (und damit auch deren hohes Absorptionsvermögen) an sich bekannt sind. Dies betrifft - im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdeführerin - auch deren Verwendung in Wundauflagen, siehe D3 (Seite 6, 2. und 3. Absatz und Seite 10: "Admixing Superabsorbent Material") und D14 (Spalte 1, Zeilen 6-9 und Spalte 3, Zeilen 20-27). Der Fachmann würde es somit als naheliegend ansehen, das in dem Absorptionskörper gemäß D2, Abbildung 7 vorgesehene Absorptionsmaterial mit einem Superabsorber-Granulat oder Pulver zu durchsetzen, um dessen Gesamtabsorptionsvermögen zu erhöhen.

Folglich begründet auch das Vorsehen des Merkmals b) keine erfinderische Tätigkeit.

2.8 Somit gelangt der Fachmann bei Lösung der Teilaufgaben in naheliegender Weise zu einem unter den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 fallenden Absorptionskörper. Der Anspruchsgegenstand beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Hilfsanträge 4, 5 - Klarheit

Anspruch 1 beider Hilfsanträge definiert die "Saugfähigkeit" der flüssigkeitsdurchlässigen Abdeckung (bzw. deren Materials) als kleiner als die "Saugfähigkeit des Absorptionsmaterials".

Die Beschreibung offenbart nicht, wie die beanspruchte Saugfähigkeit zu bestimmen ist. Es können dort lediglich Hinweise auf das Verständnis des Begriffs gewonnen werden:

Gemäß Paragraph [0006] der Anmeldung soll zur Verbesserung der "Saugfähigkeit" des Absorptionskörpers auch die Maschengröße der Hülle beitragen. Paragraph [0059] fordert, dass die Saugfähigkeit des Absorptions­materials so gewählt ist, dass die flüssigen Ausscheidungen nicht durch eine bestimmte Öffnung zurückfließen können. Beeinflusst wird die "Saugfähigkeit" außerdem durch mechanischen Druck von außen (Paragraph [0019] der Anmeldung).

Laut Vorbringen der Beschwerdeführerin beschreibt der Begriff der Saugfähigkeit dagegen die Fähigkeit eines Materials durch osmotische oder Kapillarkräfte eine Flüssigkeit aufzusaugen. Allerdings wird in Paragraph [0035] der Anmeldung die Fähigkeit von "hochsaugfähigem Zellstoff-Vlies" zur Aufnahme von Flüssigkeitsmolekülen nicht nur durch die Kapillarwirkung, sondern auch durch Teil-Perforationen der Außenschichten des Zellstoff-Vlieses begründet.

Weiterhin verwendet wird in der Anmeldung der Begriff der "Saugkraft". Gemäß Paragraph [0016] kann das Absorptionsmaterial aus zwei oder mehr innerhalb der Hülle angeordneten flach liegenden Lagen bestehen, die gleiche oder unterschiedliche "Saugkraft" aufweisen. Wie und ob sich die "Saugkraft" von der "Saugfähigkeit" abgrenzt ist nicht beschrieben.

Es ist für die Kammer aus der Vielzahl der oben wiedergegebenen, die "Saugfähigkeit" beeinflussenden Faktoren nicht ersichtlich, ob der im Anspruch verwendete Begriff die Flüssigkeitsaffinität, das Flüssigkeits­aufnahmevermögen, das Flüssigkeits­rückhaltevermögen oder die Saugleistung bei freier Quellmöglichkeit bezeichnen soll.

Somit ist der Ausdruck "Saugfähigkeit" unscharf und unklar.

Zusammenfassend erfüllt das in Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 5 verwendete Merkmal nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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