T 2275/14 () of 18.2.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T227514.20190218
Datum der Entscheidung: 18 Februar 2019
Aktenzeichen: T 2275/14
Anmeldenummer: 10001717.7
IPC-Klasse: A47L 9/14
B31B 41/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Staubsaugerfilterbeutel mit Seitenfalte
Name des Anmelders: Eurofilters Holding N.V.
Name des Einsprechenden: Branofilter GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Zulässigkeit - Hilfsantrag 1 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 4. November 2014 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 359 730 gemäß Artikel 101(2) zurückzuweisen.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am

9. Dezember 2014 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 13. März 2015 eingegangen.

II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Artikel 100 a), 54 und 56 EPÜ, gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass keine der genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegenstünden. Sie hatte dabei unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

E1 = DE 20 2005 000917 U1

E2 = DE 20 2005 000918 U1

E3 = DE 10 2007 005 612 A1

E5 = DE 699 21 619 T2

III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Eine mündliche Verhandlung fand am 18. Februar 2019 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der Hilfsanträge 1 bis 11, eingereicht mit Schreiben vom 8. Februar 2019, weiter hilfsweise im Umfang der Hilfsanträge 12 bis 15, eingereicht als Hilfsanträge 1 bis 4 mit Schreiben vom 7. Juli 2015.

V. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Hauptantrag (erteilte Fassung)

"Staubsaugerfilterbeutel mit wenigstens einer durch zwei Faltenschenkel gebildeten Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502),

wobei die wenigstens eine Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502) in einem eingestülpten Zustand wenigstens drei Kanten aufweist, wobei zwei der Kanten durch je eine Schweißnaht gebildet werden, und

wobei die Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502) mit den durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten (206; 306) ausstülpbar ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

der Staubsaugerfilterbeutel als Schlauchbeutel ausgebildet ist, wobei der Staubsaugerfilterbeutel eine Beutelwand umfasst, die aus einer Filtermateriallage (400) gefertigt wird, wobei zwei gegenüberliegende Ränder der Filtermateriallage (400) verbunden werden, wodurch ein Schlauch gebildet wird."

Hilfsantrag 1

Anspruch 1 wie Hauptantrag, mit folgenden Änderungen im Anspruchswortlaut (durch die Kammer hervorgehoben):

"Staubsaugerfilterbeutel mit wenigstens einer durch zwei Faltenschenkel gebildeten Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502),

wobei die wenigstens eine Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502) in einem eingestülpten Zustand wenigstens drei durch Verbindung der Faltenschenkel gebildete Kanten aufweist, wobei zwei der Kanten durch je eine Schweißnaht gebildet werden, und

wobei die Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502) mit den durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten (206; 306) ausstülpbar ist, sodass die Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502) ganz oder teilweise von einem eingestülpten in einen ausgestülpten Zustand bringbar ist, wobei die Faltenschenkel mit den Kanten der Faltenschenkel im eingestülpten Zustand zwischen anderen Teilen der Beutelwand angeordnet sind und wobei die Faltenschenkel mit den Kanten der Faltenschenkel im ausgestülpten Zustand nicht zwischen anderen Teilen der Beutelwand angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

der Staubsaugerfilterbeutel als Schlauchbeutel ausgebildet ist, wobei der Staubsaugerfilterbeutel eine Beutelwand umfasst, die aus einer Filtermateriallage (400) gefertigt wird, wobei zwei gegenüberliegende Ränder der Filtermateriallage (400) verbunden werden, wodurch ein Schlauch gebildet wird, sodass der Staubsaugerfilterbeutel nicht aus einer umlaufend verschweißten oberen und unteren Lage gebildet wird."

Hilfsantrag 2

Anspruch 1 wie erteilter Verfahrensanspruch 11, mit folgenden Änderungen im Anspruchswortlaut (durch die Kammer hervorgehoben):

"Verfahren zum Herstellen eines Staubsaugerfilterbeutels [deleted: nach einem der Ansprüche 1 - 10] mit wenigstens einer durch zwei Faltenschenkel gebildeten Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502), umfassend die Schritte:

Bereitstellen einer Filtermateriallage (400),

Bilden eines Schlauches aus der Filtermateriallage (400), umfassend Schweißen einer Längsschweißnaht (103; 203; 303; 403),

Schweißen von Schweißlinien, die Kanten der wenigstens einen Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502) bilden werden,

Ausstanzen von Filtermaterial zum Bilden der Kanten der wenigstens einen Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502),

Schweißen von Querschweißnähten (204; 205; 404; 405) zum Verschließen eines oberen und unteren Endes des Schlauches,

Einstülpen der wenigstens einen Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502); und

Abtrennen des Staubsaugerfilterbeutels im Bereich der Querschweißnähte (204; 205; 404; 405);

wobei die wenigstens eine Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502) in einem eingestülpten Zustand wenigstens drei Kanten aufweist, wobei zwei der Kanten durch je eine Schweißnaht gebildet werden, und

wobei die Seitenfalte (101; 102; 301; 302; 401; 402; 501; 502) mit den durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten (206; 306) ausstülpbar ist, und

wobei der Staubsaugerfilterbeutel als Schlauchbeutel ausgebildet ist, wobei der Staubsaugerfilterbeutel eine Beutelwand umfasst, die aus einer Filtermateriallage (400) gefertigt wird, wobei zwei gegenüberliegende Ränder der Filtermateriallage (400) verbunden werden, wodurch ein Schlauch gebildet wird."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Hauptantrag

"Ausstülpbar" in Anspruch 1 bedeute, dass die Seitenfalte des Staubsaugerfilterbeutels ausstülpbar sei, nicht die geschweißten Kanten der Seitenfalte. Ein "Schlauchbeutel" nach Anspruch 1 könne sowohl aus einer (gefalteten) Bahn mit einer (einzigen) Längsnaht als auch aus zwei übereinander gelegten Bahnen mit zwei Längsnähten realisiert werden. Die Ausführungsform des Filterbeutels nach Figur 4 in Verbindung mit den Figuren 1 bis 3 der E3 trifft Anspruch 1 des Hauptantrags daher neuheitsschädlich.

Hilfsantrag 1

Der Wortlaut "... Staubsaugerfilterbeutel nicht aus einer umlaufend verschweißten ..." in Anspruch 1 finde keine ursprüngliche Offenbarung. Hilfsantrag 1 sei daher nicht ins Verfahren zuzulassen.

Hilfsantrag 2

Die Reihenfolge der Verfahrensschritte in Anspruch 1 sei beliebig. Die Erfindung der ausgestanzten Eckbereiche eines "Flachbeutels" nach E1 werde auch für die Herstellung eines bekannten "Schlauchbeutels" in Absatz 0008 offenbart, und zwar durch den Verweis aus Absatz 0034 der E1. Ausgehend von E1 sei daher die Herstellung eines Schlauchbeutels, selbst mit einer einzigen Längsnaht und Ausstanzungen, für den Fachmann durch sein allgemeines Fachwissen nahe gelegt. Der Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 2 beruhe daher auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Die ursprünglich angezogenen Dokumente E2 und E5 seien weniger relevant als E1 bzw. überhaupt nicht relevant. Im Falle der Gewährbarkeit des Hilfsantrags 2 sei die Beschreibung an eine einzige Längsnaht des in Anspruch 1 hergestellten "Schlauchbeutels" anzupassen.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Hauptantrag

In Anspruch 1 erfolge beim "Ausstülpen" der Seitenfalte gemeinsam "mit den ... Kanten" eine Bewegung der zwei geschweißten Kanten über deren Scharnier (Falten der Seitenfalte) hinweg seitlich nach außen. Dadurch werde eine seitliche Verbreiterung der Beutelwand erreicht. In E3 erfolge aber kein solches "Ausstülpen" der zwei geschweißten Kanten 27 nach dem Ausführungsbeispiel der Figur 4. Auch ein "Schlauchbeutel" mit einer einzigen Längsnaht sei in E3 nicht offenbart. Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher neu gegenüber E3.

Hilfsantrag 1

Der Wortlaut "... Staubsaugerfilterbeutel nicht aus einer umlaufend verschweißten ..." sei im Umkehrschluss auf Seite 2, erster Absatz und Seite 9, zweiter Absatz der ursprünglichen Beschreibung offenbart. Hilfsantrag 1 sei folglich ins Verfahren zuzulassen.

Hilfsantrag 2

Die Reihenfolge der Verfahrensschritte zur Herstellung eines "Schlauchbeutels" nach Anspruch 1 sei vorgegeben. Die Herstellung des Beutels in E1 erfolge hingegen durch umlaufende Verschweißung eines "Flachbeutels". Auch die Passage in Absatz 0034 der E1 beziehe sich durchgehend auf die Anwendung der erfinderischen Ausstanzungen bei "Flachbeuteln". E2 und E5 seien noch weniger relevant als E1. Das Herstellungsverfahren nach Anspruch 1 sei folglich im Lichte der E1, E2 oder E5 für den Fachmann nicht nahegelegt. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sei daher erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Interpretation des Anspruchs 1, Hauptantrag

2.1 "Ausstülpbar"

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist auf einen Staubsaugerfilterbeutel gerichtet. Dem Anspruchswortlaut folgend, hat der Filterbeutel (wenigstens) eine durch zwei Faltenschenkel gebildete Seitenfalte. Die Seitenfalte weist in eingestülptem Zustand (wenigstens) drei Kanten auf. Zwei der Kanten werden durch je eine Schweißnaht gebildet. Die Seitenfalte ist mit den durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten ausstülpbar.

2.2 Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass das Merkmal "ausstülpbar" in Anspruch 1 eine ganz bestimmte Ausstülpbewegung der zwei durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten der Seitenfalte erfordert.

2.2.1 So bedeute "ausstülpbar" in Anspruch 1 erstens, dass die Seitenfalte derart ausgebildet sei, dass sie vom eingestülpten in den ausgestülpten Zustand bringbar sei, vgl. Patent, Absatz 0017. Zweitens seien im eingestülpten Zustand der Seitenfalte die Kanten der Faltenschenkel zwischen anderen Teilen der Beutelwand angeordnet. Im ausgestülpten Zustand der Seitenfalte seien die Kanten der Faltenschenkel hingegen nicht zwischen anderen Teilen der Beutelwand angeordnet, d.h. seitlich außerhalb, vgl. Patent, Absatz 0014. Obwohl unter Absatz 0014 des Patents auch davon die Rede sei, dass die Seitenfalte einen teilweise ausgestülpten Zustand annehmen könne, sei dadurch die Funktion "ausstülpen" in Anspruch 1 nicht eingeschränkt.

2.2.2 Aus Anspruch 1 leite der Fachmann zudem ab, dass die Falten der Seitenfalte Scharniere bildeten, wo sich das Material wölbe. Die zwei Faltenschenkel verbänden die Scharniere, wodurch die drei Kanten gebildet würden, vgl. Absatz 0011 des Patents. Wie aus den Absätzen 0017 und 0014 des Patents zu verstehen, erfolge beim "Ausstülpen" der Seitenfalten daher zugleich, also gemäß Anspruch 1 gemeinsam "mit den ... Kanten", eine Bewegung der zwei geschweißten Kanten über deren Scharnier hinweg seitlich nach außen, siehe Patent, Figur 1 (eingestülpt) und Figur 2 (ausgestülpt). Dadurch würde eine seitliche Verbreiterung der Beutelwand erreicht.

Diese Interpretation des Anspruchs 1 sei dem Fachmann auch allgemein geläufig, beispielsweise aus E2. Dort sei unter Absatz 0023 zu Figur 5 und 6 beschrieben, dass die beiden Seitenfalten aus ihrer eingefalteten Lage "ausstülpbar" seien, so dass bei ganz ausgestülpten Seitenfalten die Faltenschenkel seitliche Verbreiterungen bildeten. Auch in E2 erfolge beim Ausstülpen also eine seitliche Bewegung der Kanten der Seitenfalten über deren Scharnier hinweg, siehe E2, Figuren 5 und 6.

2.3 Die Kammer vermag sich der Argumentation der Beschwerdegegnerin nicht anzuschließen. Wie von der Beschwerdeführerin erwidert, geht aus dem Zusammenhang der Merkmale im Oberbegriff des Anspruchs 1 für den Fachmann hervor, dass die Formulierung

"... wobei die Seitenfalte mit den durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten ausstülpbar ist,"

sowohl rein semantisch als auch technisch sinnvoll den folgenden Anspruchsgegenstand umfasst: die Seitenfalte, welche (wenigstens) drei Kanten aufweist, ist als dreidimensionales Gebilde ausstülpbar, und weist unter anderem zwei durch eine Schweißnaht gebildete Kanten auf. Anders ausgedrückt, schließt der Wortlaut "Seitenfalte mit den ... Kanten ausstülpbar" ein Ausstülpen der Seitenfalte enthaltend (wenigstens) drei Kanten jedenfalls mit ein.

2.3.1 Die Kammer stellt fest, dass dieses Verständnis des Begriffs "ausstülpbar" in Anspruch 1 widerspruchsfrei durch die Beschreibung gestützt ist. So ist Absatz 0018 des Patents zu entnehmen, dass die ausstülpbare Seitenfalte nur "insbesondere gemeinsam", also bloß als bevorzugte Ausführungsform gemeinsam mit den durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten ausstülpbar sein kann.

2.3.2 Ein Merkmal, welches bewirkt, dass die durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten zugleich ausstülpbar sind, also gemeinsam mit der Seitenfalte ausgestülpt werden, fehlt jedoch im Wortlaut des Anspruchs 1.

2.4 Der Beschwerdeführerin weiter folgend, setzt "ausstülpbar" in Anspruch 1 daher keine bestimmte Ausstülpbewegung der beiden geschweißten Kanten voraus, und noch weniger, dass zwei (oder alle) Kanten durch Ausstülpen seitlich hervorkommen müssen, bzw. über den eingestülpten bzw. eingefalteten Zustand des Beutels in einer bestimmten Richtung seitlich überstehen müssen.

2.4.1 Auch dieses Verständnis des Anspruchs 1 ist durch die Beschreibung gestützt. Selbst die Einfügung des fakultativen Merkmals "gemeinsam" (mit den durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten) aus Absatz 0018 in Anspruch 1 würde noch keine Festlegung der Ausstülpbewegung dieser Kanten in Richtung und Weite bedeuten. So beschreibt, im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdegegnerin, Absatz 0014 des Patents auch nicht, dass die Kanten im eingestülpten Zustand zwischen, oder im ausgestülpten Zustand nicht zwischen, anderen Teilen der Beutelwand angeordnet sind, sondern es wird dort auf die Anordnung der Faltenschenkel abgestellt (die Kanten aufweisen). Zudem ist in Absatz 0014 keine Rede davon, dass beim Ausstülpen der Seitenfalten eine Bewegung aller Kanten über deren Scharnier hinweg in eine einzige Richtung seitlich nach außen erfolgen muss. Diese spezielle Ausstülpbewegung trifft lediglich auf eine Ausführungsform zu, siehe Patent, Figur 1 (eingestülpt) und Figur 2 (ausgestülpt). Auch E2 betrifft eine solche Ausführungsform, vgl. E2, Absatz 0023 und die Figuren 5 und 6.

2.4.2 Merkmale, die eine spezielle Ausstülpbewegung der Kanten wie in den Figuren 1 und 2 des Patents gezeigt nach sich ziehen, sind im Wortlaut des Anspruchs 1 aber nicht enthalten.

2.5 Zusammenfassend ist die Kammer der Ansicht, dass "ausstülpbar" gemäß Anspruch 1 aus der Sicht des Fachmanns jedenfalls so verstanden werden muss, dass die (wenigstens eine) Seitenfalte des Staubsaugerfilterbeutels ausstülpbar ist. Eine bestimmte Ausstülpbewegung der beiden geschweißten Kanten der (wenigstens einen) Seitenfalte wird nach Anspruch 1 keinesfalls vorausgesetzt.

2.6 "Schlauchbeutel"

Gemäß dem Kennzeichen des Anspruchs 1 ist der Staubsaugerfilterbeutel als Schlauchbeutel ausgebildet. Der Staubsaugerbeutel umfasst eine Beutelwand, die aus einer Filtermateriallage gefertigt wird. Zwei gegenüberliegende Ränder der Filtermateriallage werden verbunden, wodurch ein Schlauch gebildet wird.

2.7 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass für den Fachmann aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1 hervorgehe, dass eine einzige Filtermateriallage mit einer einzigen Längsnaht verbunden werde, um auf diese Weise einen Schlauch zu bilden. Erst dadurch werde der in Anspruch 1 geforderte, sogenannte "Schlauchbeutel" ausgebildet.

Diese Interpretation sei im Sinne der Beschreibung, wonach durch die Bildung eines Schlauchbeutels ein zusätzlicher Aufwand für doppelte Abwicklung, Bahnsteuerung, Verschweißung und Rollenwechsel entfallen könne, der bei der Bildung eines Staubsaugerfilterbeutels aus einer Oberbahn und einer Unterbahn, die am Rand umlaufend verschweißt sind, entstehe, vgl. Patent, Absatz 0050, Spalte 8.

2.8 Die Kammer folgt demgegenüber der Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach Anspruch 1 weder auf eine einzige Materiallage noch auf eine einzige Längsnaht zur Schlauchbildung abstellt. Auch die Art der Herstellung bzw. Anordnung von Querschweißnähten zum Verschließen der Enden des als "Schlauchbeutel" ausgebildeten Staubsaugerfilterbeutels ist in Anspruch 1 dem Fachmann freigestellt.

2.8.1 Dieses Verständnis des Anspruchs 1 ist widerspruchsfrei durch die Beschreibung gestützt. So ist im Patent beispielsweise ohne Weiters die Herstellung eines "Schlauchbeutels" möglich, bei dem zwei übereinanderliegende Filtermaterialbahnen (mit jeweils zwei gegenüberliegenden Rändern) zusammengebracht und an den zwei äußeren Längskanten verschweißt werden, wodurch ein flacher Schlauch bereitgestellt wird. Durch Verschließen der offenen Enden des Schlauches durch Querschweißnähte wird ein Schlauchbeutel erhalten, vgl. Patent, Absatz 0008. Dadurch können Schweißnähte nach der Herstellung eines solchen "Schlauchbeutels" offensichtlich in der Draufsicht auch an allen vier Seiten des Beutels vorgesehen sein. Eine in einem Verfahrensschritt dem Umfang entlang umlaufend hergestellte Schweißnaht würde einen sogenannten "Flachbeutel" bilden, vgl. Patent, Absätze 0007, 0039, 0041 und 0050. Ein "Flachbeutel" weist zudem keinen Klotzboden oder Blockboden zur Stabilisierung auf, vgl. Patent, Absatz 0039.

2.8.2 Ein "Schlauchbeutel", welcher aus einer einzigen Filtermateriallage gefertigt wurde, die zunächst zu einem Schlauch geformt (z.B. über sich selbst gefaltet) und danach mit einer einzigen Längsschweißnaht verschweißt wurde, betrifft lediglich eine bevorzugte Ausführungsform, vgl. Patent zur Ausbildung als "Schlauchbeutel", Absatz 0041: "Der Staubsaugerfilterbeutel kann insbesondere genau eine Längsschweißnaht aufweisen."

Siehe ebenso die spezielle Ausführungsform nach Figur 1 (eingestülpt) und Figur 2 (ausgestülpt). Vgl. Patent, Absatz 0058 zu Figur 1: "...Staubsaugerfilterbeutel als Schlauchbeutel, insbesondere wird zur Herstellung ... entlang der (d.h. einzigen) Längsschweißnaht 103 verbunden ...". Vgl. Absätze 0060 bis 0062 zu Figur 2 des Patents.

2.8.3 Merkmale, die den Gegenstand des Anspruchs 1 beispielsweise auf die spezielle Ausführungsform des in den Figuren 1 und 2 des Patents gezeigten "Schlauchbeutels" mit genau einer Längsschweißnaht aus einer einzigen Filtermateriallage geformt beschränken würden, sind im Wortlaut des Anspruchs 1 jedoch nicht enthalten.

2.9 Zusammengefasst vertritt die Kammer den Standpunkt, dass ein "Schlauchbeutel" nach Anspruch 1 nicht aus einer einzigen Filtermateriallage mit einer einzigen Längsnaht gefertigt sein muss. Die Art und Weise der Ausführung von Querschweißnähten für den Endabschluss des "Schlauchbeutels" lässt Anspruch 1 offen.

3. Neuheit, Hauptantrag

3.1 Dokument E3 beschreibt einen Filterbeutel für einen Staubsauger. Der Filterbeutel weist beidseitig zwei nach innen gezogene Faltschenkel 5,8 auf, die jeweils im Bereich ihrer freien Enden mit einer durchgängigen Längsschweißnaht 10 miteinander verbunden sind, vgl. E3, Absatz 0020 und 0022, und Figur 1 - in einem halb geöffneten, also teilweise ausgestülpten Zustand des Filterbeutels. Die zwei Faltschenkel 5,8 bilden jeweils eine Seitenwand 6 des Filterbeutels, also jeweils eine Seitenfalte 6. Darüber hinaus weist der Filterbeutel beidseitig im Bereich von Faltkanten 26 eine weitere Verstärkung 27 in Form von Längsschweißnähten auf, und zwar zwei an jeder Seitenfalte 6, vgl. E3, Absatz 0029, und Figur 4 - ausgefalteter, also ausgestülpter Zustand des Filterbeutels (Betriebsstellung).

3.2 Unbestritten weist die Seitenfalte 6 der E3 in einem eingestülpten Zustand wenigstens drei Kanten auf, nämlich zwei Längskanten 27 und eine Längskante 10, siehe E3, Figur 2 - zusammengefaltete Lage des Filterbeutels (in Verbindung mit der möglichen Ausführungsform nach Absatz 0029 und Figur 4 der E3).

Es wird auch nicht bestritten, dass die Seitenfalte 6 des Filterbeutels in E3 beim Ausfalten vom eingestülpten Zustand (eingefaltet: Figur 2) demgegenüber in einen ausgestülpten Zustand ausstülpbar ist (ausgefaltet: Figur 4). Beim Ausfalten der Seitenfalte 6 bewegen sich, ebenfalls unbestritten, die zwei durch eine Schweißnaht gebildeten Längskanten 27 jeweils vertikal nach außen und die geschweißte Längskante 10 bewegt sich horizontal, also seitlich, nach außen. Die Kammer verweist auf die Bewegung der drei Kanten im jeweils gezeigten Querschnitt des Filterbeutels, ausgehend von Figur 2 (eingestülpt) über Figur 1 (teilweise ausgestülpt) bis hin zu Figur 4 (ausgestülpt).

3.3 Die Beschwerdegegnerin wendet jedoch ein, dass die Seitenfalte 6 aus E3 nicht, wie in Anspruch 1 des Patents gefordert, "mit den durch eine Schweißnaht gebildeten Kanten vom eingestülpten Zustand ausstülpbar" sei. So seien die zwei verschweißten Längskanten 27 der E3 im eingestülpten Zustand (siehe Figur 2), nicht zwischen anderen Teilen der Beutelwand angeordnet und im geöffneten Zustand der Seitenfalte 6 daher auch nicht "ausgestülpte Kanten". Mit anderen Worten, die zwei verschweißten Längskanten 27 bewegten sich nicht über deren Scharnier, d.h. deren Faltung, hinweg seitlich nach außen. Dadurch erfolge in E3 auch keine seitliche Verbreiterung des Beutels, siehe E3, Figur 4 (ausgefaltet).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich daher von der Offenbarung aus E3 dadurch, dass nicht nur die Seitenfalte, sondern zugleich auch deren zwei durch eine Schweißnaht gebildete Kanten ausstülpbar seien.

3.4 Die Kammer folgt hingegen der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass das Merkmal "ausstülpbar" gemäß Anspruch 1 durch die (unbestrittene) Ausstülpung der Seitenfalte 6 aus E3 für den Fachmann unmittelbar und eindeutig offenbart ist, siehe oben unter Punkt 2.5 zur Interpretation des Anspruchs 1.

3.5 Darüber hinaus ist die Beschwerdegegnerin der Ansicht, dass E3 keinen "Schlauchbeutel" nach Anspruchs 1 des Patents offenbare, denn in E3 seien in den Absätzen 0020 bis 0023 im Gegensatz dazu Faltzuschnitte mit Deckwand und Rückwand beschrieben, in die Falten eingearbeitet seien und die danach oben und unten verschweißt würden. Der in Absatz 0023 genannte Begriff "Schlauch" reiche nicht, um unter eine Herstellung des in Anspruch 1 beschriebenen "Schlauchbeutels" mit nur einer Längsnaht und einer einzigen Filtermateriallage zu fallen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich daher von der Offenbarung aus E3 auch dadurch, dass der Staubsaugerfilterbeutel als Schlauchbeutel gemäß dem Kennzeichen des Anspruchs 1 ausgebildet sei.

3.6 Dem ist nicht zu folgen. Wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, beschreibt E3 in Hinblick auf die Herstellung des Filterbeutels, dass die Faltschenkel der Seitenwände dabei durch Längsschweißnähte miteinander verbunden sind, so dass die Deck- Seiten- und Rückwand beidseitig M-förmig gefaltet sind. Alternativ können alle genannten Wände auch von einem einstückigen Faltzuschnitt gebildet sein, um eine Längsnaht einzusparen, vgl. E3, Absatz 0005, linke Spalte, vorletzter Satz, bis rechte Spalte, zweiter Satz. Die durchgehende Herstellung der Längsschweißnähte 10 ergeben einen schlauchförmigen Aufbau des Filterbeutels, vgl. E3, Absatz 0022, letzter Satz. Die Herstellung der Querschweißnähte 13 erfolgt erst nach der Herstellung der Längsschweißnähte 10, so dass die Schweißrollen 11 stets über das noch unverschweißte Ende des Schlauches aus Filterbeutelmaterial zugänglich sind, vgl. E3, Absatz 0023 und die Figuren.

3.7 Die Kammer stimmt daher mit der Auffassung der Beschwerdeführerin überein, dass aus E3 unmittelbar und eindeutig ein sogenannter "Schlauchbeutel" gemäß den Fertigungsmerkmalen im Kennzeichen des Anspruchs 1 offenbart wird: und zwar sowohl in Form des aus zwei Materiallagen mit zwei Längsschweißnähten gebildeten, als auch in Form des alternativ aus einer einzigen Materiallage mit genau einer Längsnaht gebildeten schlauchförmigen Filterbeutels der E3. Es ist für die Kammer insbesondere nicht ersichtlich, wie ein nach dem Kennzeichen des Anspruchs 1 gefertigter "Schlauchbeutel" keinen aus Materialbahnen hergestellten Faltzuschnitt wie in E3 aufweisen sollte, und noch weniger, wie dies dem fertigen Endprodukt anzusehen wäre - auch im Lichte der Patentbeschreibung. Siehe oben unter Punkt 2.9 zur Interpretation des Anspruchs 1.

3.8 Aus dem Vorstehenden kommt die Kammer zum Schluss, dass Dokument E3 sowohl das Merkmal "ausstülpbar" als auch das Merkmal "Schlauchbeutel" gemäß Anspruch 1 des Patents offenbart. Da E3 unbestritten auch die übrigen Merkmale des Anspruchs 1 offenbart, nimmt E3 den Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags erfüllt somit nicht die Erfordernisse der Artikel 100 a) und 54 EPÜ und ist daher nicht gewährbar.

4. Zulässigkeit, Hilfsantrag 1

4.1 Die Beschwerdeführerin beantragte die Nichtzulassung des Hilfsantrags 1. Dessen verspätete Einreichung durch die Beschwerdegegnerin erfolgte nach Ladung zur Verhandlung als Reaktion auf den Kammerbescheid, um dem Einwand der mangelnden Neuheit des Anspruchs 1 zu begegnen. Änderungen in diesem Verfahrensstadium müssen der Beschwerdeführerin (und auch der Kammer) ohne Verlegung der Verhandlung zumutbar sein, insbesondere in Hinblick auf die Frage der Komplexität der Änderungen und die gebotene Verfahrensökonomie, vgl. Artikel 13(1) und (3) VOBK. Für die Frage der Zulassung des Hilfsantrags 1 war für die Kammer daher vorrangig die Frage der prima facie Gewährbarkeit von neuen Änderungen in Anspruch 1 zu prüfen.

4.2 Am Ende des neu eingereichten Anspruchs 1 wurde der Wortlaut "..., sodass der Staubsaugerfilterbeutel nicht aus einer umlaufend verschweißten oberen und unteren Lage gebildet wird." hinzugefügt. Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass diese Änderung als Umkehrschluss aus Seite 3, erster Absatz, und Seite 9, zweiter Absatz, der ursprünglichen Anmeldung hervorgeht. So stelle das letzte Merkmal in Anspruch 1 klar, dass der Staubsaugerbeutel als "Schlauchbeutel" eben "nicht" aus einer umlaufend verschweißten oberen und unteren Lage gebildet werde. Dadurch sei in Anspruch 1 explizit zum Ausdruck gebracht, dass zwei Materiallagen bei einem "Schlauchbeutel" nach Anspruch 1 vermieden würden, und stattdessen eine einzige Längsnaht bei nur einer Materiallage vorzusehen sei.

4.3 Die Kammer folgt hingegen der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass nur im Ausführungsbeispiel nach Figur 2 des Patents prima facie eine einzige Längsnaht gezeigt ist - aber Merkmale dieses bevorzugten Ausführungsbeispiels in Anspruch 1 offensichtlich nicht mit aufgenommen werden. Stattdessen wird im geänderten Anspruch 1 versucht, einen bekannten Nachteil aus dem Stand der Technik mit Hilfe der Formulierung "...nicht..." zu verneinen, ohne jedoch Merkmale in Anspruch 1 aufzunehmen, wie die Erfindung in der ursprünglichen Anmeldung diesen bekannten Nachteil tatsächlich (in der Umkehr) überwindet.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist daher prima facie nicht ursprünglich offenbart, entgegen den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.

4.4 Die Kammer hat daher entschieden, Hilfsantrag 1 in Ausübung ihres Ermessens nicht ins Verfahren zuzulassen.

5. Erfinderische Tätigkeit, Hilfsantrag 2

5.1 Die Beschwerdeführerin hatte keine Einwände gegen die Zulassung des verspätet eingereichten Hilfsantrags 2. Der geänderte Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 beruht unmittelbar auf dem erteilten Verfahrensanspruch 11 und Anspruch 1 wie erteilt. Die Kammer entschied daher, Hilfsantrag 2 ins Verfahren zuzulassen.

5.2 Die erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 2 wird ausgehend von Dokument E1 oder E2 im Lichte allgemeinen Fachwissens bestritten. Dokument E1 betrifft die Herstellung eines sogenannten "Flachbeutels" mit Ober- und Unterwänden, die an ihrem Umfang entlang umlaufend miteinander verschweißt sind, vgl. E1 Absatz 0001. Davon ausgehend soll ein Flachbeutel geschaffen werden, der im Vergleich zu üblichen Flachbeuteln kleinflächiger ist, aber dennoch ein großes Füllvolumen aufweist. Diese Aufgabe wird in E1 durch mindestens eine Seitenfalte gelöst, vgl. E1, Absätze 0003 bis 0006.

5.3 Zum Thema Seitenfalte wird unter Absatz 0008 der E1 ausgeführt, dass Staubfilterbeutel mit Seitenfalten an sich bekannt sind. Diese vorbekannten Beutel werden dadurch gefertigt, dass die beiden in Längsrichtung verlaufenden Seitenränder des bahnförmigen Filtermaterials miteinander durch Längsschweißnähte verschweißt werden, so dass sich ein "schlauchförmiges Gebilde" ergibt. Danach werden die ebenfalls in Längsrichtung verlaufenden Seitenfalten eingefaltet und and den beiden Längsenden jeweils Querschweißnähte angebracht, die auch die Seitenfalten erfassen. Dadurch werden an jeder Querschweißnaht im Bereich der beiden Seitenfalten vier Lagen, und an den Längsschweißnähten zwei Lagen miteinander verschweißt.

An den Stellen, an denen die zweilagigen Schweißnahtbereiche in die vierlagigen Schweißnahtbereiche übergehen, treten bei diesen bekannten Seitenfaltenbeuteln Unstetigkeiten auf, sodass der Beutel unter Belastung an diesen Stellen reißen kann. Zudem sind die Enden der Seitenfalten fixiert, so dass sich die Seitenfalten nur über einen Teil ihrer Länge auffalten können, vgl. E1, Absätze 0009, 0010, und 0034.

5.4 Unbestritten offenbaren die gezeigten Ausführungsbeispiele nach den Figuren 1 und 3 der E1 ausgestanzte Ecken 24, 25, 26, 27 der Seitenfalten-Flächenbereiche 20, 21, 22, 23.

Dadurch wird beim erfindungsgemäßen "Flachbeutel" der E1 (gegenüber den bekannten Seitenfaltenbeuteln) erreicht, dass keine Schweißnahtstellen vorhanden sind, an denen sich die Anzahl der Lagen ändert. Die umlaufende Schweißnaht des "Flachbeutels" aus E1 ist somit durchweg zweilagig (keine Unstetigkeit), und die Seitenfalten können sich vollständig ausstülpen (größeres Füllvolumen), vgl. E1, Absätze 0010, 0012, 0020, 0028 bis 0030, und die Figuren 1 und 3: "umlaufende Schweißnaht 9".

5.5 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die im Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrag 2 angegebenen Verfahrensschritte eine beliebige Reihenfolge aufweisen können, so auch beispielsweise der Zeitpunkt des Ausstanzens von Filtermaterial zum Bilden der Kanten der wenigstens einen Seitenfalte.

5.5.1 E1 offenbare unter Absatz 0008 zwar die Herstellung herkömmlicher Seitenfaltenbeutel, also Beutel ohne durchgehend umlaufend verschweißter Schweißnaht. Die in E1 vorgeschlagene Weiterentwicklung eines Flachbeutels mit ausgestanzten Ecken der Seitenfalten zur Vermeidung von fixierten Seitenfaltenenden (mit vier Lagen) sei aber auf herkömmliche Seitenfaltenbeutel mit Längs- und Querschweißnähten aus Absatz 0008 anwendbar, wie aus dem Verweis in Absatz 0034 der E1, letzter Satz, für den Fachmann hervorgehe.

5.5.2 Daher erhebe sich gegenüber dem Herstellungsverfahren aus Absatz 0008 (in Verbindung mit Absatz 0034) der E1 bloß die Frage, ob der Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 2 zur Bildung des Schlauchbeutels ein Verschweißen der gegenüberliegenden Ränder einer einzigen Filtermateriallage mit nur einer Längsschweißnaht erfordert. Selbst wenn, so wäre dieser Verfahrensschritt gegenüber der Herstellung eines in Absatz 0008 beschriebenen schlauchförmigen Gebildes (mit vielleicht zwei Längsschweißnähten) eine einfache technische Maßnahme im Rahmen fachüblichen Handelns. Daher beruhe Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 im Lichte der E1 und allgemeinem Fachwissen auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

5.6 Die Kammer kann sich dem Vortrag der Beschwerdeführerin nicht anschließen. Das Verfahren nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 dient zum Herstellen eines Staubsaugerfilterbeutels mit wenigstens einer durch zwei Faltenschenkel gebildeten Seitenfalte und umfasst eingangs folgende Schritte (Nummerierung durch die Kammer):

(1) Bereitstellen einer Filtermateriallage,

(2) Bilden eines Schlauches aus der Filtermateriallage,

umfassend Schweißen einer Längsschweißnaht,

(3) Schweißen von Schweißlinien, die Kanten der

wenigstens einen Seitenfalte bilden werden,

(4) Ausstanzen von Filtermaterial zum Bilden der Kanten

der wenigstens einen Seitenfalte,

(5) Schweißen von Querschweißnähten zum Verschließen

eines oberen und unteren Endes des Schlauches,

(6) Einstülpen der wenigstens einen Seitenfalte, und

(7) Abtrennen des Staubsaugerfilterbeutels im Bereich

der Querschweißnähte,

5.7 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass die Reihenfolge der Verfahrensschritte zur Ausbildung von Seitenfalten eines "Schlauchbeutels" gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nicht als völlig beliebig angesehen werden kann.

So erfordert Anspruch 1, im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin, beispielsweise die zusammenhängende Abfolge der Verfahrensschritte (3) und (4), nämlich dass ein Schweißen von Schweißlinien, die Kanten der wenigstens einen Seitenfalte bilden, vor dem Ausstanzen von Filtermaterial zum Bilden der Kanten der wenigstens einen Seitenfalte erfolgt. Dieser Umstand kommt nach Auffassung der Kammer für den fachmännischen Leser durch den Wortlaut "Kanten ... bilden werden" am Ende des Verfahrensschritts (3) und dem nachfolgenden Wortlaut "Ausstanzen ... zum Bilden der Kanten..." im Verfahrensschritt (4) des Anspruchs 1 zum Ausdruck.

5.8 Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, wird hingegen die Art und Weise des Ausstanzens und Verschweißens der Kanten der Seitenfalten in E1 offengelassen. Dieser Umstand gilt für den gemäß der Erfindung der E1 suggerierten "Flachbeutel" nach den Figuren 1 und 3 - mit dem Umfang des Beutels entlang umlaufender Verschweißung - vgl. E1, Absätze 0020 und 0028 bis 0030. Er gilt ebenso für die Herstellung nach "bisheriger Flachbeutel-Fertigungstechnologie" (d.h. also ebenfalls mit umlaufend geschweißter Naht) gemäß Absatz 0034 der E1, erster Satz.

Sowohl ausgehend von der Herstellung des gelehrten Flachbeutels gemäß der Erfindung der E1, als auch ausgehend von bisheriger Flachbeutel-Fertigungstechnologie, hat der Fachmann nach Ansicht der Kammer daher keinen Anlass, in E1 von einer durchgehend umlaufenden Verschweißung abzuweichen - im Gegensatz zur geforderten Ausbildung eines "Schlauchbeutels" nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2. Noch weniger Anlass gibt es für den Fachmann, in E1 das Schweißen von Schweißlinien, die Kanten der wenigstens einen Seitenfalte bilden, vor dem Ausstanzen von Filtermaterial zum Bilden der Kanten der wenigstens einen Seitenfalte vorzusehen - wie in den Verfahrensschritten (3) und (4) des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ebenso gefordert, siehe oben.

5.9 Die Kammer hat erhebliche Zweifel, dass für den Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, in Absatz 0034 der E1 unmittelbar und eindeutig zum Ausdruck kommt, dass die Erfindung der E1 für "Flachbeutel" auch auf die Herstellung von vorbekannten schlauchförmigen Gebilden aus Absatz 0008 der E1 Anwendung finden soll bzw. kann.

Wie von der Beschwerdegegnerin erwidert, ist in Absatz 0034 nur offenbart, dass für die Erfindung aus E1 auch die bisherigen "Flachbeutel-Fertigungstechnologien" genutzt werden können, d.h. also mit durchgehend umlaufend geschweißter Naht. Am Ende des Absatzes 0034, letzter Satz, ist zwar von "herkömmlichen Seitenfaltenbeuteln" die Rede, also mutmaßlich von Beuteln hergestellt aus schlauchförmigen Gebilden aus Absatz 0008. Hier wird aber offensichtlich nur erklärt, dass man durch die erfindungsgemäße Herstellung von "Flachbeuteln" gemäß E1 ein größeres Füllvolumen im Vergleich zu üblichen Flachbeuteln und den (aus Absatz 0008) herkömmlichen Seitenfaltenbeuteln erhält.

Und selbst unter der von der Beschwerdeführerin getroffenen Annahme, dass ein gemäß der Erfindung aus den Figuren 1 und 3 der E1 ausgestanzter Beutel als schlauchförmiges Gebilde mit Seitenfalte wie bekannt aus Absatz 0008 hergestellt werden würde, würde der Fachmann aus Absatz 0008 der E1 keinen Hinweis auf die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 vorgegebene Abfolge der Verfahrensschritte (3) und (4) ableiten können, siehe oben unter Punkt 5.7.

5.10 Zusammenfassend kommt die Kammer daher zum Schluss, dass der Fachmann, falls ihm die Aufgabe gestellt wird einen Beutel mit Seitenfalte gemäß der in E1 vorgeschlagenen Erfindung herzustellen, weder aus E1 selbst, noch durch sein allgemeines Fachwissen naheliegend zu einem Herstellungsverfahren nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 für einen "Schlauchbeutel" gelangen würde. Insbesondere stünden dem Fachmann zum Ausstanzen und Verschweißen der Kanten der Seitenfalte aus E1 viele Möglichkeiten offen.

5.11 Wie von der Beschwerdeführerin eingeräumt, geht die Offenbarung der in den Figuren 5 und 6 der E2 gezeigten Ausstanzungen eines "Flachbeutels" nicht über die Lehre der E1 hinaus. Unbestritten ist E2 weniger relevant als E1, da in E2 nirgends von einem schlauchförmigen Gebilde, also einer mutmaßlichen Herstellung eines "Schlauchbeutels" die Rede ist. Abschließend räumt die Beschwerdeführerin ein, dass die ursprünglich von ihr ebenso in Betracht gezogene E5 nicht relevant sei, da E5 im Gegensatz zum Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 2 kein Ausstanzen von Filtermaterial zum Bilden der Kanten der wenigstens einen Seitenfalte betrifft.

5.12 Im Ergebnis beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 im Lichte der E1, E2, oder E5, und dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 2 ist daher gewährbar.

5.13 Beschreibungsanpassung, Hilfsantrag 2

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass die Absätze 0007, 0050 und 0058 der Patentbeschreibung an einen nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 hergestellten "Schlauchbeutel" mit nur einer einzigen Längsnaht angepasst werden müssten. Die Ausführungen zur Interpretation des Anspruchs 1 des Hauptantrags unter Punkt 2.8.1 bis 2.8.3 dieser Entscheidung gelten für Hilfsantrag 2 mutatis mutandis, und die Kammer sieht daher keine Notwendigkeit einer Anpassung dieser Absätze der Beschreibung an Anspruch 1. Die übrige Anpassung der Beschreibung an Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 erfolgte im Einverständnis mit den Parteien, Artikel 84 EPÜ, und erfüllt ebenso die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

6. Da Hilfsantrag 2 gewährbar ist, erübrigt sich für die Kammer, die Hilfsanträge 3 bis 15 zu berücksichtigen. Die Beschreibung ist entsprechend angepasst worden. Die Kammer stellt daher fest, dass unter Berücksichtigung der mit dem Hilfsantrag 2 vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen. Somit kann das Patent in geänderter Fassung aufrechterhalten werden, Artikel 101 (3) a) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, das Patent in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

Nr. 1 - 12 des am 8. Februar 2019 eingereichten Hilfsantrags 2;

Beschreibung:

Seiten 2 und 5 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht,

Seiten 3, 4, 6 und 7 wie in der veröffentlichten Patentschrift,

Zeichnungen:

Figuren 1 - 5 wie in der veröffentlichten Patentschrift.

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