T 2137/14 () of 13.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T213714.20180613
Datum der Entscheidung: 13 Juni 2018
Aktenzeichen: T 2137/14
Anmeldenummer: 08158691.9
IPC-Klasse: B23Q 1/01
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer Bearbeitungsmaschine mit einem Betonteil
Name des Anmelders: Bütfering Schleiftechnik GmbH
Homag Holzbearbeitungssysteme AG
Name des Einsprechenden: Elementbau Osthessen GmbH & Co., ELO KG
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät vorgebrachte Argumente - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 18. September 2014 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2100694 zurückgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Am 13. Juni 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerinnen (Patentinhaberinnen) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde und Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 3 eingereicht mit Schreiben vom 26. Mai 2015.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (Patent wie erteilt) lautet:

"Verfahren zum Herstellen einer Bearbeitungsmaschine (1) zum Bearbeiten von Werkstücken, die bevorzugt zumindest teilweise aus Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoff, Metall oder dergleichen bestehen, mit: mindestens einem tragenden Maschinenteil (2, 12, 22) und mindestens einer mit dem tragenden Maschinenteil verbundenen Bearbeitungseinheit (14, 24), wobei das tragende Maschinenteil (2, 12, 22) zumindest abschnittsweise aus Beton besteht, mit den Schritten:

(M1) Herstellen des tragenden Maschinenteils (2, 12, 22) aus Beton, der einen Wasser-Bindemittelwert von höchstens 0,30, bevorzugt höchstens 0,25 aufweist,

(M2) Wärmebehandeln des Betons, und

Verbinden des tragenden Maschinenteils (2, 12, 22) mit der Bearbeitungseinheit (14, 24)."

(Merkmalsgliederung M1 und M2 durch die Kammer eingeführt).

Die Hilfsanträge haben für diese Entscheidung keine Rolle gespielt.

VI. Folgende Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:

E1: EP 0 253 930 A1

E3: "Ultra-Hochfester Beton Planung und Bau der ersten Brücke mit UHPC in Europa", Seiten 5, 26, 27, 44, 45, Kassel University Press, 2003

E3a: wie E3 mit Seiten I-IV, 1 - 48

E7: "Interim Recommendations on Ultra-High Performance Fiber-Reinforced Concrete", Association Français de Genie Civile, 2002.

VII. Zur Stützung ihrer Anträge hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Zulassung von E3a

E3a sei als Antwort auf den Bescheid der Kammer eingereicht worden. Es bringe zudem keinen neuen Sachverhalt ein, da die relevanten Passagen bereits als E3 eingereicht worden seien.

b) Erfinderische Tätigkeit

i) E1 in Verbindung mit der Lehre von E3a

E1 sei nächstliegender Stand der Technik und offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1 außer M1 und M2.

Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, eine bessere Maßhaltigkeit des tragenden Maschinenteils aus Beton zu erhalten (vgl. Patent, Paragraf [0006]).

Der Fachmann würde E3a berücksichtigen, weil dieses Dokument lehre, dass Beton mit einem Wasser-Bindemittelwert von höchstens 0,3 zusammen mit einer Wärmebehandlung ein geringeres Schrumpfverhalten und somit eine bessere Maßhaltigkeit aufweise (siehe S. 27, 4. Absatz).

In Anwendung dieser Lehre würde der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

ii) E1 in Verbindung mit der Lehre von E7 - Zulassung in das Verfahren

Die Beschwerdeführerin beantragte am Ende der mündlichen Verhandlung einen neuen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von E1 in Verbindung mit dem in der Patentschrift in Absatz [0029] erwähnten Dokument E7 vortragen zu dürfen.

Diese Kombination führe ebenfalls zum Gegenstand des Anspruchs 1. E7 sei von den Beschwerdegegnerinnen selbst im Patent zitiert worden. Sie sollten daher in der Lage sein, über dieses Dokument zu sprechen.

Dieser Angriff sei daher in das Verfahren zuzulassen.

c) Artikel 100(b) EPÜ

Soweit argumentiert worden sei, dass der im Patent angegebene Wasser-/Bindemittelwert zu einem anderen Schrumpfverhalten führe als im Stand der Technik, könne die Erfindung nicht als ausführbar erachtet werden. Es sei nicht angegeben, wie man mit den gleichen Ausgangsbedingungen ein anderes Resultat erzielen könne.

VIII. Zur Stützung ihrer Anträge haben die Beschwerdegegnerinnen im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Zulassung von E3a

Das Fehlen relevanter Seiten von E3 sei schon im Einspruchsverfahren gerügt worden. Die Beschwerdeführerin hätte E3a spätestens mit der Beschwerdebegründung einreichen sollen. Das verspätet vorgebrachte Dokument E3a sei daher nicht in das Verfahren zuzulassen.

b) Erfinderische Tätigkeit

i) E1 in Kombination mit der Lehre von E3a

E1 sei nächstliegender Stand der Technik und offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1 außer M1 und M2.

Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, eine bessere Maßhaltigkeit des tragenden Maschinenteils aus Beton zu erhalten (vgl. Patent, Paragraf [0006]).

Der Fachmann würde E3a nicht berücksichtigen, weil dieses Dokument aus dem fachlichen Gebiet des Brückenbaus stamme. Beim Brückenbau seien die zu respektierenden Toleranzen deutlich größer als bei Bearbeitungsmaschinen. Daher würde der Fachmann nicht in diesem technischen Gebiet nach einer Lösung für die obengenannte Aufgabe suchen.

Außerdem müssten Merkmale aus zwei verschiedenen Beiträgen im Dokument E3a mit der Lehre von E1 kombiniert werden, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

Somit würde der Fachmann nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

ii) E1 in Verbindung mit der Lehre von E7 - Nicht Zulassung in das Verfahren

Ein neuer Angriff gegen die erfinderische Tätigkeit, nachdem die Kammer bereits über die erfinderische Tätigkeit beraten habe, sei als verspätet zurückzuweisen. Sollte diese Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin zugelassen werden, so müsse die Verhandlung verlegt werden, um den Patentinhaberinnen die Möglichkeit zu einer adäquaten Vorbereitung zu geben.

c) Artikel 100(b) EPÜ

Die Erfindung sei ausführbar, weil dem Fachmann im Patent (siehe z.B. Paragrafen [0029] - [0031]) ausreichende Informationen zur Herstellung und Verarbeitung des Betons gegeben werden.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung von E3a

Die Einreichung dieses Dokuments kann als Reaktion auf die Rüge der Beschwerdegegnerinnen, siehe Punkt 3.2.2 der Antwort vom 26. Mai 2016 und die darauf bezugnehmende Mitteilung der Kammer (Punkt 3.1, letzter Satz) angesehen werden. Außerdem ermöglicht es E3a die bereits im Verfahren befindlichen Seiten besser in ihrem Kontext zu beurteilen. Die Kammer lässt daher E3a in das Verfahren zu (Artikel 13(1),(2) VOBK).

2. Artikel 100(a) EPÜ - Erfinderische Tätigkeit.

2.1 E1 in Zusammenhang mit E3a

E1 ist unstreitig nächstliegender Stand der Technik und offenbart unstreitig:

Ein Verfahren zum Herstellen einer Bearbeitungsmaschine zum Bearbeiten von Werkstücken (Sp. 1, Z. 1-3), die bevorzugt zumindest teilweise aus Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoff, Metall oder dergleichen bestehen (dieses Merkmal ist fakultativ), mit: mindestens einem tragenden Maschinenteil (Fig. 6 - siehe auch Anspruch 2) und mindestens einer mit dem tragenden Maschinenteil verbundenen Bearbeitungseinheit ("lathe" - Sp.7, Z. 49-57), wobei das tragende Maschinenteil zumindest abschnittsweise aus Beton besteht, mit dem Schritt:

Verbinden des tragenden Maschinenteils mit der Bearbeitungseinheit (Fig. 6).

Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich daher von diesem bekannten Verfahren durch die Schritte:

(M1) Herstellen des tragenden Maschinenteils aus Beton, der einen Wasser-Bindemittelwert von höchstens 0,30, bevorzugt höchstens 0,25 aufweist, und

(M2) Wärmebehandeln des Betons.

Die zu lösende Aufgabe besteht darin, eine bessere Maßhaltigkeit des tragenden Maschinenteils aus Beton zu erhalten (vgl. Patent, Paragraf [0006]). Dies ist ebenfalls unstreitig.

Der zuständige Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur. Da E1 bereits die Verwendung von Beton offenbart, ist ihm bekannt, dass dieses Material grundsätzlich auch für die Herstellung von Bearbeitungsmaschinen in Frage kommt.

E3a beschreibt die Verwendung von Ultra-Hochfestem Beton (UHPC) bei der Gärtnerplatz-Brücke in Kassel. In dem Beitrag von Prof. Schmidt wird auf Seite 5 beschrieben, dass die hohe Leistungsfähigkeit von UHPC auf vier Faktoren beruht, darunter "einem niedrigen Wasser-Zementwert zwischen rd. 0,20 und 0,30". Auf Seite 27 des Beitrags von Prof. Fehling wird weiter erklärt, dass durch eine Wärmebehandlung das Schwinden "zu einem großen Teil vorweggenommen werden" kann. Damit sind die Merkmale M1 und M2 an sich aus E3a bekannt. Dies ist ebenfalls unstreitig.

Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass der Fachmann E3a nicht zur Lösung der gestellten Aufgabe berücksichtigen würde. E3a befasst sich mit dem Brückenbau. Die Toleranzen bei einem derartigen Bauprojekt sind viel größer als die beim Herstellen einer Bearbeitungsmaschine. Der Fachmann würde daher zur Lösung der Aufgabe die Maßhaltigkeit einer Bearbeitungsmaschine zu verbessern, nicht im Bereich des Brückenbaus nach einer Lösung suchen.

Darüber hinaus müsste der Fachmann Merkmale aus Dokument E3a berücksichtigen, die in unterschiedlichen Aufsätzen verschiedener Autoren enthalten sind. Ein solches Vorgehen kann nicht als naheliegend angesehen werden und entspringt allenfalls einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Damit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.2 E1 in Verbindung mit E7 - Nicht-Zulassung in das Verfahren

Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin einen neuen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 in Kombination mit E7 vortragen zu dürfen. E7 ist im Patent, Paragraf [0029] als Stand der Technik erwähnt, war jedoch bis dato weder im Einspruchsverfahren noch im Beschwerdeverfahren verwendet worden.

Zudem erfolgte der Einwand zu einem Zeitpunkt an dem die Diskussion über die erfinderische Tätigkeit bereits abgeschlossen war. Bei Zulassung der neuen Argumentationslinie wäre darüber hinaus eine Verlegung der mündlichen Verhandlung notwendig gewesen, um Beschwerdegegnerinnen und Kammer die Möglichkeit zu geben sich adäquat mit dem erstmals verwendeten Dokument auseinanderzusetzen. Aus diesen Gründen wird angesichts des Verfahrensstands und der gebotenen Verfahrensökonomie dieses Vorbringen nicht zugelassen (Artikel 13(1),(3) VOBK).

3. Artikel 100(b) EPÜ

Die im Anspruch 1 definierte Erfindung ist ausführbar. Der Fachmann kann mit der in Paragrafen [0029] - [0031] gegebenen Information ein Maschinenteil aus Beton herstellen, der einen Wasser-Bindemittelwert von höchstens 0,30 aufweist, da er nur die zwei Komponente in dem angegebenen Verhältnis zu mischen braucht. Der Fachmann ist ebenfalls in der Lage, eine Wärmebehandlung des Betons auszuführen, wie in Paragraf [0015] oder [0031] beschrieben.

Auch wurde im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen, dass der im Patent beanspruchte Wasser-Bindemittelwert zu einem anderen Schrumpfverhalten führen würde, als im Stand der Technik.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100(b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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