T 2096/14 () of 14.12.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T209614.20151214
Datum der Entscheidung: 14 Dezember 2015
Aktenzeichen: T 2096/14
Anmeldenummer: 09162050.0
IPC-Klasse: C08G 63/16
C08G 63/80
C08L 67/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Polymeren mit neutralem Farbton
Name des Anmelders: Technip Zimmer GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Ansprüche - Klarheit (Hauptantrag, Hilfsantrag 1: nein)
Änderungen - zulässig (Hilfsantrag 2: nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0304/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung bezüglich der Zurückweisung der Anmeldung Nr. 09 162 050.0.

II. Anspruch 1 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht lautete wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Polymeren mit neutralem Farbton in einer oder mehreren Reaktionsstufen, wobei dem Prozess an einer Stelle vor Eintritt in die letzte Polyreaktionsstufe ein blauer und/oder roter Farbstoff zugegeben wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Einstellung eines neutralen Farbtons des Polymers, die bei einer Gesamtfarbstoffkonzentration im Polymer von maximal 3 ppm, bevorzugt maximal 2 ppm, besonders bevorzugt maximal 1 ppm und einem Anteil des blauen Farbstoffes in der Farbstoffmischung von mindestens 50 Gew.-% durchgeführt wird, durch die unabhängige Anpassung der a- und b-Farbwerte im Lab-Farbraum erfolgt und die folgenden Schritte umfasst:

- Bestimmung der a- und b-Farbwerte des Polyesters ohne Farbstoffzusatz;

- Festlegung der Gesamtfarbstoffkonzentration in Abhängigkeit der zu erzielenden b-Wert Verschiebung;

- Festlegung des benötigten Mischungsverhältnisses der Farben rot und blau in Abhängigkeit der zu erzielenden a-Wert Verschiebung;

- Dosierung der festgelegten Menge an Farbstoffmischung in die Reaktionsmischung."

III. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung erfolgte auf Grundlage des mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 eingereichten Hauptantrags und des während der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2014 eingereichten Hilfsantrags 1. Dieser Hauptantrag ist für die vorliegende Entscheidung nicht relevant.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautete wie folgt (Änderungen bzw. Streichungen gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 werden fett bzw. [deleted: durchgestrichen] markiert):

"1. Verfahren zur Herstellung von [deleted: Polymeren] Polyestern mit neutralem Farbton in einer oder mehreren Reaktionsstufen, wobei dem Prozess an einer Stelle vor Eintritt in die letzte Polyreaktionsstufe ein blauer und[deleted: /oder] roter Farbstoff zugegeben wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Einstellung eines neutralen Farbtons des [deleted: Polymers] Polyesters, die bei einer Gesamtfarbstoffkonzentration im Polymer von maximal 3 ppm, bevorzugt maximal 2 ppm, besonders bevorzugt maximal 1 ppm und einem Anteil des blauen Farbstoffes in der Farbstoffmischung von mindestens 50 Gew.-% durchgeführt wird, durch die unabhängige Anpassung der a- und b-Farbwerte im Lab-Farbraum erfolgt und die folgenden Schritte umfasst: (...)"

Die Definition der Verfahrenschritte war mit der des ursprünglichen Anspruchs 1 identisch und ist mit (...) gekennzeichnet.

IV. Gemäß der angefochtenen Entscheidung sei der Begriff "neutraler Farbton" klar und habe "eine exakte Bedeutung", "nämlich einen a-Wert und b-Wert im Lab-Farbraum von jeweils 0". Jedoch fehle Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Neuheit im Hinblick auf D1. Des Weiteren wurde dargelegt: "Da weder der Haupt- noch der Hilfsantrag 1 den Erfordernissen von Artikel 54 EPÜ genügen, wird die Anmeldung gemäß Artikels 97(2) EPÜ zurückgewiesen. Außerdem sind auch die Erfordernisse von Artikel 83 und 84 EPÜ nicht erfüllt" (Punkt 5. der Gründe der Entscheidung).

Folgende Dokumente wurden in der Entscheidung unter anderem zitiert:

D1: US 2005/245677 A1

D3: Auszüge aus Fachbüchern zum "neutralen Farbton"

Unter Punkt 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung wurde jedoch angegeben "Die Prüfungsabteilung wies die Anmeldung wegen mangelnder Neuheit gemäß Artikel 97(2) EPÜ zurück."

V. Gegen diese Entscheidung legte die Anmelderin Beschwerde ein. Zusammen mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2014 eingereichten Hilfsantrags 1. Es wurde inter alia auf folgendes Dokument verwiesen:

D4: Messkurven (Schreiben vom 15 April 2014)

VI. In einem Bescheid, welcher zusammen mit einer Ladung zur mündlichen Verhandlung versandt wurde, wurde inter alia in Frage gestellt, ob der Begriff "neutraler Farbton" klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ sei. Es wurde ferner unter anderem auf folgende Dokumente verwiesen:

D5: EP-A-0 061 414

D6: US 4 535 118

VII. Nach der telefonischen Rücksprache vom 5. November 2015 reichte die Beschwerdeführerin mit Telefax vom 16. November 2015 zwei Hilfsanträge, welche als Hilfsanträge 2 und 3 gekennzeichnet waren, als Diskussionsvorlage, ein.

VIII. Während einer zweiten telefonischen Rücksprache, die am 23. November 2015 stattfand, bestätigte die Beschwerdeführerin unter anderem, dass die geltenden Anträge wie folgt lauteten:

- Hauptantrag: Hilfsantrag 1, welcher während der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2014 eingereicht wurde;

- Hilfsanträge 1 und 2: die mit Telefax vom 16. November 2015 eingereichten Hilfsanträge 2 und 3.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entsprach Anspruch 1 des Hauptantrags mit folgender Hinzufügung am Ende des Anspruchs:

"wobei als blauer Farbstoff Solvent blau Color Index 104 und als roter Farbstoff Solvent rot Color Index 52 eingesetzt werden."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautete wie folgt (Änderungen bzw. Streichungen gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 werden fett bzw. [deleted: durchgestrichen] markiert):

"1. Verfahren zur Herstellung von [deleted: Polymeren] Polyestern [deleted: mit neutralem Farbton] in einer oder mehreren Reaktionsstufen, wobei dem Prozess an einer Stelle vor Eintritt in die letzte Polyreaktionsstufe ein blauer und[deleted: /oder] roter Farbstoff zugegeben wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Einstellung eines[deleted: neutralen ]Farbtons des [deleted: Polymers] Polyesters, die bei einer Gesamtfarbstoffkonzentration im Polymer von maximal 3 ppm, bevorzugt maximal 2 ppm, besonders bevorzugt maximal 1 ppm und einem Anteil des blauen Farbstoffes in der Farbstoffmischung von mindestens 50 Gew.-% durchgeführt wird, durch die unabhängige Anpassung der a- und b-Farbwerte im Lab-Farbraum erfolgt und die folgenden Schritte umfasst: (...)"

Die Definitionen sowohl der Verfahrenschritte als auch der blauen und roten Farbstoffe waren identisch mit denen des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 und sind mit (...) gekennzeichnet.

IX. Die mündliche Verhandlung fand am 14. Dezember 2015 statt.

X. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Artikel 84 EPÜ

Der Begriff "neutraler Farbton" sei dem Fachmann auf dem Gebiet der Farbeinstellung von Polyestern bekannt. Insbesondere sei aus D3 zu entnehmen, dass dieser Begriff einem Wert von a=b=0 entspricht. Da das Verfahren des Anspruchs 1 zwangsläufig zu Polyestern mit a- und b-Farbwerte von jeweils 0 führen müsse, fielen die Beispiele der ursprünglichen Anmeldung nicht unter den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1. Sowohl die Beispiele als auch die Beschreibung belegten, was mit dem Verfahren erreicht werden könne, nämlich eine gezielte Anpassung der Farbe eines Polyesters an jeden gewünschten Farbton. In diesem Hinblick sei der Anmelderin erlaubt, mehr in der Beschreibung zu offenbaren als tatsächlich beansprucht, hier lediglich eine Anpassung des Farbtons an einen Wert von a=b=0.

D1, D5 und D6 seien Patentdokumente, welche ihr eigenes Wörterbuch darstellten: somit könnten sie zur Klarstellung des Begriffs "neutraler Farbton" nicht herangezogen werden. Außerdem beträfen diese Dokumente, im Gegensatz zu der vorliegenden Anmeldung, kein Verfahren, das zu einem absoluten Farbwert des Polymers von a=b=0 führt.

Nach T 304/08 sei der Wortlaut "Verfahren zur Herstellung von Polyestern mit neutralem Farbton" so zu verstehen, dass das Merkmal "mit neutralem Farbton" nicht einschränkend sei.

Hilfsantrag 2 - Artikel 123 (2) EPÜ

Da der Begriff "neutraler Farbton" kein einschränkendes Merkmal darstelle, könnten die Streichungen dieses Merkmals keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ hervorrufen. Außerdem basieren diese Streichungen auf den Beispielen und den Passagen der Seite 4, Zeilen 27-32, und Seite 6, Zeilen 7-8 im Zusammenhang mit der gesamten Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung eingereichten 1. Hilfsantrags (Hauptantrag), hilfsweise auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 16. November 2015 als Hilfsanträge 2 und 3 (Hilfsanträge 1 und 2) eingereichten Hilfsanträge zu erteilen.

XII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Der Hauptantrag entspricht dem während der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung eingereichten Hilfsantrag 1. Die unter Punkt 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung und unter Punkt 5 der angefochtenen Entscheidung gezogenen Schlussfolgerungen (siehe Punkt IV oben) sind nicht identisch. Es geht insbesondere aus der Entscheidung und dem Protokoll nicht eindeutig hervor, aus welchen Gründen der Hilfsantrag 1 als nicht gewährbar angesehen wurde. Jedoch hat die Kammer die Befugnis zu überprüfen, ob die vorliegende Anmeldung den Erfordernissen des EPÜ genügt. Dies gilt auch für Erfordernisse, die die Prüfungsabteilung im Prüfungsverfahren nicht gezogen oder als erfüllt angesehen hat (G 10/93; Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7. Auflage, 2013, IV.E.3.3.1). Somit ist die Kammer befugt zu überprüfen, ob der geltende Hauptantrag u.a. die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

Hauptantrag - Artikel 84 EPÜ

2. Anspruch 1 betrifft ein "Verfahren zur Herstellung von Polyestern mit neutralem Farbton", welches dadurch gekennzeichnet ist, dass "die Einstellung eines neutralen Farbtons des Polyesters ... erfolgt".

2.1 Wie von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer anerkannt, wird durch das Merkmal "die Einstellung eines neutralen Farbtons des Polyesters ... erfolgt" definiert, dass das beanspruchte Verfahren zu Polyestern mit einem neutralen Farbton führen muss. Somit stellt das Merkmal "neutrale Farbton" des Polyesters eine Einschränkung des beanspruchten Verfahrens dar, insofern, dass das Verfahren so sein muss, dass das resultierende Produkt einen neutralen Farbton hat.

2.2 Es hat sich daher die Frage gestellt, ob das Merkmal "neutrale Farbton" im Sinne des Artikel 84 EPÜ klar ist.

2.3 Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Frage der Klarheit des Begriffs "neutraler Farbton" unwesentlich ist, weil nach der Entscheidung T 304/08 dieser Begriff als nicht einschränkend zu betrachtet sei.

Im vorliegenden Fall, und im Gegensatz zu T 304/08, enthält jedoch das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags einen Schritt, in dem "die Einstellung eines neutralen Farbtons des Polyesters ... erfolgt". Somit kann die Angabe des beabsichtigten Zwecks des Verfahrens nicht wie in T 304/08 so zu verstehen sein, dass das Verfahren lediglich zur Herstellung von Polyestern mit neutralem Farbton geeignet sein soll. Vielmehr ist das Merkmal "mit neutralem Farbton", wie im Absatz 2.1 bereits erklärt, als ein einschränkendes Merkmal des im Anspruch 1 definierten Verfahrens, welches das hergestellte Produkt tatsächlich charakterisiert, zu betrachten. Unter solchen Umständen betrifft T 304/08 eine andere Sachlage als im vorliegenden Fall. Somit sind die in T 304/08 gezogenen Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall nicht relevant.

2.4 Anspruch 1 definiert nicht, was unter dem Begriff "neutraler Farbton" zu verstehen ist, noch enthält die ursprüngliche Anmeldung eine eindeutige Definition davon.

2.5 Die Beschwerdeführerin argumentiert, es gehe aus D3 eindeutig hervor, dass dieser Begriff im einschlägigen Stand der Technik eine allgemein erkannte Bedeutung besitzt, nämlich einen Farbwert von a=b=0 im Lab-Farbraum.

2.5.1 D3 besteht aus Auszügen verschiedener Fachbücher. Auf Seiten 1-7 und 11-13 von D3, welche aus dem Gebiet der Farbbildbearbeitung stammen, wird dargestellt, dass ein Farbwert von a=b=0 im Lab-Farbraum ein absolut neutrales Grau charakterisiert. Es ist jedoch anzumerken, dass diese Passagen von D3 theoretische Erläuterungen des Lab-Farbraum Systems sind. Im Gegensatz dazu betreffen die Seiten 8-10 von D3 die Farbbewertung von Polyphenolen in "Buntsäfte" (Seite 8) und sind daher mehr praxisorientiert. Dort wird insbesondere dargelegt, dass "Je näher die a- und b-Werte bei Null liegen, desto neutraler ist der Farbton" (Ende des ersten vollen Absatzes der Seite 10). Somit ist festzustellen, dass der Begriff "neutraler Farbton" nicht nur einen Farbwert von a=b=0 definiert, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, sondern dass er in seinem breitesten Sinne, insbesondere wenn er in der Praxis verwendet wird, eine relative (und keine absolute) Bedeutung haben kann.

2.5.2 Diese Schlussfolgerung ist im Einklang mit D1 (Absatz [68]), D5 (Seite 13, Zeilen 12-29) und D6 (Spalte 3, Zeilen 55-65), welche unterschiedliche Definitionen für den Begriff "neutraler Farbton" geben. In dieser Hinsicht zeigen diese Patentdokumente, dass dem Begriff "neutraler Farbton" im Stand der Technik unterschiedliche Definitionen gegeben wurde. Dass D1, D5 und D6 Patentdokumente sind, ändert nichts an dieser Schlussfolgerung und genügt nicht, um diese Dokumente außer Acht zu lassen, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert. Vielmehr zeigen diese Dokumente, dass es erforderlich ist, diesen Begriff genau zu definieren, um dem Fachmann ein eindeutiges Verständnis davon zu ermöglichen. Ohne eine solche Definition ist es unklar, ob die Beispiele der Tabelle 1 der ursprünglichen Anmeldung als Polyester "mit neutralem Farbton" zu betrachten sind, was gemäß der Anmeldung der Fall zu sein scheint (siehe Seite 9, Zeilen 5-10), jedoch von der Beschwerdeführerin, z.B. während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, bestritten wurde. Gleicherweise ist es unter solchen Umständen unklar, ob Polyester gemäß dem Stand der Technik, z.B. D1 (welches im Prüfungsverfahren bzgl. der Neuheit herangezogen wurde), D5 oder D6, als Polyester "mit neutralem Farbton" zu betrachten sind.

2.5.3 Die Schlussfolgerung, dass der Begriff "Polyester mit neutralem Farbton" eine relative Bedeutung hat, entspricht aus folgenden Gründen auch der Lehre der Anmeldung:

Anspruch 1 definiert "die Einstellung eines neutralen Farbtons des Polymers" durch inter alia "Festlegung .... in Abhängigkeit der zu erzielenden b-Wert (bzw. a-Wert). In der Anmeldung wird auf "eine einmal eingestellte Farbtönung" (Heraushebungen von der Kammer) verwiesen (Seite 8, Zeile 3-5). Somit wird nicht ausgeschlossen und wird sogar angedeutet, dass mehrere neutrale Farbtöne, d.h. unterschiedlich von a=b=0, im beanspruchten Verfahren betrachtet werden können.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass in keinem der Beispiele der Anmeldung ein Polyester mit einem Farbwert von a=b=0 hergestellt wird (Tabelle 1). Somit wird das Argument der Beschwerdeführerin auch von diesen Beispielen nicht gestützt.

Schließlich werden die in D5 hergestellten Polyester, welche, wie unter Punkt 2.4 erklärt, keinen Farbwert von a=b=0 haben, in der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung auch als Polyester mit einer "neutralen Farbtönung" beschrieben (Seite 2, Zeile 13-20).

2.5.4 Ferner ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin selbst im schriftlichen Beschwerdeverfahren argumentiert hat, dass Verfahren, welche zu einer Korrektur des Farbtones eines Polyesters auf einen leicht bläulichen Farbwert führen, als erfindungsgemäß betrachtet werden können (Seite 2, erster ganzer Absatz der Beschwerdebegründung; Seite 5, erster Absatz des Schreibens vom 16. November 2015), was auch in der ursprünglichen Anmeldung widergespiegelt zu sein scheint (Seite 7, Zeile 20-25; Beispiele der Tabelle 1).

2.5.5 Die Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 lediglich ein Teil des in der Beschreibung beschriebenen Verfahrens beinhaltet, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, ist für die Frage der Klarheit des Begriffs "neutraler Farbton" irrelevant. Somit ist dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugend.

2.5.6 Zusammenfassend kann nicht geschlossen werden, dass der Begriff "neutraler Farbton" eine eindeutige Bedeutung hat.

2.6 Unter diesen Umstände ist der Fachmann nicht in der Lage zu wissen, wann das Merkmal "die Einstellung eines neutralen Farbtons des Polyesters ... erfolgt" erfüllt ist oder nicht und folglich, ob er innerhalb oder außerhalb des Anspruchsgegenstands arbeitet.

2.7 In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin auf Messkurven, die im Erstinstanzverfahren eingereicht wurden (D4), verwiesen.

2.7.1 Jedoch hat die Beschwerdeführerin sowohl im Erstinstanzverfahren als im Beschwerdeverfahren beantragt, dass D4 "vertraulich behandelt" wird, d.h. D4 sollte "nicht in den öffentlichen Teil der Akte aufgenommen werden" (Brief vom 15. April 2014, Seite 1, zweiter Absatz; Brief vom 16. November 2015, Seite 11, erster Absatz; mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer).

Gemäß Artikel 128(4) EPÜ und Regel 144(d) EPÜ in Verbindung mit Artikel 2(a) des Beschlusses der Präsidentin vom 12. Juli 2007 über von der Akteneinsicht ausgeschlossene Unterlagen (ABl. EPA Sonderausgabe 3/2007, S. 125) werden Schriftstücke oder Teile hiervon "auf begründeten Antrag eines Beteiligten oder seines Vertreters von der Akteneinsicht ausgeschlossen, wenn die Akteneinsicht schutzwürdige persönliche oder wirtschaftliche Interessen von natürlichen oder juristischen Personen beeinträchtigen würde".

Im vorliegenden Fall wurde nicht gezeigt, dass diese Erfordernisse hinsichtlich des Vortrags der Beschwerdeführerin und der D4 selbst erfüllt sind.

Dadurch, dass die Beschwerdeführerin konstanterweise verweigert hat, dass D4 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, kann die auf D4 basierende Argumentation der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt werden.

2.7.2 In diesem Zusammenhang merkt die Kammer ferner an, dass die Beschwerdeführerin dargelegt hat, dass die Kurven der D4 erklären können, warum die Einstellung der Farbparameter a und b unabhängig voneinander erfolgen kann (Beschwerdebegründung: Absatz zwischen Seiten 2 und 3; Brief vom 16. November 2015: Absatz zwischen Seiten 10 und 11). Es wurde jedoch nicht gezeigt, dass diese Kurven zur Definition des Begriffes "neutraler Farbton" beitragen können. Somit hätten die Kurven der D4 den Einwand der fehlenden Klarheit des Begriffs "neutraler Farbton" nicht ausräumen können.

2.8 Somit erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

Hilfsantrag 1 - Artikel 84 EPÜ

3. Anspruch 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich durch die näher spezifizierte Definition der blauen und roten Farbstoffe. In Abwesenheit jeglicher Argumente und/oder Beweismittel, dass diese Merkmale mit der Klarheit des Begriffes "neutraler Farbton" eines Polyesters zusammenhängen, kann jedoch diese Änderung den oben genannten Klarheitseinwand bezüglich des Hauptantrags nicht ausräumen. Somit ist der Hilfsantrag 1 aus dem gleichen Grund wie der Hauptantrag nicht gewährbar.

Hilfsantrag 2 - Artikel 123(2) EPÜ

4. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht inter alia durch die Streichung der Begriffe "mit neutralem Farbton" und "neutralen" (im Merkmal "die Einstellung eines neutralen Farbtons des Polyesters").

4.1 Wie unter Punkt 2.2 der vorliegenden Entscheidung erklärt, ist der Begriff "neutraler Farbton", auch wenn er an Klarheit fehlt, als ein einschränkendes technisches Merkmal zu betrachten. Somit führen die o.a. Streichungen zu einer substanziellen Änderung des Anspruchsgegenstandes und es ist zu prüfen, ob der somit definierte Gegenstand in der ursprünglichen Offenbarung direkt und unmittelbar beschrieben wird.

4.2 Bezüglich dieser Änderungen hat sich die Beschwerdeführerin auf Passagen der ursprünglichen Anmeldung bezogen, die jedoch eindeutig auf ein Verfahren zur "Farbneutralisierung" (Seite 4, Zeile 28) oder "Neutralisierung des visuellen Farbeindrucks" (Seite 6, Zeile 7) des Polymers verweisen. Somit können diese Passagen keine Basis für das nun definierte Verfahren, welches keine Einschränkung in Bezug auf die Farbe des Polyesters enthält, darstellen.

Betrachtet man die gesamte ursprüngliche Offenbarung, ist festzustellen, dass ausschließlich Verfahren zur Herstellung von Polyestern mit neutralem Farbton (Seite 5, Zeilen 6, 25-26) oder mit einem Farbton, der sich dem durch Benutzung von Kobalt erhaltenen bläulichen Farbton annähert, offenbart werden (Seite 7, Zeilen 20-25; Beispiele der Tabelle 1). Somit wurde von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 in der ursprünglichen Anmeldung direkt und unmittelbar offenbart wurde.

5. Da es keine Basis in der Anmeldung für das nun definierte Verfahren gibt, erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht. Der Hilfsantrag 2 ist daher nicht gewährbar.

6. Da weder der Hauptantrag noch die Hilfsanträge 1 und 2 der Beschwerdeführerin (Anmelderin) die Erfordernisse des EPÜ erfüllen, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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