T 2093/14 (Verfahren zur Reinigung von G-CSF/MYLAN) of 26.9.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T209314.20180926
Datum der Entscheidung: 26 September 2018
Aktenzeichen: T 2093/14
Anmeldenummer: 06777781.3
IPC-Klasse: C07K 14/435
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Reinigung von G-CSF
Name des Anmelders: Mylan Pharmaceuticals Inc.
Name des Einsprechenden: Hospira UK Limited
Engelhard, Dorothee
ratiopharm GmbH
Kammer: 3.3.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 113(1)
European Patent Convention R 103(1)(a)
Schlagwörter: Rechtliches Gehör - wesentlicher Verfahrensmangel (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0032/95
R 0008/15
R 0008/16
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) richtet sich gegen die am 11. August 2014 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 904 522 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.

II. Gegen das Patent waren vier Einsprüche eingelegt worden, die sich auf Artikel 100(c), 100(b), sowie 100(a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ als Einspruchsgründe stützten. Mit Schreiben vom 11. September 2012 nahm die Einsprechende 4 ihren Einspruch zurück.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die genannten Gründe der Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang gemäß dem Hauptantrag vom 18. November 2013 nicht entgegenstünden. Weiter wies die Einspruchsabteilung einen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung und auf Kostenverteilung zu Lasten der Patentinhaberin zurück und entschied, die Druckschriften D46 und D47 in das Verfahren zuzulassen.

IV. Gegen diese Zwischenentscheidung legten die Beschwerdeführerin und die Einsprechende 3 Beschwerde ein. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 nahm die Einsprechende 3 ihre Beschwerde zurück, so dass die Einsprechende 1 die alleinige Beschwerdeführerin ist.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Weiter beantragte sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

VI. Zur Begründung ihres Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die Einspruchsabteilung das mit Schreiben vom 18. November 2013 eingereichte Gutachten D48, das mit der Beschwerdebegründung erneut als Dokument D50 vorgelegt wurde, nicht berücksichtigt habe (Punkt 8.3 der Beschwerdebegründung).

VII. Mit Bescheid vom 8. Mai 2018 lud die Kammer zu einer mündlichen Verhandlung am 29. November 2018. In einer beigefügten Mitteilung teilte die Kammer den Parteien mit, dass die Kammer der Akte keinerlei Hinweis habe entnehmen können, dass die Einspruchsabteilung die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 18. November 2013 und die diesem Schriftsatz beiliegenden Beweismittel zur Kenntnis genommen und bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hätte. Die Kammer sei daher der vorläufigen Auffassung, dass ein schwerwiegender Verfahrensmangel vorläge, der die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung rechtfertige. Den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, sich zur vorläufigen Auffassung der Kammer und zur beabsichtigen Zurückverweisung zu äußern. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) wurde aufgefordert, zu erklären, ob sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung in Anbetracht der beabsichtigten Zurückverweisung aufrecht halte.

VIII. Mit Schreiben vom 16. Juli 2018 erklärte die Beschwerdegegnerin, dass sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknehme, sofern die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werde.

IX. Mit Schreiben vom 21. September 2018 (Eingang am 24. September 2018) erklärte sich auch die Beschwerdeführerin mit der Zurückverweisung einverstanden und nahm ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

Entscheidungsgründe

Rechtliches Gehör (Artikel 113 EPÜ)

1. Am 18. November 2013, dem Zeitpunkt nach Regel 116(1), Satz 2, EPÜ, bis zu dem Schriftsätze und Unterlagen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden konnten (siehe Ladungsbescheid vom 4. September 2013), gingen Eingaben (in Reihenfolge) der Einsprechenden 3, der Patentinhaberin, sowie der Einsprechenden 1 ein. Die Eingabe der Einsprechenden 3 enthielt drei, als D46 (WO 03/066669), D47 (Lenntech, Filtration Selection Guide, 2004) und D48 (Lu, H.S. et al. J. Biol. Chem., 267, 1992, 8770-8777) bezeichneten Anlagen. Die Eingabe der Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) enthielt die folgenden fünf Anlagen, die beginnend mit D46 aufsteigend nummeriert waren: D46 (WO 01/87925), D47 (Li, M., Su, Z.-G., Jason, J.-C., Protein Expression & Purification, 33, 2004, 1-10), D48 (Erklärung U. Gottschalk mit Anhängen UG1-UG14, insgesamt 468 Seiten), D49 (Novagen pETSystem Manual, 02/99) und D50 (Novagen Protein Refolding Kit TB 234, 12/98).

Die Eingaben wurden zur Stützung von Einwänden der mangelnden Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der Hilfsanträge 4 und 5 (so die im Ladungsbescheid vom 4. September 2013 verwendete Bezeichnung der "zusätzlichen" Hilfsanträge 1 und 2 vom 4. September 2012; siehe Punkt 9.5 des Bescheides) vorgelegt. Diese Hilfsanträge verfolgte die Patentinhaberin mit ihrem Schreiben vom 18. November 2013 als Hilfsantrag 1 und 2 weiter.

2. Voraussetzung der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Artikel 113 (1) EPÜ ist es, dass den Beteiligten nicht nur die Gelegenheit gegeben wird, sich zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen und Überlegungen zu äußern, sondern dass diese Äußerungen auch berücksichtigt, d. h. im Hinblick auf ihre Relevanz für die Entscheidung in der Sache überprüft werden. Die Entscheidung braucht jedoch nicht auf jedes einzelne Argument der Beteiligten einzugehen (siehe etwa R 8/16 vom 10. Juli 2017, Punkt 36 unter Hinweis auf Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Aufl., 2016, Kapitel IV.F.3.13.10). Allerdings ist das rechtliche Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ verletzt, wenn ein entscheidungserheblicher Sachvortrag einer Partei nicht zur Kenntnis genommen und in Betracht gezogen wird (siehe auch die Entscheidung R 8/15 vom 18. Juli 2016, erster Leitsatz).

Nach Ansicht der Kammer liegt eine solche Verletzung in Bezug auf den Sachvortrag und die Beweismittel der Beschwerdeführerin, die mit Schreiben vom 18. November 2013 vorgelegt wurden, hier vor, da eine Auseinandersetzung hiermit, und mithin auch eine Beurteilung ihrer Relevanz, durch die Einspruchsabteilung fehlen.

3. Der Akte ist jedenfalls kein Hinweis zu entnehmen, dass die Einspruchsabteilung die in Frage stehende Eingabe zur Kenntnis genommen und hinsichtlich ihrer Relevanz für das Verfahren geprüft hätte.

In der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2013 findet einzig ein Antrag der Beschwerdegegnerin Erwähnung, die mit Schreiben der Einsprechenden 1 und 3 vom 18. November 2013 eingereichten Dokumente nicht in das Verfahren zuzulassen (Niederschrift, Seite 1, 3. Absatz). Allerdings traf die Einspruchsabteilung nur hinsichtlich der von der Einsprechenden 3 eingereichten Dokumente eine Entscheidung (Niederschrift, Seite 4 Absätze 2 und 3; Entscheidung, Punkte 3.13 bis 3.16).

Der Akte ist nicht zu entnehmen, ob die fehlende Befassung der Einspruchabteilung mit der Eingabe der Einsprechenden 1 vom 18. November 2013 etwa darauf zurückzuführen ist, dass die Einsprechende 1 im Verlauf der mündlichen Verhandlung ihre Einwände aus besagtem Schreiben hat fallen lassen, oder dass die Einspruchsabteilung die Eingabe samt Anlagen als für die Entscheidung irrelevant betrachtete.

4. Da anhand der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht nachvollziehbar ist, dass die unberücksichtigten Argumente und Beweismittel als für die Entscheidung unerheblich angesehen wurden, liegt ein das gesamte Verfahren beeinträchtigender objektiver und somit schwerwiegender Mangel vor (siehe J 32/95, ABl. EPA 1999, 713, Entscheidungsgründe, Nr. 4.1), der eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung rechtfertigt (Artikel 11 VOBK). Gründe, die ausnahmsweise gegen die Zurückverweisung sprechen würden, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 103 (1) a) EPÜ)

5. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht nach Ansicht die Kammer bei dieser Sachlage der Billigkeit (Regel 103 (1) a) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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