European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T206014.20190606 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Juni 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2060/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06777819.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C07D 265/16 C07D 498/04 C10L 1/22 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERWENDUNG VON TETRAHYDROBENZOXAZINEN ALS ANTIOXIDANTIEN | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Afton Chemical Corporation | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja) Spät eingereichter Hilfsantrag - zugelassen (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (nachstehend "Beschwerdeführerin") richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 910 319 zu widerrufen.
II. Der vor der Einspruchsabteilung anhängige Hauptantrag enthielt neun Ansprüche. Der unabhängige Anspruch 1 lautete wie folgt:
"1. Verwendung von Tetrahydrobenzoxazinen der allgemeinen Formel I
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
in der der Substituent R**(1) einen Hydrocarbylrest mit 1 bis 3000 Kohlenstoffatomen, welcher durch ein oder mehrere Heteroatome aus der Gruppe O und S unterbrochen sein kann, bezeichnet, und die Substituenten R**(2), R**(3), R**(4)und R**(5)unabhängig voneinander für Wasserstoffatome, Hydroxylgruppen oder Hydrocarbylreste mit jeweils 1 bis 3000 Kohlenstoffatomen stehen, welche durch ein oder mehrere Heteroatome aus der Gruppe O und S unterbrochen sein können,
wobei der Substituent R**(4)auch für einen Rest der Formel Y stehen kann
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
in dem die Substituenten R**(1), R**(2), R**(3)und R**(5) die vorgenannten Bedeutungen haben und der Substituent X ein Kohlenwasserstoff-Brückenglied bezeichnet, welches aus einem oder mehreren Isobuten-Einheiten besteht oder ein oder mehrere Isobuten-Einheiten enthält, oder
wobei der Substituent R**(4)auch für einen Rest der Formel Z oder Z' stehen kann
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
in denen die Substituenten R**(1), R**(2), R**(3)und R**(5)die vorgenannten Bedeutungen haben und die Substituenten R**(10) und R**(11)gleich oder verschieden sein können und Wasserstoff oder einen C1- bis C10-Alkylrest bezeichnen,
und in der die Substituenten R**(2) und R**(3)oder R**(3)und R**(4)oder R**(4) und R**(5) mit der an den Benzolkern angebundenen Teilstruktur -O-CH2-NR**(7)-CH2- auch einen zweiten Tetrahydrooxazin-Ring oder die Substituenten R**(2) und R**(3)und R**(4)und R**(5)mit den an den Benzolkern angebundenen Teilstrukturen -O-CH2-NR**(7)-CH2- und -O-CH2-NR**(8)-CH2- auch einen zweiten und einen dritten Tetrahydrooxazin-Ring ausbilden können,
wobei R**(7) und R**(8)unabhängig voneinander Hydrocarbylreste mit jeweils 1 bis 3000 Kohlenstoffatomen bedeutet, welche durch ein oder mehrere Heteroatome aus der Gruppe O und S unterbrochen sein können,
mit der Maßgabe, dass mindestens einer der Substituenten R**(1), R**(2), R**(3),**()R**(4), R**(5), R**(7)oder R**(8) 4 bis 3000 Kohlenstoffatome aufweist und die übrigen Substituenten aus der Gruppe R**(1), R**(2), R**(3),**()R**(4), R**(5), R**(7)oder R**(8), wenn sie für Hydrocarbylreste stehen, jeweils 1 bis 20 Kohlenstoffatome aufweisen,
als Antioxidantien zur Stabilisierung von Mineralölprodukten und Kraftstoffen gegen die Einwirkung von Licht, Sauerstoff und Wärme."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 definierten spezielle Ausführungsformen der Verwendung nach Anspruch 1. Die Ansprüche 8 und 9 definierten eine Turbinenkraftstoff-zusammensetzung bzw. ein Additivkonzentrat für Turbinenkraftstoffe, enthaltend "wenigstens ein Tetrahydrobenzoxazin der allgemeinen Formel I, wie in einem der Ansprüche 1 bis 5 definiert".
III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Beweismittel zitiert:
D1: US 4 025 316
D2: WO 03/106595 A2
D2a: US 5 876 468
D5: WO 01/25293 A1
D12: ASTM D 3241 Standard Testmethode "JFTOT" von 2005
D13: V. Stepina, V. Vesely, Lubricants and Special Fluids, 1992, Seiten 299 bis 301
Bezüglich der damals anhängigen Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge 2 bis 4) kam die Einspruchsabteilung zu den folgenden Schlüssen:
- Die Anspruchssätze aller Anträge erfüllten Regel 80 EPÜ sowie Artikel 123 (2) EPÜ.
- Der Hauptantrag erfüllte Artikel 83 EPÜ.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags war neu gegenüber D1, aber nicht neu gegenüber D2.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 war auch nicht neu gegenüber D2.
- Der jeweilige Gegenstand der Ansprüche 6 und 7 des Hilfsantrags 3 war nicht neu gegenüber D2.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 war neu, aber nicht erfinderisch im Lichte der D2 als nächstliegendem Stand der Technik.
IV. In ihrer Beschwerdebegründung widersprach die Beschwerdeführerin der Entscheidung der Einspruchsabteilung und führte aus, dass der Gegenstand des der Einspruchsabteilung vorliegenden Hauptantrags sowie aller neu eingereichten Hilfsanträge neu gegenüber D2 sei. Er sei außerdem auch erfinderisch, ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik.
Sie untermauerte ihre Argumentation durch die folgenden neu eingereichten Beweismittel:
D14: Versuchsbericht über die Nacharbeitung des Beispiels 2 gemäß D2a
D15: Versuchsbericht über die Stabilisierung von Heizöl gegen Lichteinfluss
Mit einem weiteren Schriftsatz reichte die Beschwerdeführerin folgendes Beweismittel ein:
D18: Versuchsbericht über die Zusammensetzung von durch Mannich-Reaktionen hergestellten Produktmischungen
V. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung sowie in einem weiteren Schriftsatz vertrat die Einsprechende (nachstehend "Beschwerdegegnerin") u.a. die Auffassung, dass der Gegenstand der Ansprüche 1, 8 und 9 gemäß Hauptantrag gegenüber den Offenbarungen D1 und D2 nicht neu sei. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit führte sie aus, dass der Gegenstand des Hauptantrags nicht erfinderisch sei, ausgehend von u.a. D2 oder D1 als nächstliegendem Stand der Technik.
Sie untermauerte ihre Argumentation mit den folgenden neu eingereichten Beweismitteln:
D16: US 2 826 577
D17: Dritte Erklärung von Dr. W.J. Colucci vom 20. April 2015
Sie bestritt zusätzlich die Zulassung der Beweismittel D14, D15 und D18 sowie der eingereichten Hilfsanträge.
VI. Am 4. März 2019 erging eine Mitteilung der Kammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung.
VII. Mit Schriftsatz vom 12. April 2019 reichte die Beschwerdeführerin Anspruchssätze gemäß den neuen Hilfsanträgen MRc, 1, 1a, 1b, 2, 2a und 2b sowie einen neuen Versuchsbericht (D20) ein.
VIII. In weiteren Schriftsätzen hielt die Beschwerdegegnerin ihre Einwände aufrecht und untermauerte ihre Argumentation mit den folgenden neu eingereichten Beweismitteln:
D19: Vierte Erklärung von Dr. W.J. Colucci vom 27. März 2019 mit dem Anhang: Zhang et al., Effect of phenol on the synthesis of benzoxazine, RSC Advances, Issue 125, 2015
D21: Fünfte Erklärung von Dr. W.J. Colucci vom 6. Mai 2019
Ferner bestritt sie die Zulassung der neu eingereichten Hilfsanträge sowie des Versuchsberichts D20.
IX. Am 6. Juni 2019 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Im Laufe der Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin alle Hilfsanträge außer Hilfsantrag MRc zurück.
X. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche gemäß Hauptantrag, hilfsweise auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 12. April 2019 eingereichten Ansprüche gemäß Hilfsantrag MRc.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin, die von Relevanz für die vorliegende Entscheidung sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung der verspäteten Beweismittel:
- Alle Beweismittel D16, D17, D19 und D21 seien verspätet eingereicht worden und nicht relevant. Sie sollten daher nicht zum Verfahren zugelassen werden.
- Die Beweismittel D14, D15, D18 und D20 seien hochrelevant und stellten eine Reaktion auf die in der Mitteilung der Kammer aufgeworfenen Fragen dar. Sie seien daher zum Verfahren zuzulassen.
Zulassung des Hilfsantrags MRc:
- Der Hilfsantrag MRc unterscheide sich vom Hauptantrag lediglich durch die ersatzlose Streichung der Produktansprüche 8 und 9. Der Streitstoff werde somit nicht substantiell verändert, so dass dieser Hilfsantrag zum Verfahren zuzulassen sei.
Erfinderische Tätigkeit:
- D1 stelle keinen angemessenen nächstliegenden Stand der Technik dar.
- Diese Patentschrift offenbare nämlich (Spalte 3, Zeilen 40 bis 43), dass Tetrahydrobenzoxazine (nachstehend "THB") in Zusammensetzungen eingesetzt werden können, die als Reinigungsadditiv in Schmierölen für Verbrennungsmotoren verwendet werden können.
- In Spalte 12 der D1 sei ein Motortest offenbart ("Engine Testing"), wobei lediglich die Sauberkeit des Motors überprüft wurde.
- Eine Verwendung von THB als Antioxidantien zur Stabilisierung von Mineralölen im Sinne des Streitpatents sei somit in D1 nicht offenbart.
- Detergenzien und Antioxidantien seien zwei klar differenzierte Klassen von Additiven. Detergenzien würden im Motor vorhandene Ablagerungen entfernen, während Antioxidantien die Bildung solcher Ablagerungen vermeiden würden. Somit betreffe D1 ein anderes technisches Gebiet als das Streitpatent.
- Zudem offenbare D1 lediglich die Verwendung von THB enthaltenden Zusammensetzungen als Additiv und nicht die anspruchsgemäße Verwendung von THB per se.
- Sollte der Fachmann trotzdem von D1, insbesondere vom von der Beschwerdegegnerin genannten Beispiel 7 ausgehen, liege die technische Aufgabe in der Bereitstellung von Verbindungen mit abgewandelter Struktur für einen neuen Zweck.
- Der Fachmann finde in D1 keinen Hinweis, dass der Ersatz des in Beispiel 7 benutzten Dimethylaminopropylamins (nachstehen "DMAPA") mit einem anderen primären Amin, z.B. Octadecylamin, zu THB mit antioxidierender Wirkung führen würde, da eine solche Wirkung in D1 gar nicht angesprochen werde.
- Somit beruhe der Gegenstand des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- Die gleiche Argumentation treffe für den Gegenstand des Hilfsantrags MRc zu, der somit auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
XII. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen Folgendes vor:
Zulassung der verspäteten Beweismittel:
Alle Beweismittel D14, D15, D18 und D20 hätten vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden können und seien ferner nicht prima facie relevant. Sie sollten daher unter Artikel 12 (4) VOBK nicht zum Verfahren zugelassen werden.
Die Beweismittel D16, D17, D19 und D21 stellten eine angemessene Reaktion der Beschwerdegegnerin auf die verspäteten Dokumente der Beschwerdeführerin dar. Sie seien daher zum Verfahren zuzulassen.
Zulassung des Hilfsantrags MRc:
Der Hilfsantrag MRc hätte vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden können und sollte daher unter Artikel 12 (4) VOBK nicht zum Verfahren zugelassen werden.
Erfinderische Tätigkeit:
- Ähnlich wie das Streitpatent betreffe D1 die Verwendung von THB zur Stabilisierung von Mineralölen, insbesondere Schmierölen.
- Zur Überprüfung der stabilisierenden Wirkung der THB benutze das Streitpatent (Absatz [0069]) den JFTOT Test. Nach D12 (erste Seite, Punkt 4.1.1) werde durch diesen Test die Menge der gebildeten Ablagerungen gemessen. D13 (Seite 300) bestätige, dass Detergenzien die thermische Stabilität von Motorölen verbessern.
- Somit offenbare D1 die anspruchsgemäße Verwendung von THB und stelle einen angemessenen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.
- Insbesondere offenbare Beispiel 7 der D1 das THB enthaltende Addukt der Mannich-Reaktion zwischen Paraformaldehyd, DMAPA und Octadecylphenol. Die Struktur dieses THBs sei der im Hauptantrag definierten Struktur (I) sehr ähnlich und unterscheide sich davon lediglich durch die Natur des Substituenten R**(1). Dieser enthalte ein Stickstoffatom, wobei diese Möglichkeit in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht umfasst sei.
- Mit diesem Unterscheidungsmerkmal sei jedoch kein technischer Effekt verbunden, so dass die technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines alternativen THBs liege.
- Die in Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung stelle lediglich eine willkürliche Auswahl dar, die durch D1 selber, Spalte 5, nahegelegt werde. Der Ersatz von DMAPA im Beispiel 7 der D1 durch das in Spalte 5, Zeile 64 der D1 offenbarte Octadecylamin führe nämlich zu einem Addukt der Mannich-Reaktion, das ein anspruchsgemäßes THB enthalte.
- Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- Die gleiche Argumentation treffe auch für den Gegenstand des Hilfsantrags MRc zu, dem es somit auch an einer erfinderischen Tätigkeit mangele.
Entscheidungsgründe
Zulassung der Beweismittel D14 bis D21
1. Alle Beweismittel D14 und D16 bis D21 wurden von den Parteien im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereicht, um die Frage zu beantworten, ob die Mannich-Reaktion zwischen einem Hydrocarbyl-substituierten Phenol, Formaldehyd und einem primären Amin zwangsläufig zur Bildung eines THB enthaltenden Adduktes führt. Dieses Thema war schon im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens ein zentraler Diskussionspunkt (angefochtene Entscheidung, Punkte 5.2.3 bis 5.2.6).
Da die oben genannten Beweismittel lediglich dieses Thema vertieften und keinen neuen Fall schufen, hat die Kammer entschieden, sie zum Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) und 13 (1) VOBK).
2. Das Beweismittel D15 betrifft die Stabilisierung von Heizöl durch erfindungsgemäße Verbindungen gegen Lichteinfluss, eine Wirkung, die von der Beschwerdegegnerin in Frage gestellt wurde. Die Kammer hat entschieden, auch D15 zum Verfahren zuzulassen. Da jedoch die Stabilisierung von Heizöl gegen Lichteinfluss unerheblich für die vorliegende Entscheidung ist (Punkte 5 bis 7, infra), erübrigt sich eine Begründung dieser Zulassungsentscheidung.
Hauptantrag - Neuheit gegenüber D1 - Artikel 54 EPÜ
3. Die Beschwerdegegnerin hatte die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes auf Basis der Offenbarung in D1, Spalte 3, Zeile 43 bis Spalte 5, Zeile 64, in Frage gestellt. Laut Beschwerdegegnerin offenbare diese Textstelle der D1, dass THB-enthaltende Additive durch die Mannich-Reaktion zwischen einer Alkyl-substituierten hydroxyaromatischen Verbindung, einem Aldehyd und einem Amin hergestellt werden. Ein C16 bis C20 substituiertes Phenol und Formaldehyd seien als bevorzugte hydroxyaromatische Verbindung bzw. Aldehyd genannt. Es sei somit lediglich die Auswahl des Octadecylamins in Spalte 5, Zeile 64, notwendig, um zu Mannich-Reaktanden zu gelangen, die zu einem anspruchsgemäßen THB führen würden. Die Mannich-Reaktion zwischen einem Alkyl-substituiertem Phenol, Formaldehyd und einem primären Amin führe nämlich zwangsläufig zu einem THB-enthaltenden Addukt.
4. Die Kammer stimmt dem nicht zu. Sie folgt vielmehr der Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach die von der Beschwerdegegnerin genannte Mannich-Reaktion zwischen einem substituierten Phenol, Formaldehyd und einem primären Amin nur unter bestimmten experimentellen Bedingungen, insbesondere nur mit einem stöchiometrischen Überschuss an Formaldehyd zu einer THB Struktur führen kann. Dies wurde insbesondere durch die im Versuchsbericht D20 enthaltenen Beispiele überzeugend bewiesen. Hier wurde bei der Reaktion zwischen einem Polyisobuten-substituierten Phenol, Formaldehyd und DMAPA mit einem Molverhältnis von 1:1:1 kein THB gebildet, während die gleichen Reaktanden bei einem Molverhältnis von 1:1.5:1.5, d.h. bei einem gegenüber dem Phenol vorliegenden Formaldehyd-Überschuss, zur THB Bildung führten.
Ein solcher Formaldehyd-Überschuss wird zwar in D1 (Spalte 3, Zeilen 18 bis 21) offenbart, jedoch lediglich in Verbindung mit der Mannich-Reaktion zwischen Octadecylphenol, Paraformaldehyd und einem Polyamin, beispielsweise Ethylendiamin. Es wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, dass diese in D1 genannte Reaktion nicht zu einer anspruchsgemäßen THB Struktur führt.
Beispiel 7 der D1 (Spalte 11) offenbart zwar die Mannich-Reaktion zwischen Octadecylphenol, Paraformaldehyd und einem primären Amin, nämlich DMAPA, die unter den angewendeten Bedingungen, u.a. bei einem Formaldehyd-Überschuss, zu einem THB enthaltenden Addukt führt. Es wurde allerdings von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, dass dieses THB nicht unter die in Anspruch 1 definierte Formel (I) (II, supra) fällt. Gemäß Anspruch 1 ist nämlich R**(1) ein Hydrocarbylrest mit 1 bis 3000 Kohlenstoffatomen, welcher durch ein oder mehrere Heteroatome aus der Gruppe O und S unterbrochen sein kann. Der Hydrocarbylrest R**(1) des THBs gemäß Beispiel 7 der D1 ist hingegen durch ein aus dem eingesetzten DMAPA stammendes Stickstoffatom unterbrochen. Diese Möglichkeit ist in Anspruch 1 (II, supra) nicht umfasst.
Die gleichen Überlegungen treffen auch für den Gegenstand des Anspruchs 9 zu, der ein Additivkonzentrat definiert, das ein THB der in Anspruch 1 definierten Formel (I) enthält.
Somit ist der Gegenstand des Hauptantrags neu gegenüber D1 (Artikel 54 EPÜ).
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
5. D1 als nächstliegender Stand der Technik
5.1 Die Beschwerdeführerin bestritt (XI, supra), dass das Dokument D1 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausgewählt werden kann, insbesondere weil die anspruchsgemäße Verwendung von THB als Antioxidantien in D1 nicht offenbart sei.
5.2 Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerdeführerin aus den folgenden Gründen nicht folgen.
5.2.1 Erstens enthält der Hauptantrag auch den Produktanspruch 9, für den die beanspruchte Verwendung als Antioxidantien nicht einschränkend ist.
5.2.2 Außerdem wird im Streitpatent (Seite 15, Beispiel 11) die thermische Stabilität eines mit anspruchsgemäßen THBs additivierten und mit Luft und Hitze belasteten Turbinenkraftstoffes überprüft, indem die Menge der Ablagerungen am Ende der Belastung gemessen wird.
Eine ähnliche Messung wird auch im von der Beschwerdeführerin angesprochenen "Engine Testing" der D1 (Spalte 12, Zeile 51 bis Spalte 13, Zeile 20) durchgeführt, wobei die Menge der Ablagerungen in einem mit verschiedenen THBs additivierten Schmierölen betriebenen Verbrennungsmotor am Ende des Belastungstests gemessen wurde.
5.2.3 Die Kammer ist davon überzeugt, dass die oben genannten im Streitpatent bzw. in D1 durchgeführten Tests eine vermeintliche Differenzierung zwischen einer reinigenden und antioxidierenden Wirkung nicht ermöglichen. Durch diese Tests kann nämlich nicht festgestellt werden, ob Ablagerungen sich zunächst gebildet haben und danach eliminiert wurden (was für eine reinigende Wirkung sprechen würde), oder ob sie sich erst gar nicht gebildet haben (was für eine antioxidierende Wirkung sprechen würde).
5.2.4 Die Kammer merkt ferner an, dass D1 (Abstract) offenbart, dass die darin beschriebenen THBs "are useful as a detergent and/or antioxidant additive for liquid hydrocarbons, e.g. in lubricating oils for gasoline engines" (Hervorhebung durch die Kammer).
Auch in der Würdigung des Standes der Technik offenbart D1 (Spalte 2, Zeilen 24 bis 30), dass die Addukte einer Mannich-Reaktion zwischen hydroxyaromatischen Verbindungen, Aldehyden und Aminen agieren "as antioxidants, dispersants and as pour depressants" (Hervorhebung durch die Kammer).
Eine antioxidierende Wirkung der THB im Sinne des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag geht somit aus D1 explizit hervor.
5.2.5 Die THB enthaltenden Additive werden in D1 (Beispiele 1 bis 11) sowie im Streitpatent (Beispiele 2 bis 10) durch die Mannich-Reaktion zwischen einem Hydrocarbyl-substituierten Phenol, Formaldehyd/Paraformaldehyd und einem Amin hergestellt. Es wurde während der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass insbesondere das in Beispiel 7 der D1 offenbarte Addukt der Mannich-Reaktion zwischen Octadecylphenol, Paraformaldehyd und DMAPA ein THB enthält, das dem im Hauptantrag durch die Formel (I) definierten THB (II, supra) am nächsten kommt.
5.3 Die Kammer ist daher überzeugt, dass D1, insbesondere das darin beschriebene Beispiel 7, einen angemessen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt.
6. Die technische Aufgabe
6.1 Es ist unstrittig, dass sich der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 gemäß Hauptantrag vom nächstliegenden Stand der Technik lediglich durch die Natur des Substituenten R**(1) des aus der Mannich-Reaktion resultierenden THBs unterscheidet. Wie oben unter Punkt 4 ausgeführt wurde, kann nämlich R**(1) laut Ansprüche 1 und 9 (II, supra) im Gegensatz zum Substituenten R**(1) im Beispiel 7 der D1 kein Hydrocarbylrest sein, der durch ein Stickstoffatom unterbrochen ist.
6.2 Die Beschwerdeführerin (XI, supra) sah die daraus resultierende technische Aufgabe in der Bereitstellung von Verbindungen mit abgewandelter Struktur für einen neuen Zweck.
Wie unter Punkt 5.2 oben schon ausgeführt, ist die Kammer jedoch zum Schluss gekommen, dass THB in D1 für den gleichen Zweck wie im Streitpatent in Schmierölen eingesetzt werden. Die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Formulierung der technischen Aufgabe kann somit nicht akzeptiert werden.
6.3 Im Streitpatent ist kein technischer Effekt beschrieben, der mit dem oben genannten Unterscheidungsmerkmal verbunden ist. Auch wurde von der Beschwerdeführerin im Laufe der mündlichen Verhandlung kein solcher Effekt dieses Unterscheidungsmerkmals vorgebracht. In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass eine Unterbrechung des Substituenten R**(1) durch Stickstoffatome im erteilten Anspruch 1 vorgesehen war. Diese Möglichkeit wurde später im Laufe des Einspruchsverfahrens aus dem Hauptantrag gestrichen.
6.4 In Abwesenheit eines anzuerkennenden technischen Effekts liegt die aus dem oben genannten Unterscheidungsmerkmal resultierende technische Aufgabe in der Bereitstellung alternativer THB.
7. Naheliegen der beanspruchten Lösung
7.1 Ausgehend vom Beispiel 7 der D1 und auf der Suche nach alternativen THB würde der mit der oben genannten technischen Aufgabe befasste Fachmann unmittelbar in D1 (Spalte 5, Zeile 64) den Hinweis finden, dass Monoalkylamine, insbesondere Octadecylamin, als Reaktand der zu THB-enthaltenden Addukten führenden Mannich-Reaktion benutzt werden können. Der Ersatz des in Beispiel 7 benutzten DMAPA durch Octadecylamin wird somit dem Fachmann durch D1 selbst nahegelegt.
7.2 In der mündlichen Verhandlung wurde nicht bestritten, dass ein solcher Ersatz zu einem anspruchsgemäßen THB (II, supra) führen würde. In der Tat verläuft die in Beispiel 7 der D1 offenbarte Mannich-Reaktion in Anwesenheit eines Formaldehyd-Überschusses. Ein solcher Formaldehyd-Überschuss wird ferner in D1 als unentbehrlich identifiziert (Spalte 13, Zeilen 30 bis 39), damit eine THB Struktur erhalten werden kann. Als Folge des Einsatzes von Octadecylamin wäre dann der Substituent R**(1) ein Hydrocarbylrest mit 18 Kohlenstoffatomen so wie im Hauptantrag definiert.
Durch die Verwendung von Octadecylamin in Beispiel 7 würde der Fachmann somit ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
7.3 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags im Lichte der D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.
Hilfsantrag MRc - Zulassung
8. Die Ansprüche des Hilfsantrags MRc unterscheiden sich von den Ansprüchen des Hauptantrags lediglich durch die Streichung der Produktansprüche 8 und 9.
Die Kammer folgt der Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach der Streitstoff durch diese Streichung nicht substantiell verändert wurde, und entschied, den Hilfsantrag MRc zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) VOBK).
Hilfsantrag MRc - erfinderische Tätigkeit
9. Der Verwendungsanspruch 1 gemäß Hilfsantrag MRc ist mit Anspruch 1 gemäß Hauptantrag identisch.
Folglich treffen die oben genannten Überlegungen der Kammer bezüglich der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auch für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag MRc zu (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
Der Hilfsantrag MRc ist somit ebenfalls nicht gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.