T 2030/14 (Befestigungsflansch/Waiweldai) of 11.12.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T203014.20181211
Datum der Entscheidung: 11 Dezember 2018
Aktenzeichen: T 2030/14
Anmeldenummer: 06017704.5
IPC-Klasse: B01D 46/24
F16L 23/032
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Befestigungsflansch
Name des Anmelders: WAIWELDAI Anlagentechnik GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag- eindeutig gewährbar (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung EP 06017704.5 mit der Begründung, dass sie den Bestimmungen des Artikels 52 in Verbindung mit Artikeln 54 und 56, des Artikels 84 EPÜ und der Regel 43(2) EPÜ nicht genüge, zurückzuweisen.

II. Im Prüfungsverfahren wurden u.a. folgende Dokumente genannt:

D1: DE 198 27 297 A1

D3: US 2003/213 522 A1

D4: EP 0 921 343 A2

D5: WO 2006/031 298 A2

D6: DE 43 04 036 C1

D8: US 5 190 321 A

III. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 12. Juni 2018, war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 3 gewährbar scheine, während der Gegenstand des damaligen Anspruchs 4 den Bedingungen der Artikel 84 und 56 EPÜ nicht genüge.

IV. Mit Schreiben vom 6.Dezember 2018 reichte die Beschwerdeführerin drei neue Anträge ein.

V. In der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2018, nahm die Beschwerdeführerin den Hauptantrag und den Hilfsantrag 1 zurück, sodass der Hilfsantrag 2 vom 6. Dezember 2018 zum einzigen Antrag wurde.

VI. Anspruch 1 ist wie folgt:

"1. Filterkartuschenbefestigungsflansch mit mindestens zwei am Umfang des ringförmig ausgebildeten Flansches (10) radial überstehenden, hakenartigen Vorsprüngen (18, 18', 18") mit jeweils einer in gleicher Umfangsrichtung randoffenen Ausnehmung (20) zur Aufnahme eines Befestigungsbolzens, wobei die jeweilige Ausnehmung (20) der mindestens zwei Vorsprünge (18, 18', 18") durch eine Drehung des Befestigungsflansches in Umfangsrichtung in Eingriff mit dem Befestigungsbolzen bringbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die mindestens zwei Vorsprünge (18, 18', 18") in der den randoffenen Ausnehmungen (20) entgegen gesetzten Umfangsrichtung jeweils eine weitere in Umfangsrichtung randoffene Ausnehmung (20') aufweisen, wobei die in unterschiedliche Umfangsrichtungen weisenden Ausnehmungen (20, 20') unterschiedliche radiale Zentrumsabstände entsprechend unterschiedlichen Lochkreisdurchmessern der Befestigungsbolzen einnehmen."

Ansprüche 2 bis 4 betreffen bevorzugte Ausführungsformen.

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Ausdruck "in Umfangsrichtung randoffene Ausnehmung" sei unter Heranziehung der Beschreibung und der Figuren hinreichend bestimmt. Der Fachmann erfahre dort, dass die Ausnehmungen zum Zusammenwirken mit Stehbolzen für die Befestigung des Flansches an einer Montageplatte bestimmt seien.

Neuheit sei gegeben. In D1 seien radial am Flansch überstehende Vorsprünge mit in entgegengesetzten Umfangsrichtungen randoffenen Ausnehmungen zur Aufnahme von Befestigungsbolzen, wobei die Ausnehmungen zwei unterschiedliche Radialabstände aufwiesen, nicht vorhanden. Das nachveröffentlichte Dokument D5 betreffe einen "flange adapter", also einen Adapter für unterschiedliche Flansche und nicht einen Befestigungsflansch an sich, der zudem ausschließlich oder überwiegend mit radial randoffenen Ausnehmungen versehen sei.

Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe bestehe darin, einen Filterkartuschenbefestigungsflansch zu schaffen, mit dem mehr als nur ein Befestigungslochkreis bedient werden könne. Bei dem aus D4 bekannten Gegenstand handele es sich nicht um einen Befestigungsflansch, sondern um einen Dichtungsring, mit dem verschiedene Lochkreisdurchmesser bedient werden könnten. Die randoffenen Ausnehmungen am Umfang des Dichtungsrings seien radial nach außen offen und nicht in Umfangsrichtunq. Der Fachmann hätte keinen Anlass gehabt, sich zur Lösung der der vorliegenden Anmeldung zugrundeliegenden Aufgabe an D4 zu orientieren, insbesondere nicht in Kombination mit D3 oder D6.

VIII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 4 des einzigen Antrags, eingereicht mit Schreiben vom 6. Dezember 2018, sowie der in der mündlichen Verhandlung angepassten Beschreibung und der ursprünglichen Figur 1, zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 13(1) VOBK

Der Antrag wurde erst fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereicht, sodass seine Zulassung im Ermessen der Kammer steht. Er betrifft jedoch nur die Streichung eines unabhängigen Anspruchs und somit, wie in der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK schon angedeutet, behebt er alle Einwände. Damit gibt es für die Kammer keinen Grund den Antrag nicht zum Verfahren zuzulassen.

2. Artikel 123(2) EPÜ

Die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ sind aus folgenden Gründen erfüllt:

Anspruch 1 geht unmittelbar und eindeutig aus Anspruch 1, sowie der Beschreibung (Seite 1, Zeilen 20 bis 24; Seite 4, Zeilen 18 bis 20) der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hervor. Ansprüche 2 bis 4 entsprechen Ansprüchen 2, 3 und 5 der ursprünglichen Anmeldung.

Die Anpassung der Beschreibung betrifft die Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 (Seite 1, erster Absatz; Seite 2, zweiter bis vierter Absatz; Seite 5, letzter Absatz) und die Streichung von nicht mehr beanspruchten Varianten der Erfindung (Seite 3; Seiten 4/5).

3. Artikel 84 EPÜ

3.1 Die Prüfungsabteilung beanstandete den Begriff "in Umfangsrichtung randoffen" unter Artikel 84 EPÜ als nicht klar, da nicht bestimmt sei, wie weit "offen" eine Ausnehmung sein müsse, um als "in Umfangsrichtung offen" zu gelten. In radialer Richtung weit geöffnete Ausnehmungen, wie z.B. in Figuren 4A-F in D5 dargestellt, könnten auch als im Umfangsrichtung offene Ausnehmungen angesehen werden.

3.2 Dieser Einwand ist jedoch nicht stichhaltig.

Das Anspruchsmerkmal "in Umfangsrichtung randoffen", bezieht sich auf Ausnehmungen, die zur Aufnahme eines Befestigungsbolzens wie in Anspruch 1 definiert geeignet sein müssen. Diese befinden sich an hakenartigen Vorsprüngen. Dem Fachmann ist klar, dass die Ausnehmungen zumindest eine solche Öffnungsweite aufweisen müssen, dass das Eintreten der Stehbolzen in die Ausnehmung möglich ist und ein Befestigen der Stehbolzen durch Montagemittel (Muttern etc; vgl. Seite 4, Zeilen 18 bis 21) erlaubt. Dies wird zudem illustriert durch Figur 1 und die zugehörige Beschreibung, Seite 4. Der radiale Abstand vom Zentrum muss so beschaffen sein, dass ein Eintreten der Stehbolzen in die Ausnehmungen möglich ist.

In radialer Richtung weit geöffnete Ausnehmungen, wie z.B. in D5, Figuren 4A-F, werden nicht als Ausnehmungen im Sinne der vorliegenden Anmeldung angesehen, weil sie nicht als hakenartige Vorsprünge angesehen werden und nicht in Umfangsrichtung randoffen sind, wie von Anspruch 1 gefordert.

Die Bestimmungen des Artikels 84 EPÜ sind somit erfüllt.

4. Artikel 54 EPÜ

Die Neuheit gegenüber D1 und D5 ist aus folgenden Gründen gegeben.

4.1 D1 betrifft die Bereitstellung eines Abscheideelements, welches bei der Montage einfach handhabbar ist und eine Verwechslung ausschließt (Spalte 1, Zeilen 32 bis 35). Bei der von der Prüfungsabteilung angesprochenen Ausführungsform gemäß Figuren 4 und 5 und Beschreibung, Spalte 5, Zeilen 11 bis 38, wird der Abscheideeinsatz (12) durch einen Verbinder (32) mit einem Innenring (36) des Deckels (31) verbunden und durch Drehen des Einsatzes mittels Klemmelement (34) und Klemmnut (39) im Innenring fixiert.

Es handelt sich bei dem Verbinder (32) also nicht um einen Befestigungsflansch im Sinne der vorliegenden Anmeldung, an dem sich in entgegengesetzten Umfangsrichtungen randoffene Ausnehmungen zur Aufnahme von Befestigungsbolzen mit zwei unterschiedlichen Radialabständen befinden. Der Innenring (36) könnte zwar als eine Art Flansch angesehen werden, er weist aber keine Vorsprünge auf, geschweige denn solche, an denen sich in entgegengesetzten Umfangsrichtungen randoffene Ausnehmungen mit unterschiedlichen Radialabständen befinden.

4.2 D5 ist Stand der Technik, der bei der Prüfung auf Neuheit zu berücksichtigen ist (Artikel 54(3) EPÜ).

Figuren 1 bis 3 der D5 zeigen einen "flange adapter" (50), also einen Adapter für unterschiedliche Flansche, und nicht einen Befestigungsflansch an sich. Dieser Adapter weist zudem gemäß Figuren 1 und 2 ausschließlich radial randoffene Ausnehmungen 52 auf. In der Ausführungsform des Adapters gemäß Figur 3 (siehe oben) sind die Ausnehmungen ebenfalls zum Teil radial randoffen, manche Vorsprünge (58) weisen aber auch in entgegengesetzte Umfangsrichtunqen randoffene Ausnehmungen auf, wie von Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung gefordert. Diese letzteren Ausnehmungen nehmen aber keine unterschiedlichen radialen Zentrumsabstände ein.

4.3 Einen Neuheitseinwand basierend auf den übrigen zitierten Dokumente liegt in der angefochtenen Entscheidung nicht vor. Die Kammer sieht keinen Grund eine andere Position einzunehmen.

5. Artikel 56 EPÜ

Die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ sind aus folgenden Gründen erfüllt.

5.1 Die Anmeldung betrifft einen Filterkartuschen-befestigungsflansch mit mindestens zwei am Umfang des ringförmig ausgebildeten Flansches (10) radial überstehenden, hakenartigen Vorsprüngen (18, 18', 18") jeweils mit in entgegengesetzten Umfangsrichtungen randoffenen Ausnehmungen. Die Ausnehmungen weisen dabei unterschiedliche radiale Zentrumsabstände auf.

5.2 D6 ist nächstliegender Stand der Technik, da D6 eine Konstruktion zur Befestigung eines Patronenfilters (siehe Spalte 3, Zeile 55, bis Spalte 4, Zeile 1; Figuren 1 und 2, Ansprüche 1 und 5) offenbart, die am Umfang des Befestigungsflansches hakenartige Vorsprünge besitzt, die jeweils eine in einer Umfangrichtung randoffene Ausnehmung aufweisen.

Allerdings ist der Patronenfilter (2) in D6 zweiteilig ausgebildet und besteht aus einem Filtereinsatz (3) samt Halteflansch (4) und einem separaten Stützring (6)(siehe Figur 1). Letzterer weist die randoffenen Ausnehmungen (16, 17, 18) auf, die durch Relativverdrehung mit den Haltenocken (13, 14, 15) in Eingriff gebracht werden können. Dieser Stützring ist offenkundig nur für einen Befestigungslochkreis mit vorgegebenem Zentralabstand geeignet.

D4 ist weniger geeignet als nächstliegender Stand der Technik, da D4 einen Dichtungsring offenbart, insbesondere für die Herstellung einer Flanschverbindung von Rohrteilen, der mit einer Mehrzahl von Ausnehmungen (A, B, C) für unterschiedliche Lochbild-Normungen (z.B. ISO, JIS, ANSI) versehen ist. Diese Ausnehmungen haben unterschiedliche radiale Zentrumsabstände (siehe Absätze [0001], [0002], [0005], [0012], [0017] und Figur 1). Der die Ausnehmungen tragende Gegenstand ist also kein Flansch. Die Vorsprünge sind haben keine randoffenen Ausnehmungen in Umfangsrichtung und in der dazu entgegengesetzten Richtung.

5.3 Ausgehend von D6 besteht die technische Aufgabe darin einen Filterkartuschenbefestigungsflansch bereitzustellen, mit dem mehr als ein Befestigungs-lochkreis unterschiedlichen Zentralabstands bedient werden kann (ursprüngliche Anmeldung, Seite 2, Zeilen 4 bis 6)

5.4 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Anmeldung einen Befestigungsflansch gemäß Anspruch 1 vor, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens zwei Vorsprünge (18, 18', 18") in der den randoffenen Ausnehmungen (20) entgegen gesetzten Umfangsrichtung jeweils eine weitere in Umfangsrichtung randoffene Ausnehmung (20') aufweisen, wobei diese in unterschiedliche Umfangsrichtungen weisenden Ausnehmungen (20, 20') unterschiedliche radiale Zentrumsabstände entsprechend unterschiedlichen Lochkreisdurchmessern der Befestigungsbolzen einnehmen.

5.5 Die gestellte Aufgabe wird nach Überzeugung der Kammer mit den Merkmalen der Ansprüche 1 erfolgreich gelöst.

5.6 Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung im Hinblick auf den Stand der Technik nahegelegen hat.

5.6.1 D3 offenbart einen Flansch für ein Ventil mit einer Mehrzahl von Vorsprüngen (40, 240, 240b, 340, 340b). Diese z.T. abgeschrägten Vorsprünge können mit den jeweiligen Bolzen (32, 232, 332) (34, 224, 334, 335) von verschiedenen Lochkreisdurchmessern in Kontakt gebracht werden und ermöglichen die Befestigung der Flanschverbindung und ein Zentrieren des Ventils (siehe Figur 1, Figuren 5 und 6; Absätze [0004], [0006], [0007], [0021] und [0033] bis [0035]).

Die Vorsprünge (40, 240, 240b, 340, 340b) des Befestigungsflansches gemäß D3 weisen allerdings keine in Umfangrichtung offene Ausnehmungen auf. Die Verbindung von Flansch und Bolzen bzw. Ventil kann daher nicht, wie in D6, durch eine einfache Drehung gelöst oder diese in Eingriff gebracht werden.

5.6.2 Selbst wenn der Fachmann nun den in D6 offenbarten Flansch im Lichte von D3 dahingehend modifizieren würde, dass er für unterschiedliche Befestigungslochkreise geeignet wäre, so gelangte er immer noch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Dieser sieht bekanntlich vor, dass es mindestens zwei Vorsprünge (18, 18', 18") gibt, die in der den randoffenen Ausnehmungen (20) entgegengesetzten Umfangsrichtung jeweils eine weitere in Umfangsrichtung randoffene Ausnehmung (20') aufweisen, welche unterschiedliche radiale Zentrumsabstände einnehmen.

5.6.3 D8 wurde von der Prüfungsabteilung ins Verfahren eingeführt und zusammen mit D6 als relevant für die erfinderische Tätigkeit angesehen. Die radialen Vorsprünge am Befestigungsring (8) weisen ausweislich der Figuren 1, 2 und 4 eindeutig keine in Umfangsrichtung randoffene Ausnehmungen (10) auf. Bezugszeichen (13) bezeichnet keine Ausnehmung, sondern die gekrümmte Oberfläche ("cam surface") des Rings (8). Auch unterschiedliche Zentrumsabstände der Ausnehmungen sind nicht erkennbar.

5.7 Die Lösung geht somit nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik hervor.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in der folgenden Fassung zu erteilen:

Beschreibung: Seiten 1-5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung,

Ansprüche: 1-4 gemäß einzigem Antrag, eingereicht mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 als Hilfsantrag 2,

Figur 1, wie ursprünglich eingereicht.

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