European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T198714.20190226 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 Februar 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1987/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08100194.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | H04R 25/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Hörvorrichtung mit automatischer Ausrichtung des Richtmikrofons und entsprechendes Verfahren | ||||||||
Name des Anmelders: | Sivantos GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Oticon A/S / GN Resound A/S / Widex A/S | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 Erfinderische Tätigkeit - (nein) Unzulässige Erweiterung - Hilfsantrag 2 - (ja) Nichtzulassung wegen verspäteter Einreichtung - Hilfsanträge 2a und 3 - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Ein Einspruch wurde gegen das europäische Patent Nr. 1 956 867 in seiner Gesamtheit gestützt auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ und nach den Artikeln 100 b) und 100 c) EPÜ eingelegt. Der Einspruch wurde von der Einspruchsabteilung zurückgewiesen.
II. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Einspruch zulässig sei, dass jedoch keiner der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a), b) und c) der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe. Insbesondere entschied sie, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents neu sei gegenüber der Offenbarung sowohl der Druckschrift E1 als auch der Druckschrift E3 (Artikel 52 (1) und 54 EPÜ) und für den von E1 ausgehenden Fachmann unter Berücksichtigung der Lehre von E4 nicht naheliegend sei (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Die nach der Einspruchsfrist eingereichten Dokumente E6 bis E10 wurden nicht in das Verfahren zugelassen.
III. Gegen diese Entscheidung legten die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende) gemeinsam Beschwerde ein und begründeten diese. Sie beantragten die Aufhebung der Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, bzw. hilfsweise eine mündliche Verhandlung und ferner hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in einer geänderten Fassung auf der Grundlage eines mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags. Ferner wurde beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit.
VI. Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2019 reichte die Beschwerdegegnerin Ansprüche von Hilfsanträgen 2 und 3 ein. Der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichte Hilfsantrag wird im Folgenden als Hilfsantrag 1 bezeichnet.
Die Beschwerdeführerinnen beantragten, die Hilfsanträge 2 und 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.
VII. Folgende Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
E1: EP 1 530 402 A2;
E7: DE 101 48 006 A1; und
E10: DE 103 25 804 A1.
VIII. Die mündliche Verhandlung fand am 26. Februar 2019 vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1-3) beantragten abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte abschließend, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche eines mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags (Hilfsantrag 1), oder eines mit Schreiben vom 25. Januar 2019 eingereichten Hilfsantrags 2, im dem die Verfahrensansprüche gestrichen worden sind, oder eines während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags 2a, oder eines mit Schreiben vom 25. Januar 2019 eingereichten Hilfsantrags 3, in dem die Verfahrensansprüche gestrichen worden sind, aufrechtzuerhalten.
Die Verfahrensansprüche der Hilfsanträge 2 und 3 hatte die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung gestrichen.
Ihren Antrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, nahm die Beschwerdegegnerin zurück.
Am Ende der Verhandlung schloss der Vorsitzende die Debatte und verkündete nach Beratung die Entscheidung der Kammer.
IX. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Hörvorrichtung mit
- einem eingebauten Richtmikrofon (2), das eine Vorzugsschallaufnahmerichtung aufweist,
- einer Neigungsbestimmungseinrichtung (6) zum Ermitteln einer Neigung der Vorzugsschallaufnahmerichtung gegenüber einer bezüglich der Umgebung der Hörvorrichtung festen, vorgegebenen Richtung, wobei dazu mit der Neigungsbestimmungseinrichtung (6) ein Neigen der Hörvorrichtung feststellbar ist, und
- einer Ausrichteinheit (7), mit der die Vorzugsschallaufnahmerichtung des Richtmikrofons (2) in Abhängigkeit von der ermittelten Neigung ausrichtbar ist.".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 umfasst die weiteren Merkmale
[Hörvorrichtung mit]
"- einer Signalverarbeitungseinrichtung (3),
- einem Hörer (4),".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 umfasst zusätzlich zu den Merkmalen des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 das Merkmal
"wobei die Ausrichteinheit (7) die Vorzugsschallaufnahmerichtung des Richtmikrofons (2) stets horizontal ausrichtet".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a verbindet die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 mit denen des Hauptantrags und entspricht somit dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ohne die Merkmale
[Hörvorrichtung mit]
"- einer Signalverarbeitungseinrichtung (3),
- einem Hörer (4)".
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 sind die Merkmale
"Hörvorrichtung mit
- einem eingebauten Richtmikrofon (2), das eine Vorzugsschallaufnahmerichtung aufweist,
- einer Signalverarbeitungseinrichtung (3),
- einem Hörer (4)"
des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 durch das Merkmal
"Hinter-dem-Ohr-Hörgerät mit
- einem Hörgerätegehäuse (1) zum Tragen hinter dem Ohr,
- einem in das Hörgerätegehäuse (1) eingebauten Richtmikrofon (2), das eine Vorzugsschallaufnahmerichtung aufweist,
- einer in das Hörgerätegehäuse (1) integrierten Signalverarbeitungseinrichtung (3),
- einem in das Hörgerätegehäuse (1) integrierten Hörer (4),
- einer in das Hörgerätegehäuse (1) integrierten Batterie (5)"
ersetzt.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag und Hilfsantrag 1: Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1), 54, 56 und 100 a) EPÜ)
1.1 E1 zeigt eine Hörvorrichtung in Form eines Hörgeräts mit mehreren Mikrofonen (Absatz [0001]). Das Hörgerät ist an die räumliche Richtung eines eintreffenden Schallsignals adaptierbar und geht dazu von der bekannten blinden Quellentrennung aus ([0002]). Die räumliche Richtung des eintreffenden Schallsignals bildet dabei eine Vorzugsschallaufnahmerichtung. Das aus E1 bekannte Hörgerät weist eine Positionsbestimmungseinrichtung auf, die die Position des Kopfes anhand des Erdmagnetfeldes oder alternativ mit Hilfe eines Beschleunigungssensors ermittelt (Absätze [0008] und [0009]). Die Positionsbestimmungseinrichtung dient zur Bestimmung der aktuellen Position des Kopfes des Hörgeräteträgers, so dass mit Hilfe der Position des Kopfes die in einer Recheneinrichtung zu berechnende räumliche Richtung, aus der das Schallsignals eintrifft, beeinflussbar ist (Absatz [0004]). Da es sich hier ohne Einschränkung um die räumliche Richtung des eintreffenden Schallsignals handelt, an die eine Anpassung erfolgen soll, folgt, dass die Positionsbestimmungseinrichtung die Position des Kopfes in allen räumlichen Richtungen einschließlich der Neigung des Kopfes bestimmt und daher auch eine Neigungsbestimmungseinrichtung zum Ermitteln einer Neigung der Vorzugsschallaufnahmerichtung gegenüber einer bezüglich der Umgebung der Hörvorrichtung festen, vorgegebenen Richtung umfasst, wobei dazu mit der Neigungsbestimmungseinrichtung ein Neigen der Hörvorrichtung feststellbar ist. Ferner weist das aus E1 bekannte Hörgerät in Form der Recheneinrichtung, die die mindestens eine räumliche Richtung berechnet, an die das Hörgerät adaptiert werden soll [Absatz [0004]) eine Ausrichteinheit auf, mit der die Vorzugsschallaufnahmerichtung des Richtmikrofons in Abhängigkeit von der ermittelten Neigung ausrichtbar ist.
1.2 Der beanspruchte Gegenstand unterscheidet sich von dem aus E1 bekannten Hörgerät somit dadurch, dass das Richtmikrofon eingebaut ist, und ist somit neu (Artikel 52 (1) und 54 EPÜ). E1 betrifft im Wesentlichen die prinzipielle Arbeitsweise eines Hörgeräts. Über den physikalischen Aufbau werden keine Angaben gemacht.
1.3 Die durch dieses Merkmal zu lösende Aufgabe kann darin gesehen werden, das aus E1 bekannte Hörgerät in einer kompakten Form auszuführen.
Dazu ist jedoch der Einbau des Richtmikrofons eine für den Fachmann naheliegende Maßnahme, die diesen Vorteil im Vergleich zu anderen möglichen Maßnahmen wie den Anbau oder die räumlich getrennte Anordnung des Richtmikrofons verschafft.
1.4 Die Beschwerdegegnerin hat wie auch die Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung einen weiteren, wesentlichen Unterschied zwischen der beanspruchten Hörvorrichtung und dem aus E1 bekannten Hörgerät darin gesehen, dass die Positionsbestimmungseinrichtung in E1 nicht in der Lage sei, eine Neigung gegenüber der Horizontalen bestimmen zu können. Es wurde argumentiert, dass eine Neigungsbestimmung anhand des Erdmagnetfelds nicht möglich sei und dass eine Positionsbestimmungseinrichtung, die, wie in Absatz [0009] von E1 ausgeführt, einen Beschleunigungssensor verwendet, nur alternativ zur Positionsbestimmungseinrichtung mittels des Erdmagnetfelds zu sehen sei und dass der Fachmann sie daher nicht so ausstatten würde, dass sie zur Bestimmung der Neigung in der Lage sei. Die Beschwerdegegnerin hat zur Stützung ihrer Argumentation auf die Druckschrift E10 verwiesen, aus der zu entnehmen sei, dass Mittel zum Detektieren der Ausrichtung einer Vorrichtung Mittel zum Bestimmen der Himmelsrichtung als Kompass aufweisen, jedoch zur Bestimmung der Neigung einen oder mehrere Neigungssensoren aufweisen (E10, Absatz [0009]). Der Fachmann würde dies so verstehen, dass diese zusätzlichen Neigungssensoren keine Sensoren seien, die zur Bestimmung der Neigung das Erdmagnetfeld verwendeten.
1.5 Die Kammer folgt diesen Argumenten nicht. Es gehört zum allgemeinen Wissen des Fachmanns, dass bekannte Positionsbestimmungsvorrichtungen, die das Erdmagnetfeld verwenden, also zum Beispiel magnetische Nadeln wie sie in Kompassen verwendet werden, sich entlang der magnetischen Feldlinien des Erdmagnetfeldes ausrichten. Jedwede Neigung einer solchen, magnetische Nadeln verwendenden Positionsbestimmungsvorrichtung zum Verlauf der Feldlinien des Erdmagnetfeldes erlaubt somit eine einfache Bestimmung dieser Neigung. Die Kammer verweist dazu auf die Druckschrift E7, die zum Beispiel einen Kopfhörer betrifft, der mindestens einen Magnetsensor zum Erfassen des Erdmagnetfeldes aufweist (Anspruch 2). Ferner weist dieser Kopfhörer einen ersten und zweiten Sensor, die zueinander mit einem festgelegten Kippwinkel, insbesondere orthogonal, angeordnet sind (Anspruch 7), und darüber hinaus einen dritten Sensor, der sowohl zum ersten als auch zum zweiten Sensor mit einem festen Kippwinkel, insbesondere orthogonal, angeordnet ist (Anspruch 8), auf. Da die Ansprüche 2, 7 und 8 sich auf keine anderen Sensoren als auf Magnetsensoren zum Erfassen des Erdmagnetfelds beziehen, kann es sich bei diesen drei Sensoren um Magnetsensoren handeln, die auf Grund ihrer orthogonalen Anordnung die Bestimmung der Ausrichtung des Kopfhörers in allen drei Raumdimensionen einschließlich der Neigung des Kopfhörers ermöglichen (siehe auch Absatz [0022]).
Dieser Interpretation steht auch der Absatz [0032] dieser Druckschrift nicht entgegen. Dieser Absatz führt lediglich in Bestätigung des oben Gesagten auf, dass für eine Erfassung aller drei orthogonalen Komponenten im Allgemeinen drei orthogonal angeordnete Sensoren erforderlich sind. Bis hierher ist offen gelassen, um welche Art von Sensoren es sich handelt. Für eine Orientierung in der Horizontalebene sind zwei Magnetfeldsensoren vorzusehen. Das widerspricht nicht der vorstehenden Interpretation der Ansprüche 2, 7 und 8, dass ein möglicher dritter Sensor zur Orientierung im Raum ein Magnetfeldsensor ist. Ferner ist eine beliebige Kombination verschiedener Sensortypen möglich. Diese Sensoren sind Gegenstand der Ansprüche 2 bis 5.
Die von der Beschwerdegegnerin erwähnten Ausführungen in E10 stehen dem auch nicht entgegen, da aus E10 nicht gefolgert werden kann, dass die dort erwähnten Neigungssensoren keine Magnetsensoren zur Messung des Erdmagnetfeldes sein können.
1.6 Aus obigen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung somit entgegen.
1.7 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 umfasst verglichen mit Anspruch 1 des Hauptantrags die zusätzlichen Merkmale, dass die Hörvorrichtung mit einer Signalverarbeitungseinrichtung und einem Hörer ausgestattet ist (siehe oben, Punkt IX).
1.8 Da das aus E1 bekannte Hörgerät auch diese Merkmale aufweist, was auch nicht weiter bestritten wurde, beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 52 (1) und 56 EPÜ) und ist daher nicht gewährbar.
2. Hilfsantrag 2: unzulässige Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ)
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 (siehe oben, Punkt IX) umfasst, verglichen mit einer Kombination der Merkmale der Ansprüche 1 und 4 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, die weiteren Merkmale:
- dass das Richtmikrofon "eingebaut" ist,
- dass die Hörvorrichtung mit "einer Signalverarbeitungseinrichtung (3)" und "einem Hörer (4)" ausgestattet ist,
- und dass zum Ermitteln der Neigung "dazu mit der Neigungsbestimmungseinrichtung (6) ein Neigen der Hörvorrichtung feststellbar ist".
2.2 Diese weiteren Merkmale sind zwar in der ursprünglich eingereichten Beschreibung im Einzelnen aufgeführt, sie sind jedoch, wie im Folgenden gezeigt, stets so in einem Zusammenhang aufgeführt, dass eine isolierte Aufnahme dieser Merkmale in die Kombination der Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 4 zu einer unzulässigen Erweiterung führt.
2.3 Im Hinblick auf das "eingebaute" Richtmikrofon wurde auf Seite 1, Zeile 35 bis 37 der ursprünglich eingereichten Anmeldung verwiesen. Diese Passage beziehe sich zwar auf ein Hörgerät nach dem Stand der Technik, jedoch ergebe sich aus der weitgehenden Übereinstimmung, insbesondere aus der identischen Anordnung des Richtmikrofons im Ausführungsbeispiel der Figur 2 mit der der Figur 1, dass auch dieses dort "eingebaut" sei. Weiterhin ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass das Richtmikrofon zum Ausrichten der Vorzugsschallaufnahmerichtung fest mit dem Hörgerät verbunden, also in diesem eingebaut sein müsse.
Die Kammer stellt dazu fest, dass die Figuren lediglich Prinzipskizzen darstellen (Seite 5, Zeilen 1-7 der ursprünglich eingereichten Anmeldung), aus denen sich Details zum Aufbau der Vorrichtung nicht ohne Weiteres entnehmen lassen. Selbst wenn man dies täte, ist festzustellen, dass sich die zitierte Passage auf Seite 1, Zeilen 35 bis 37 der ursprünglich eingereichten Anmeldung und die Figuren 1 und 2 auf ein Hörgerätegehäuse zum Tragen hinter dem Ohr beziehen. Jetzt wird jedoch verallgemeinert eine Hörvorrichtung mit eingebautem Richtmikrofon beansprucht. Dies wird nicht in dieser Passage oder den Figuren 1 und 2 offenbart, so dass diese nicht als ursprüngliche Offenbarung des beanspruchten Merkmals dienen können. Weiterhin stellt die Kammer fest, dass der Gesamtzusammenhang zwar eine feste Verbindung zwischen Hörgerät und Richtmikrofon erfordern mag, diese jedoch auch auf andere Art als durch Einbau des Richtmikrofons, zum Beispiel durch Anbau desselben, erreicht werden kann.
2.4 Im Hinblick auf die "Signalverarbeitungseinrichtung" ist diese für die erfindungsgemäße Ausführungsform der Figur 2 lediglich mit einer in diese integrierten Ausrichteinheit (7) gezeigt (siehe Figur 2 und Seite 5, Zeilen 35-36 der ursprünglich eingereichten Anmeldung). Weiterhin ist die Signalverarbeitungseinrichtung prinzipiell aufgebaut wie auf Seite 1, Zeile 32 bis Seite 2, Zeile 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung ausgeführt. Insbesondere verarbeitet sie Mikrofonsignale und verstärkt sie und ist in ein Hörgerätegehäuse eingebaut. In der jetzt beanspruchten Formulierung gibt es diese Einschränkungen nicht.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass hinsichtlich der Signalverarbeitungseinrichtung die Offenbarung auf Seite 5, Zeilen 35-36 der ursprünglich eingereichten Offenbarung eine Integration der Ausrichteinheit durch Verwendung des Wortes "hier" als lediglich beispielhaft und nicht einschränkend anzeigt. Das mag durchaus so sein. Jedoch erlaubt der Umstand, dass ein Merkmal als beispielhaft dargestellt wird, nicht, dass dieses Merkmal, also hier die Verbindung zwischen Signalverarbeitungseinrichtung und Ausrichteinheit, in beliebiger, ursprünglich nicht beschriebener Art beansprucht wird.
Ferner argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass auf Seite 1, Zeilen 25-34 der übliche Aufbau eines Hörgerätes beschrieben sei, gemäß dem ein Verstärker vorhanden sei, der in eine Signalverarbeitungseinheit integriert sei. Daraus ergebe sich die in allgemeiner Form beanspruchte Signalverarbeitungseinrichtung. Die Kammer sieht hier jedoch das Problem, dass sich der übliche Aufbau auf den Stand der Technik gemäß Figur 1 bezieht. Dieser weist jedoch zum Beispiel keine Ausrichteinheit auf, deren Bezug zur Signalverarbeitungseinrichtung erst in Figur 2 und auf Seite 5, Zeilen 35-36 der ursprünglich eingereichten Anmeldung dargelegt ist. Somit kann der Aufbau nach dem Stand der Technik nicht als ursprüngliche Offenbarung für den beanspruchten Gegenstand dienen.
2.5 Für das Merkmal "wobei dazu mit der Neigungsbestimmungseinrichtung (6) ein Neigen der Hörvorrichtung feststellbar ist" wurde auf Seite 6, Zeilen 3-6 der ursprünglich eingereichten Anmeldung verwiesen. Diese Passage bezieht sich jedoch auf ein Gerät, das gemäß Seite 5, Zeilen 35-36 der ursprünglich eingereichten Anmeldung ein Hörgerät mit in der Signalverarbeitungseinrichtung integrierter Ausrichteinheit ist. Das fragliche Merkmal des Anspruchs 1 bezieht sich jedoch allgemein auf eine Hörvorrichtung, bei der es sich auch um ein Headset oder einen Kopfhörer handeln kann (Seite 1, Zeilen 10-11 der ursprünglich eingereichten Anmeldung). Für diese Geräte wurde das fragliche Merkmal nicht offenbart.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte in diesem Zusammenhang, dass es sich bei dem Begriff "Hörvorrichtung" um einen Oberbegriff handele und dass der Fachmann das fragliche Merkmal als auch für diesen Oberbegriff zutreffend erkenne. Dem kann die Kammer jedoch nicht folgen, da aus einer speziellen Offenbarung eines Merkmals in Verbindung mit einem bestimmten Gerät nicht ohne Weiteres eine allgemeine Offenbarung eines Merkmals in Verbindung mit einem allgemeineren Gerät folgt. Insbesondere kann zum Beispiel ein Kopfhörer einen völlig anderen Aufbau als ein Hörgerät, zum Beispiel mit einer von der Signalverarbeitungseinrichtung räumlich getrennt angeordneten Ausrichteinheit, aufweisen. Für eine solche Anordnung wurde das fragliche Merkmal jedoch nicht offenbart.
2.6 Aus den obigen Ausführungen folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Somit erfüllt Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nicht das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ. Hilfsantrag 2 ist folglich nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 2a: Zulässigkeit (Artikel 13 (1) VOBK)
3.1 Artikel 13 (1) VOBK räumt der Kammer einen Ermessensspielraum ein, "Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner ... Erwiderung [auf die Beschwerdebegründung] zuzulassen und zu berücksichtigen". Bei der Ausübung ihres Ermessens zur Zulässigkeit von Anträgen, die wie im vorliegenden Fall erst in der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, berücksichtigt die Kammer gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern u.a., ob diese Anträge eindeutig gewährbar sind.
3.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a weist im Vergleich zu der Kombination der Merkmale der Ansprüche 1 und 4 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, die weiteren Merkmale auf, dass das Richtmikrofon "eingebaut" ist und dass zum Ermitteln der Neigung "dazu mit der Neigungsbestimmungsvorrichtung (6) ein Neigen der Hörvorrichtung feststellbar ist".
3.3 Wie unter den Punkten 2.3 und 2.5 oben ausgeführt, sind diese Merkmale in dieser Kombination von Merkmalen nicht ursprünglich offenbart, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 123 (2) EPÜ).
3.4 Da der Hilfsantrag 2a die Mängel des Hilfsantrags 2 nicht eindeutig behebt, wird er nicht in das Verfahren zugelassen.
4. Hilfsantrag 3: Zulässigkeit (Artikel 13 (1) VOBK)
4.1 Der Hilfsantrag 3 wurde mit Schriftsatz vom 25. Januar 2019 und somit im Sinne des Artikels 13 (1) VOBK verspätet eingereicht. Außer pauschalen Hinweisen auf die ursprüngliche Offenbarung und auf die angebliche Neuheit des beanspruchten Gegenstandes enthält dieser Schriftsatz keine detaillierten Ausführungen, die es der Kammer erlaubt hätten, ohne eigene Prüfung die Konformität dieses Antrags mit den Erfordernissen des EPÜ festzustellen. Dies ist jedoch nicht der Sinn und Zweck des Beschwerdeverfahrens, denn das Verfahren vor den Beschwerdekammern ist primär auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung abgestellt (siehe G 10/93, ABl. EPA 1995, 172, Punkt 4 der Gründe; dort speziell für ex parte Verfahren). Dies gilt umso mehr auch in inter partes Verfahren.
4.2 Daher übt die Kammer gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ihr Ermessen dahingehend aus, dass sie feststellt, ob dieser Anträge eindeutig gewährbar ist.
4.3 Im vorliegenden Fall bezieht sich der Anspruch 1 (siehe oben, Punkt IX) auf ein Hinter-dem-Ohr-Hörgerät, wobei in der dort vorgesehenen Neigungsbestimmungseinrichtung erstmalig auf eine "Hörvorrichtung" Bezug genommen wird, bezüglich deren Umgebung eine Neigung festgestellt wird. Auf den ersten Blick ist nicht klar, in welchem Bezug diese Hörvorrichtung und das beanspruchte Hinter-dem-Ohr-Hörgerät zueinander stehe. Selbst wenn man die Hörvorrichtung als Oberbegriff für das Hinter-dem-Ohr-Hörgerät versteht, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, erlaubt die Feststellung der Neigung bezüglich der Umgebung der "Hörvorrichtung" keine Aussage über eine mögliche Neigung des beanspruchten Hörgeräts, da eine Hörvorrichtung als Oberbegriff des Begriffs Hörgerät umfassender sein kann und z.B. auch weitere Einheiten, nicht direkt mit dem Hörgerät zu identifizierende Einheiten umfassen kann. Da aus dem Anspruch nicht hervorgeht, ob und gegebenenfalls welche weitere Einheiten die Hörvorrichtung umfasst und bezüglich der Umgebung welcher Teile der Hörvorrichtung eine Neigung ermittelbar ist, ist, wenigstens prima facie, nicht erkennbar für welchen Gegenstand Schutz begehrt wird. Somit sind die Voraussetzungen des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, "Hörvorrichtung" sei der Oberbegriff für die Gattung "Hinter-dem-Ohr-Hörgerät". Für den Fachmann sei daher klar, dass in diesem Fall der Oberbegriff für den Gattungsbegriff stünde. Dem folgt die Kammer jedoch nicht, da der Oberbegriff auch Gattungen anderen, möglicherweise sogar mehrteiligen Aufbaus umfassen kann, für die eine Neigungsbestimmung nicht eindeutig ist.
4.4 Da der Hilfsantrag 3 aus diesen Gründen nicht prima facie gewährbar ist, wird er nicht in das Verfahren zugelassen.
5. Da keiner der Anträge der Beschwerdegegnerin zulässig und gewährbar ist, kann das Patent nicht aufrecht erhalten werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.