T 1974/14 () of 25.9.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T197414.20180925
Datum der Entscheidung: 25 September 2018
Aktenzeichen: T 1974/14
Anmeldenummer: 07107166.6
IPC-Klasse: C09J 5/00
C09J 9/00
B05C 5/02
B27G 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Verbinden von (Holz-)Bauteilen
Name des Anmelders: Henkel Switzerland Operations AG
Name des Einsprechenden: Akzo Nobel Coatings International B.V.
Jowat AG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention R 80
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät eingereichter Antrag - Antrag eindeutig gewährbar (ja)
Änderung veranlasst durch Einspruchsgrund - verspätet eingereichter Antrag (zugelassen)
Klarheit der Beschreibung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin sowie die Einsprechenden 1 und 2 haben gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 1 985 676 in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

II. Mit den Einsprüchen war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ angegriffen worden; im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens wurde zudem der Einwand der unzulässigen Erweiterung nach Artikel 123 (2) EPÜ erhoben.

III. Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf folgenden Stand der Technik:

D1: EP 1 025 968 A1;

D7: Wikipedia-Artikel "CCD-Sensor", Ausdruck vom 18. November 2004;

E1: US 7 178 896 B2;

E4: DE 10 2004 021 573 A1;

IV. Die Patentinhaberin beantragte schriftlich

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Anspruchssätze, eingereicht als Hauptantrag mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014, als Hilfsantrag 0.1 mit Schriftsatz vom 24. August 2018, als Hilfsanträge 1-5 mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014, als Hilfsantrag 6 mit Schriftsatz vom 2. April 2015 sowie als Hilfsanträge 7, 7.1 und 8 mit Schriftsatz vom 24. August 2014,

sowie die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung im Falle der Zulassung ins Verfahren von einem Dokument, das mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden 2 eingereicht wurde (E12).

V. Die Einsprechenden 1 und 2 beantragen schriftlich

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Einsprechende 1 alleine beantragte schriftlich

die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung betreffend die Hilfsanträge 1 und 2 der Patentinhaberin.

VI. Am 25. September 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Patentinhaberin den Hilfsantrag 1.1 und eine angepasste Beschreibung einreichte.

Am Ende der mündlichen Verhandlung bestätigten die Einsprechenden 1 und 2 die schriftsätzlich gestellten Anträge als endgültig.

Die Patentinhaberin erklärte dabei unter Rücknahme aller weiteren Anträge, die Aufrechterhaltung des Patents allein auf der Basis des Hilfsantrages 1.1 (als Hauptantrag) nebst der angepassten Beschreibung und den Figuren der Patentschrift zu begehren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1.1 (im Folgenden ohne diese Angabe) lautet wie folgt:

"Verfahren zum Verbinden mindestens zweier Bauteile (9), insbesondere Holzbauteile, umfassend die folgenden Schritte:

a) Auftragen mindestens einer Klebstoffraupe (6) auf mindestens eines der Bauteile (9) mittels einer Auftragseinheit(2);

b) Überwachung des Auftrags der Klebstoffraupe (6) mittels mindestens einer Photodiode (3), welche der aufgetragenen Klebstoffraupe (6) und/oder der Auftragseinheit (2) zugeordnet ist;

c) Verbinden der Bauteile (9) durch Inkontaktbringen, vorzugsweise Zusammenpressen der Bauteile (9),

dadurch gekennzeichnet, dass

ein Klebstoff (5) mit einem lumineszierenden, insbesondere fluoreszierenden Additiv verwendet wird, und dass die Photodiode (3) die vom lumineszierenden, insbesondere fluoreszierenden Additiv emittierte Strahlung detektiert,

wobei bei fehlendem Auftrag ein Fehlersignal ausgegeben wird."

VIII. Gegen diesen Antrag argumentierten die Einsprechenden 1 und 2 im Wesentlichen wie folgt, wobei die entscheidungserheblichen Argumente in den Gründen dieser Entscheidung erwähnt und diskutiert werden.

Der Antrag sei nicht zuzulassen, weil er eine verspätete Reaktion zu Einwänden der Einsprechenden in deren Beschwerdebegründung darstelle.

Der Gegenstand von Anspruch 1, der identisch mit Anspruch 1 gemäß dem während der mündlichen Verhandlung diskutierten, dann von der Patentinhaberin aber zurückgenommenen Hilfsantrag 1 ist, sei ausgehend von der Lehre der D1 in Kombination mit den Lehren der E1 oder E4 sowie unter Berücksichtigung der D7 nicht erfinderisch.

Darüber hinaus erheben die Einsprechenden einen Klarheitseinwand gegen Absatz 8 der von der Patentinhaberin angepassten Beschreibung.

IX. Die Patentinhaberin erwiderte diese Einwände im Wesentlichen wie folgt, wobei die entscheidungserheblichen Argumente in den Gründen dieser Entscheidung erwähnt und diskutiert werden.

Der Antrag sei eindeutig gewährbar und somit zuzulassen.

Der in Anspruch 1 beanspruchte Gegenstand sei sowohl neu gegenüber der Offenbarung von D1 als auch erfinderisch im Hinblick auf die Lehren der D1 in Kombination mit den Lehren der E1 und E4, insbesondere unter Berücksichtigung der D7. Absatz 8 der angepassten Beschreibung weise keinen Klarheitsmangel auf.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung ins Verfahren von Hilfsantrag 1.1

Auf einen von den Einsprechenden vorgebrachten Einwand, dass die von der Patentinhaberin in Anspruch 8 gemäß dem Hilfsantrag 1 vorgenommenen korrigierenden Änderungen (im Vergleich zu Anspruch 9 des Patents in der erteilten Fassung) gegen die Bestimmungen der Regel 80 EPÜ verstießen, ersetzte die Patentinhaberin den Hilfsantrag 1 durch den Hilfsantrag 1.1.

Die Einsprechenden beantragen, diesen Antrag allein wegen der prozessualen Verspätung nicht zuzulassen. Eine Nichtkonformität dieses Anspruchssatzes mit den Erfordernissen des EPÜ machen sie dabei nicht geltend.

Die Kammer merkt an, dass die Gegenstände der Ansprüche des Hilfsantrags 1.1 denen der Ansprüche des bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens eingereichten und dann im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgezogenen Hilfsantrags 1 entsprechen, mit Ausnahme der Rückgängigmachung der den Einwand nach Regel 80 EPÜ begründenden Änderungen in Anspruch 8. Es handelt sich dabei um Änderungen geringer Komplexität, die in einen eindeutig gewährbaren Antrag resultieren und für alle Beteiligen vorherzusehen waren. Die Behandlung dieses neuen Antrags ist der Kammer und den Einsprechenden ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zuzumuten.

In Ausübung ihres Ermessens im Rahmen von Artikel 12 und 13 VOBK entscheidet somit die Kammer, den Hilfsantrag 1.1 zuzulassen.

2. Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit

2.1 D1 als Startpunkt

Die Kammer teilt die Auffassung der Einsprechenden, wonach D1 geeignet ist, als Startpunkt für eine Diskussion der erfinderischen Tätigkeit zu dienen.

2.2 Unterschiede

D1 offenbart unstreitig nicht die folgenden Verfahrensschritte des Gegenstands des Anspruchs 1:

a) Auftragen mindestens einer Klebstoffraupe (6) auf mindestens eines der Bauteile (9) mittels einer Auftragseinheit(2);

b) Überwachung des Auftrags der Klebstoffraupe (6) mittels mindestens einer Photodiode (3), welche der aufgetragenen Klebstoffraupe (6) und/oder der Auftragseinheit (2) zugeordnet ist.

2.3 Wirkung(en) - Aufgabe(n)

2.3.1 Die Kammer erkennt eine Wechselwirkung zwischen diesen Unterscheidungsmerkmalen an, weil, wenn die Klebstoffmenge in Form einer Klebstoffraupe räumlich konzentriert aufgetragen wird, (bereits) mindestens eine Photodiode ausreichend ist, um die Anwesenheit der Klebstoffraupe, durch Empfang der vorgesehenen UV-Frequenz, zu bestätigen. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden liegen mithin keine voneinander unabhängigen Unterscheidungsmerkmale zur Lösung von Teilaufgaben vor.

2.3.2 Die Patentinhaberin sieht die zu lösende Aufgabe zutreffend darin, bei dem Verfahren und der Vorrichtung gemäß D1 auf die in Absatz 13 dieser Schrift besonders aufwendige "großflächige Überwachung" verzichten zu können ("einfacheres Verfahren", siehe Absatz [7] des Streitpatents).

2.4 E1 und E4

E1 und E4 betreffen die Überwachung von Klebstoffaufträgen durch UV-Licht. Wie von den Einsprechenden geltend gemacht, zöge der Fachmann auf der Suche nach einer Vereinfachung außer dem Stand der Technik auf dem Spezialgebiet der D1 gegebenenfalls auch den Stand der Technik auf Nachbargebieten und/oder auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet heran (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, I.D.8.2).

2.5 Kombination mit E4 - Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit

2.5.1 E4 lehrt, dass CCD-Chips (siehe Absatz 12) zur Überwachung des Auftrags von Klebstoffraupen (siehe Absatz 13) besonders geeignet sind.

2.5.2 Die Einsprechenden argumentieren, dass die Kombination der Lehre der D1 mit der der E4 die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 infrage stelle. Grund dafür sei insbesondere, dass D7 zeige, dass CCD-Chips aus einer Matrix lichtempfindlicher mikroskopischen Photodioden bestünden (siehe Seite 1, ersten Absatz), und Anspruch 1 Photodioden, die in komplexen elektronischen Bauteilen eingebaut sind, nicht ausschließe. Weil E4 offenbare, dass die Überwachungseinrichtung mindestens eine Photodiode enthalte, lehre diese Schrift auch Schritt b) des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1.1.

2.5.3 Diese Sicht der Einsprechenden überzeugt nicht.

Die in E4 offenbarte Überwachung des Auftrags der Klebstoffraupe mittels eines CCD-Chips ist nicht als Überwachung durch mindestens eine Photodiode anzusehen, selbst wenn CCD-Chips bekannterweise eine Matrix von Photodioden enthalten, weil die Funktionsweise von mehreren Photodioden und die eines CCD-Chips sich für den Fachmann unterscheiden. Grund dafür ist (siehe D7, zweite Seite, dritten Absatz), dass in CCD-Chips weitere Komponente (wie z. B. der sogenannte Potentialtopf) vorhanden sind, die das Ausgangssignal der Photodioden grundsätzlich ändern. Damit können CCD-Chips selbst dann, wenn sie Leuchtdioden aufweisen, nicht als identisch mit zumindest einer Photodiode, bzw. mit einer Mehrzahl von Photodioden im Sinne von Anspruch 1 gemäß den Hilfsantrag 1.1 angesehen werden.

Die Kombination der Lehre der D1 mit der der E4 kann daher die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 nicht infrage stellen.

2.6 Kombination mit E1 - Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit

2.6.1 E1 offenbart, dass Photodioden (siehe Spalte 8, Zeilen 47-51) zur Auftragsüberwachung von Klebstoffraupen (142, siehe Figur 1a) verwendet werden können. Der Fachmann findet aber in dieser Passage der E1 keinen Hinweis, dass durch den Einsatz von Photodioden auf die großflächige Überwachung der D1 verzichtet werden kann.

Da die Einsprechenden keine weiteren Passagen dieser Schrift identifiziert haben - und solche auch nicht evident sind -, denen eine Lehre zur Vereinfachung der Überwachung mittels Photodioden entnommen werden könnte, hat der Fachmann keine Veranlassung, die in E1 erwähnte Photodioden in das Verfahren gemäß D1 einzusetzen, um die o.g. Aufgabe zu lösen.

Die Kombination der Lehre der D1 mit der der E1 stellt somit die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 auch nicht infrage.

3. Die Einsprechenden erheben keine weiteren Patentierbarkeitseinwände gegen die Ansprüche des Hilfsantrages 1.1. Solche sind auch nicht evident.

4. Klarheit der Beschreibung

Die Einsprechenden bemängeln indes, dass Absatz 8 der geänderten Beschreibung unklar sei, weil für das dort erwähnte "Verfahren gemäß Anspruch 1" nur die im Oberbegriff dieses Anspruchs vorgesehenen Schritte als von der Erfindung "umfasst" aufgelistet seien.

Dieser Einwand greift nicht durch. Gemäß Absatz 8 "umfasst" das "Verfahren gemäß Anspruch 1" die dort aufgelistete Schritte a) bis c). Durch die Verwendung des Verbs "umfassen" ist unmissverständlich, dass die Aufzählung nicht abschließend ist, und dass zusätzliche Verfahrensschritte nicht ausgeschlossen sind. Auch in Anspruch 1 findet sich der Begriff "umfassend".

Die Kammer sieht folglich keinen Widerspruch zwischen Anspruch 1 und Absatz 8 der geänderten Beschreibung, und somit keine Unklarheit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit

der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis der folgenden Dokumente aufrechtzuerhalten:

Ansprüche

1 - 8 eingereicht als Hilfsantrag 1.1 während der mündlichen Verhandlung

Beschreibung

Seiten 2 - 7 eingereicht während der mündlichen Verhandlung

Figuren

1 - 4 der Patentschrift.

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