T 1953/14 () of 30.1.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T195314.20180130
Datum der Entscheidung: 30 Januar 2018
Aktenzeichen: T 1953/14
Anmeldenummer: 06725287.4
IPC-Klasse: C08F 2/04
C08J 3/075
A61L 15/12
F26B 17/00
C08F 6/10
C08F 20/06
C08F 6/00
F26B 17/04
F26B 21/06
B01J 20/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG WASSERABSORBIERENDER POLYMERE
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Nippon Shokubai Co., Ltd.
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechende richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 1 863 852 in geänderter Fassung auf Grundlage des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 22. April 2014 (als Hilfsantrag 5 genannt, wobei alle höherrangigen Anträge während der mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2014 zurückgezogen wurden), sowie einer geänderten Beschreibung aufrecht erhalten wurde.

II. Die Ansprüche 1, 22 und 23 dieses Hauptantrags lauteten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymere mit niedrigem Trocknungsqualitätsindex durch Polymerisation einer Monomerlösung, enthaltend mindestens ein ethylenisch ungesättigte Carbonsäure und mindestens einen Vernetzer, und Trocknung des erhaltenen Hydrogels mittels eines erwärmten Gasstromes, dadurch gekennzeichnet, dass

- optional die Trocknung in mindestens zwei Temperaturzonen durchgeführt wird, wobei die Gaseingangstemperaturen die Bedingung Tn ungleich Tn+a erfüllen, wobei die Indizes n und a jeweils eine ganze Zahl größer 0 bedeuten, und

- der Gasstrom das Hydrogel im vorderen Abschnitt eines Bandtrockners von unten und im hinteren Abschnitt des Bandtrockners von oben anströmt, wobei die Strömungsumkehr bei einem Wassergehalt des Hydrogels von 15 bis 45 Gew.-% stattfindet, und

- optional die Hydrogelschicht in einem Bandtrockner zumindest teilweise von unten angeströmt wird, wobei die Gasgeschwindigkeit von 5 bis 30% der Gasgeschwindigkeit beträgt, die notwendig ist um das Hydrogel vom Band zu lösen.

22. Vorrichtung zum Trocknen wasserabsorbierender Polymere, umfassend

i) mindestens ein gasdurchlässiges Förderband,

ii) wobei mindestens ein Förderband i) über eine Vorrichtung verfügt, die es ermöglicht dem mindestens einen Förderband i) mindestens zwei Gasströme unterschiedlicher Temperatur zuzuführen,

iii) mindestens einen Gasvorwärmer,

iv) mindestens eine Gaszufuhr die von oben auf das Förderband i) gerichtet ist,

v) mindestens eine Gaszufuhr die von unten auf das Förderband i) gerichtet ist, wobei das Förderband i) zuerst von unten angeströmt werden kann, und

vi) mindestens eine Vorrichtung zur Druckminderung.

23. Vorrichtung zum Trocknen wasserabsorbierender Polymere, umfassend

i) mindestens ein gasdurchlässiges Förderband,

ii) wobei mindestens ein Förderband i) über eine Vorrichtung verfügt, die es ermöglicht dem mindestens einen Förderband i) mindestens zehn Gasströme unterschiedlicher Temperatur zuzuführen,

iii) mindestens einen Gasvorwärmer,

iv) mindestens eine Gaszufuhr die von oben auf das Förderband i) gerichtet ist,

v) mindestens eine Gaszufuhr die von unten auf das Förderband i) gerichtet ist, wobei das Förderband i) zuerst von unten angeströmt werden kann, und

vi) gegebenenfalls mindestens eine Vorrichtung zur Druckminderung."

III. Vor der Einspruchsabteilung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: "Modern Superabsorbent Polymer Technology", Herausgeber F. L. Buchholz, A. T. Graham, Wiley-VCH, 1998, Seiten 69, 72-93, 119 und 142-144

D3: DE-A-195 11 769

D29: Research Disclosure RD38363, "Drying of pasty materials using a continuous through-circulation bell dryer", 1996

D30: Handbook of industrial drying, vol. 1, 2nd ed., 1995, Chapter 16, Conveyor Dryers, L. F. Sturgeon, Seiten 525-528.

IV. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die für die vorliegende Beschwerde von Relevanz sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden. Die Dokumente D29 und D30 wurden ins Verfahren zugelassen. Die Ausführbarkeit der Erfindung wurde anerkannt (Artikel 100 b) EPÜ). Der Gegenstand des Verfahrens gemäß Anspruch 1 wurde als neu betrachtet, da es keine Offenbarung einer Strömungsumkehr bei einem Wassergehalt von 15 bis 45 Gew.-% im zitierten Stand der Technik gab. Die Neuheit der Vorrichtungen gemäß den Ansprüchen 22 und 23 wurde ebenfalls anerkannt, unter anderem gegenüber D1 und D30, weil diese Dokumente weder eine Vorrichtung zur Druckminderung, noch eine Vorrichtung zur Zufuhr von mindestens zehn Gasströmen unterschiedlicher Temperatur beschrieben. Ausgehend von D1 (Abbildung 3.6) oder D30 (Abbildungen 1 und 2) als nächstliegendem Stand der Technik galt demgegenüber als gelöste Aufgabe die Bereitstellung eines großtechnisch anwendbaren, wirtschaftlichen, schnellen und schonenden Trocknungsverfahrens für wasserabsorbierende Polymerpartikel mit niedrigem Trocknungsqualitätsindex. Die Verwendung einer Strömungsumkehr bei einem Wassergehalt von 15 bis 45 Gew.-% gemäß Anspruch 1 zur Lösung dieser Aufgabe war im Hinblick auf Beispiele 5 bis 7 des Streitpatents zielgerichtet und vom Stand der Technik nicht nahegelegt. Die Verwendung einer Vorrichtung zur Druckminderung gemäß Anspruch 22 oder einer Vorrichtung zur Zufuhr von mindestens zehn Gasströmen unterschiedlicher Temperatur gemäß Anspruch 23, um die gleiche Aufgabe zu lösen, war auch vom Stand der Technik nicht angeregt.

V. Gegen diese Entscheidung erhob die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde.

VI. Mit Schreiben vom 17. April 2015 reichte die Beschwerdegegnerin sieben Hilfsanträge ein. Gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags unterschieden sich die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 7 dadurch, dass:

- der Wassergehalt des Hydrogels bei Strömungsumkehr als von 26 bis 34 Gew.-% definiert wurde (Hilfsanträge 1, 4, 5 und 7)

- das Merkmal "und die Geschwindigkeit des die Hydrolgelschicht anströmenden Gasstroms nach der Strömungsumkehr erhöht ist" aufgenommen wurde (Hilfsanträge 2, 4, 6 und 7)

- das Merkmal "das Hydrogel vor der Trocknung einen Wassergehalt von mindestens 50 Gew.-% aufweist" hinzugefügt wurde (Hilfsanträge 3, 5, 6 und 7).

In den Hilfsanträge 1 bis 7 wurden die Vorrichtungen gemäß den Ansprüchen 22 und 23 des Hauptantrags ebenfalls beansprucht. Auf Grund der Änderungen im Anspruch 1 wurden diese Ansprüche als Ansprüche 21 und 22 (Hilfsanträge 1 bis 3), Ansprüche 20 und 21 (Hilfsanträge 4 bis 6) und Ansprüche 19 und 20 (Hilfsantrag 7) umnummeriert.

VII. Trotz ordnungsgemäßer Ladung nahm die Beschwerdeführerin, wie angekündigt mit Schreiben vom 3. Januar 2018, nicht an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 31. Januar 2018 teil. Gemäß Regel 115(2) EPÜ und Artikel 15(3) VOBK wurde das Verfahren ohne die Beschwerdeführerin fortgesetzt.

VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Die Verwendung eines Ventilators oder eines Gebläses in der in D1 oder D30 gezeigten Vorrichtung führe zu einem Unterdruck auf der Saugseite und somit einer Druckminderung im Sinne des Streitpatents. Darüber hinaus sei die Verwendung einer Vorrichtung zur Druckminderung, um den Austritt von Luft an den Ein- und Auslass des Förderbands zu vermeiden, unvermeidlich. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 22 sei von D1 und D30 daher neuheitsschädlich getroffen.

b) D1 oder D30 bilde den nächstliegenden Stand der Technik. Die Strömungsumkehr sei in D30 empfohlen, um die Verteilung der Feuchtigkeit im Hydrogel während der Trocknung zu verbessern. Dass eine gleichmäßige Trocknung schonend sei, sei aus D3 ersichtlich. Bedingungen, die die Trocknung beeinflussen würden, seien in D29, D30 und D1 beschrieben. Der Fachmann, der Lehre von D1 oder D30 folgend, würde daher in Hinblick auf D29 zwangsläufig zu einem Verfahren gelangen, bei dem die Strömungsumkehr bei einem Wassergehalt des Hydrogels zwischen 15 und 45 Gew.-% geschehe. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei daher nicht erfinderisch.

c) Die Verwendung von mehreren Trocknungskammern sei aus D1 bekannt und die Auswahl von mindestens zehn Gasströmen unterschiedlicher Temperatur willkürlich, da diese Auswahl nicht mit einem Effekt verbunden sei. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 23 des Hauptantrags sei daher nicht erfinderisch gegenüber der Lehre von D1 oder D30.

d) Die Hilfsanträge 1 bis 7 seien ohne Begründung erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden. Sie seien daher nicht in das Verfahren zuzulassen. Wären diese zugelassen, würden hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit die gleichen Argumente wie für den Hauptantrag gelten.

IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, insofern sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

a) D1 offenbare nicht die Trocknungsbedingungen, die im auf der Abbildung 3.6 dargestellten Umluftbandtrockner verwendet seien. Weder der angestrebte Wassergehalt am Ende der Trocknung, noch die gesamte Verweilzeit, Temperatur und Geschwindigkeit des anströmenden Trocknungsgases seien in diesem Dokument beschrieben. Eine Berechnung des Wassergehalts am Punkt der Strömungsumkehr in diesem Verfahren sei daher nicht möglich, womit D1 keine eindeutige und zweifelsfreie Offenbarung für den Gegenstand von Anspruch 1 enthalte.

Das Handbuch D30 offenbare kein Verfahren zur Herstellung von Superabsorbern, sondern lediglich den allgemeinen Aufbau eines Bandtrockners. Das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher neu gegenüber D30.

Durch die Verwendung von Umluftgebläse in D1 oder D30 ergebe sich keine Druckänderung im Bandtrockner. Aus den Abbildungen 1 und 2 von D30 sei implizit, dass die Luftzirkulation im Kühlerteil des gezeigten Bandtrockners durch einen Verdichter bewirkt sei. Dieser sei dennoch innerhalb der Vorrichtung angeordnet, so dass die Neuheit der Vorrichtung gemäß Anspruch 22 des Hauptantrags gegeben sei.

b) D1 sei ein grundlegendes Lehrbuch auf dem Gebiet der Superabsorber und als nächstliegender Stand der Technik geeignet. Demgegenüber bestehe die zu lösende Aufgabe gemäß den Angaben während der mündlichen Verhandlung darin, ein Verfahren bereitzustellen, das zu einer schonenden Trocknung der wasserabsorbierenden Polymere führe. Mit den Beispielen aus dem Streitpatent sei aber gezeigt worden, dass eine Strömungsumkehr des Gastroms bei einem Wassergehalt des Hydrogels von 15 bis 45 Gew.-% bei gleich bleibenden anderen Trocknungsbedingungen zu einer schonenderen Trocknung führe. Ein solcher Effekt sei aus den im Beschwerdeverfahren zitierten Dokumenten nicht zu erwarten. Insbesondere schweige D1 zum Zweck der Strömungsumkehr im Umluftbandtrockner, so dass der Fachmann keinen Grund habe, die Strömungsumkehr zu optimieren. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

c) Die Hilfsanträge 1 und 2 würden im Wesentlichen den bisherigen Hilfsanträgen 6 und 7 entsprechen. Der Hilfsantrag 3 enthalte lediglich den Wassergehalt des Polymers vor der Trocknung. In den Hilfsanträgen 4 bis 7 seien die in den Hilfsanträgen 1 bis 3 eingefügten Änderungen kombiniert worden. Die Hilfsanträge 1 bis 7 seien daher ins Verfahren zuzulassen.

In Hilfsantrag 1 wurde in Anspruch 1 der Wassergehalt bei der Strömungsumkehr auf den bevorzugten Bereich eingeschränkt. Mit einem Wassergehalt des Hydrogels bei Strömungsumkehr von ca. 30 Gew.-% sei die schonendste Trocknung erhalten worden. Gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 müsse die Luftgeschwindigkeit im ersten Trocknungsabschnitt niedriger als im zweiten Trocknungsabschnitt sein. Die Beispiele 8 bis 10 des Streitpatents würden den nachteiligen Einfluss einer zu hohen Luftgeschwindigkeit im ersten Trocknungsabschnitt zeigen. Mit einem Wassergehalt des Polymergels vor der Trocknung von mindestens 50 Gew.-%, der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 definiert sei, sei indirekt eine Mindestzeit für den ersten Trocknungsabschnitt festgelegt worden.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Widerruf des europäischen Patents EP 1 863 852. Ferner wurde beantragt, die Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin nicht in das Verfahren zuzulassen.

XI. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 7, alle eingereicht mit Schreiben vom 17. April 2015, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

Anspruch 22

1. Es ist nicht strittig, dass eine Vorrichtung zum Trocknen wasserabsorbierender Polymere, umfassend Merkmale i) bis v) des Anspruchs 22 des Hauptantrags in den Abbildungen 1 und 2 der Druckschrift D30 dargestellt wird. Ferner wurde von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung anerkannt, dass die in den Abbildungen 1 und 2 gezeigte Luftzirkulation im Kühlerteil des dargestellten Bandtrockners implizit durch einen Verdichter bzw. eine Vorrichtung zur Druckminderung im Sinne des Streitpatents (siehe Absatz [0102]) erhalten werden muss. Die Beschwerdegegnerin ist dennoch der Meinung, dass die Neuheit der Vorrichtung gemäß Anspruch 22 des Streitpatents gegeben ist, weil sich der in D30 verwendete Verdichter innerhalb der Vorrichtung angeordnet sei, aber nicht außerhalb der Vorrichtung, womit kein Unterdruck im Trockner entstehen könne. Die Kammer stellt fest, dass der Wortlaut des vorliegenden Anspruchs 22 kein Merkmal enthält, aus dem explizit oder implizit ist, dass die Vorrichtung zur Druckminderung außerhalb der Vorrichtung zum Trocknen wasserabsorbierender Polymere sein muss oder, dass ein Unterdruck im Trockner entstehen muss. Der Vorrichtung gemäß dem Anspruch 22 des Hauptantrags fehlt es somit an der Neuheit gegenüber D30.

Anspruch 1

2. Wie es aus dem unten stehenden zu entnehmen ist, ist das Verfahren gemäß Anspruch 1 neu gegenüber dem Offenbarungsgehalt von D1. Im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung und dem Vorbringen der Parteien stellt das in Abbildung 3.6 auf Seite 89 dieser Entgegenhaltung dargestellte Verfahren den nächstliegenden Stand der Technik und somit den Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit dar. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin liegt dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents demgegenüber die Aufgabe zu Grunde, ein Verfahren, das zu einer schonenderen Trocknung wasserabsorbierender Polymere führt, bereitzustellen.

2.1 Als Lösung bietet das Streitpatent das Verfahren gemäß Anspruch 1 an, das gegenüber dem in D1 gezeigten Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass die Strömungsumkehr zu einem Zeitpunkt stattfindet, bei dem das Hydrogel einen Wassergehalt von 15 bis 45 Gew.-% aufweist. Ein solcher Gehalt, der in D1 weder implizit noch explizit genannt ist, stellt das einzige Unterscheidungsmerkmal gegenüber diesem Stand der Technik dar. Gemäß Angabe der Beschwerdegegnerin, dem von der Beschwerdeführerin nicht widersprochen wurde, ist aus D1 zu entnehmen, dass der Wassergehalt der wasserabsorbierenden Polymere vor der Trocknung zwischen 57 und 84 Gew.-%, bzw. nach der Trocknung zwischen 1 und 5 Gew.-% liegt (Seite 87, letzter Absatz).

2.2 Als Maß für den schonenden Charakter der Trocknung wird im Streitpatent der "Trocknungsqualitätsindex" genommen (siehe Absätze [0111] bis [0115] des Streitpatents), der unter Berücksichtigung des Anteils der Extrahierbaren und der Zentrifugenretentionskapazität der durch das Verfahren erhaltenen getrockneten Polymere errechnet wird. Der "Trocknungsqualitätsindex" der mit dem Verfahren gemäß D1 erhaltenen wasserabsorbierenden Polymere ist in D1 nicht erwähnt. Es ist nicht strittig, dass sich dieser Index aus den in D1 enthaltenen Daten auch nicht errechnen lässt. Darüber hinaus ist der Wassergehalt bei der Strömungsumkehr, der nach Meinung der Beschwerdegegnerin in einem bestimmten Bereich liegen soll, um eine schonende Trocknung zu erhalten, in D1 nicht offenbart, so dass die Kammer keinen Grund zur Annahme hat, dass das Verfahren gemäß dem Streitpatent zu einer schonenderen Trocknung führt. Mit anderen Worten, können Vorteile des vorliegenden Verfahrens gegenüber dem in D1 allgemein beschriebenen Verfahren in Bezug auf einen "Trocknungsqualitätsindex" oder eine schonendere Trocknung nicht festgestellt werden, weil ein "Trocknungsqualitätsindex" weder explizit, noch implizit in D1 offenbart wird. Die Beispiele 5 bis 7 des Streitpatents, die darüber hinaus der Lehre von D1 nicht entsprechen, weil der Wassergehalt des Hydrogels vor der Trocknung in diesen Beispielen nur 55 Gew.-% (siehe Absatz [0131]) beträgt, und nicht 57 bis 84 Gew.-%, wie es nach Angabe der Beschwerdegegnerin aus D1 zu entnehmen ist, können daher aus den oben genannten Gründen nicht belegen, dass das beanspruchte Verfahren gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik zu einer schonenderen Trocknung der wasserabsorbierenden Polymere führt.

2.3 Angesicht der Feststellung, dass eine schonende Trocknung der wasserabsorbierenden Polymere durch die Definition im Anspruch 1 eines niedrigen Trocknungsqualitätsindexes zum Ausdruck gebracht wird (siehe Absätze [0108] bis [0116] des Streitpatents), ist die durch das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 gelöste Aufgabe lediglich darin zu sehen, ein Verfahren, das zu einer schonenden Trocknung wasserabsorbierender Polymere führt, bereitzustellen. In diesem Kontext ist festzustellen, dass der "Trocknungsqualitätsindex" im Anspruch 1 als klein definiert wird, womit keine eindeutige quantitative Definition dieses Indexes und des schonenden Charakters der Trocknung angegeben wird.

3. Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung durch den zitierten Stand der Technik nahegelegt ist. Hierzu zog die Beschwerdeführerin die Druckschriften D29, D30 und D3 heran.

3.1 Wie in D3 (Spalte 2, Zeilen 13-35; Spalte 6, Zeilen 57-63) und D29 (erster Absatz auf der Seite 1 und letzter Absatz auf der Seite 3) bestätigt, ist es dem Fachmann allgemein bekannt, dass es für eine schonende Trocknung der wasserabsorbierenden Polymere eine Überhitzung des Hydrogels, die zu einer Veränderung der wasserabsorbierender Polymere führt, zu vermeiden gilt, und somit, dass die Trocknungsbedingungen, insbesondere Temperatur, Luftdurchfluss und Luftfeuchtigkeitsgrad zu kontrollieren sind. Dem Fachmann ist aus D29 (Seite 3, erster Absatz) weiter bekannt, dass eine solche Kontrolle und die Bestimmung dieser Parameter innerhalb der Module des Umluftbandtrockners stattfinden können und müssen. In D30 (überbrückender Absatz zwischen den Seiten 527 und 528) wird auch angegeben, dass die Einstellung dieser Bedingungen, die in D29 für eine schonende Trocknung als kritisch beschrieben werden, in jeder Trockenkammer des Umluftbandtrockners optimiert werden kann. Infolgedessen kommt die Kammer zum Schluss, dass es für den Fachmann, ausgehend von dem in D1 allgemein beschriebenen Verfahren unter Verwendung eines Hydrogels mit einem spezifischen Wassergehalt, der allgemeinen Lehre von D29 und D30 folgend, naheliegend war, eine optimierte und somit schonende Trocknung des Hydrogels, die im Anspruch 1 durch einen niedrigem Trocknungsqualitätsindex zum Ausdruck gebracht wird, zu erreichen.

3.2 Der Anspruch 1 enthält keine explizite Einschränkung bezüglich des Wassergehalts des zu trocknenden Hydrogels. Ausgehend von einem Hydrogel mit einem Wassergehalt von 55 Gew.-%, wie in den Beispielen 5 bis 7 des Streitpatents verwendet, führt eine schonende Trocknung zu einem Wassergehalt des Hydrogels bei Strömungsumkehr, der zwischen 25,8 und 36,3 Gew.-% liegt. Dies bedeutet, dass eine unter ähnlichen Bedingungen durchgeführte naheliegende schonende Trocknung unter Verwendung eines Ausgangshydrogels mit einem leicht erhöhten Wassergehalt von mindestens 57 Gew.-%, wie durch D1 angeregt wird (siehe Punkt 2.1 oben), zu einem Bereich des Wassergehalts bei Strömungsumkehr führt, der gegenüber dem Bereich, der in den Beispielen 5 bis 7 erhalten wird, ebenfalls leicht erhöht ist. Somit ist der Wassergehalt des Hydrogels bei Strömungsumkehr im Bereich von 15 bis 45 Gew.-%, wie im Hauptantrag definiert wird, bzw. im Bereich von 26 bis 34 Gew.-%, wie in den Hilfsanträgen 1, 4, 5 und 7 angegeben wird, das zwangsläufige Ergebnis einer im Hinblick auf D1 naheliegenden Auswahl eines Wassergehalts des Hydrogels vor der Trocknung und einer im Hinblick auf D29 und D30 nahegelegten Optimierung der Trocknungsbedingungen, um eine schonende Trocknung des Hydrogels zu bewirken.

3.3 Die Kammer kommt daher aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Anspruch 23

4. Im Einklang mit dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin stellt die Vorrichtung, die in den Abbildungen 1 und 2 von D30 gezeigt wird, den nächstliegenden Stand der Technik dar. Demgegenüber unterscheidet sich die Vorrichtung gemäß dem Anspruch 23 dadurch, dass sie über eine Vorrichtung verfügt, die es ermöglicht, dem Förderband mindestens zehn Gasströme unterschiedlicher Temperatur zuzuführen, während die Vorrichtung aus D30 nur fünf Gasströme ermöglicht. Ausgehend von diesem Stand der Technik soll der Erfindung die Aufgabe zugrunde liegen, eine Vorrichtung bereitzustellen, die eine genauere Anpassung der Temperaturen erlaubt, um eine schonendere Trocknung des Hydrogels zu erhalten. Aus dem die Seiten 527 und 528 überbrückenden Absatz der D30 ist es schon bekannt, dass jede der Zonen mit der gleichen Richtung der Luftströmung in mehreren Zonen unterteilt werden kann, um kontrollierte Änderungen der Temperatur der eintretenden Luft zu erlauben. Dass eine höhere Zahl an Trockenkammern eine exaktere Einstellung der Trockenbedingungen erlaubt, ist für den Fachmann selbstverständlich. Da die Beschwerdegegnerin für die spezifische Auswahl von mindestens zehn Gasströmen unterschiedlicher Temperatur, anstatt fünf von solchen, keinen technischen Effekt nachgewiesen hat, ist diese als willkürlich und daher naheliegend zu betrachten. Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass der zusätzliche Aufwand oder die Kosten, die mit jeder weiteren Trocknungskammer verbunden sind, den Fachmann davon abgehalten hätten, mindestens zehn Trocknungskammern zu verwenden, vermag die Kammer nicht zu überzeugen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um vom Fachmann im Kauf genommene Nachteile, um eine exaktere Einstellung der Trocknungsbedingungen zu erreichen, womit keine erfinderische Tätigkeit begründet werden kann. Der Gegenstand des Anspruchs 23 ist daher im Hinblick auf Artikel 56 EPÜ ebenfalls nicht gewährbar.

Hilfsanträgen 1 bis 7

5. Die Zulassung von Anträgen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, liegt im Ermessen der Kammer (Artikel 12(4) VOBK), die die relevanten Faktoren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls prüfen und abwägen muss. Im vorliegenden Fall versucht die Beschwerdegegnerin, den Gegenstand des Verfahrens gemäß Hauptantrag durch einen engeren Bereich für den Wassergehalt des Hydrogels bei der Strömungsumkehr (26 bis 34 Gew.-%) (Hilfsanträge 1, 4, 5 und 7) und/oder durch die Definition, dass die Geschwindigkeit des die Hydrogelschicht anströmenden Gasstroms nach der Strömungsumkehr erhöht ist (Hilfsanträge 2, 4, 6 und 7) und/oder durch den Wassergehalt des Hydrogels vor der Trocknung (mindestens 50 Gew.-%) (Hilfsanträge 3, 5, 6 und 7) einzuschränken. Mit diesen weiteren Merkmalen wird versucht, die Trocknungsbedingungen und den Kontext, in dem das Verfahren stattfindet, zu präzisieren. Dies bedeutet, dass sich die vorliegenden Hilfsanträge gegenüber dem Gegenstand des Hauptantrags nicht auf grundsätzlich unterschiedliche Ausführungsformen der beanspruchten Erfindung beziehen. Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, ihr gemäß Artikel 12 (4) VOBK zukommendes Ermessen dahingehend auszuüben, die vorliegenden Hilfsanträge nicht in das Verfahren zuzulassen.

6. Mit den Hilfsanträgen 1 bis 7 wird ebenfalls für die Vorrichtungen 22 und 23 des Hauptantrags Schutz begehrt (siehe punkt VI). Angesichts der mangelnden Patentfähigkeit dieser Vorrichtungen (siehe obige Punkte 1 und 4) sind diese Hilfsanträge ebenfalls nicht gewährbar, womit sich eine detaillierte Begründung über die mangelnde erfinderische Tätigkeit der Ansprüche 1 dieser Hilfsanträge erübrigt. Der Vollständigkeit halber ist dennoch hinzuzufügen, dass die Auswahl eines Wassergehalts des Hydrogels bei Strömungsumkehr von 26 bis 34 Gew.-% (Hilfsanträge 1, 4, 5 und 7), wie in Zusammenhang mit dem Hauptantrag im obigen Punkt 3.2 gezeigt ist, nicht erfinderisch ist. Für das Merkmal "und die Geschwindigkeit des die Hydrolgelschicht anströmenden Gasstroms nach der Strömungsumkehr erhöht ist" (Hilfsanträge 2, 4, 6 und 7) wurde mit den Beispielen 8 bis 10 des Streitpatents entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin nicht gezeigt, dass diese Maßnahme für einen unerwarteten Effekt kausal ist, da die Verweilzeit für diese Beispiele ebenfalls variiert wurde. Da das Variieren der Luftströmungsgeschwindigkeit in D29 ebenfalls als eine für den Fachmann übliche Maßnahme zur Einstellung der Trocknungsbedingungen gilt, kann dieses zusätzliche Merkmal auch nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen. Dass die Definition, dass das Hydrogel vor der Trocknung einen Wassergehalt von mindestens 50 Gew.-% aufweist (Hilfsanträge 3, 5, 6 und 7), nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen kann, wurde von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer anerkannt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent Nr. 1 863 852 wird widerrufen.

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