T 1949/14 () of 10.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T194914.20190110
Datum der Entscheidung: 10 Januar 2019
Aktenzeichen: T 1949/14
Anmeldenummer: 05738158.4
IPC-Klasse: G01N 21/03
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG FÜR DIE ANALYSE ODER ABSORPTIONSMESSUNG AN EINER KLEINEN MENGE EINES FLÜSSIGEN MEDIUMS MIT HILFE VON LICHT
Name des Anmelders: Hellma GmbH & Co. KG
Sahiri, Thomas
Name des Einsprechenden: Biochrom Limited
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - Antrag eindeutig gewährbar (ja)
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent Nr. 1743162 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das Patent im Hinblick auf Artikel 100 (a) EPÜ 1973 in Verbindung mit den Artikeln 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ 1973, Artikel 100 (b) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ 1973 sowie Artikel 100 (c) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 123 (2) EPÜ angegriffen worden.

III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK, die als Anlage der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige und unverbindliche Meinung zu bestimmten, wesentlichen Aspekten mit.

IV. In Antwort auf die Mitteilung der Kammer reichten die Patentinhaber (Beschwerdegegner) mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2018 Hilfsanträge 1 bis 3 ein.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 10. Januar 2019 statt.

VI. Die Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragten eingangs als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragten sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent in geändertem Umfang auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2018, aufrechtzuerhalten.

Nach einer Unterbrechung zur Beratung teilte der Vorsitzende die Auffassung der Kammer mit, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents ausgehend von Dokument D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Daraufhin zogen die Patentinhaber den bisherigen Hauptantrag sowie den ersten und den zweiten Hilfsantrag zurück und stellten ihren bisherigen Hilfsantrag 3 als neuen Hauptantrag.

VII. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

VIII. Die Patentinhaber beantragten abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche: 1 bis 13 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2019 zuletzt gestellten Hauptantrag (vormaliger Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2018)

- Beschreibung: Seite 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2019 im Zusammenhang mit dem dort zuletzt gestellten Hauptantrag; Seiten 3 bis 7 wie erteilt

- Zeichnungen: Fig. 1 bis 6 wie erteilt.

IX. Die vorliegende Entscheidung nimmt Bezug auf die folgenden Druckschriften:

D1: US 2002/0110496 A1

D5: US 5,185,834 A

D6: US 2004/0086215 A1.

X. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet:

Vorrichtung (1) für die Analyse oder Absorptionsmessung an einem Tropfen, eines flüssigen Mediums (2) mit Hilfe von Licht (3), das durch das Medium (2) geführt ist und danach fotometrisch, spektralfotometrisch, fluorimetrisch oder spektralfluorimetrisch detektierbar oder analysierbar ist,

wobei die Vorrichtung (1) ein Gehäuse (6) umfasst und eine in Gebrauchsstellung obere flächige Aufnahmestelle (4) zum Aufbringen oder Auftropfen des Mediums (2) und einen oberhalb der Aufnahmestelle (4) lösbar anbringbaren Reflektor (8) aufweist, wobei der Reflektor (8) in seiner Gebrauchsstellung einen definierten Abstand von der Aufnahmestelle (4) hat, welcher zumindest im Bereich des Lichtdurchganges von dem Medium (2) ausgefüllt oder ausfüllbar ist,

wobei die Vorrichtung einen in Gebrauchsstellung horizontal orientierten, unterhalb der Aufnahmestelle (4) befindlichen Lichteintritt (5) in ihr Gehäuse (6) und eine im Strahlengang hinter dem Lichteintritt (5) befindliche erste Einrichtung (7) zur Umlenkung des Lichts nach oben zu der Aufnahmestelle (4) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass eine zweite Einrichtung (9) zum Umlenken des von dem Reflektor (8) kommenden Lichts zu einem Detektor vorgesehen ist, und dass die Aufnahmestelle (4) eine flächige Vertiefung an der Oberseite (13) des Gehäuses (16) der Vorrichtung (1) unterhalb des Reflektors (8) ist,

der Reflektor (8) ein Spiegel oder ein reflektierendes Prisma ist und die Probe des Mediums (2) in Gebrauchsstellung abstandslos berührt, und

die Vorrichtung (1) die Außenabmessung einer in ein Fotometer, Spektralfotometer, Fluorimeter oder Spektralfluorimeter passend einsetzbaren, von deren Licht beaufschlagbaren Küvette aufweist und dass die in dem Inneren der Vorrichtung (1) angeordneten Einrichtungen (7, 9) zur Lichtzuleitung oder Lichtumlenkung an der Stelle der Vorrichtung (1) angeordnet sind, an welcher bei üblichen Küvetten Eintritts- und Austrittsfenster für das zur Messung dienende Licht (3) vorgesehen sind, wobei die erste Einrichtung (7) zur Lichtumlenkung das von dem Fotometer oder dergleichen eingestrahlte Licht zu der Aufnahmefläche (4) umlenkt und die zweite Einrichtung (9) zur Lichtumlenkung das von der Messstelle zurückkommende Licht zu dem Detektor umlenkt.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung des neuen Hauptantrags

In Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) VOBK lässt die Kammer aus folgenden Gründen den neuen Hauptantrag zum Verfahren zu:

1.1 Der vorliegende Hauptantrag entspricht dem dritten Hilfsantrag, der in Antwort auf den Ladungsbescheid einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde. Das Einreichen des dritten Hilfsantrags einen Monat vor der mündlichen Verhandlung erlaubte der Einsprechenden und der Kammer, sich auf diesen neuen Antrag ausreichend vorzubereiten.

1.2 Ausgehend vom erteilten Anspruch 1 bestehen die Änderungen des neuen Anspruchs 1 ausschließlich in der Aufnahme von Merkmalen erteilter Ansprüche und sind daher nicht überraschend.

1.3 Gemäß der Beschwerdebegründung, Punkt 2, ging außerdem die Einsprechende bei ihrer Begründung fehlender erfinderischer Tätigkeit der beanspruchten Vorrichtung im Hinblick auf D1 noch von einer bestimmten Auslegung des Begriffs "Gehäuse" im Anspruch 1 aus, und zwar entsprächen der Probenhalter (5) von D1 zusammen mit dem Spektrometergehäuse (80) von D1 dem "Gehäuse" des Anspruchs 1. Während der Diskussion in der mündlichen Verhandlung über die erfinderische Tätigkeit der Vorrichtung des erteilten Anspruchs 1 änderte die Einsprechende ihre Argumentation jedoch grundlegend dahingehend, dass das Spektrometergehäuse (80) alleine dem "Gehäuse" des Anspruchs 1 entspräche. Die Kammer sieht das Ersetzen des erteilten Anspruchssatzes durch den vorliegenden Hauptantrag als angemessene Reaktion der Patentinhaber auf das geänderte Vorbringen der Einsprechenden an, was daher als nachträglich hinzukommender Grund für die Zulassung dieses Antrags spricht.

1.4 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 8. Auflage 2016, Kapitel IV.E.4.4.2a)) können verspätet eingereichte Hilfsanträge als unzulässig abgelehnt werden, wenn sie nicht auf einen prima facie gewährbaren Gegenstand gerichtet sind. Die Änderung soll so klar und einfach sein, dass der Gegenstand des geänderten Anspruchs ohne Weiteres verständlich und gewährbar ist.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des neuen Hauptantrags erfüllt dieses Zulassungskriterium, einerseits weil die Änderungen aus den Merkmalen der erteilten Unteransprüche bestehen, andererseits weil der Gegenstand des Anspruchs 1 bereits prima facie auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen scheint. Insbesondere enthält der vorliegende Anspruch 1 die Merkmale des erteilten Unteranspruchs 12, wodurch die Vorrichtung in bestehende Messgeräte einsetzbar ist. Dieses Konzept der Einsetzbarkeit in bestehende Messgeräte erscheint weder im recherchierten Stand der Technik offenbart noch durch ihn nahegelegt (s.u. Punkte 5 und 6) zu sein.

1.5 Die von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Gegenargumente für die Nichtzulassung des Hauptantrags überzeugen die Kammer nicht:

1.5.1 Die Einsprechende hätte in ihrer Beschwerdebegründung Einwände fehlender Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit gegen alle Unteransprüche des Patents vorgetragen.

Die Tatsache alleine, dass Einwände gegen alle erteilten Unteransprüche vorgetragen wurden, ist für die Frage der Zulassung des Hauptantrags nicht relevant, insbesondere wenn die Kammer der gegenteiligen Meinung ist, wonach der beanspruchte Gegenstand gewährbar erscheint (siehe Punkt 1.4 oben).

1.5.2 Gemäß der Einsprechenden sei der geänderte Hauptantrag sehr spät eingereicht und dieser späte Zeitpunkt könne den Patentinhabern Vorteile verschaffen. Die Einsprechende machte in diesem Zusammenhang Ausführungen zur dahingehenden rechtlichen Lage im Vereinigten Königreich.

Die Einsprechende hat durch ihr geändertes Vorbringen während der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Auslegung der Begriffe im erteilten Anspruch 1 die Patentinhaber überrascht (siehe Punkt 1.3). Die Kammer ist der Meinung, dass dieses geänderte Vorbringen den Patentinhabern die Möglichkeit eröffnet, ihre Anträge in einem gewissen Rahmen anzupassen. Der vorliegende Hauptantrag wurde nicht erst während der mündlichen Verhandlung, sondern bereits einen Monat davor eingereicht. Daher ist die Kammer, in Zusammenschau mit den weiteren Gründen (siehe Punkte 1.1, 1.2 und 1.4), der Auffassung, dass der spät eingereichte Hauptantrag zuzulassen ist. Darüber hinaus sind der Kammer konkrete, durch die Zeitwahl bedingte Vorteile für die Patentinhaber nicht ersichtlich und wurden auch nicht von der Einsprechenden geltend gemacht.

2. Änderungen

2.1 Der vorliegende Anspruch 1 basiert auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 6, 8 und 12 und erfüllt somit die Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ.

2.2 Die Einsprechende erhebt den Einwand, dass das Merkmal des Anspruchs 1, "dass die Aufnahmestelle (4) eine flächige Vertiefung an der Oberseite (13) des Gehäuses (16) der Vorrichtung (1) unterhalb des Reflektors (8) ist", über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ).

2.2.1 Gemäß der Einsprechenden hätte der Begriff "Vertiefung" im erteilten Anspruch 1 eine breite Bedeutung, weil die "Vertiefung" im Anspruch 1 nur dadurch eingeschränkt sei, dass sie sich an der Oberseite des Gehäuses der Vorrichtung befinde, wohingegen der ursprünglich eingereichte Anspruch 6 und die ursprünglich eingereichte Fassung der Beschreibung, Seite 6, Zeilen 12 bis 30, lediglich eine spezielle Art von "Vertiefung" offenbaren würden, nämlich eine "Vertiefung", die durch die Zurückversetzung der Optik oder der Enden der Lichtleiter gebildet sei. Das Wort "insbesondere" in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 6 und auf Seite 6, Zeile 17, der ursprünglich eingereichten Fassung der Beschreibung hätte nicht die Bedeutung von "zum Beispiel", "bevorzugt" oder "optional", sondern "genauer gesagt". Die Einsprechende benutzte zur näheren Erläuterung die englischen Begriffe "exactly" und "in particular". Um eine Vertiefung an der Oberseite des Gehäuses zu gestalten, sei es wesentlich, die Optik oder die Enden der Lichtleiter zurückzuversetzen. Das Fehlen dieses wesentlichen Merkmals im Anspruch 1 verstoße daher gegen das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.

Die Kammer merkt an, dass die spezifische Ausgestaltung der Vertiefung mittels einer Zurückversetzung der Optik oder der Lichtleiterenden lediglich im Zusammenhang mit dem Begriff "insbesondere" in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbart ist und für die Frage der Auslegung des strittigen Begriffs "insbesondere" ausschließlich Deutsch als Sprache der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung relevant ist. Da der Begriff "insbesondere" im ursprünglich eingereichten Anspruch 6 und in der ursprünglich eingereichten Fassung der Beschreibung, Seite 6, Zeile 17, im Sinne von "zum Beispiel", "bevorzugt" oder "optional" auszulegen ist, handelt es sich bei dem Merkmal einer durch die Optik oder Lichtleiterenden gebildeten Vertiefung lediglich um ein bevorzugtes, unwesentliches Merkmal. Diese Auslegung des Begriffs "insbesondere" ist durch den Satz auf Seite 6, Zeilen 22 bis 30 belegt, der eine Ausführungsform mit einer Vertiefung offenbart, bei der die Vertiefung lediglich bevorzugt, d.h. optional, durch eine Zurückversetzung der Optik oder der Lichtleiterenden gebildet ist.

2.2.2 Des Weiteren offenbare die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht gemäß der Einsprechenden keine Vertiefung an der Oberseite des Gehäuses der Vorrichtung, wie im vorliegenden Anspruch 1 beansprucht. Laut der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht sei die Vertiefung an der Oberseite der Vorrichtung vorgesehen. Eine Vertiefung an der Oberseite des Gehäuses bedeute, dass die zurückversetzte Optik oder die Lichtleiterenden zum Gehäuse der Vorrichtung gehörten, was jedoch ursprünglich nicht offenbart sei.

Die Kammer schließt sich der Meinung der Patentinhaber an (vgl. Punkt 2.7, Seiten 34 und 35 der Beschwerdeerwiderung), wonach aus der Figur 1 des Patents erkenntlich ist, dass die Vertiefung an der Oberseite des Gehäuses der Vorrichtung angeordnet ist und wobei das beanstandete Merkmal "nicht etwa eine materielle Ausgestaltung (im Sinne von 'gebildet durch die Oberseite des Gehäuses'), sondern eine Positionierung beansprucht ('an der Oberseite des Gehäuses')" (Hervorhebung im Original).

2.2.3 Laut den Ausführungen der Einsprechenden sei Anspruch 1 des Patents auch nicht auf eine seitlich begrenzte Vertiefung beschränkt, wie ursprünglich in Anspruch 6 und in der Beschreibung, Seite 6, Zeilen 22 bis 30, offenbart.

Die Kammer teilt die Meinung der Patentinhaber (vgl. Punkt 2.7, Seiten 35 und 36 der Beschwerdeerwiderung), dass "[d]ie als Vertiefung ausgestaltete Aufnahmestelle [...] bereits ihrem Wortlaut nach die Funktion der Aufnahme und Lokalisierung der Probe" hat.

2.3 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass die von der Einsprechenden vorgetragenen Einwände unerlaubter, über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinausgehender Änderungen und deren Begründung nicht durchgreifend sind. Somit liegt kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor.

3. Klarheit

Die Änderungen des Anspruchs 1 bestehen im Wesentlichen in der Aufnahme der Merkmale der erteilten Unteransprüche 8 und 12. Die Frage der Klarheit dieser geänderten Merkmale des Anspruchs 1 i.S.v. Artikel 84 EPÜ 1973 stellt sich somit nicht (vgl. G 3/14).

4. Ausführbarkeit

4.1 Die Einsprechende ist der Meinung, dass das Patent die beanspruchte Erfindung nicht ausreichend deutlich offenbare. Der Fachmann würde nicht wissen, wie die verschiedenen opto-mechanischen Komponenten mit der benötigten Präzision positioniert und festgehalten werden (Punkte 86 und 87 der Beschwerdebegründung).

Die Kammer teilt die Meinung und deren Begründung der Patentinhaber (vgl. Punkt 2.8, Seiten 37 bis 39 der Beschwerdeerwiderung), dass der Fachmann auf dem Gebiet der Optik und Feinmechanik den Gegenstand des Anspruchs 1 ausführen kann.

4.2 Zur Untermauerung ihrer Ansicht bezüglich der hohen Komplexität des Aufbaus der beanspruchten Vorrichtung und daher der Notwendigkeit, dass das Patent detaillierte Informationen betreffend des Aufbaus der Vorrichtung offenbare, verwies die Einsprechende während der mündlichen Verhandlung auf die in den Druckschriften D5, Spalte 1, Zeilen 20 bis 25, sowie D6, Absatz [0007], beschriebenen Problemstellungen. Das Patent selbst, wie beispielsweise in den Absätzen [0023] und [0037] ersichtlich, offenbare lediglich allgemeine bzw. ungenaue Informationen, die dem Fachmann nicht erlaubten, die Erfindung auszuführen. So bleibe die Ambiguität, ob die in Absatz [0037] beschriebene Linse (12) den Lichtstrahl fokussiere oder nach unendlich abbilde, im Patent ungelöst. Ein anderes Beispiel der unzureichenden Offenbarung sah die Einsprechende darin, dass die Lichtleiterenden in den Figuren 1, 2, 5 und 6 frei in der Luft hängen und die Patentbeschreibung deren konkrete Befestigung nicht offenbare.

Wie die Patentinhaber während der mündlichen Verhandlung überzeugend vortrugen, sind die in D5 oder D6 beschriebenen Problemstellungen nicht relevant für die vorliegende Erfindung. Darüber hinaus würden ja Lösungen für diese bekannten Probleme in den jeweiligen Druckschriften offenbart. Daher könnte der Fachmann wegen der in D5 oder D6 beschriebenen Problemstellungen nicht davon abgehalten werden, die Erfindung auszuführen. Weiterhin beschreibt das Patent mittels der Zeichnungen und der Begriffe des Anspruchs 1 "obere flächige", "oberhalb der Aufnahmestelle", "unterhalb der Aufnahmestelle", "hinter dem Lichteintritt", "nach oben", "an der Oberseite" und "unterhalb des Reflektors" auf hinreichend klare Weise die Anordnung der Komponenten im Gehäuse der Vorrichtung. Die konkrete, optische Ausfertigung der Linse (12) und deren Abstand zu den Lichtleitern ist zwar im Absatz [0037] des Patents nicht detailliert beschrieben, der Fachmann weiß jedoch, wie eine Linse geformt werden muss, damit der Lichtstrahl die erforderlichen Eigenschaften für die jeweilige Anwendung aufweist. Bezüglich der in den Zeichnungen gezeigten, freihängenden Lichtleiterenden ist dem Fachmann bewusst, dass die Lichtleiterenden mittels bekannter Faserkoppelelemente an dem Gehäuse zu befestigen sind.

4.3 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass die von der Einsprechenden vorgetragenen Einwände unzureichender Offenbarung der Erfindung und deren Begründung nicht durchgreifend sind. Somit stehen die Voraussetzungen des Artikels 83 EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.

5. Neuheit

Die Einsprechende erhob keinen Einwand fehlender Neuheit hinsichtlich der beanspruchten Vorrichtung. Die Kammer sieht ebenfalls keinen Grund, die Neuheit des Gegenstands des vorliegenden Anspruchs 1 in Frage zu stellen.

Somit ist die Vorrichtung neu gegenüber dem vorliegendem Stand der Technik (Artikel 54 (1) EPÜ 1973).

6. Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

6.1 D1 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen.

Die beanspruchte Vorrichtung unterscheidet sich von der aus D1 bekannten Vorrichtung wenigstens durch die Merkmale des erteilten Unteranspruchs 12, d.h. dadurch, dass die Vorrichtung (1) die Außenabmessung einer in ein Fotometer, Spektralfotometer, Fluorimeter oder Spektralfluorimeter passend einsetzbaren, von deren Licht beaufschlagbaren Küvette aufweist und dass die in dem Inneren der Vorrichtung (1) angeordneten Einrichtungen (7, 9) zur Lichtzuleitung oder Lichtumlenkung an der Stelle der Vorrichtung (1) angeordnet sind, an welcher bei üblichen Küvetten Eintritts- und Austrittsfenster für das zur Messung dienende Licht (3) vorgesehen sind, wobei die erste Einrichtung (7) zur Lichtumlenkung das von dem Fotometer oder dergleichen eingestrahlte Licht zu der Aufnahmefläche (4) umlenkt und die zweite Einrichtung (9) zur Lichtumlenkung das von der Messstelle zurückkommende Licht zu dem Detektor umlenkt.

Mittels der Außenabmessung einer Standardküvette und der besonderen Anordnung der beiden Lichtleiter ist die beanspruchte Vorrichtung sehr einfach in bestehende Messgeräte an Stelle einer Standardküvette einsetzbar. In Verbindung mit den restlichen Merkmalen der Vorrichtung wird dadurch das Problem gelöst, Messungen an kleinen Mengen wie einem Tropfen leichter als anhand einer Standardküvette, die beispielsweise einen Querschnitt von 12,5 x 12,5 mm aufweist, ausführen zu können.

Die beanspruchte Vorrichtung ist im Wesentlichen vergleichbar mit der Kombination des in Figur 1 von D1 gezeigten Spektrometergehäuses (80) und des Probenhalters (5), und zwar unabhängig davon, ob das Spektrometergehäuse (80) alleine, der Probenhalter (5) alleine oder die Kombination der beiden Bauteile dem Gehäuse der beanspruchten Vorrichtung entspricht.

Es ist jedoch technisch abwegig, die das Spektrometergehäuse (80) und den Probenhalter (5) umfassende Vorrichtung von D1 so auszufertigen, dass sie eine Außenabmessung einer Standardküvette aufweist. Dies wurde von der Einsprechenden nicht in Frage gestellt.

Daher gelangt der Fachmann ausgehend von D1 nicht auf offensichtliche Weise zur beanspruchten Vorrichtung.

6.2 Die Einsprechende argumentierte, dass der Probenhalter (5) von D1 in eine Küvettenhalterung eines Standardspektrophotometers eingefügt werden könne (D1, Absatz [0043]). Da in D5 eine anspruchsgemäße Lichtleiteranordnung gezeigt werde, sei es offensichtlich, dass die Vorrichtung, die sich aus der Kombination von D1 und D5 ergeben würde, die im Anspruch 1 definierte Außenabmessung und die Lichtleiteranordnung aufweisen würde.

Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. Die Tatsache, dass D1 die Einsetzbarkeit des Probenhalters (5) von D1 in eine Standardküvettenhalterung vorsieht, ist nicht relevant für die Frage, ob die gesamte, das Spektrometergehäuse (80) und den Probenhalter (5) umfassende Vorrichtung von D1 in eine Standardküvettenhalterung einsetzbar ist. Darüber hinaus ist die Kombination der beiden Druckschriften D1 und D5, wie von den Patentinhabern im schriftlichen Verfahren als auch während der mündlichen Verhandlung überzeugend vorgetragen, nicht offensichtlich, weil die jeweiligen technischen Gebiete nicht miteinander kompatibel sind. D1 beschäftigt sich nämlich mit entnehmbaren Probenträgern, die in Küvettenhalterungen von Messgeräten einsetzbar sind, wohingegen D5 Tauchsonden zur Fernanalyse offenbart.

Aber auch im Falle einer Kombination von D1 und D5 bliebe ungeklärt, wie und warum eine daraus entstandene Vorrichtung eine Außenabmesssung einer Küvette annehmen sollte, insbesondere da keine der beiden Vorrichtungen in D1 und D5 eine solche Außenabmessung aufweist. Die Einsprechende hat diesbezüglich sowohl in der Beschwerdebegründung (Punkte 71 und 72) als auch während der mündlichen Verhandlung keine konkreten Ausführungen gemacht.

6.3 Auf ausdrückliche Nachfrage der Kammer verneinte die Einsprechende die Frage, ob sie sonstige Einwände gegen den Gegenstand des Anspruchs 1, eventuell auf Grundlage weiterer Druckschriften, erheben möchte. Die Kammer sieht ebenfalls keinen anderen Grund, die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstands, insbesondere auch nicht im Lichte der in der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände, in Frage zu stellen.

6.4 Daraus folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

7. Die Kammer ist somit der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der von den Patentinhabern vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche: 1 bis 13 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2019 zuletzt gestellten Hauptantrag (vormaliger Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2018)

- Beschreibung: Seite 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2019 im Zusammenhang mit dem dort zuletzt gestellten Hauptantrag; Seiten 3 bis 7 wie erteilt

- Zeichnungen: Fig. 1 bis 6 wie erteilt.

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